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Grunddienstbarkeit – Keine Abänderung durch Auslegung sondern nur durch Eintragung

AG Pfaffenhofen – Az.: 1 C 151/22 – Urteil vom 22.07.2022

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 3.000,00 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Kläger machen gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erweiterung ihres Geh- und Fahrtrechts geltend.

Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks Sch-Straße A. Die Beklagte ist Eigentümerin des Grundstücks Sch-Straße b. Die Parteien sind Nachbarn.

Mit notarieller Urkunde vom 17.11.1998 wurde auf das Grundstück der Beklagten ein Geh- und Fahrtrecht bestellt wie folgt:

„Die Zufahrt zu dem heute nicht mitverkauften Restgrundstück (Einfügung des Gerichts: Hierbei handelt es sich um das jetzige Grundstück der Kläger), welches an die Ehegatten G und H veräußert wird, erfolgt über den im beigefügten Grundstückslageplan rot schraffiert eingezeichneten Teil der heutigen Vertragsfläche. Der Ausübungsbereich hat nach Angabe eine Breite von 2,50 m, seine Einmündung in die öffentliche Straße allerdings eine Breite von 3 m.

Aus diesem Grund wird hiermit dem jeweiligen Eigentümer des heute nicht mitverkauften Restgrundstücks das immer währende unentgeltliche Geh- und Fahrtrecht über die heutige Vertragsfläche eingeräumt.

Der Ausübungsbereich dieses Geh- und Fahrtrechts ist – wie bereits ausgeführt – auf dem beigefügten Grundstückslageplan rot eingezeichnet.

Kraft dieses Geh- und Fahrtrechts kann der Berechtigte über den Grundbesitz gehen und fahren, um von der öffentlichen Straße zu seinem Grundstück zu gelangen bzw. in umgekehrter Richtung zu gehen und zu fahren.

Die Ausübung durch Besucher, Mieter, Lieferanten, Polizei, Sanitäts- und Feuerwehrfahrzeuge sowie die Fahrzeuge für die Ver- und Entsorgung ist ebenfalls Inhalt dieser Dienstbarkeit.

Der Eigentümer des dienenden Grundbesitzes ist zur Mitbenutzung des Weges befugt.“ Im Übrigen wird auf die entsprechende Anlage zur Klageschrift Bezug genommen.

Die Kläger hatten vorgerichtlich versucht, mit der Beklagten eine Einigung zu erzielen. Letztmals wurde die Beklagte mit Schreiben vom 19.01.2022 gebeten, der klägerischen Bitte nachzukommen. Darüber hinaus wurde durch den Klägervertreter mit Schreiben vom 23.02.2022 ein weiterer Versuch unternommen. Mit Schreiben vom 05.03.2022 teilte die Beklagte mit, dass sie einer Änderung des Geh- und Fahrtrechts nicht zustimmen werde.

In Urkundsnummer …….des Notars B vom 17.11.1998 ist unter I. Vorbemerkung vermerkt: „Die Firma G errichtet auf dem vorgenannten Grundstück Flur-Nr. XYZ der Gemarkung P zwei Doppelhaushälften mit Garagen. … Die Baugenehmigung liegt bereits vor.“

Auf die Anlage zur Klageerwiderung wird ausdrücklich vollinhaltlich Bezug genommen.

Die Baufirma errichtete auf dem Grundstück Flurstück-Nr. XYZ der Gemarkung P zwei Doppelhaushälften mit Garagen. Insoweit wurde Flurstück XYZ geteilt, wobei die Teilfläche die Flur-Nr. XYZ/1 erhielt. Die Flur-Nr. XYZ/1 wurde von der Beklagten erworben, die Kläger wurden Eigentümer der Flur-Nr. XYZ.

Die Kläger tragen vor, dass sich herausgestellt habe, dass die Breite von 3 m an der Einmündung in die öffentliche Straße nicht mehr genüge, um ein gefahrloses Einfahren in die öffentliche Straße zu gewährleisten. Insoweit glauben die Kläger, dass diese Breite von 3 m vor 25 Jahren deswegen gewählt worden sei, da niemand an einen stark zunehmenden Verkehr gedacht habe, auch nicht an größere und vor allem breitere Fahrzeuge und letztlich wohl nicht sicher gewesen sei, ob dieser hintere Bereich überhaupt je bebaut werden würde. Im Übrigen seien die Beteiligten wohl mehr von einem „Begehen“ als von einem „Befahren“ ausgegangen. Die Kläger sind daher der Ansicht, dass die erwähnten 3 m den heutigen Erfordernissen für die Einfahrt in die öffentliche Straße nicht mehr genügen würden. Insoweit würde ein gefahrloses und ungehindertes Ein- und Ausfahren in die öffentliche Straße in dem Ein-/Ausfahrbereich eine Breite von 4,50 m erfordern. Insoweit habe eine Anfrage bei der zuständigen Baubehörde ergeben, dass niemand mehr eine Baugenehmigung bekommen würde, wenn nicht eine breitere verkehrsmäßige Erschließung als 3 m vorhanden/gesichert wäre. Die begehrten 4,50 m seien das Mindeste, was für einen solchen spitzwinkligen Einfahrtsbereich notwendig sei. Darüber hinaus tragen die Kläger vor, dass Einsatzfahrzeuge/Sonderfahrzeuge nie und nimmer mit 3 m im Einfahrtsbereich auskommen würden. Die Probleme hinsichtlich des Ein- und Ausfahrtsbereich würden, so meinen jedenfalls die Kläger, nicht bestehen, wenn in diesem Einfahrtsbereich nicht ab diesen 3 m geparkt würde. Die Beklagtenseite würde bei einer Verbreiterung auf 4,50 m keine Nachteile erleiden, allenfalls vielleicht würde eine kleine Parkfläche wegfallen vor der Garage der Beklagten. Die Kläger sind der Auffassung, dass von einer abschließend fixierten inhaltlichen Breite beim gegenständlichen Geh- und Fahrtrecht nicht gesprochen werden könne, vielmehr eine Umfangserweiterung entsprechend den genannten Bedürfnissen begründet sei. Darüber hinaus sind die Kläger der Auffassung, dass Streitfrage gegenständlich auch sei, ob das geschriebene Geh- und Fahrtrecht überhaupt praktikabel sei, in dem Sinne, ob ein ungehindertes Einfahren in die öffentliche Straße möglich sei, unabhängig davon, mit welchem Fahrzeug dies beabsichtigt wäre.

Die Kläger beantragen zuletzt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern das auf ihrem Grundstück Flur-Nr. XYZ/1 der Gemarkung P für die Kläger eingeräumte Geh- und Fahrtrecht an der Einmündung in die öffentliche Straße in einer Breite von 4,50 m zu gewähren.

2. Die Beklagte wird verurteilt, diese Änderung der Dienstbarkeit im Grundbuch für P, Band X, Blatt Y, zu veranlassen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, den Klägern vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 406,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Zustellung der Klage zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, Klageabweisung.

Die Beklagte trägt vor, dass von Anfang an geplant gewesen sei, auf dem benannten Grundstück ein Doppelhaus zu errichten. Darüber hinaus führt die Beklagte aus, dann bis zum Erwerb der Doppelhaushälfte vor circa zwei Jahren durch die Kläger von dem Voreigentümer bezüglich der Grunddienstbarkeit keinerlei Beschwerden oder Wünsche vorgebracht worden seien. Die Beklagte ergänzt, dass sie den Gartenzaun vor der Grundstücksgrenze bereits um 50 cm zurückgesetzt habe, so dass den Klägern für die Einfahrt nicht nur die grundbuchrechtlich gesicherte Breite von 2,50 m an einem Ende des Grundstücks, sondern tatsächlich 2,80 m zur Verfügung stünde. An der Einmündung stehe den Klägern nicht nur die grundbuchrechtlich gesicherte Breite von 3,00 m, sondern von 3,50 m zur Verfügung. Darüber hinaus führt die Beklagte aus, dass sie das Ein- und Ausfahren mit einem großen Pkw regelmäßig beobachten könne. Der Wunsch der Kläger zur Befahrung mit größeren und vor allem breiteren Fahrzeugen reiche nach Auffassung der Beklagten nicht aus, um dem Begehren der Kläger stattzugeben. Es werde bestritten, dass eine Mindestbreite von 4,50 m für ein ungehindertes Ein- und Ausfahren erforderlich sei. Die Bebauung entspreche den damaligen bauordnungsrechtlichen Vorgaben. Weiter führt die Beklagte aus, dass aufgrund der geltenden Entfernung von dem öffentlichen Straßenbereich zur Doppelhaushälfte am Eingang der Kläger Fahrzeuge auch vom öffentlichen Straßenraum aus operieren könnten. Ergänzend trägt die Beklagte, dass sie ihr Fahrzeug auch auf dem Stellplatz vor ihrer Garage abstellen dürfe. Bei einer Ausweitung des Nutzungsbereichs würde dieser Stellplatz wegfallen und wäre für Pkws nicht mehr nutzbar. Hierdurch würde der Wert der Immobilie der Beklagten reduziert, dies umso mehr, als dann zum Beispiel das Aufladen eines Elektrofahrzeugs auf dem Stellplatz der Beklagten vor der Garage nicht mehr möglich sei.

Im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien und auf deren dortigen Vorträge sowie auf die mit den Schriftsätzen übersandten Anlagen als auch auf das Protokoll vom 29.06.2022 und die im Termin übergebenen Anlagen als auch auf den Schriftsatz vom 08.07.2022 vollinhaltlich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage war als unbegründet abzuweisen.

I.

Die Kläger hatten keinen Anspruch auf eine Erweiterung des eingeräumten Geh- und Fahrtrechts im Einmündungsbereich und in der Folge auch keinen Anspruch, eine Änderung im Grundbuch eintragen zu lassen.

Die Vorschrift des § 1018 BGB gibt keinen bestimmten Inhalt der Grunddienstbarkeit vor, sondern dieser muss jeweils durch die Beteiligten anlässlich der Bestellung näher festgelegt und so bestimmt werden, dass der Umfang der Belastung aus der Eintragung selbst oder in Verbindung mit der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung ohne weiteres ersichtlich ist (Bestimmtheitsgebot). Der Rechtsinhalt muss auf Grund objektiver Umstände erkennbar und für einen Dritten verständlich sein, sodass dieser in der Lage ist, die hieraus folgende höchstmögliche Belastung des Grundstücks einzuschätzen und zumindest eine ungefähre Vorstellung davon zu gewinnen, welche Bedeutung die Dienstbarkeit für das Eigentum haben kann (BGH NJW-RR 2015, 208 Rn. 19). Der Inhalt muss sich allerdings im Rahmen der drei durch das Gesetz vorgezeichneten zulässigen Grundstücksbelastungen halten.

Zulässig ist die Einräumung einer Nutzungsbefugnis für den Eigentümer des herrschenden Grundstücks, dem das Recht eingeräumt wird, das dienende Grundstück in einzelnen Beziehungen zu benutzen. Beispielsweise kann eine reale Nutzungsmöglichkeit an einem Grundstück dergestalt eingeräumt werden, dass durch den Berechtigten über das dienende Grundstück gegangen und gefahren werden kann (Geh- und Fahrtrecht), oder – weitergehend -, auf dem belasteten Grundstück einen Kraftfahrzeugabstellplatz sowie einen dahin führenden Zufahrtsweg benutzen zu dürfen (KG BeckRS 2019, 19913 Rn. 10), wobei die Grunddienstbarkeit mit dem Inhalt eins Kfz-Stellplatzes als unselbstständiges Anhangsrecht auch das Recht zur Mitbenutzung der Zu- und Abfahrt umfasst (KG LSK 2019, 22525).

Zur (späteren) Ermittlung des ursprünglichen Inhalts einer Dienstbarkeit ist vorrangig auf Wortlaut und (mittels Auslegung auf den) Sinn der Grundbucheintragung und der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt. Das vorrangige Abstellen auf den Wortlaut der Eintragung bzw. der ihr zugrunde liegenden Bewilligung unter Einbeziehung offen zu Tage tretender objektiver Umstände lässt die Notwendigkeit umfangreicher Beweiserhebungen durch Vernehmung der Parteien oder von Zeugen über die bei Vertragsschluss bestehenden Vorstellungen regelmäßig entfallen (OVG Lüneburg BeckRS 2020, 27357). Der wesentliche Inhalt des Benutzungsrechts muss aber zumindest schlagwortartig im Grundbuch selbst gekennzeichnet sein, die Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung ist nur zur näheren Bezeichnung des Inhalts des Rechtes zulässig (BGH BeckRS 2021, 45180 Rn. 11). Umstände außerhalb dieser Urkunden dürfen jedoch insoweit mit herangezogenen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH BeckRS 2020, 35374; DNotZ 2003, 704 (705); NJW-RR 2020, 77 Rn. 6).

Wege- und Fahrtrechte (Durchfahrtrechte, Überfahrtrechte, Zufahrtrechte usw) werden bestellt, um einen Zugang zum herrschenden Grundstück über das dienende Grundstück zu ermöglichen. Diese Rechte bilden einen besonders typischen Anwendungsfall für eine Grunddienstbarkeit nach § 1018 Fall 1 BGB. Sie haben eine große praktische Bedeutung.

Häufige Probleme ergeben sich insbesondere hinsichtlich des Umfangs der nach der Grunddienstbarkeit zulässigen Nutzung. Dabei ist zu unterscheiden zwischen dem ursprünglichen Inhalt der Grunddienstbarkeit und einer – vor allem durch Zeitablauf und durch veränderte Umstände notwendig gewordenen – inhaltlichen Anpassung der Grunddienstbarkeit.

Maßgebend für den Inhalt und Umfang eines Wege- oder Fahrtrechts sind – wie auch sonst – Wortlaut und Sinn des Grundbucheintrags sowie die sonstigen, für jedermann erkennbaren Umstände. Insbesondere ist zu berücksichtigen, welchem Zweck das Wegeoder Fahrtrecht dienen soll. Wird umgekehrt eine nähere Zweckbestimmung bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit nicht getroffen, bedürfen Einschränkungen des Rechts besonderer Begründung.

Der Umfang der tatsächlichen Inanspruchnahme einer Dienstbarkeit, insbesondere wenn sie nicht zeitlich begrenzt bestellt wird, ist nicht unabänderlich für alle Zeiten festgelegt. Dies betrifft vor allem Wegerechte. Auch § 1019 BGB, wonach zwingend zum Wesen einer Grunddienstbarkeit deren Vorteilhaftigkeit für das herrschende Grundstück gehört, lässt die Bestellung für künftige Zwecke zu. Gemäß § 1020 S. 1 BGB hat der Dienstbarkeitsberechtigte bei Ausübung seines Rechts das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen. Es handelt sich bei dieser Bestimmung um eine Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes von Treu und Glauben. Dieser und das Gebot der Rücksichtnahme haben für eine ohne zeitliche Begrenzung bestellte Dienstbarkeit maßgebliche Bedeutung. Insbesondere sollen sie den Umfang und die Grenzen einer Anpassung an geänderte Verhältnisse bestimmen. Wird der Dienstbarkeitsinhalt mit einem Pauschalbegriff wie zum Beispiel Geh- und Fahrtrecht, Zugang, Zufahrt, Wegerecht, wegemäßige Verbindung zur öffentlichen Straße etc. beschrieben, muss zunächst durch Auslegung ermittelt werden, welche Tätigkeiten hiervon umfasst und welche nicht gestattet sind. Es handelt sich um eine anfängliche Inhaltsbestimmung. Insoweit geht es nicht anders als bei abstrakten Rechtsbegriffen in Normen um eine Frage der Subsumtion. Anders als bei schuldrechtlichen Verträgen ist bei Grundbucheintragungen nicht in erster Linie das von den Parteien bei der Bestellung Gewollte zu ermitteln, sondern auf den Sinn abzustellen, wie er sich einem unbefangenen Beobachter als nächstliegende Bedeutung ergibt. Umstände außerhalb des Grundbuchs können deshalb nur herangezogen werden, wenn sie im Einzelfall für jedermann ohne weiteres erkennbar sind und dem eingetragenen Text zu einer eindeutigen Deutung verhelfen. Es gilt somit ein objektiver Maßstab.

Wurde der Inhalt eines Geh- und Fahrtrechts nicht abschließend fixiert, erweitert er sich entsprechend der Bedürfnisse, wenn bei einer der Art nach gleichbleibenden Benutzung des herrschenden Grundstücks in Folge technischer oder wirtschaftlicher Entwicklung der Nutzungsbedarf steigt. (vgl. OLG München, Urt. v. 11.5.2016 – 20 U 4164/15, in NJOZ 2017, 302, beck-online)

Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass keine Versteinerung des Dienstbarkeitsinhalts auf den Zustand zur Zeit der Bestellung stattfindet. Eine Anpassung des Rechtsinhalts ist möglich, wenn sich infolge der geänderten Verhältnisse eine Änderung des Nutzungsumfangs ergibt, bei der jedoch die Art der Benutzung des Grundstücks dem Wesen nach gleich bleibt. Die Grenze bildet die bei Bestellung nicht voraussehbare willkürliche Benutzungsänderung des herrschenden Grundstücks, die zu einer unzumutbaren Mehrbelastung des dienenden Grundstücks führt. Die Möglichkeit einer Anpassung besteht aber nicht, wenn der Dienstbarkeitsinhalt genau festgelegt ist. Dann gilt nur diese Inhaltsbestimmung. Das inhaltlich fixierte Maß stellt den äußersten Umfang der Benutzung dar, der auch einer Erweiterung nicht zugänglich ist.

Hierzu hatte das OLG Zweibrücken Stellung genommen und ausgeführt: „Zwar kann sich der Inhalt einer Grunddienstbarkeit bei Änderung der Verhältnisse nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) ändern (RGZ 169, 180, 183; OLG München HRR 42, 347; BGH DNotZ 1959, 240, 242; OLG Hamburg MDR 1963, 679). Bei der Bestimmung des Umfanges einer solchen Dienstbarkeit ist im Allgemeinen auch solchen Veränderungen im Gebrauch der Verkehrsmittel Rechnung zu tragen, die die technische Entwicklung mit sich bringt. Der Inhalt einer dinglichen Belastung kann aber nur im Rahmen einer solchen Steigerung wachsen, die sich noch in den Grenzen einer der Art nach gleichbleibenden Benutzung des dienenden Grundstücks hält (BGH NJW 1959, 2059, 2060). Ist der gesteigerte Bedarf des herrschenden Grundstückes auf eine im Zeitpunkt der Grunddienstbarkeitsbestellung nicht voraussehbare oder willkürliche Betriebsänderung zurückzuführen, so braucht der Eigentümer des dienenden Grundstücks die hierdurch erhöhte Inanspruchnahme nicht zu dulden (BGH aaO; RG LZ 1930, 315; Meißner-Stern-Hodes Nachbarrecht 3. Aufl. § 31 II).(…) der Kläger ist in keinem Fall berechtigt, ein Geh- oder Fahrrecht in einer Breite von mehr als 2,50 m in Anspruch zu nehmen. Eine längere widerspruchslose Duldung einer bestimmten Ausübung auf Grund wirtschaftlicher und technischer Veränderungen stellt noch keine rechtsgeschäftliche Änderung einer Grunddienstbarkeit dar, bildet allerdings einen Anhalt für die Auslegung ihres Inhaltes und Umfanges (BGH LM BGB § 242 (D) Nr. 41 = NJW 1960, 673). Ist aber eine Grunddienstbarkeit nach ihrem klaren Wortlaut inhaltlich eindeutig bezeichnet, kann keine Auslegung – die sich nach der allgemeinen wirtschaftlichen oder technischen Entwicklung richtet – Platz greifen (BGH LM BGB § 1018 Nr. 10 = NJW 1963, 1247; LM BGB § 1018 Nrn. 4, 5). In diesem Falle kann auch durch eine stillschweigende Einigung das dingliche Recht nicht erweitert werden. Eine Änderung des dinglichen Rechts hätte nur durch Eintragung des abgeänderten Inhalts bewirkt werden können (BGH aaO; BGH LM BGB § 242 (D) Nr. 41 = NJW 1960, 673).“ (OLG Zweibrücken, Urteil vom 6. 11. 1967 – 2 U 24/66, in OLGZ 1968, 143, beckonline)

Wenn die Ausübungsstelle durch rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Beteiligten als Inhalt der Dienstbarkeit festgelegt und diese Inhaltsbestimmung in das Grundbuch eingetragen worden ist, erfordert die Änderung des Rechtsinhalts in gleicher Weise wiederum eine Einigung und Eintragung. (vgl. BGH, Urteil vom 7. 10. 2005 – V ZR 140/04, in NJWRR 2006, 237, beck-online)

Streitgegenständlich ist laut Urkunde der Ausübungsbereich hinsichtlich der Breite konkret mit 2,50 m und der Einmündungsbereich streitgegenständlich mit 3 m ausdrücklich vereinbart worden.

Dementsprechend entzieht sich dieser Umstand einer Auslegung, wie sie der Kläger begehrt. Die damaligen Vertragsparteien hatten bei Abschluss des Geh- und Fahrtrechts sich dahingehend konkret geeinigt, wie die Breite des Ausübungsbereichs und insbesondere wie breit der Einmündungsbereich in dem Bereich der öffentlichen Straße sein soll.

Dementsprechend war hier für die oben geschilderte Auslegung kein Raum.

Die Problemstellung seitens der Kläger ist nachvollziehbar. Gleichermaßen ergibt sich daraus korrespondierend aber auch eine Problematik auf der Beklagtenseite. Soweit der Einmündungs- und wie begehrt der Ausübungsbereich gerade an der Einmündung zur öffentlichen Straße des streitgegenständlich dienenden Grundstücks betroffen ist, führt eine Ausdehnung auf der einen Seite zu einer Einschränkung der Abstellmöglichkeit vor der Garage der Beklagten andererseits.

Bei der öffentlichen Straße im Einmündungsbereich befindet sich eine Kurve. Darüber hinaus befinden sich beide Doppelhäuser in einer reinen Wohnsiedlung, so dass Verkehr hier nur von Seiten der Anwohner besteht. Ein wie auch immer gearteter erhöhter Verkehrsdruck ist sicherlich an gegenwärtiger Stelle nicht gegeben, aufgrund der Straßensituation vielmehr eine übersichtliche Stelle, an der die Verkehrsteilnehmer aufgrund der Kurve nur langsam fahren können.

In diesem Zusammenhang spielt der Umstand der Baugenehmigung diesbezüglich entgegen der Ansicht der Klagepartei keinerlei Bedeutung mehr. Die streitgegenständlichen Doppelhaushälften, insbesondere die Doppelhaushälfte der Klägerseite, ist aufgrund damals bestehender Baugenehmigung errichtet worden. Änderungen diesbezüglich führen nunmehr nicht mehr zum Wegfall der Baugenehmigung. Für die damals zuständige Baubehörde war entscheidend, dass der Zugang zur Doppelhaushälfte der Kläger aufgrund des grundbuchrechtlich gesicherten Geh- und Fahrtrechts gewährleistet war. In welcher Form gegenwärtig die Erschließung gesichert sein müsste, falls nunmehr eine Baugenehmigung aktuell zu beantragen wäre, kann dahinstehen, da dies nicht mehr entscheidend ist. Die klägerische Doppelhaushälfte ebenso wie die Doppelhaushälfte der Beklagten genießen Bestandsschutz, so dass Änderungen an den gesetzlichen Voraussetzungen zur Erteilung einer Baugenehmigung hier keinerlei Auswirkung mehr haben können.

Aber auch das Anbieten eines Sachverständigenbeweises hinsichtlich der wechselseitig vorgebrachten Behauptungen hinsichtlich des Geh- und Fahrtrechts war nicht nachzukommen. Gegenständlich geht es nicht darum, wie im konkreten Fall durch die Kläger nunmehr im Einzelnen das Geh- und Fahrtrecht genutzt werden kann. Maßgeblich ist vielmehr der konkret vereinbarte Inhalt des Geh- und Fahrtrechts, der einer Auslegung wie oben dargestellt – jedenfalls in diesem geltend gemachten Punkt entzogen ist. Eine Anpassung des Einmündungsbereichs entgegen dieser konkreten Vereinbarung, die zudem auch noch grundbuchmäßig abgesichert ist, ist entgegen der Hoffnung der Kläger nicht möglich, auch wenn durch die gegenwärtige tatsächliche Ausübung, wie wechselseitig vorgebracht, bereits ein größerer Einmündungsbereich beansprucht werden sollte. Mangels wirksamer Einigung und Eintragung kann diese zwischen den Parteien bereits bestehende Erweiterung des Ausübungsbereichs nicht zum Inhalt des abgesicherten Geh- und Fahrtrechts werden. Hierzu wäre eine rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Beteiligten und nicht nur eine konkludente Duldung der Ausübungserweiterung als Inhalt der Dienstbarkeit und die Eintragung dieses Inhalts ins Grundbuch erforderlich.

An diesem Ergebnis würde auch ein Sachverständigenbeweis nichts ändern können, auch wenn das Ergebnis des Sachverständigengutachtens die Feststellung der Richtigkeit der einen oder der anderen Behauptung ergeben würde; denn Inhalt des Geh- und Fahrtrechts ist entgegen der Behauptung der Klagepartei überhaupt nicht, ob dieses Recht auch tatsächlich entsprechend der Vorstellung der ursprünglichen Parteien genutzt werden konnte oder nur schwierig genutzt werden konnte oder überhaupt nicht genutzt werden konnte. Die tatsächliche Nutzbarkeit in Form der tatsächlichen Ausübung des Rechts war bei der Bestellung gar nicht Gegenstand. Ein tatsächlich vorhandener Fahrweg war eben noch gar nicht vorhanden. Die tatsächliche Umsetzbarkeit war gar nicht zum Inhalt des Rechts geworden, da es zum damaligen Zeitpunkt einzig um die Herstellung der Erschließung insoweit ging, als die Beteiligten eine Baugenehmigung der zuständigen Genehmigungsbehörde brauchten. Die reale Nutzbarkeit war insofern nicht von Bedeutung, so dass diese nunmehr nachträglich auch nicht wegen gegenwärtiger Problematik bzw. wegen gegenwärtigen Bedürfnisses zum Inhalt des Geh- und Fahrtrechts werden konnte, weil die tatsächliche Ausübbarkeit nie Gegenstand desselben war. Insoweit gibt es gerade keinen Verweis in der Bestellungsurkunde, die auf eine bereits erfolgte Durchführung, insbesondere auf einen bereits vorhanden Weg Bezug nimmt.

Aufgrund der konkreten Festlegung sogar zahlenmäßig konkret bestimmt in der Einigung und der diesbezüglich erfolgten Eintragung ins Grundbuch war im Ergebnis eine auslegungsweise Erweiterung bzw. eine Erweiterung aufgrund tatsächlich konkludenter Ausübung rechtlich nicht möglich.

Einzig verbleibt die rechtsgeschäftliche Vereinbarung der Beteiligten in Form einer entsprechenden Inhaltsänderung des Geh- und Fahrtrechts.

Der Antrag Ziffer I. war damit als unbegründet abzuweisen.

II.

Dem folgend war auch der Antrag II. als unbegründet abzuweisen.

Als Annex war auch der Antrag III. als unbegründet abzuweisen.

III.

Die Klage war daher insgesamt als unbegründet abzuweisen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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