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Grunddienstbarkeit – Baulasterklärung als Nebenpflicht aus Schuldverhältnis

LG Bochum – Az.: I-4 O 286/15 – Urteil vom 27.04.2016

Der Beklagte wird verurteilt, gegenüber dem Bauordnungsamt der Stadt C nachfolgende Erklärung abzugeben, wobei die Erklärung in Schriftform und durch einen Notar in beglaubigter Form zu erstellen ist, Zug um Zug gegen Übernahme der dem Beklagten durch eine notarielle Beglaubigung entstehenden Kosten durch den Kläger:

„Baulasterklärung Zuwegungsbaulast

Ich, Herr E, wohnhaft E-Str. …, bin Eigentümer des Grundstücks in C, E-Str. …, Gemarkung E, Flur 14, Flurstück 22.

Ich übernehme hiermit nachstehende öffentlich-rechtliche Verpflichtung für o.g. Grundstück und beantrage die Eintragung in das Baulastverzeichnis von C:

Verpflichtung auf dem Flurstück eine Fläche von 40 m Länge und 4 m Breite, die in dem in Anlage 1 beigefügten Lageplan grün schraffiert ist, als Zuwegung (Zu- und Abfahrt) im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 der Bauordnung NRW zu dem Grundstück E-Str. …, Gemarkung E, Flur 14, Flurstück 158 anzulegen und zu unterhalten, ständig freizuhalten und allen Benutzern zugänglich zu machen.

Diese Erklärung gilt als Baulasterklärung im Sinne von § 83 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 01.03.2000 (GV.NW S. 256) in der z.Z. gültigen Fassung.

Diese Erklärung ist kraft Gesetzes gegenüber allen Rechtsnachfolgern wirksam und kann nur gelöscht werden, wenn ein öffentlich-rechtliches Interesse am Bestehen der Baulast nicht mehr vorliegt.

Durch diese Verpflichtung werden zusätzliche privatrechtliche Vereinbarungen (Anlegung, Instandhaltung, Entschädigung, dingliche Sicherung usw.) nicht berührt bzw. ersetzt.

Bochum, den…

……………………

(Unterschrift: E).“

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 10.000,00 EUR vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger nimmt den Beklagten auf Abgabe einer Baulasterklärung in Anspruch.

Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks E-Straße … in Bochum, eingetragen im Grundbuch Amtsgericht C, Grundbuch von E, Bl…., Flur 14, Flurstück 158. Das Flurstück hatte zunächst die Flurbezeichnung 23. Ausweislich des Auszugs aus dem Liegenschaftskataster vom 20.04.2015 (Anl. K1 zur Klageschrift, Bl. 5 d.A.) wurde das Flurstück zusammen mit dem Flurstück 24 zu dem Flurstück 158 verschmolzen.

Der Beklagte ist Eigentümer des Nachbargrundstücks E-Straße …, Grundbuch Amtsgericht C, Grundbuch von E, Bl. …, Flur 14, Flurstück 22.

Das Grundstück des Beklagten ist zu Gunsten des Grundstücks des Klägers mit einer Grunddienstbarkeit – Wegerecht – belastet. Die Grundbucheintragung erfolgte aufgrund notarieller Eintragungsbewilligung vom 23.04.1969, welche wie folgt lautet:

㤠5:

Die Käufer räumen an dem Grundstück E Flur 11 Flurstück Nr. 22 den jeweiligen Eigentümern folgender Flurstücke in der Gemarkung E

Flur 14 Nr. 23 = zur Zeit D (…)

das Recht zum Gehen und Fahren für alle Zwecke der herrschenden Grundstücke ein; sie bewilligen und beantragen dieses Wegerecht im Grundbuch einzutragen und auch in dem Verzeichnis der herrschenden Grundstücke zu vermerken.“

Wegen der Einzelheiten wird auf den Grundbuchauszug, Anlage K 18 zum Schriftsatz des Klägers vom 25.02.2016 (Bl. 143-145 d.A.) sowie auf die notarielle Eintragungsbewilligung vom 23.04.1969, Anlage K 13 zum Schriftsatz des Klägers vom 26.10.2015 (Bl. 55 ff., 58 d.A.) verwiesen.

Der Kläger hat beim Bauordnungsamt der Stadt C die Nutzungsänderung der ehemaligen Lagerräume im Erdgeschoss des Hauses E-Straße … in eine Wohnung beantragt. Die Stadt C hat die Genehmigung der Nutzungsänderung davon abhängig gemacht, dass der Beklagte eine Baulasterklärung im Hinblick auf die Zuwegung über sein Grundstück, die bislang nur über das privat vereinbarte Wegerecht gesichert ist, abgibt. Mit Schreiben vom 14.07.2015 hat die Stadt C gegenüber dem Kläger unter anderem erklärt, dass die Erschließung des Wohnhauses und des Garagenhofes öffentlich-rechtlich über eine Baulast zu sichern und dem Bauordnungsamt gegenüber nachzuweisen sei; der Kläger solle auch die Möglichkeit des Klageverfahrens in Betracht ziehen, um die öffentlich-rechtliche Erschließung durchzusetzen. Der Kläger hat den Beklagten mehrfach mit Schreiben vom 11.06.2015, 16.07.2015, 27.07.2015 und 06.08.2015 erfolglos zur Abgabe der Baulasterklärung aufgefordert und dabei zugesagt, die hierfür entstehenden Kosten zu übernehmen.

Der Kläger macht geltend, er habe einen Anspruch gegen den Beklagten auf Abgabe der Baulasterklärung, welche deckungsgleich zu dem eingetragenen Wegerecht sei. Die begehrte Nutzungsänderung führe nicht zu einer höheren Verkehrsfrequenz. Die Einräumung der Baulasterklärung stelle für den Beklagten keine über die derzeitigen durch das Wegerecht abgesicherten Gegebenheiten hinaus gehende Beeinträchtigung dar.

Der Kläger beantragt, den Beklagten zur Abgabe nachfolgender Erklärung gegenüber dem Bauordnungsamt der Stadt C zu verurteilen, wobei die Erklärung in Schriftform und in einer durch das Ortsgericht durch einen Notar in beglaubigter Form zu erstellen ist:

„Baulasterklärung Zuwegungsbaulast

Ich, Herr E, wohnhaft E-Str.. …, C, bin Eigentümer des Grundstücks in C, E-Str. …, Gemarkung E, Flur 14, Flurstück 22.

Ich übernehme hiermit nachstehende öffentlich-rechtliche Verpflichtung für o.g. Grundstück und beantrage die Eintragung in das Baulastverzeichnis von C:

Verpflichtung auf dem Flurstück eine Fläche von 40 m Länge und 4 m Breite, die in dem in Anlage 1 beigefügten Lageplan grün schraffiert ist, als Zuwegung (Zu- und Abfahrt) im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 der Bauordnung NRW zu dem Grundstück E-Str. …, Gemarkung E, Flur 14, Flurstück 158 anzulegen und zu unterhalten, ständig freizuhalten und allen Benutzern zugänglich zu machen.

Diese Erklärung gilt als Baulasterklärung im Sinne von § 83 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 01.03.2000 (GV.NW S. 256) in der z.Z. gültigen Fassung.

Diese Erklärung ist kraft Gesetzes gegenüber allen Rechtsnachfolgern wirksam und kann nur gelöscht werden, wenn ein öffentlich-rechtliches Interesse am Bestehen der Baulast nicht mehr vorliegt.

Durch diese Verpflichtung werden zusätzliche privatrechtliche Vereinbarungen (Anlegung, Instandhaltung, Entschädigung, dingliche Sicherung usw.) nicht berührt bzw. ersetzt.

C, den…

……………………

(Unterschrift: E).“;

Hilfsweise den Beklagten zur Abgabe der nachfolgenden Erklärung gegenüber dem Bauordnungsamt der Stadt C zu verurteilen, wobei die Erklärung in Schriftform und in einer durch das Ortsgericht oder einen Notar in beglaubigter Form zu erstellen ist:

„Baulasterklärung

E-Str. 133, C

Ich, Herr E, wohnhaft E-Str. …, C, bin Eigentümer des Grundstücks in C, E-Str. …, Gemarkung E, Flur 14, Flurstück 22.

Ich übernehme hiermit nachstehende öffentlich-rechtliche Verpflichtung für mein Grundstück und beantrage die Eintragung in das Baulastverzeichnis von C:

Verpflichtung, Wege- und Fahrrecht für das Wohngebäude E-Str. …, C.

Diese Erklärung gilt als Baulasterklärung im Sinne von § 83 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 01.03.2000 (GV.NW S. 256) in der z.Z. gültigen Fassung.

Diese Erklärung ist kraft Gesetzes gegenüber allen Rechtsnachfolgern wirksam und kann nur gelöscht werden, wenn ein öffentlich-rechtliches Interesse am Bestehen der Baulast nicht mehr vorliegt.

Durch diese Verpflichtung werden zusätzliche privatrechtliche Vereinbarungen (Anlegung, Instandhaltung, Entschädigung, dingliche Sicherung usw.) nicht berührt bzw. ersetzt.

C, den…

……………………

(Unterschrift: E).“

Der Beklagte beantragt,

1. die Klage abzuweisen;

2. hilfsweise der Klage stattzugeben nur Zug-und-Zug gegen

a) Zahlung eines Jahresentgelts für die Gestattung der Baulast i.H.v. 2.109,45 EUR,

b) Übernahme der dem Beklagten durch eine notarielle Beglaubigung einer etwa abzugebenden Baulasterklärung entstehenden Kosten,

c) Abschluss eines Gestattungsvertrages zwischen dem Kläger und dem Beklagten des Inhalts, dass unbeschadet weitergehender gesetzlicher Verpflichtungen des Klägers dieser gehalten ist,

(1) die von der Pflasterung der Zuwegung zu unterhalten und instand zu setzen, und zwar auch insoweit, als dies für das Benutzungsrecht des Beklagten erforderlich ist,

(2) die Nutzung der Zuwegung nur für sich selbst, seine Hausgenossen und seine Mieter im Wohngebäude E-Straße …, C, zu beanspruchen, wobei das Befahren der Zuwegung mit Privat-Kaftfahrzeugen nicht zugelassen ist, hilfsweise nur in der Zeit von 06:00 Uhr bis 22:00 Uhr mit Schrittgeschwindigkeit,

(3) das Parken von Kraftfahrzeugen auf dem Flurstück 158 außerhalb der 5 errichteten Garagen zu unterlassen bzw. zu unterbinden,

(4) sämtliche einen Grundstückseigentümer treffenden Verkehrssicherungspflichten in Bezug auf die Zuwegung zu erfüllen,

(5) die vorstehend beschriebenen Verpflichtungen auf seinen rechtsgeschäftlichen Nachfolger im Eigentum zu übertragen und diesen für den Fall der Veräußerung in gleicher Weise zu verpflichten;

3. hilfsweise für den Fall jedweder Verurteilung des Beklagten, diesem zu gestatten, die Vollstreckung gemäß § 712 Abs. 1 S. 1 ZPO abzuwenden;

4. den Rechtsstreit bis zu einer abschließenden Entscheidung über den mit Schreiben vom 02.03.2016 gegenüber der Stadt C eingelegten Nachbarwiderspruch auszusetzen.

Der Beklagte stellt eine Verpflichtung zur Abgabe der Baulasterklärung in Abrede. Er macht geltend, das eingetragene Wegerecht habe ausschließlich der Anlieferung von Waren für das vom damaligen Eigentümer betriebene Lebensmittelgeschäft gedient; der sonstige Zugang sei über den angrenzenden öffentlichen Straßenraum erfolgt. Auf keinen Fall sei das Befahren der Gasse zum Parken auf dem Flurstück 158 von dem Wegerecht gedeckt. Ferner habe der Kläger die Möglichkeit, seine Grundstücke so zu gestalten, dass die öffentliche Verkehrsfläche erreicht werden könne. Die jeweiligen Eigentümer des Grundstücks des Klägers hätten selbst die Zugänge zum öffentlichen Straßenraum zwischenzeitlich überbaut oder sonst wie abgesperrt. Der Kläger sei im übrigen gehalten, vor Inanspruchnahme des Beklagten auf Abgabe einer Baulasterklärung seine Ansprüche auf Erschließung seines Grundstücks gegen die Stadt C – notfalls auch gerichtlich – durchzusetzen. Die Abgabe der begehrten Baulasterklärung habe zudem erhebliche Beeinträchtigungen des Grundstücks des Beklagten zur Folge, insbesondere ein erhöhtes Verkehrsaufkommen durch das Befahren der Gasse zum Garagenhof auf dem Flurstück …. Für die Nutzung der Gasse stünde dem Beklagten ein Jahresentgelt von jeweils 2.109,45 EUR zu. Der Beklagte – der insoweit mit Schreiben vom 02.03.2016 an die Stadt C Nachbarwiderspruch eingelegt hat – beruft sich ferner darauf, dass dem Kläger allein mit der Baulast nicht gedient sei, da er zusätzlich eine Entwässerungs- Baulasterklärung beibringen müsste. In einem Gestattungsvertrag vom 15.10.1991 hätte sich der Beklagte nur bedingt verpflichtet, den verlegten Entwässerungskanal der Stadt C zu dulden, da in § 5 geregelt sei, dass die Stadt C verpflichtet sei, den Entwässerungskanal zurück zu bauen, wenn der Gestattungsgeber das Wegegrundstück (Flurstück 22) bebaue, sei es oberirdisch oder unterirdisch (z.B. mit einer an die Gaststätte direkt angegliederten Kegelbahn im Erdgeschoss). Dieser Gesichtspunkt zwinge die Stadt C schon jetzt, solange keine Umnutzungsgenehmigung zu erteilen, als der Kläger keine Entwässerungsbaulast vorlege, mit der die Stadt C den Anschluss- und Benutzerzwang durchsetzen könne, wenn sie den Entwässerungskanal zurück bauen müsse. Zur Abgabe einer solchen Entwässerungs- Baulasterklärung sei der Beklagte nicht verpflichtet. Der Beklagte erhebt schließlich die Einrede der Verjährung und beruft sich auf Verwirkung.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Schriftsatz nebst Anlagen zugenommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf Abgabe der begehrten Baulasterklärung aus dem durch die Grunddienstbarkeit begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis.

Nach der Rechtsprechung des BGH kann sich die Verpflichtung, die verlangte Baulasterklärung abzugeben, als Nebenpflicht aus dem durch die Grunddienstbarkeit geschaffenen gesetzlichen Schuldverhältnis ergeben. Voraussetzung hierfür ist, dass eine beiderseitige Interessenabwägung einen Vorrang des Klägers ergibt. Dabei ist darauf abzustellen, ob die Grunddienstbarkeit zu dem Zwecke bestellt wurde, das Grundstück des Klägers baulich zu nutzen, ob die Übernahme der Baulast zwingende Voraussetzung für die Bebauung des Grundstücks ist, ob eine Befreiung vom Baulastzwang in Betracht kommt, ob bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit Anlass bestand, bereits die Übernahme einer Baulast zu erwägen, und schließlich, ob Inhalt und Umfang der geforderten Baulast der Dienstbarkeit entsprechen. (vgl. BGH, NJW 1992, S. 2885; BGHZ 106, 348; BGH, WM 1990, S. 320; WM 1991, S. 239). Weitere Voraussetzung ist, dass dem Kläger allein mit der begehrten Baulast gedient wäre (BGH, NJW 1992, S. 2885, 2888).

Nach Auffassung der Kammer sind diese Voraussetzungen erfüllt. Die vorzunehmende beiderseitige Interessenabwägung ergibt einen Vorrang des Interesses des Klägers an der Abgabe der Baulasterklärung.

1. Das Wegerecht wurde auch zu dem Zweck bestellt, das Grundstück baulich im Hinblick auf eine Nutzungsänderung von Lagerräumlichkeiten in Wohnräume zu nutzen. Für die Frage nach dem Zweck des Wegerechtes ist maßgeblich auf Wortlaut und Sinn der Grundbucheintragung und insbesondere der dazu in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen ergibt, abzustellen. Umstände außerhalb dieser Urkunde dürfen jedoch insoweit mit herangezogen werden, als sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind. Nach dem Wortlaut der Eintragungsbewilligung in § 5 der notariellen Urkunde vom 23.04.1969 wurde das Wegerecht zum Gehen und Fahren für alle Zwecke des herrschenden Grundstücks eingeräumt. Der Wortlaut der Bewilligung enthält danach keinerlei Einschränkung hinsichtlich des Zweckes, insbesondere nicht im Hinblick auf eine damalige Nutzung des herrschenden Grundstücks für den Betrieb eines Lebensmittelgeschäftes. Auch aus Umständen außerhalb der Urkunde ergeben sich keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass der Zweck des eingeräumten Wegerechtes etwa auf die Anlieferung von Waren beschränkt sein sollte. Selbst wenn nach Beklagtenvorbringen früher noch Baulücken mit einem anderweitigen direkten Zugang vom Innenhof zur öffentlichen Straße bestanden hätten, so lässt sich daraus nicht herleiten, dass das seinerzeit bestellte Wegerecht nur zusätzlich für eingeschränkte Zwecke (etwa Anlieferung) neben einem bereits bestehenden Hauptzugang dienen sollte. Nach dem klaren Wortlaut der Eintragungsbewilligung ist daher von einem umfassenden Umfang des Wegerechts unabhängig von der Nutzungsart des herrschenden Grundstücks auszugehen.

2. Die Übernahme der Baulast durch den Beklagten ist zwingende Voraussetzung für die Genehmigung der Nutzungsänderung. Dies folgt zweifelsfrei aus dem Schreiben der Stadt C, Stadtplanungs- und Bauordnungsamt, vom 14.07.2015 (Anlage K 3 zur Klageschrift, Bl. 7 f. d.A.), mit welchem der Kläger unmissverständlich aufgefordert wird, die Erschließung des Wohnhauses und des Garagenhofes öffentlich-rechtlich über eine Baulast zu sichern und dem Bauordnungsamt gegenüber nachzuweisen. Der Kläger wird sogar auf die Möglichkeit eines Klageverfahrens verwiesen, um die öffentlich-rechtliche Erschließung durchzusetzen.

3. Die Möglichkeit einer Befreiung vom Baulastzwang ist nicht ersichtlich. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist es dem Kläger auch nicht zumutbar, eine anderweitige Erschließung gegenüber der Stadt C im Verwaltungsrechtsweg durchzusetzen oder die Auflage, eine Baulast vorzulegen, vor dem Hintergrund anzufechten, dass die Stadt C zu Unrecht Baugenehmigungen für baurechtliche Maßnahmen des Klägers erteilt hatte, ohne damals schon eine entsprechende Baulasterklärung zu fordern. Eine erfolgversprechende Klagemöglichkeit für den Kläger im Verwaltungsrechtswege ist nach Auffassung der Kammer nicht erkennbar. Ebenso wenig erscheint eine alternative Zuwegungsmöglichkeit über eine etwaige Wiederherstellung von in der Vergangenheit geschlossenen Baulücken realistisch oder praktisch umsetzbar.

4. Bei Bestellung der Grunddienstbarkeit bestand nicht bereits ein Anlass, die Übernahme einer Baulast zu erwägen. Für die Annahme eines solchen Anlasses bereits im Jahr 1969 bestehen keine Anhaltspunkte.

5. Inhalt und Umfang der begehrten Baulast entsprechen dem bestellten Wegerecht. Hierbei ist noch einmal auf den umfassenden Zweck des seinerzeit bestellten Wegerechtes zu verweisen (s.o.). Soweit sich der Beklagte darauf beruft, es seien noch weitere Nutzungsänderungen und damit verbundene weitergehende Belastungen zu befürchten, handelt es sich um reine Spekulationen. Prüfungsmaßstab für die Kammer sind die konkreten Umstände betreffend die begehrte Baulasterklärung, nicht aber theoretisch denkbare weitere Anträge des Klägers auf bauordnungsrechtliche Genehmigungen von Nutzungsänderungen. Nach Auffassung der Kammer ergeben sich aus der Nutzungsänderung eines Lagerraums in eine kleine Mietwohnung keine unzumutbaren Nachteile für den Beklagten. Die Gefahr eines erhöhten Verkehrsaufkommens vermochte der Beklagte nicht plausibel zu begründen. Vielmehr ist das Befahren des Grundstücks daran geknüpft, ob für das potentielle Fahrzeug, sei es das Fahrzeug des Lagerraummieters oder das Fahrzeug des Wohnungsmieters, eine Garage zur Verfügung steht. Es findet daher lediglich ein Austausch eines die Zuwegung nutzenden Fahrzeugführers statt. Im übrigen ist nicht erkennbar, inwieweit durch die Wohnraumnutzung der kleinen Mietwohnung im Vergleich zu einer Lagernutzung, die mit Anliefer- und Ablieferverkehr verbunden ist, ein verstärktes Verkehrsaufkommen mit höheren Belastungen für das Grundstück des Beklagten verursacht werden soll.

6. Schließlich ist dem Kläger allein mit der Abgabe der begehrten Baulasterklärung gedient. Dies könnte problematisch sein, wenn der Kläger zusätzlich eine Entwässerungs- Baulasterklärung vorlegen müsste, zu dessen Abgabe der Beklagte nicht verpflichtet wäre. Die Argumentation des Beklagten erscheint insoweit jedoch konstruiert. Die Umstände für das mögliche Erfordernis einer solchen Baulast für die Entwässerung erscheinen spekulativ. Vielmehr ist die Entwässerung derzeit gesichert. Nach dem Gestattungsvertrag zwischen der Stadt C und den Voreigentümern des Grundstücks des Beklagten vom 15.10.1991 könnte sich ein solches Erfordernis allenfalls bei Eintritt einer Bedingung ergeben, für welchen derzeit nichts ersichtlich ist. Im Fall einer geplanten Bebauung des Grundstücks durch den Grundstückseigentümer hat sich die Stadt verpflichtet, den Kanal gegebenenfalls zu verlegen und die vorhandenen Entwässerungsanlagen an den neuen Kanal anzuschließen. Selbst für den Fall des Bedingungseintritts handelt es sich bei dem Erfordernis einer Entwässerungsbaulast allenfalls um eine rein theoretisch denkbare Konstellation, nämlich für den Fall, dass der Kläger darauf angewiesen wäre, nunmehr über das Grundstück des Beklagten zu entwässern, soweit die Stadt C nicht selbst eine anderweitige Verlegung der Entwässerungsanlage vornimmt.

Nach allem kann der Kläger die Abgabe einer Baulasterklärung vom Beklagten verlangen.

Die Einrede der Verjährung greift nicht. Der Anspruch konnte frühestens im Zeitpunkt der Forderung einer Baulasterklärung seitens der Stadt C im Jahr 2015 entstanden sein (§ 199 Abs. 1 BGB). Da ein früherer Verjährungsbeginn nicht in Betracht kommt, scheidet eine Verjährung von vornherein aus. Die Voraussetzungen für eine Verwirkung liegen ebenso wenig vor.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 16.11.2015 ausdrücklich anerkannt, dass der Anspruch – wie vom Beklagten gemäß Ziff. 2 b) hilfsweise beantragt – Zug um Zug gegen Übernahme der Kosten für die notarielle Beglaubigung erfolgen soll, so dass eine entsprechende Zug-um-Zug-Verurteilung ausgesprochen wurde.

Im übrigen kann der Beklagte dem Kläger keine Zurückbehaltungsrechte entgegenhalten, so dass keine weitergehende Zug-um-Zug-Verurteilung erfolgt ist.

Der Beklagte hat keinen Anspruch gegen den Kläger auf Zahlung eines Jahresentgelts für die Gestattung der Baulast i.H.v. 2.109,45 EUR. Eine Anspruchsgrundlage für ein derartiges Entgelt ist nicht ersichtlich.

Im Hinblick auf die Unterhaltungspflichten sowie Verkehrssicherungspflichten in Bezug auf die Zuwegung steht dem Beklagten kein Zurückbehaltungsrecht zu. Welche konkreten Regelungen bezüglich der Unterhaltungspflichten betreffend das Wegerecht getroffen worden sind, bleibt unklar. Nach den Erklärungen des Klägers im Termin am 06.04.2016 wurden in der Vergangenheit die Kosten für die Pflasterung zwischen dem Wegerechtsberechtigten und dem Eigentümer geteilt, wobei unklar ist, ob diese Teilung zu gleichen Teilen oder nach einer bestimmten Quote erfolgt war. Jedenfalls hat der Kläger ausdrücklich seine Bereitschaft erklärt, sich an entsprechenden Kosten zu beteiligen, so dass keine Veranlassung für ein diesbezügliches Zurückbehaltungsrecht auf Seiten des Beklagten besteht.

Der Beklagte hat keinen Anspruch darauf, dass das Wegerecht nur in der Weise ausgeübt wird, dass das Fahren mit Privatkraftfahrzeugen grundsätzlich unzulässig ist oder hilfsweise nur in der Zeit von 6:00 Uhr bis 22:00 Uhr mit Schrittgeschwindigkeit erlaubt ist. Vielmehr ergibt sich insoweit aus der Eintragungsbewilligung keine Einschränkung hinsichtlich der Art und Weise der Fahrzeuge und des Befahrens sowie hinsichtlich der Uhrzeit. Ein diesbezügliches Zurückbehaltungsrecht kommt daher nicht in Betracht. Im übrigen hat der Kläger nicht in Abrede gestellt, das Wegerecht schonend auszuüben. Im Hinblick auf die Parksituation hat der Kläger vorgetragen, dass die Fläche neben den vorhandenen Garagen nicht als Parkraum genutzt werde. Für eine entgegenstehende Behauptung des Beklagten fehlt es bereits an hinreichend substantiiertem Sachvortrag. Auch insoweit scheidet mithin ein Zurückbehaltungsrecht aus.

Für eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über den Nachbarwiderspruch des Beklagten bestand keine Veranlassung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 S. 1 ZPO.

Die Voraussetzungen für einen Vollstreckungsschutz des Beklagten gemäß § 712 ZPO lagen nicht vor. Es ist nicht ersichtlich, inwieweit eine Vollstreckung zu einem nicht zu ersetzenden Nachteil für den Beklagten führen sollte. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist insbesondere nicht erkennbar, warum im Fall eines entgegenstehenden rechtskräftigen Urteils eine Baulasterklärung seitens der Stadt C nicht „zurückgegeben“ werden sollte.

Der Streitwert wird auf 20.000,00 EUR festgesetzt.

 

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