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Grundbuchverfahren – Auslegung des Umfangs einer Nachlassvollmacht

OLG München – Az.: 34 Wx 385/11 – Beschluss vom 19.09.2011

Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Rosenheim – Grundbuchamt – vom 19. August 2011 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1 wurde am 11.8.2011 als Erbe seiner Mutter im Wege der Grundbuchberichtigung als Eigentümer von Grundbesitz eingetragen. Bereits mit notarieller Urkunde vom 1.8.2011 hatte er diesen Grundbesitz an die Beteiligten zu 2 und 3 veräußert und die Eintragung einer Eigentumsvormerkung bewilligt. Der im Ausland ansässige Beteiligte zu 1 handelte dabei nicht selbst, sondern wurde vertreten durch Rechtsanwalt Dr. M., der eine notariell beurkundete „Nachlassvollmacht“ vom 19.7.2011 vorlegte. Diese hat, soweit hier erheblich, folgenden Wortlaut:

I.

Ich, (Beteiligter zu 1), bin Alleinerbe am Nachlass meiner Mutter, Frau …

In den Nachlass fällt neben Guthaben bei Banken und Wertpapieren auch folgender Grundbesitz:

1. Amtsgericht R., Grundbuch von …

a) …

b) …

c) …

2. Amtsgericht N., Grundbuch von …

Insbesondere folgende Nachlasskonten sind bekannt:

sowie ein Bausparvertrag bei der W. Bausparkasse.

II.

Ich, …, bevollmächtige hiermit

Herrn Rechtsanwalt Dr. .,

mich in Bezug auf den in Abschnitt I. dieser Urkunde bezeichneten Nachlass in allen gesetzlich zulässigen Fällen gerichtlich und außergerichtlich zu vertreten.

Der Bevollmächtigte ist hierbei berechtigt, in Bezug auf den oben bezeichneten Nachlass alle Rechtsgeschäfte und alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die von mir und mir gegenüber nach den gesetzlichen Bestimmungen vorgenommen werden können und bei denen das Gesetz eine Vertretung gestattet.

III.

Insbesondere ist im Rahmen dieser Vollmacht der Bevollmächtigte berechtigt,

1. den zum Nachlass gehörenden Grundbesitz ganz oder teilsweise zu verkaufen, …

Unter dem 3.8.2011 hat der Notar gemäß § 15 GBO unter anderem die Eintragung der Vormerkung beantragt.

Mit Zwischenverfügung vom 19.8.2011 hat das Grundbuchamt Frist zur Behebung folgenden Hindernisses gesetzt:

Die Nachlassvollmacht beziehe sich ausdrücklich nur auf den in Abschnitt I. der Urkunde bezeichneten Nachlass. Dort sei jedoch der vertragsgegenständliche Grundbesitz nicht mit aufgeführt. Aus der Urkunde ergebe sich nicht, dass sich die Vollmacht in jedem Fall auf den gesamten Nachlass beziehen solle, sondern es werde mehrfach auf den „oben bezeichneten“ bzw. „vorgenannten“ Nachlass Bezug genommen.

Gegen diese Zwischenverfügung hat der Notar für die Beteiligten Beschwerde eingelegt und sich gegen die vom Grundbuchamt vorgenommene Vollmachtsauslegung gewandt. Zwar werde in Abschnitt II. auf den in Abschnitt I. bezeichneten Nachlass Bezug genommen. In Abschnitt I. sei der gegenständliche Grundbesitz nicht ausdrücklich genannt. Hieraus könne jedoch nicht geschlossen werden, dass sich die Vollmacht ausschließlich auf die in Abschnitt I. genannten Nachlassgegenstände beziehen solle. Ein Nachlass als Sachgesamtheit werde nicht durch einzelne Nachlassgegenstände definiert und bezeichnet, sondern, wie in Abschnitt I. geschehen, durch die Person des Erblassers. Die daran anschließende Aufzählung einzelner Nachlassgegenstände habe lediglich beispielhaften Charakter im Sinn einer Wissenserklärung. Der Umfang der Vollmacht werde dadurch nicht eingeschränkt. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut von Abschnitt I. Daraus werde deutlich, dass die dortige Aufzählung nur beispielhaften Charakter habe, da sich der Vollmachtgeber über die Zusammensetzung des Nachlasses im Einzelnen offensichtlich im Zeitpunkt der Erteilung der Vollmacht noch nicht im Klaren gewesen sei. Dem Bevollmächtigten werde Vollmacht erteilt, über den „Nachlass“, nicht etwa über bestimmte Nachlassgegenstände zu verfügen. Nur wenn man den Gegenstand der Vollmacht als eine Sachgesamtheit begreife, ergebe die Bezugnahme auf den Nachlass in Abschnitt I. einen Sinn. Hätte der Vollmachtgeber tatsächlich nur eine Spezialvollmacht zur Verfügung über die ausdrücklich genannten Grundstücke und Konten erteilen wollen, würde deren Herkunft als Bestandteile eines bestimmten Nachlasses keine Rolle spielen.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

1. Die namens sämtlicher Beteiligter eingelegte Beschwerde (§ 18 Abs. 1, § 71 Abs. 1, § 73 Abs. 1 und 2, § 15 Abs. 2 GBO) gegen die Zwischenverfügung ist nach der FGG-Reform weiterhin statthaft (vgl. OLG Hamm MittBayNot 2011, 299/300) und auch im Übrigen zulässig.

2. In der Sache hat das Rechtsmittel Erfolg. Die Vollmacht bezieht sich auf den gesamten Nachlass, also auch auf das in der Urkunde nicht ausdrücklich genannte gegenständliche Grundstück. Das ergibt die auch im Grundbuchrecht gebotene Auslegung am Maßstab des § 133 BGB.

Nach § 167 BGB erteilte Vollmachten sind nach den für die Auslegung von Grundbucherklärungen geltenden Grundsätzen auszulegen (vgl. Demharter GBO 27. Aufl. § 19 Rn. 75 und 28; aus der Rspr. OLG Hamm FGPrax 2005, 240/241). Erst wenn die Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis führt, gilt der Grundsatz, dass der geringere Umfang der Vollmacht anzunehmen ist, wenn sich der größere nicht nachweisen lässt (BayObLG Rpfleger 1996, 332; vgl. Demharter § 19 Rn. 75 m. w. N.). Bei der Auslegung ist auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung der Erklärung ergibt (z. B. BGHZ 113, 374/378; vgl. Demharter § 19 Rn. 28. m. w. N.).

Vorliegend ist in Abschnitt II. Vollmacht erteilt in Bezug auf den in Abschnitt I. bezeichneten Nachlass. In Abschnitt I. ist festgestellt, dass der Beteiligte zu 1 Alleinerbe „am Nachlass“ seiner Mutter ist. Zwar sind dann einzelne Gegenstände aus dem Nachlass, u.a. näher bezeichnete Grundstücke, aufgeführt. Soweit daneben Bankkonten aufgeführt sind, wird durch die Verwendung des Wortes „insbesondere“ klargestellt, dass die Aufzählung nicht abschließend sein soll. Eine solche Klarstellung fehlt zwar bei dem aufgeführten Grundbesitz. Insgesamt handelt sich bei den Einzelobjekten aber erkennbar nur um eine Beschreibung des Umfangs des Nachlasses mit im Einzelnen unterschiedlich genauer Präzisierung. Ersichtlich sollen die dem Vollmachtgeber bekannten Teile des Nachlasses im Sinne einer – wie auch in der Beschwerdebegründung angeführt – Wissenserklärung Erwähnung finden, der Umfang der als solcher auch so bezeichneten „Nachlassvollmacht“ indessen aber nicht inhaltlich auf Einzelgegenstände beschränkt werden.

Als Nachlass wird das auf den Erben als Ganzes übergegangene Vermögen des Erblassers, die Gesamtheit seiner Rechtsverhältnisse, bezeichnet (Prinzip der Universalsukzession; vgl. z. B. Palandt/Weidlich BGB 70. Aufl. § 1922 Rn. 7). Der Nachlass ist zu unterscheiden von den einzelnen Nachlassgegenständen, aus denen er sich zusammensetzt. Dieser kann sinnvoll auch nur als Erbschaft nach einer bestimmten Person bezeichnet werden, da die Aufzählung von Nachlassgegenständen nie die Gewähr der Vollständigkeit bietet und sich herausstellen kann, dass einzelne Gegenstände nicht im Eigentum des Erblassers standen, ferner dass Aktiva und Passiva zur Zeit der Erteilung der Vollmacht dem Erben schlicht unbekannt gewesen sein können.

3. Soweit mit der Beschwerde auch begehrt wird, das Grundbuchamt anzuweisen, den Antrag vom 3.8.2011 zu vollziehen, kann dem auf Beschwerde gegen die Zwischenverfügung nicht entsprochen werden. Gegenstand der Beschwerde ist nämlich nur das vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis, nicht aber die Entscheidung über den Eintragungsantrag selbst (vgl. Demharter § 71 Rn. 34).

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

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