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Grundbuchverfahren – Anforderungen an Nachweis der Nacherbfolge

OLG München –  Az.: 34 Wx 207/12 – Beschluss vom 10.08.2012

I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Freising – Grundbuchamt – vom 7. Mai 2012 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 1 war mit der am 19.4.2001 verstorbenen Frau Ulrike P. verheiratet, die Beteiligte zu 2 ist die gemeinsame volljährige Tochter. Zugunsten des Beteiligten zu 1 und dessen verstorbener Ehefrau sind seit 15.2.2000 in den Wohnungs- und Teileigentumsgrundbüchern (Wohnung W.-Ring) Eigentumsvormerkungen zu je 1/2 am gesamten Anteil (Wohnung) bzw. am halben Anteil (Teileigentum Doppelparker) eingetragen. Die Erblasserin hatte im handschriftlichen Testament vom 7.4.2001 den Beteiligten zu 1 zum Alleinerben eingesetzt, jedoch hinsichtlich des Wohnungs- und Teileigentums W.-Ring als befreiten Vorerben und die Beteiligte zu 2 als Nacherbin. Für den Fall der Wiederverheiratung des Ehemannes war der Eintritt des Nacherbfalls angeordnet, das Nacherbrecht sollte im Falle der Geltendmachung des Pflichtteils entfallen. Demgemäß hat das Amtsgericht – Nachlassgericht – am 18.6.2001 einen Erbschein erteilt. In den maßgeblichen beiden Grundbüchern wurden am 31.7.2001 Nacherbenvermerke eingetragen.

Der Beteiligte zu 1 hat am 20.5.2011 wieder geheiratet.

Zu notarieller Urkunde vom 13.4.2012 tauschten (u. a.) die Beteiligten Wohnungs- und Teileigentum; zum Vertragsgegenstand gehören die durch Eigentumsvormerkungen gesicherten Erwerbsansprüche an dem Wohnungs- und Teileigentum W.-Ring, die der Nacherbfolge unterliegen und die der Beteiligte zu 1 erhalten soll. In Abschnitt II der notariellen Urkunde versicherte die Beteiligte zu 2 an Eides statt, dass sie nach dem Tod ihrer Mutter ihren Pflichtteil nicht geltend gemacht habe. Sie beantragte als Berechtigte die Umschreibung der diesbezüglichen Eigentumsvormerkungen im Weg der Grundbuchberichtigung an den maßgeblichen Blattstellen.

Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 7.5.2012 folgendes Eintragungshindernis mit Fristsetzung zur Beseitigung aufgezeigt:

Es fehle zum Nachweis der Nacherbfolge der (vorgelegte) Erbschein oder Bezugnahme auf die Nachlassakten des Amtsgerichts. Die Beteiligte zu 2 habe als Nacherbin über den Eigentumsverschaffungsanspruch verfügt. Das Nacherbenrecht sei entweder durch einen Erbschein oder eine öffentliche Urkunde nachzuweisen. Die Nacherbschaft folge insbesondere nicht aus einem notariellen Testament.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des beurkundenden Notars, der die erbrachten Nachweise für ausreichend hält. Auch im Rahmen eines Erbscheinsverfahrens würde das Nachlassgericht eine entsprechende eidesstattliche Versicherung für die Erbscheinserteilung ausreichen lassen.

II.

Die Beschwerde ist statthaft (§ 18 Abs. 1, § 71 Abs. 1, § 73 GBO) und auch im Übrigen zulässig. Der beurkundende Notar kann für den Antragsberechtigten, ohne eine Vollmacht vorlegen zu müssen, gegen die auf seinen Eintragungsantrag ergangene Entscheidung Rechtsmittel einlegen. Dies folgt aus § 15 Abs. 2 GBO. Im Zweifelsfall ist die Beschwerde als für alle Antragsberechtigten eingelegt anzusehen (Demharter GBO 28. Aufl. § 15 Rn. 20 m.w.N.).

Das Rechtsmittel ist allerdings nicht begründet. Die in der Zwischenverfügung des Grundbuchamts vertretene Rechtsauffassung ist zutreffend und deckt sich auch mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats. Die Berichtigung des Grundbuchs als Voraussetzung für die Umschreibung der Eigentumsvormerkungen auf den Beteiligten zu 1 als Berechtigten (vgl. § 39 GBO) kann ohne den Nachweis der Erbfolge nicht vorgenommen werden.

1. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO kann der Nachweis der Erbfolge grundsätzlich nur durch einen Erbschein geführt werden. Die gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen liegen nicht vor. Insbesondere beruht die Erbfolge hier nicht auf einem öffentlichen – notariellen – (vgl. §§ 2231 Nr. 1, 2232 BGB), sondern auf einem eigenhändigen – privatschriftlichen – Testament (§§ 2231 Nr. 2, 2247 BGB). Die Regel des § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO gilt auch für den Fall, dass jemand nach einem anderen, dem Vorerben, Erbe geworden ist (Demharter § 35 Rn. 4). Demgemäß ist jedenfalls seit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 26.5.1982 (BGHZ 84, 196) unbestritten, dass die Nacherbfolge auch dann durch Erbschein nachgewiesen werden muss, wenn das Recht des Nacherben gemäß § 51 GBO im Grundbuch eingetragen und der Nachweis erbracht ist, dass der Nacherbfall – etwa durch Wiederverheiratung – eingetreten ist. Der Bundesgerichtshof beruft sich darauf, dass der Nachweis mittels Erbschein auch für Fälle der Grundbuchberichtigung zu erbringen ist; § 35 GBO bilde gegenüber § 29 GBO die spezielle Vorschrift (BGHZ 84, 196/199). Der für einen Vorerben ausgestellte Erbschein weise nur diesen als Erben aus. Die in ihm gemäß § 2363 BGB enthaltenen Angaben, dass Nacherbfolge angeordnet ist, unter welchen Voraussetzungen sie eintritt und wer Nacherbe ist, habe nur hinsichtlich der Verfügungsbefugnis des Erben (also des Vorerben) Bedeutung; vor Eintritt des Nacherbfalls sei eine angeordnete Nacherbschaft der Bezeugung in einem Erbschein nicht fähig. Die Vermutung der Richtigkeit des Erbscheins nach § 2365 BGB, somit auch dessen öffentlicher Glaube nach § 2366 BGB, gelte positiv nur für das bezeugte Erbrecht sowie negativ dafür, dass andere als die angegebenen Beschränkungen nicht bestehen. Eine positive Vermutung dafür, wer Nacherbe ist, sehe das Gesetz nicht vor (siehe BGHZ 84, 196/200). Weitergehendes vermöge auch der im Grundbuch gemäß § 51 GBO eingetragene Nacherbenvermerk nicht zu bezeugen; insbesondere werde die Rechtsstellung des Nacherben als solche durch den Vermerk nicht ausgewiesen (BGHZ 84, 196/200 f.). Dies entspricht auch der herrschenden oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung (siehe etwa OLG Frankfurt FGPrax 2010, 175; OLG Zweibrücken vom 25.11.2010, 3 W 179/10 bei juris).

2. Der Senat hat sich dieser Auffassung in seiner Entscheidung vom 11.4.2011 (FGPrax 2011, 173) ausdrücklich angeschlossen und festgehalten, dass dem eingetragenen Nacherbenvermerk keine weitergehende Beweiskraft für den Nacherben zukommt und dass auch von einer Offenkundigkeit der Eintragungsvoraussetzungen, nämlich abgeleitet aus dem Erbschein für den Vorerben bzw. aus dem Nacherbenvermerk in einer Zusammenschau mit dem Nachweis über den Eintritt der Nacherbfolge durch Wiederverheiratung, nicht die Rede sein kann (siehe auch OLG Köln MDR 1965, 993/994).

3. Die Frage, ob der Nachweis, nach dem Ableben der Mutter den Pflichtteil nicht verlangt zu haben, durch eidesstattliche Versicherung erbracht werden kann, spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle. Denn die gegenüber dem Grundbuchamt abgegebene eidesstattliche Versicherung der Nacherbin, dass der Pflichtteil nicht verlangt wurde, ist nur dann erheblich, wenn auch der Nachweis der Erbfolge im Übrigen geführt ist (Demharter § 35 Rn. 39 a. E.). Die eidesstattliche Versicherung geht aber ohne Nachweis der Erbfolge ins Leere. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 8.2.2011 (15 W 27/11 = MittBayNot 2012, 146 mit Anm. Reimann) hilft in diesem Zusammenhang nicht weiter, weil dort vorausgesetzt war, dass sich die Erbfolge aus einem notariellen Testament ergibt und damit gemäß § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO nachgewiesen werden kann.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, § 30 Abs. 2, § 31 Abs. 1 KostO. Mangels sonstiger Anhaltspunkte ist der Beschwerdewert mit dem Regelwert in § 30 Abs. 2 KostO anzusetzen.

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (vgl. § 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.

 

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