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Grundbuchverfahren – Umfang einer postmortalen Auflassungsvollmacht

OLG München – Az.: 34 Wx 1/11 – Beschluss vom 21.04.2011

Auf die Beschwerde des Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts München – Grundbuchamt – vom 13. Dezember 2010 aufgehoben.

Gründe

I.

Mit notariellem Vertrag vom 21.1.1992 überließ die Mutter des Beteiligten diesem zwei noch zu vermessende Teilflächen von ca. 1900 und 500 qm aus verschiedenen Grundstücken, wobei die Vertragsfläche in beigefügten Lageplänen bezeichnet war. Die Vermessung der Vertragsfläche sollte erst nach dem Ableben der Veräußerin veranlasst werden. Die Vertragsteile verpflichteten sich gegenseitig, bei der Vermessung zusammenzuwirken, unverzüglich nach Vorliegen des amtlichen Messungsergebnisses dieses anzuerkennen sowie die Auflassung zu erklären und entgegenzunehmen.

Dazu bevollmächtigte die Veräußerin den Beteiligten, unter Befreiung von § 181 BGB, hierzu eine entsprechende Nachtragsurkunde nach ihrem Ableben zu errichten und die Auflassung sowie alle Erklärungen abzugeben und entgegenzunehmen, die zum Vollzug im Grundbuch erforderlich oder zweckdienlich sind. Die Vollmacht sollte durch den Tod der Vollmachtgeberin nicht erlöschen und auch für Abweichungen gegenüber der vereinbarten Vertragsfläche gelten. Für den Beteiligten wurde eine Eigentumsvormerkung eingetragen.

Mit notariellem Vertrag vom 10.11.2004 verkaufte der Beteiligte den Grundbesitz.

Zu notarieller Urkunde vom 29.9.2010 wurde das Ergebnis der Vermessung anerkannt, hinsichtlich beider Verträge die Auflassung erklärt und die Eigentumsumschreibung – möglichst unmittelbar auf die Käuferin – beantragt. Die Vertragsgrundstücke weisen Flächen von 1.832 qm bzw. 348 qm auf. Bei der Erstellung dieser Urkunde waren sämtliche Beteiligten vertreten durch den Geschäftsführer der C & P GmbH. Diese war ausgewiesen durch eine im Original vorgelegte Vollmacht des Beteiligten und der Käuferin vom 30.8.2010. Hiernach ist der Bevollmächtigte unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB berechtigt, den Vollmachtgeber bei dem Vollzug der Urkunde vom 21.1.1992 und der Urkunde vom 10.11.2004 umfassend zu vertreten, insbesondere alle Erklärungen im weitesten Sinne abzugeben und entgegenzunehmen, „sowie zur Durchführung der oben genannten Verträge und zum Vollzug im Grundbuch notwendig oder zweckdienlich sind“.

Unter dem 23.11.2010 hat der Notar Grundbuchvollzug beantragt. Mit Zwischenverfügung vom 13.12.2010 hat das Grundbuchamt dem Beteiligten – soweit hier noch erheblich – Frist zur Vorlage der Zustimmung der Erben der Mutter des Beteiligten mitsamt Erbnachweis gesetzt. Begründet hat es seine Verfügung damit, dass in der Vollmacht vom 30.8. 2010 der Beteiligte nur im eigenen Namen Vollmacht erteilt habe, nicht aber auch Untervollmacht bezüglich der Vertretung der Verstorbenen, wozu er nach Ansicht des Grundbuchamtes auch nicht befugt gewesen sei.

Hiergegen richtet sich das als Erinnerung bezeichnete Rechtsmittel des Beteiligten, dem das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.

II.

Das zwar nicht als Erinnerung (vgl. § 11 Abs. 2 RPflG), wohl aber als unbefristete Beschwerde gemäß § 71 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 2 GBO zulässige Rechtsmittel des Beteiligten gegen die vom Grundbuchamt getroffene Zwischenverfügung (§ 18 Abs. 1 GBO) hat in der Sache Erfolg. Die Zwischenverfügung ist in Ziff. 1 (die Beanstandung unter Ziff. 2 ist durch die Antragsrücknahme zu Ziff. VI.2 der notariellen Urkunde – Eintragung der Grundstücksvereinigung im Grundbuch – erledigt) aufzuheben und die Sache an das Grundbuchamt zurückzugeben. An der in der Verfügung vom 7.1.2011 geäußerten vorläufigen Rechtsmeinung wird nicht mehr festgehalten. Das Grundbuchamt wird über den Eintragungsantrag nunmehr erneut unter Zugrundelegung der Senatsentscheidung zu befinden haben.

1. Bei Grundbucherklärungen wie Bewilligung und Auflassung (§§ 19, 20 GBO) durch einen Vertreter hat das Grundbuchamt die Wirksamkeit der Vollmacht und den Umfang der Vertretungsmacht selbständig zu prüfen, auch wenn der beurkundende Notar seinerseits die Vollmacht als ausreichend erachtet hat (Demharter GBO 27. Aufl. § 19 Rn. 19; aus der Rechtspr. BayObLG Rpfleger 1986, 216). Bei Untervertretung sind zwei Arten zu unterscheiden: Zum einen kann der Hauptvertreter dem Untervertreter im Namen des Vertretenen Vollmacht erteilen, so dass der Untervertreter den ursprünglichen Vollmachtgeber repräsentiert. Zum anderen kann die Unterbevollmächtigung dahin vorgenommen werden, dass der Bevollmächtigte den Unterbevollmächtigten zu seinem eigenen Vertreter bestellt (vgl. BGHZ 32, 250; Beck OK/Habermeier BGB Stand 1.5.2010, § 167 Rn. 27; a.A. z.B. Müko/Schramm BGB 5. Aufl. § 167 Rn. 96 f.; Staudinger/Schilken BGB Neubearb. 2009 § 167 Rn. 62). Entspricht im letzteren Fall das Geschäft der Vollmacht und der auf den Untervertreter ausgestellten Untervollmacht, so wirkt es (nur) für den Vollmachtgeber des Hauptvertreters. Die Wirkungen gehen gleichsam gemäß den beiden Vollmachtsverhältnissen durch den (Haupt-) Vertreter hindurch (BGHZ 32, 250/253 f.). Der Senat geht von dieser von der Rechtsprechung seit langem (etwa RGZ 108, 405; vgl. Staudinger/Schilken aaO.) anerkannten Möglichkeit aus. Denn auch bei der Unterbevollmächtigung in Form der Vertretung des Vertreters treffen letztlich, wenn der Untervertreter darauf hinweist, dass der von ihm Vertretene eine weitere Person vertritt, die rechtlichen Wirkungen den Geschäftsherrn (vgl. Beck OK/Habermeier aaO.). Sonst würde es sich nicht um einen Fall der Untervollmacht handeln (vgl. Soergel/Leptien BGB 13. Aufl. § 167 Rn. 60).

a) Der Beteiligte hat am 30.8.2010 Vollmacht erteilt, ihn bei dem Vollzug der Urkunde vom 21.1.1992 umfassend zu vertreten, insbesondere alle Erklärungen im weitesten Sinne abzugeben und entgegenzunehmen, die zur Durchführung u.a. des vorgenannten Vertrags und zum Vollzug im Grundbuch notwendig oder zweckdienlich sind.

Nach dem Überlassungsvertrag vom 21.1.1992 wiederum sollte der Beteiligte unter Befreiung von § 181 BGB die Auflassung und alle notwendigen Erklärungen abgeben und entgegennehmen, die zum Vollzug dieses Überlassungsvertrags erforderlich oder zweckdienlich sind. Wenn der Beteiligte in der Vollmacht vom 30.8.2010 seinerseits unbeschränkt Vollmacht zur Abgabe aller Erklärungen zur Durchführung u. a. des Vertrags vom 21.1.1992 erteilt, besagt dies als nächstliegende Bedeutung (§ 133 BGB), dass damit auch die Abgabe von Erklärungen auf der Veräußererseite umfasst ist.

b) Die im Vertrag vom 21.1.1992 erteilte Vollmacht berechtigt den Beteiligten auch zur Erteilung einer Untervollmacht. Vollmachten sind nach den für die Auslegung von Grundbucherklärungen geltenden Grundsätzen auszulegen (Hügel/Reetz GBO 2. Aufl. Rechtsgeschäftliche Vollmacht und gesetzliche Vertretung Rn. 38). Wenn die Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, gilt der Grundsatz, dass der geringere Umfang der Vollmacht und damit keine Befugnis zur Unterbevollmächtigung anzunehmen ist (vgl. Demharter § 19 Rn. 75 m.w.N.). Wie bei allen Grundbucheintragungen und -erklärungen ist auf den Wortlaut und Sinn abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (BGHZ 113, 374/378; vgl. Demharter § 19 Rn. 28 m.w.N.). Hier ergibt die Auslegung aber, dass eine Unterbevollmächtigung in der gewählten Form von der Vollmacht umfasst ist. Auch ohne ausdrückliche Regelung führt die Auslegung der Hauptvollmacht dazu, dass Untervollmacht erteilt werden darf, um die Überlassung der Grundstücksflächen dinglich zu bewirken. Ausgangspunkt der Auslegung ist das Interesse des Vertretenen am persönlichen Vertreterhandeln. Je weiter die Vollmacht reicht, desto eher wird man eine Befugnis zur Unterbevollmächtigung für einzelne Angelegenheiten annehmen können. Die Generalvollmacht legt die Befugnis zur Erteilung von Untervollmachten allerdings dann nicht nahe, wenn der personengebundene Vertrauenscharakter überwiegt (vgl. Hügel/Reetz Rn. 38). Bei spezielleren Vollmachten ist insoweit Zurückhaltung geboten (vgl. Staudinger/Schilken § 167 Rn.163).

Ein gesetzliches Verbot der Unterbevollmächtigung scheidet hier aus, ebensowenig spielt der Gesichtspunkt des Umgehungsverbots eine Rolle. Die Vollmacht wurde ausschließlich für den Vollzug des Überlassungsvertrags vom 21.1.1992 erteilt. Insoweit ist sie allerdings umfassend und soll durch den Tod des Vollmachtgebers nicht erlöschen. Sie ist gerade für diesen Fall erteilt. Die Vollmacht betrifft lediglich die Erfüllung einer durch die Vollmachtgeberin eingegangenen Verbindlichkeit. Die betroffenen Flächen ergeben sich aus der Urkunde vom 21.1.1992, ohne dass es den Vertragsparteien dabei auf das genaue Flächenmaß ankam. Das wird u.a. daraus deutlich, dass die Vollmacht auch für Abweichungen gegenüber der vereinbarten Vertragsfläche Geltung haben soll. Die Auflassungserklärung setzt das Vorliegen eines – anzuerkennenden – amtlichen Messungsergebnisses voraus. Angesichts des bestehenden Erfüllungsanspruchs aus dem Vertrag vom 21.1.1992 ist der Spielraum für den Bevollmächtigten nur gering, er besteht in der Anerkennung des amtlichen Messergebnisses, der Bewilligung und der Erklärung der Auflassung. Auch wenn der Erwerber der Sohn der Veräußerin ist, ist unter diesen Umständen nicht anzunehmen, dass ihm die Vollmacht nur aufgrund des besonderen, durch die familiäre Beziehung geprägten Vertrauensverhältnisses erteilt wurde. Vielmehr drängt es sich auf, dass, nachdem der Vollzug des Vertrags bis zum Ableben der Überlasserin aufgeschoben war, die Vollmacht der Erleichterung der Vertragsabwicklung gerade für den Beteiligten dienen sollte, also in seinem Interesse erteilt wurde. Auch dies spricht neben dem geringen Entscheidungsspielraum dafür, dass der Beteiligte Untervollmacht erteilen darf. Der Ausschluss der Abtretbarkeit der Auflassungsansprüche besagt nicht, dass der bevollmächtigte Beteiligte alle Erklärungen selbst abgeben muss.

2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (siehe v§ 131 Abs. 3 KostO).

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