Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Grundbuchverfahren: Präzise Immobilienbewertung im Fokus eines konkreten Falls
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wie läuft eine Wertermittlung für Grundstücke durch das Grundbuchamt grundsätzlich ab?
- Welche Rechtsmittel stehen gegen eine Wertfestsetzung des Grundbuchamts zur Verfügung?
- Welche Bedeutung haben Bodenrichtwerte für die Wertermittlung von Grundstücken?
- Wie werden wertmindernde Faktoren bei der Grundstücksbewertung berücksichtigt?
- Welche Rolle spielen Nießbrauchsrechte bei der Wertermittlung von Grundstücken?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Karlsruhe
- Datum: 19.12.2024
- Aktenzeichen: 19 W 18/23 (Wx)
- Verfahrensart: Verfahren zur Wertfestsetzung im Zusammenhang mit dem Grundbucheintrag
- Rechtsbereiche: Grundbuchrecht, Notarkostenrecht
- Beteiligte Parteien:
- Partei: Beschwerdeführender Teilnehmer – richtet sich gegen die festgesetzten Werte für Eigentumswechsel und Nießbrauch an einem Grundstück
- Partei: Beschwerdeführender Teilnehmer – wendet sich mit einer analogen Beschwerde gegen die gleichen Wertfestsetzungen
- Partei: Der Beteiligte, der den Eintragungsantrag im Namen der Beschwerdeführenden gestellt hat, wodurch beide als Kostenschuldner gelten
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Die Beschwerdeführenden wandten sich gegen den vom Amtsgericht Mannheim – Grundbuchamt am 8. März 2023 festgesetzten Geschäftswert. Es wurden für den Eigentumswechsel und die Einräumung von Nießbrauchrechten an zwei Grundstücken konkrete Werte (900.000,00 EUR bzw. 450.000,00 EUR für ein Grundstück und 7.314,00 EUR sowie 3.657,00 EUR für ein anderes Grundstück) festgesetzt.
- Kern des Rechtsstreits: Es ging darum, ob die Form des Eintragungsantrags – der im Namen beider Beschwerdeführender gestellt wurde – zu deren Kostenschuldnerschaft führt und ob die festgesetzten Werte der Gebührenbemessung entsprechen.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Gericht bestätigte die Festsetzung der Geschäftswerte. Für den Eigentumswechsel am Grundstück von W. wurde ein Wert von 900.000,00 EUR und für den Nießbrauch ein Wert von 450.000,00 EUR festgelegt. Für den Eigentumswechsel am Grundstück von G. wurden Werte von 7.314,00 EUR und für den Nießbrauch 3.657,00 EUR festgesetzt.
- Begründung: Das Gericht führte aus, dass die Beschwerden statthaft und zulässig seien, weil der Eintragungsantrag im Namen beider Beschwerdeführender gestellt wurde. Wird der Antrag nicht für eine einzelne Partei gestellt, gilt er als im Namen aller Antragsberechtigten, weshalb beide als Kostenschuldner gemäß § 22 GNotKG anzusehen sind.
- Folgen: Die festgesetzten Geschäftswerte bilden die Basis für die Gebühren- und Kostenermittlung. Die Beschwerdeführenden werden als Kostenschuldner verpflichtet, die entsprechenden Gebühren zu tragen.
Grundbuchverfahren: Präzise Immobilienbewertung im Fokus eines konkreten Falls
Das Grundbuchverfahren bildet die Basis für eine fundierte Immobilienbewertung. Dabei fließen Aspekte wie Flächenberechnung, Bodenrichtwert und Wertgutachten in die Wertermittlung ein, die den Grundstückswert und Marktwert präzise erfassen. Auch das Immobilienrecht sowie Bestimmungen des Grundstücksverkehrsgesetzes und des Kaufvertragsrechts sichern den ordnungsgemäßen Eigentumsübergang und die notarielle Beurkundung.
Im Folgenden wird ein konkreter Fall vorgestellt, der diese Bewertungsfragen praxisnah beleuchtet.
Der Fall vor Gericht
Grundbuchamt korrigiert Wertfestsetzung für Immobilien in W. und G.

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe hat in einem aktuellen Fall die vom Amtsgericht Mannheim vorgenommene Wertfestsetzung für zwei Grundstücke teilweise revidiert. Im Zentrum stand die Bewertung einer Immobilie in W., deren Wert das Grundbuchamt zunächst mit 1,735 Millionen Euro beziffert hatte.
Wesentliche Korrekturen bei der Grundstücksbewertung
Bei der Bewertung des Grundstücks in W. stützte sich das Grundbuchamt auf den Bodenrichtwert von 700 Euro pro Quadratmeter, was bei einer Fläche von 1.050 Quadratmetern einen Grundstückswert von 735.000 Euro ergab. Zusätzlich setzte es für das darauf befindliche Gebäude einen Sachwert von einer Million Euro an. Das OLG Karlsruhe korrigierte den Gesamtwert deutlich nach unten auf 900.000 Euro. Die Richter kritisierten insbesondere die Methodik des Grundbuchamts bei der Gebäudebewertung. Das Argument, ein Zweifamilienhaus mit durchschnittlicher Ausstattung sei in W. nicht unter einer Million Euro zu bekommen, wurde als nicht stichhaltig zurückgewiesen, da ein solcher Kaufpreis bereits den Grundstückswert beinhalten würde.
Besonderheiten des bewerteten Objekts
Das betroffene Wohnhaus aus dem Jahr 1937 weist eine Wohnfläche von 197 Quadratmetern auf und wurde 1980 erweitert. Wichtige wertmindernde Faktoren sind die fehlende Dämmung von Gebäude und Dach, ein feuchter Keller sowie ein genereller Sanierungsbedarf. 2012 wurden lediglich die Fenster ausgetauscht und eine Gasheizung eingebaut. Das Gericht berücksichtigte bei seiner Bewertung auch die durchschnittliche Lebenserwartung eines freistehenden Ein- bzw. Zweifamilienhauses von 100 Jahren, wobei zum Zeitpunkt der Beurkundung nur noch eine Restlebenserwartung von 15 Jahren bestand.
Nießbrauchsrechte und zweites Grundstück
Neben dem Hauptgrundstück in W. wurde auch ein Grundstück in G. bewertet. Für dieses bestätigte das OLG den vom Grundbuchamt festgesetzten Wert von 7.314 Euro, basierend auf einem Bodenrichtwert von 6 Euro pro Quadratmeter bei 1.219 Quadratmetern Fläche. Die Nießbrauchsrechte wurden entsprechend den gesetzlichen Vorgaben mit der Hälfte des jeweiligen Grundstückswerts bewertet. Für das Grundstück in W. ergab sich damit ein Wert von 450.000 Euro und für das Grundstück in G. ein Wert von 3.657 Euro.
Rechtliche Grundlagen der Wertermittlung
Das Gericht betonte die Bedeutung des Verkehrswerts nach § 46 GNotKG als maßgebliche Bewertungsgrundlage. Dieser wird durch den im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielbaren Preis unter Berücksichtigung aller preisbeeinflussenden Umstände bestimmt. Bei der Ermittlung können amtlich bekannte Tatsachen wie Bodenrichtwerte herangezogen werden. Das OLG bestätigte die grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit der Bodenrichtwerte als Bewertungsgrundlage, auch wenn diese vom tatsächlichen Verkehrswert um bis zu 30 Prozent abweichen können.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Gericht bestätigt, dass bei der Wertfestsetzung von Grundstücken die amtlichen Bodenrichtwerte als Mindestbasis herangezogen werden können, auch wenn die Beteiligten einen niedrigeren Wert vereinbart haben. Abweichungen des Verkehrswerts bis zu 30% vom Bodenrichtwert sind dabei verfassungsrechtlich zulässig. Das Urteil verdeutlicht, dass nicht die subjektive Werteinschätzung der Vertragsparteien, sondern objektive Kriterien für die amtliche Wertfestsetzung maßgeblich sind.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie eine Immobilie übertragen, müssen Sie damit rechnen, dass das Grundbuchamt für die Berechnung der Gebühren nicht den von Ihnen vereinbarten Kaufpreis zugrunde legt, sondern sich am Bodenrichtwert orientiert. Dies kann zu deutlich höheren Kosten führen als ursprünglich kalkuliert. Besonders in gefragten Lagen wie Altstädten oder bei Grundstücken mit besonderen Merkmalen kann der amtliche Wert erheblich über dem vereinbarten Kaufpreis liegen. Eine Beschwerde gegen die Wertfestsetzung hat nur dann Aussicht auf Erfolg, wenn Sie nachweisen können, dass die Bewertungskriterien des Grundbuchamts offensichtlich fehlerhaft sind.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wie läuft eine Wertermittlung für Grundstücke durch das Grundbuchamt grundsätzlich ab?
Die Wertermittlung für Grundstücke durch das Grundbuchamt erfolgt nach den Vorschriften des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG) und basiert auf dem Verkehrswert des Grundstücks.
Grundsätzliche Ermittlung des Verkehrswerts
Der Verkehrswert wird als der Preis definiert, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr unter Berücksichtigung aller wertbeeinflussenden Umstände erzielt werden könnte. Wenn Sie ein Grundstück bewerten lassen, orientiert sich das Grundbuchamt dabei an folgenden Hauptkriterien:
- Der Bodenrichtwert als Ausgangsbasis
- Die tatsächlichen Eigenschaften des Grundstücks
- Die rechtlichen Gegebenheiten
Berücksichtigung verschiedener Bewertungsfaktoren
Das Grundbuchamt bezieht bei der Wertermittlung verschiedene Faktoren ein:
Objektbezogene Faktoren:
- Grundstücksgröße und -form
- Erschließungsgrad
- Bodenbeschaffenheit
- Art der Bepflanzung
Lagebezogene Faktoren:
- Makrolage (Region, Stadt)
- Mikrolage (unmittelbare Umgebung)
- Infrastruktur
- Verkehrsanbindung
Verfahren der Wertermittlung
Das Grundbuchamt kann verschiedene Methoden zur Wertermittlung heranziehen:
Vergleichswertverfahren: Dies gilt als Standardmethode nach der Immobilienwertermittlungsverordnung. Dabei werden die Kaufpreise vergleichbarer Grundstücke aus der amtlichen Kaufpreissammlung herangezogen.
Wertminderungen: Wenn Ihr Grundstück durch Altlasten, Denkmalschutz oder andere Faktoren beeinträchtigt ist, berücksichtigt das Grundbuchamt diese wertmindernden Aspekte.
Rechtliche Absicherung
Die Beteiligten müssen vor der endgültigen Wertfestsetzung die Möglichkeit erhalten, die Berechnungsgrundlagen nachzuvollziehen und eventuelle Einwendungen vorzubringen. Wenn Sie mit der Wertermittlung nicht einverstanden sind, können Sie Einwendungen erheben, die das Grundbuchamt prüfen muss.
Welche Rechtsmittel stehen gegen eine Wertfestsetzung des Grundbuchamts zur Verfügung?
Wenn Sie mit der Wertfestsetzung des Grundbuchamts nicht einverstanden sind, steht Ihnen die Beschwerde als wichtigstes Rechtsmittel zur Verfügung.
Voraussetzungen und Fristen
Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Stellen Sie sich vor, das Grundbuchamt hat einen Wert von 100.000 Euro festgesetzt, Sie halten aber 80.000 Euro für angemessen – in diesem Fall wäre eine Beschwerde zulässig, da die Differenz den Schwellenwert deutlich überschreitet.
Die Beschwerdefrist beträgt sechs Monate. Diese Frist beginnt mit der Rechtskraft der Entscheidung über die Kosten. Wenn Sie beispielsweise am 1. März einen Wertfestsetzungsbeschluss erhalten, haben Sie bis zum 1. September Zeit, Beschwerde einzulegen.
Ablauf des Beschwerdeverfahrens
Das Verfahren läuft in mehreren Stufen ab:
- Zunächst prüft das Grundbuchamt selbst die Beschwerde und kann ihr abhelfen.
- Hilft das Grundbuchamt nicht ab, wird die Beschwerde dem Oberlandesgericht als Beschwerdegericht vorgelegt.
- Die Beschwerde ist gerichtsgebührenfrei, und außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Besonderheiten bei der Wertfestsetzung
Bei der Bewertung von Grundbesitz orientiert sich das Grundbuchamt am Verkehrswert. Dieser bestimmt sich nach dem Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr unter Berücksichtigung aller Umstände bei einer Veräußerung zu erzielen wäre.
Das Grundbuchamt kann seine Wertfestsetzung auch von Amts wegen ändern. Dies ist besonders relevant, wenn neue Tatsachen bekannt werden, die eine andere Bewertung rechtfertigen. Wenn Sie etwa nachträglich Unterlagen vorlegen können, die einen niedrigeren Wert belegen, kann das Grundbuchamt seine Entscheidung entsprechend korrigieren.
Welche Bedeutung haben Bodenrichtwerte für die Wertermittlung von Grundstücken?
Der Bodenrichtwert ist ein durchschnittlicher Lagewert des Bodens, der in Euro pro Quadratmeter angegeben wird und eine zentrale Rolle bei der Wertermittlung von Grundstücken spielt. Wenn Sie ein Grundstück bewerten möchten, dient der Bodenrichtwert als wichtiger Ausgangspunkt für die Berechnung des individuellen Bodenwerts.
Ermittlung und gesetzliche Grundlage
Die Gutachterausschüsse ermitteln die Bodenrichtwerte mindestens alle zwei Jahre auf Basis der amtlichen Kaufpreissammlungen. Diese Werte werden nach § 196 BauGB flächendeckend für sogenannte Bodenrichtwertzonen festgelegt, in denen Grundstücke mit vergleichbaren Nutzungs- und Wertverhältnissen zusammengefasst sind.
Praktische Anwendung
Die Berechnung des individuellen Bodenwerts erfolgt nach folgender Formel: Bodenwert = Bodenrichtwert × Grundstücksfläche
Dabei müssen Sie beachten, dass der tatsächliche Wert Ihres Grundstücks vom Bodenrichtwert abweichen kann. Wichtige wertbeeinflussende Faktoren sind:
- Grundstücksgröße und -form
- Bebauungsmöglichkeiten
- Lage und Infrastruktur
- Bodenbeschaffenheit
- Erschließungsgrad
Bedeutung für die Besteuerung
Der Bodenrichtwert ist nicht nur für die Wertermittlung relevant, sondern dient auch als Basis für die Besteuerung von Grund und Boden. Seit dem 1. Januar 2023 werden die Vorschriften zur Immobilienbewertung an die Bestimmungen der Immobilienwertverordnung angepasst, was beispielsweise Auswirkungen auf die Erbschaftssteuer haben kann.
Bei bebauten Grundstücken wird der Bodenrichtwert so ermittelt, als wäre das Grundstück unbebaut. Dies ist wichtig für die Vergleichbarkeit der Werte innerhalb einer Bodenrichtwertzone. Wenn Sie den tatsächlichen Verkehrswert eines einzelnen Grundstücks ermitteln möchten, müssen die individuellen Besonderheiten durch entsprechende Zu- oder Abschläge berücksichtigt werden.
Wie werden wertmindernde Faktoren bei der Grundstücksbewertung berücksichtigt?
Grundlegende Bewertungsfaktoren
Wertmindernde Faktoren spielen bei der Verkehrswertermittlung eine zentrale Rolle. Der Verkehrswert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften zu erzielen wäre.
Bei der Bewertung eines Grundstücks müssen Sie verschiedene bauliche und technische Aspekte berücksichtigen. Besonders relevant sind veraltete Elektroinstallationen, alte Heizungsanlagen und mangelhafte Fenster oder Türen. Diese technischen Mängel wirken sich unmittelbar auf den Verkehrswert aus.
Lage und Umgebungsfaktoren
Die Lage spielt eine entscheidende Rolle bei der Wertminderung. Wenn Ihr Grundstück an stark befahrenen Straßen liegt oder Lärmbelästigungen ausgesetzt ist, mindert dies den Wert erheblich. Auch eine schlechte Infrastruktur oder mangelnde Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr können den Wert deutlich reduzieren.
Rechtliche und bauliche Einschränkungen
Rechtliche Belastungen können den Wert Ihres Grundstücks erheblich mindern. Dazu gehören beispielsweise Wegerechte, Denkmalschutz oder andere im Grundbuch eingetragene Belastungen. Auch bauliche Einschränkungen wie eine geringe Bebaubarkeit oder ungünstige Grundstückszuschnitte wirken sich negativ auf den Wert aus.
Nachweis der Wertminderung
Wenn Sie eine Wertminderung geltend machen möchten, reicht es nicht aus, die wertmindernden Faktoren nur zu benennen. Sie müssen die Wertminderung konkret nachweisen können, etwa durch ein Gutachten oder vergleichbare Verkaufsfälle aus der Umgebung. Bei erheblichen Abweichungen vom typisierten Grundsteuerwert von mehr als 40% kann ein niedrigerer gemeiner Wert nachgewiesen werden.
Welche Rolle spielen Nießbrauchsrechte bei der Wertermittlung von Grundstücken?
Ein Nießbrauchrecht hat erhebliche Auswirkungen auf den Verkehrswert eines Grundstücks, da es den Eigentümer in seinen Nutzungsmöglichkeiten einschränkt.
Grundsätzliche Wertminderung
Der Nießbrauch führt zu einer deutlichen Reduzierung des Grundstückswerts, da der Eigentümer von der Nutzung seines Eigentums ausgeschlossen ist. Die Wertminderung ergibt sich aus zwei wesentlichen Komponenten:
Kapitalwert des Nießbrauchs = Jahreswert × Vervielfältiger
Der Jahreswert orientiert sich dabei an den erzielbaren Mieterträgen oder dem Nutzungswert. Der Vervielfältiger berücksichtigt insbesondere das Alter und die statistische Lebenserwartung des Nießbrauchberechtigten.
Bewertungsmethoden
Bei der Wertermittlung von nießbrauchbelasteten Grundstücken kommen zwei zentrale Methoden zum Einsatz:
- Bewertung nach Bewertungsgesetz: Hier wird der Nießbrauch separat berechnet und vom Grundstückswert abgezogen.
- Verkehrswertgutachten: Der Nießbrauch wird unmittelbar bei der Grundstücksbewertung wertmindernd berücksichtigt. Diese Methode führt häufig zu einem höheren Nießbrauchwert, da sie nicht an den steuerlichen Zinssatz von 5,5 Prozent gebunden ist.
Besondere Einflussfaktoren
Die Höhe der Wertminderung wird durch verschiedene Faktoren beeinflusst:
- Art des Objekts: Bei Ertragsobjekten wird anders bewertet als bei selbstgenutzten Immobilien.
- Vereinbarte Kostentragung: Abweichende Regelungen zur gesetzlichen Kostentragung können den Wert beeinflussen.
- Umfang des Nießbrauchs: Ein Vollnießbrauch wirkt sich stärker wertmindernd aus als ein beschränkter Nießbrauch.
Bei der Verkehrswertermittlung durch ein Gutachten können die Angaben der Sterbetafel im Hinblick auf die durchschnittliche Lebenserwartung angepasst werden. Dies ermöglicht eine realistischere Bewertung des Nießbrauchrechts.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Verkehrswert
Der Verkehrswert ist der Preis, der für eine Immobilie im normalen Geschäftsverkehr zu erzielen wäre, wobei alle wertbestimmenden Faktoren wie Lage, Zustand und Ausstattung berücksichtigt werden. Die gesetzliche Grundlage findet sich in § 46 GNotKG (Gerichts- und Notarkostengesetz). Der Verkehrswert ist von zentraler Bedeutung für die Immobilienbewertung und dient als Basis für Kaufpreisverhandlungen, Beleihungen oder steuerliche Einschätzungen.
Beispiel: Ein 20 Jahre altes Einfamilienhaus hat einen Verkehrswert von 500.000 Euro, der sich aus dem Grundstückswert, dem Gebäudewert und weiteren Faktoren wie Lage und Zustand zusammensetzt.
Bodenrichtwert
Der Bodenrichtwert ist ein durchschnittlicher Grundstückswert pro Quadratmeter für ein bestimmtes Gebiet, der von unabhängigen Gutachterausschüssen ermittelt wird. Er bezieht sich auf den Wert des unbebauten Bodens und dient als wichtige Orientierungsgröße bei der Immobilienbewertung. Bodenrichtwerte werden regelmäßig aktualisiert und können je nach Lage stark variieren.
Beispiel: In einer durchschnittlichen Wohnlage beträgt der Bodenrichtwert 700 Euro pro Quadratmeter, während er in Top-Lagen einer Großstadt bei 2.000 Euro oder mehr liegen kann.
Sachwert
Der Sachwert bezeichnet den tatsächlichen materiellen Wert einer Immobilie, der sich aus den Herstellungskosten des Gebäudes abzüglich der Abnutzung plus dem Bodenwert ergibt. Er berücksichtigt insbesondere bauliche Aspekte wie Gebäudealter, Bausubstanz und technische Ausstattung. Der Sachwert ist einer von mehreren Ansätzen zur Immobilienbewertung.
Beispiel: Bei einem Haus mit Herstellungskosten von 400.000 Euro und einer Alterswertminderung von 30% beträgt der Sachwert des Gebäudes 280.000 Euro, zuzüglich des Grundstückswerts.
Nießbrauchsrecht
Das Nießbrauchsrecht ist ein im Grundbuch eingetragenes Recht, das dem Berechtigten die vollständige Nutzung einer Immobilie ermöglicht, ohne deren Eigentümer zu sein. Es umfasst das Recht, die Immobilie zu bewohnen oder Mieteinnahmen zu erzielen. Geregelt ist dies in §§ 1030 ff. BGB. Das Recht ist meist lebenslang und nicht übertragbar.
Beispiel: Eltern übertragen ihr Haus an die Kinder, behalten aber ein lebenslanges Nießbrauchsrecht und können weiterhin darin wohnen.
Restlebenserwartung (einer Immobilie)
Die Restlebenserwartung beschreibt die verbleibende wirtschaftliche Nutzungsdauer eines Gebäudes bis zu seiner technischen oder wirtschaftlichen Erschöpfung. Sie ist ein wichtiger Faktor bei der Wertermittlung und beeinflusst maßgeblich die Abschreibung. Die Gesamtlebenserwartung verschiedener Gebäudetypen ist in Tabellen standardisiert festgelegt.
Beispiel: Ein 85 Jahre altes Einfamilienhaus mit einer Gesamtlebenserwartung von 100 Jahren hat noch eine Restlebenserwartung von 15 Jahren, was den Wert erheblich mindert.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 46 Abs. 1 GNotKG: Dieser Paragraph regelt die Bestimmung des Werts einer Sache durch den Verkehrswert, der den Preis im gewöhnlichen Geschäftsverkehr widerspiegelt. Er berücksichtigt alle Umstände, die den Preis bei einer Veräußerung beeinflussen können. Im vorliegenden Fall wurde der Verkehrswert des Grundstücks durch das Grundbuchamt anhand des Bodenrichtwerts und eines geschätzten Sachwerts für das Gebäude ermittelt, was gemäß § 46 Abs. 1 GNotKG zulässig ist.
- § 22 GNotKG: Diese Vorschrift bestimmt, dass bei Anträgen, die im Namen mehrerer Berechtigter gestellt werden, alle Antragsberechtigten als Kostenschuldner gelten, sofern der Notar nicht anders angibt. In dem vorliegenden Fall wurden die Eintragungsanträge im Namen beider Beteiligten gestellt, wodurch beide nach § 22 GNotKG zur Kostentragung verpflichtet sind.
- § 83 GNotKG: Dieser Paragraph regelt das Recht auf Beschwerde gegen Gerichtsbeschlüsse und stellt sicher, dass betroffene Parteien ihre Beschwerden fristgerecht einreichen können. Die Beteiligten zu 1 und 2 haben gemäß § 83 GNotKG fristgerecht gegen den Wertfestsetzungsbeschluss Beschwerde eingelegt, was die Zulässigkeit ihrer Beschwerden bestätigt.
- § 11 RPflG: Diese Vorschrift betrifft die Eintragung von Rechten im Grundbuch, insbesondere Eigentumswechsel und Nießbrauchrechte. Im vorliegenden Fall beziehen sich die Beschwerden der Beteiligten auf die Eintragung eines Eigentumswechsels und die Einräumung von Nießbrauchrechten, die unter § 11 RPflG fallen.
- § 46 Abs. 2 Nr. 3 GNotKG: Falls der Verkehrswert nicht direkt feststellbar ist, ermöglicht dieser Absatz die Bestimmung des Werts anhand amtlich bekannter Tatsachen, wie zum Beispiel veröffentlichte Bodenrichtwerte. Das Grundbuchamt hat in diesem Fall den Bodenrichtwert gemäß § 46 Abs. 2 Nr. 3 GNotKG verwendet, um den Wert des Grundstücks zu bestimmen.
Das vorliegende Urteil
OLG Karlsruhe – Az.: 19 W 18/23 (Wx) – Beschluss vom 19.12.2024
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