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Grundbuchunrichtigkeit – Löschung eines bedingten Geh- und Fahrtrechts

OLG München – Az.: 34 Wx 256/16 – Beschluss vom 07.10.2016

I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Augsburg – Grundbuchamt – vom 27. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligte, eine bayerische Gemeinde, ist als Eigentümerin von Grundbesitz im Grundbuch eingetragen. Mit Urkunde vom 2.10.1998 hatte ein Voreigentümer ein Geh- und Fahrtrecht bewilligt, das erlöschen sollte, wenn das herrschende Grundstück eine Zufahrt über eine öffentliche Verkehrsfläche erhält. Dieses Recht ist in Abteilung II unter lfd. Nr. 9 wie folgt eingetragen:

Grunddienstbarkeit (Geh- und Fahrtrecht) für den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks FlNr. -…); gemäß Bewilligung vom …

Mit gesiegelter und von der 1. Bürgermeisterin unterschriebener Erklärung vom 18.9.2015 versicherte die Beteiligte, dass „die öffentliche Verkehrsfläche, über die eine Zufahrt zum herrschenden Grundstück möglich ist, hergestellt“ sei. Unter Verweis auf diese Erklärung beantragte sie am 6.10.2015 die Löschung der Grunddienstbarkeit mit der Begründung, dass die auflösende Bedingung eingetreten sei. Zum weiteren Nachweis des Bedingungseintritts legte sie einen Lageplan aus dem Liegenschaftskataster vor, aus dem ein am herrschenden Grundstück in der Art einer Straße entlangführendes und dessen Grenze berührendes Grundstück zu ersehen ist. Die vom Grundbuchamt zum Antrag angehörte Eigentümerin des herrschenden Grundstücks gab keine Erklärung ab. Daraufhin erließ das Grundbuchamt fristsetzende Zwischenverfügung, mit der es das Fehlen einer Löschungsbewilligung der Berechtigten monierte. Die Vorlage einer Unrichtigkeitsbescheinigung genüge für die Löschung nicht, da es sich nicht um ein bedingtes Recht handele. Der (damalige) Eigentümer des herrschenden Grundstücks habe sich vielmehr in der notariellen Bestellungsurkunde dazu verpflichtet, bei Erlöschen der Dienstbarkeit eine Löschungsbewilligung abzugeben. Mit Beschluss vom 27.1.2016 hat das Grundbuchamt den Antrag sodann aus den in der Zwischenverfügung genannten Gründen zurückgewiesen.

Dagegen hat die Beteiligte Beschwerde eingelegt. Die Dienstbarkeit stehe unter einer auflösenden Bedingung, der Beweis des Bedingungseintritts sei durch den vorgelegten Lageplan sowie die Versicherung der Beteiligten geführt. Die Verpflichtung zur Abgabe der Löschungsbewilligung stelle nur eine zusätzliche schuldrechtliche Verpflichtung dar, um den beschwerlicheren Weg des Unrichtigkeitsnachweises zu vermeiden.

Der Beschwerde hat das Grundbuchamt am 29.6./26.7.2016 nicht abgeholfen. Selbst wenn von einem bedingten Recht ausgegangen werde, sei der Nachweis nicht erbracht. Die urkundliche Bescheinigung der Unrichtigkeit liege nicht im Rahmen der Amtsbefugnisse der Gemeinde. Der Lageplan sei zum Nachweis der Straßeneigenschaft nicht geeignet.

II.

Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

1. Gegen die Zurückweisung des Grundbuchberichtigungsantrags ist nach herrschender Meinung die unbeschränkte Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO statthaft, wenn – wie hier – mit ihr eine nachträgliche Grundbuchunrichtigkeit geltend gemacht wird (Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 71 Rn 152 m. w. N.). Das Rechtsmittel ist auch im Übrigen in zulässiger Weise eingelegt (§§ 73, 15 Abs. 2 GBO).

2. Die Beschwerde ist zurückzuweisen, da die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Grundbuchs nach § 22 GBO nicht gegeben sind.

a) Von einer Unrichtigkeit des Grundbuchs ist auszugehen, wenn die formelle und die materielle Rechtslage divergieren (§ 894 BGB; Hügel/Holzer § 22 Rn. 25). Unrichtig ist das Grundbuch im Hinblick auf das eingetragene Geh- und Fahrtrecht daher dann, wenn das Recht unter einer Bedingung eingeräumt und es in Folge Bedingungseintritts erloschen ist. In diesem Fall kommt eine Grundbuchberichtigung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO entweder bei Vorlage einer Berichtigungsbewilligung (§ 19 GBO) oder beim Nachweis der Unrichtigkeit (§ 29 GBO) in Betracht.

b) Da eine Berichtigungsbewilligung für das Recht nicht abgegeben wurde, kann die Eintragung nur erfolgen, wenn der Nachweis für das Vorliegen eines auflösend bedingten Rechts und für den Eintritt der Bedingung erbracht wäre.

Die Führung des Nachweises obliegt dem Eigentümer des belasteten Grundstücks (BayObLGZ 1985, 225/228; Demharter GBO 30. Aufl. § 22 Rn. 36; Hügel/Holzer § 22 Rn. 58) und damit der Beteiligten als Antragstellerin. Es gilt der grundbuchrechtliche „Beibringungsgrundsatz“; eine Sachaufklärung von Amts wegen durch das Grundbuchamt findet nicht statt (BayObLG Rpfleger 1982, 467; Böttcher ZfIR 2008, 507/509; Kohler in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 22 Rn. 171 und 174).

An den Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen (BayObLGZ 1986, 317/320; Demharter § 22 Rn. 37). Als ausreichende Grundlage für eine Berichtigung ohne Bewilligung der Betroffenen genügt nicht einmal eine gewisse Wahrscheinlichkeit der vorgetragenen Umstände (BayObLGZ 1985, 225/228; Hügel/Holzer § 22 Rn. 59 m. w. N.). Es ist in der Form des § 29 GBO, somit durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden, lückenlos jede Möglichkeit auszuräumen, die der Richtigkeit der vorhandenen Eintragung entgegenstehen könnte (Senat vom 12.12.2007, 34 Wx 118/07 = FGPrax 2008, 52/53). Zum Nachweis durch Urkunden sind diese im Original, in Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift vorzulegen (Hügel/Otto § 29 Rn. 137). Nur ganz entfernt liegende, theoretische Möglichkeiten müssen nicht ausgeräumt werden. Einer Nachweisführung bedarf es zudem dann nicht, wenn sich die materielle Unrichtigkeit aus der Eintragung im Grundbuch einschließlich ihrer zulässigen Bezugnahmen (§ 874 BGB) ergibt. Auch was offenkundig ist, braucht nicht bewiesen zu werden (vgl. Demharter § 22 Rn. 37; Kohler in Bauer/von Oefele § 22 Rn. 171 f.).

c) Nach diesen Grundsätzen ist der Unrichtigkeitsnachweis nicht erbracht.

aa) Nach Auslegung der Bewilligung ist von der Vereinbarung einer auflösenden Bedingung bzw. Befristung für das Geh- und Fahrtrecht auszugehen. Bei Grunddienstbarkeiten müssen zwar eine Bedingung oder Befristung in das Grundbuch selbst eingetragen werden; Bezugnahmen nach § 874 BGB sind insoweit nicht zulässig (Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn 1149 und 266). Die nur unter Bezugnahme auf die Bewilligung vorgenommene Eintragung des Rechts führt jedoch materiellrechtlich nicht zum Wegfall der Bedingung oder Befristung, sondern zur Unrichtigkeit des Grundbuchs insoweit, als dieses im Widerspruch zur materiellrechtlichen Einigung ein unbedingtes bzw. unbefristetes Recht verlautbart. Entstanden ist die Grunddienstbarkeit nämlich infolge der Vereinbarung über ihr Erlöschen unter der Voraussetzung, dass für das herrschende Grundstück eine Zufahrt über eine öffentliche Verkehrsfläche hergestellt ist, trotz des darüber hinausgehenden Eintragungsvermerks nur als auflösend bedingtes Recht (§ 158 BGB; vgl. BGH MittBayNot 2012, 63/64; Schöner/Stöber Rn. 276 und 266).

bb) Nach den oben genannten Maßstäben ist aber der Nachweis des Bedingungseintritts nicht geführt; denn erforderlich hierfür wären zwei Feststellungen, nämlich zum einen die, dass eine öffentliche Verkehrsfläche besteht, und zum zweiten, dass über diese das herrschende Grundstück eine Zufahrt – und nicht nur die Möglichkeit, sich eine solche zu schaffen – erhalten hat.

(1) Der vorgelegte Lageplan bezeichnet zwar ein Flurstück als Straße bzw. Platz; damit ist aber weder die Widmung als öffentliche Straße belegt noch die Feststellung möglich, dass das herrschende Grundstück eine Zufahrt über eine öffentliche Verkehrsfläche erhalten habe.

(2) Auch die vorgelegte Bescheinigung der Bürgermeisterin der Beteiligten genügt nicht.

Es handelt sich bei der gesiegelten und unterschriebenen Bestätigung nicht um eine nachweisgeeignete „bewirkende“ Urkunde i. S. v. § 29 Abs. 3 GBO; denn sie beinhaltet keinen die Rechtslage abschließend regelnden Verwaltungsakt bzw. eine Allgemeinverfügung im Sinne von Art. 6 BayStrWG.

„Bezeugende“ Urkunden, also Sachverhaltsdarstellungen, können zum Nachweis über die Grundbuchunrichtigkeit (nur) herangezogen werden, wenn die Darlegung der in ihr bezeugten Umstände in der amtlichen Zuständigkeit des Erklärenden liegen. Dazu müsste die Urkunde allerdings Ausführungen dazu enthalten, dass die Widmung der errichteten Straße durch die Straßenbaubehörde als Gemeindestraße erfolgte. Ob trotz fehlender Ausführungen zur Straßenart mit hinreichender Sicherheit allein aus der Tatsache der getroffenen Feststellung auf die Zuständigkeit der Gemeinde geschlossen werden könnte, kann dahingestellt bleiben. Das Vorliegen der zweiten Voraussetzung des Bedingungseintritts, nämlich der Umstand, dass das herrschende Grundstück eine Zufahrt über eine öffentliche Verkehrsfläche erhalten habe, kann jedenfalls nicht in einer bezeugenden Urkunde festgestellt werden.

Für Sachverhaltsdarstellungen über außerhalb der Urkunde liegende Umstände hat die Formvorschrift des § 29 Abs. 3 GBO keine Bedeutung (allgem. Meinung; vgl. KGJ 5, 119; Meikel/Hertel GBO 10. Aufl. § 29 Rn. 343; Hügel/Otto GBO 2. Aufl. § 29 Rn. 173 und 174). Insofern haben solche „bezeugenden“ Urkunden im Grundbuchverfahren regelmäßig keinen Beweiswert und vermitteln auch nicht die Offenkundigkeit (vgl. BayObLG OLGZ 1930, 412; Knothe in Bauer/von Oefele GBO 2. Aufl. § 29 Rn. 162). So kann die Feststellung der 1. Bürgermeisterin jedenfalls nichts zu der Frage bezeugen, ob das herrschende Grundstück durch die errichtete Straße tatsächlich eine Zufahrt „erhalten“ hat. Im Übrigen erscheint die Erklärung vom 18.9.2015 zumindest widersprüchlich, wenn einerseits angegeben wird, die Bedingung sei eingetreten, das heißt, das herrschende Grundstück habe eine Zufahrt erhalten, andererseits aber nur versichert wird, die Möglichkeit einer Zufahrt sei vorhanden.

c) Ohne Bindungswirkung wird das Grundbuchamt auf das mögliche Erfordernis hingewiesen, einen Amtswiderspruch gegen die nicht bedingt eingetragene Grunddienstbarkeit einzutragen (vgl. Schöner/Stöber Rn. 276).

III.

1. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten aus dem Gesetz, § 22 Abs. 1 GNotKG, ergibt.

2. Den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens setzt der Senat mit dem Regelwert fest (§ 36 Abs. 1 und 3 GNotKG). Für eine Bemessung nach § 52 GNotKG fehlen hinreichende Anhaltspunkte.

3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 GBO) liegen nicht vor.

 

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