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Grundbuchverfahren – Voraussetzungen des Rechts zur Einsicht in das Grundbuch

OLG München – Az.: 34 Wx 253/11 – Beschluss vom 22.06.2011

I. Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Augsburg – Grundbuchamt – vom 17. Mai 2011 wird zurückgewiesen.

II. Der Beschwerdewert beträgt 3.000,00 €.

Gründe

I.

Mit Schreiben vom 27.4.2011 hat der Beteiligte Grundbucheinsicht beantragt mit der Begründung, sein leiblicher Vater sei (Mit-) Eigentümer eines Anwesens gewesen, in dem er auch seinen Lebensabend verbringen wolle. Nunmehr habe er aber erfahren, sein hochbetagter Vater sei auf Wohnungssuche. Er benötige Grundbucheinsicht zur Prüfung der Frage, ob sein gesundheitlich angeschlagener und hilfsbedürftiger Vater unter Ausnutzung einer eingeschränkten Geschäftsfähigkeit, einer erheblichen Willensschwäche oder einer sonstigen Abhängigkeit sein Anwesen entgegen seinem wirklichen Willen einer seiner Töchter übereignet habe, ohne sich ein lebenslanges Wohnrecht zu sichern.

Das Grundbuchamt hat durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle am 5.5.2011 diesen Antrag abgelehnt, da das Grundbuch nichtöffentlich sei und Auskünfte nur an die Eigentümer oder Berechtigten erteilt werden könnten. Grundbuchauskünfte dürften nicht dazu dienen, Eigentumsverhältnisse festzustellen.

Hiergegen hat der Beteiligte Rechtsmittel eingelegt mit der Begründung, die Feststellung des Hilfsbedarfs eines schwer dementen Pensionärs in Wohnungsangelegenheiten stelle ein berechtigtes Interesse gemäß § 12 GBO dar. Sein Vater habe sich Anfang Mai 2011 nicht mehr daran erinnern können, ob er noch Eigentümer des Anwesens sei, ob er Miete zahlen müsse und wofür seine Pension ausgegeben werde. Für die Sicherstellung des ihm zustehenden Lebensstandards sei die Grundbucheinsicht geboten und erfolge nicht aus Neugier. Der Beteiligte beabsichtige, im Falle der Notwendigkeit auf dem Rechtsweg konkrete Maßnahmen zur Unterstützung seines Vaters zu organisieren.

Das Grundbuchamt hat das Rechtsmittel als Erinnerung gegen die Ablehnung der Grundbucheinsicht erachtet und mit Beschluss der Rechtspflegerin vom 17.5.2011 als unbegründet zurückgewiesen. Dies hat es damit begründet, dass die Beschränkung der Einsichtsbefugnis auf Fälle des berechtigten Interesses dem Persönlichkeitsschutz der Eingetragenen diene. Unbefugten solle kein Einblick in die Vermögensverhältnisse ermöglicht werden. Der Antragsteller sei nicht selbst Berechtigter eines eingetragenen Rechts. Vielmehr wolle er Grundbucheinsicht für seinen Vater. Die Gewährung der Einsicht können einen Einblick in dessen Vermögensverhältnisse und auch die weiterer Personen darstellen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten. Er begründet sie im Wesentlichen damit, dass er durch die Einsicht gerade den gesundheitlichen Zustand seines Vaters klären wolle. Er handle nicht anstelle seines Vaters und beabsichtige dies auch nicht. Vielmehr diene die Grundbucheinsicht dazu, einen etwaigen Hilfsbedarf des schwer dementen Vaters in Wohnungsangelegenheiten zu ermitteln. Da sein Vater, wenn nicht an dem gegenständlichen Grundstück, über keine anderen Immobilien oder Vermögenswerte verfüge, werde er für diesen eine Betreuung für die Aufgabenfelder Wohnungs- sowie Post- und Telekommunikationsangelegenheiten anregen, sofern die Sicherstellung des ihm zustehenden Lebensstandards durch eine konstruktive Zusammenarbeit mit dessen Töchtern fehlschlage.

Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.

II.

Die zulässige (§ 12c Abs. 4 Satz 2, § 71 Abs. 1 GBO) Beschwerde, die sich gegen die Erinnerungsentscheidung der Rechtspflegerin richtet (vgl. zur Rechtspflegerzuständigkeit Senat vom 25.1.2011, 34 Wx 160/10 = Rpfleger 2011, 196 m. Anm. Hintzen), hat in der Sache keinen Erfolg.

Die Einsicht in das Grundbuch ist jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt (§ 12 Abs. 1 GBO). Ein solches hat jeder, dem ein Recht am Grundstück oder an einem Grundstücksrecht zusteht, mag er als Berechtigter eingetragen sein oder nicht (vgl. Demharter GBO 27. Aufl. § 12 Rn. 8). Dieses ist nicht glaubhaft zu machen, sondern es genügt die Darlegung (vgl. Demharter § 12 Rn. 13). Der Begriff „berechtigtes Interesse“ ist umfassender als der des „rechtlichen Interesses“. Es genügt, dass der Antragsteller ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertiges Interesse verfolgt; ausreichend ist, dass sachliche Gründe vorgetragen werden, welche die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen (vgl. Demharter § 12 Rn. 7 m.w.N.). Nicht nur die Rechtslage, sondern bereits die Sachlage begründen demnach ein berechtigtes Interesse nach § 12 GBO. Es kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch bloß tatsächlicher Natur sein, muss aber bei verständiger Würdigung des Einzelfalles und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge die Einsichtnahme als Bestimmungsgrund für Entscheidungen als berechtigt erscheinen lassen (vgl. Meikel/Böttcher GBO 10. Aufl. § 12 Rn. 5 m.w.N.). Deshalb hat nach verbreiteter Meinung auch nur derjenige ein berechtigtes Interesse an einer Grundbucheinsicht, der im Anschluss daran im Vertrauen auf die Eintragung ein konkretes rechtliches Handeln beabsichtigt (OLG Düsseldorf FGPrax 1997, 90; Meikel/Böttcher § 12 Rn. 5).

Der Beteiligte beabsichtigt zwar je nach Ergebnis der Grundbucheinsicht ein bestimmtes rechtliches Handeln, nämlich für seinen Vater gegebenenfalls eine Betreuung anzuregen. Die durch die Grundbucheinsicht zu gewinnenden Erkenntnisse müssen aber geeignet erscheinen (vgl. Meikel/Böttcher a.a.O.), auf die Entschließungen des Einsichtnehmenden einzuwirken. Dies ist hier nicht der Fall. Der Beteiligte beschreibt seinen Vater als schwer dement und als nicht in der Lage, seine namentlich auf das Wohnhaus bezogenen rechtlichen Verhältnisse zu überblicken. Er schließt hieraus, dass sein Vater der Hilfe bedürfe. Das durch die Einsicht vermittelte Wissen, ob sein Vater im Grundbuch noch als Eigentümer des Anwesens eingetragen ist oder für ihn eine sonstige dingliche Berechtigung besteht, erlaubt aber keine Schlussfolgerung auf eine etwaige Hilfsbedürftigkeit oder – im Falle einer Veräußerung – auf eine Übervorteilung. Die Überlegungen des Beteiligten beruhen insoweit auf Vermutungen und Spekulationen. Bloße Verdachtsmomente, es könne nicht alles mit rechten Dingen zugegangen sein, genügen aber nicht (vgl. BayObLG DNotZ 1999, 739). Selbst eine Überlassung – zu welchem Zeitpunkt auch immer – an dritte Personen ohne Einräumung eines Wohnrechts, eines Nießbrauchs oder einer sonstigen Absicherung kann auf nachvollziehbaren vernünftigen Gründen des Übergebenden beruhen. Angesichts der vielfältigen Möglichkeiten lässt sich ein sicherer Schluss auf eine Hilfsbedürftigkeit, eine Übervorteilung oder auf finanzielle Schwierigkeiten als Folge der Überlassung, die eine Betreuungsbedürftigkeit auslösen könnten, nicht ziehen.

III.

Der Geschäftswert bestimmt sich nach § 131 Abs. 4 KostO i. V. m. § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.

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