Erbvertrag und Grundbuch: Warum ein Anspruch auf Miteigentum keine Grundbuch-Unrichtigkeit darstellt
In einem komplexen Fall, der vor dem Landgericht Marburg verhandelt wurde, ging es um die Frage, ob ein Anspruch auf Miteigentum an einem Grundstück gemäß § 2287 BGB zu einer Unrichtigkeit im Grundbuch führt. Der Fall entstand aus einem Erbvertrag, den die Parteien 1983 mit ihren Eltern geschlossen hatten. Jahre später übertrugen die Eltern verschiedene Vermögenswerte an ihre Kinder, darunter ein Grundstück. Der Kläger, der bereits das Alleineigentum an einem Unternehmen von seinen Eltern übertragen bekommen hatte, forderte später einen Miteigentumsanteil am Grundstück. Er behauptete, die Übertragung des Grundstücks an die Beklagte sei erfolgt, um ihn zu benachteiligen. Das Hauptproblem lag in der rechtlichen Bewertung dieses Anspruchs im Kontext des Grundbuchs.
Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 5 O 47/14 >>>
Übersicht
Anspruch auf Miteigentum vs. Grundbuchlage
Der Kläger beantragte eine einstweilige Verfügung, um einen Widerspruch gegen das Eigentumsrecht der Beklagten im Grundbuch einzutragen. Er berief sich auf § 2287 BGB, der einen bereicherungsrechtlichen Anspruch für den Fall vorsieht, dass eine Schenkung absichtlich dazu dient, einen Vertragserben zu benachteiligen. Die Beklagte argumentierte, dass die Übertragung des Grundstücks im lebzeitigen Eigeninteresse der Eltern erfolgt sei, insbesondere da der Kläger seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachgekommen war.
Unrichtigkeit des Grundbuchs?
Das Gericht stellte fest, dass ein Anspruch auf Miteigentum gemäß § 2287 BGB nicht zu einer Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne von § 894 BGB führt. Eine Unrichtigkeit liegt nur dann vor, wenn die im Grundbuch dargestellte Rechtslage nicht mit der tatsächlichen Rechtslage übereinstimmt. Im vorliegenden Fall war die Beklagte rechtmäßige Eigentümerin des Grundstücks und als solche im Grundbuch eingetragen. Der Kläger hatte lediglich einen bereicherungsrechtlichen Anspruch, der keine Unrichtigkeit des Grundbuchs begründet.
Keine Umdeutung des Antrags
Das Gericht wies auch darauf hin, dass eine Umdeutung des Antrags des Klägers nicht in Frage kam. Während ein Widerspruch im Grundbuch einen Anspruch auf Grundbuchberichtigung sichert, sichert eine Vormerkung den Anspruch auf eine dingliche Rechtsänderung. Diese beiden Rechtsinstitute unterscheiden sich grundlegend in ihren Voraussetzungen und Rechtsfolgen.
Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit
Da der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht begründet war, musste der Kläger die Kosten des Verfahrens tragen. Das Urteil wurde für vorläufig vollstreckbar erklärt, unter der Bedingung einer Sicherheitsleistung.
Das vorliegende Urteil
LG Marburg – Az.: 5 O 47/14 – Urteil vom 25.07.2014
Leitsatz
Allein der Umstand, dass ein Verfügungskläger einen Anspruch aus § 2287 BGB auf Übertragung eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück hat, führt nicht dazu, dass das Grundbuch unrichtig im Sinne von § 894 BGB ist, da insoweit lediglich eine bereicherungsrechtlicher Anspruch auf Herstellung einer von der Grundbuchlage abweichenden materielle Rechtslage besteht
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 10. Juli 2014 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens hat der Verfügungskläger zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages zuzüglich 10 % vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen eines auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichteten Verfahrens um die Eintragung eines Widerspruchs in das Grundbuch.
Die Parteien schlossen gemeinsam mit ihren Eltern mit Datum vom 21. Oktober 1983 einen Erbvertrag, in dem unter anderem vereinbart wurde, dass die Eltern der Parteien in beiden Erbfällen gemäß gesetzlicher Erbfolge beerbt werden sollten. Zum näheren Inhalt des Erbvertrags wird auf Bl. 6 ff. der Akten Bezug genommen.
Mit notarieller Urkunde vom 29. September 1994 übertrugen die Eltern das Alleineigentum an ihrem gesamten Unternehmensbesitz „ <Firma> “ in M., auf den Verfügungskläger. Im Gegenzug verpflichtete sich dieser, den Eltern monatliche Rentenzahlungen zu leisten. Wegen der näheren Einzelheiten der Vertragsurkunde wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Bl. 10 ff. d. A.) verwiesen. Der Verfügungskläger kam seiner Zahlungsverpflichtung jedoch nach einiger Zeit nicht mehr nach.
Mit notariellem Übergabevertrag vom 5. April 2011 übertrugen die Eltern der Parteien der Verfügungsbeklagten das streitgegenständliche Grundstück „ <Flurbezeichnung> “ in M. Die Verfügungsbeklagte bestellte den Eltern im Gegenzug ein lebenslanges und unentgeltliches Wohnrecht auf Lebzeit des Längstlebenden und verpflichtete sich, das Erdgeschoss unter Einbeziehung des Garagengebäudes zu einer altersgerecht nutzbaren Wohneinheit umzubauen. Wegen der näheren Einzelheiten des notariellen Übergabevertrags wird auf die als Anlage AS 3 zur Akte gereichte Kopie (Bl. 13 ff. d. A.) Bezug genommen.
Am 6. Februar 2014 verstarb die Mutter der Parteien.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 7. Juli 2014 forderte der Vertreter des Verfügungsklägers die Verfügungsbeklagte auf, einer Rückübertragung von 1/8 des Miteigentumsanteils am Grundstück auf den Verfügungskläger zuzustimmen. Eine entsprechende Zustimmung erteilte die Verfügungsbeklagte jedoch nicht.
Der Verfügungskläger behauptet, die Eltern hätten der Verfügungsbeklagten das Grundstück in der Absicht übertragen, ihn zu benachteiligen.
Der Verfügungskläger beantragt, eine einstweilige Verfügung mit dem Inhalt zu erlassen, dass im Grundbuch <genaue Bezeichnung> zugunsten des Verfügungsklägers bezogen auf einen Miteigentumsanteil von 1/8 ein Widerspruch gegen das Eigentumsrecht der Verfügungsbeklagten eingetragen wird.
Die Verfügungsbeklagte beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 10. Juli 2014 zurückzuweisen, hilfsweise – für den Fall des Erlasses einer einstweiligen Verfügung –, dem Verfügungskläger aufzugeben, binnen einer vom Gericht zu bestimmenden Frist bei dem Gericht der Hauptsache Klage zu erheben.
Die Verfügungsbeklagte behauptet, für die Übertragung des Grundstücks habe ein lebzeitiges Eigeninteresse der Mutter/der Eltern der Parteien bestanden. Durch die Übertragung hätten diese ihre Versorgung im Alter sichern wollen, nachdem der Verfügungskläger seiner Zahlungsverpflichtung den Eltern gegenüber nicht nachkam.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zulässig, aber nicht begründet.
Der Verfügungskläger hat bereits keinen Anspruch auf Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit des Grundbuchs in Bezug auf die Eintragung bezüglich des Grundstücks „ <Bezeichnung> “ aus § 899 BGB glaubhaft gemacht.
Voraussetzung für die Eintragung eines Widerspruchs gem. § 899 BGB ist nach dem Wortlaut dieser Bestimmung („In den Fällen des § 894 […]“) die Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne von § 894 BGB (vgl. etwa Gursky, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2013, § 899, Rdnr. 26). Diese besteht dann, wenn die durch den Grundbuchinhalt dargestellte Rechtslage bezüglich des Eigentums nicht mit der tatsächlichen Rechtslage übereinstimmt (vgl. etwa Bassenge, in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 894, Rdnr. 2). Demgegenüber liegt keine Unrichtigkeit vor, soweit lediglich ein (schuldrechtlicher) Anspruch auf Herstellung einer von der Grundbuchlage abweichenden materiellen Rechtslage besteht (vgl. etwa BGH, Urteil vom 25.06.2010 – V ZR 151/09, NJOZ 2010, 2217, 2218; Toussaint, in: jurisPK-BGB, 6. Aufl. 2012, § 894, Rdnr. 16; Artz, in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 894 Rdnr. 6; Bassenge, in: Palandt, BGB, 73. Aufl. 2014, § 894, Rdnr. 2; Eickmann, in: Westermann/Gursky/Eickmann, Sachenrecht, 8. Aufl. 2011, § 71, Rdnr. 14; Kohler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 894, Rdnr. 5).
So jedoch liegt es hier. Die Verfügungsbeklagte ist Eigentümerin des Grundstücks und als solche im Grundbuch eingetragen. Der Verfügungskläger macht insoweit einen Anspruch auf Herausgabe eines Miteigentumsanteils am übertragenen Grundstück aus § 2287 BGB geltend. Korrespondierend zu § 2286 BGB, der die Freiheit des Erblassers schützt, Rechtsgeschäfte unter Lebenden zu tätigen, sanktioniert § 2287 BGB den gezielten Missbrauch dieser Freiheit und räumt dem durch eine Schenkung absichtlich beeinträchtigten Vertragserben nach dem Erbfall einen Bereicherungsanspruch gegen den Beschenkten ein (vgl. etwa Kappler, in: Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 2287, Rdnr. 1). § 2287 BGB stellt somit eine besondere bereicherungsrechtliche Anspruchsgrundlage dar (vgl. etwa Geiger, in: jurisPK-BGB, 7. Aufl. 2014, § 2287, Rdnr. 1). In der Sache besteht mit dem lediglich obligatorisch ausgestalteten Schutz gegen den Fehlgebrauch der lebzeitigen Verfügungsbefugnis des Erblassers eine vergleichsweise schwache Schutzregelung für den Bedachten (vgl. Dilcher, Jura 1988, 72, 73). Da somit im Falle des § 2287 BGB lediglich ein Anspruch auf Herstellung einer von der Grundbuchlage abweichenden materiellen Rechtslage besteht, liegt in derartigen Fällen nach den oben skizzierten Maßstäben keine Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne des § 894 BGB vor.
Letztlich gilt damit in Bezug auf Ansprüche gemäß § 2287 BGB nicht anderes als im Rahmen einer Insolvenzanfechtung einer Grundstücksübertragung nach § 143 Abs. 1 InsO, für die anerkannt ist, dass auch eine erfolgreiche Insolvenzanfechtung nicht zu einer Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne des § 894 BGB führt (vgl. dazu etwa KG, Beschl. v. 26.04.2012 – 1 W 96/12, NJOZ 2013, 155, 156; Gursky, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2013, § 894, Rdnr. 61; Kohler, in: Münchener Kommentar zum BGB, 6. Aufl. 2013, § 894, Rdnr. 5).
Nach alledem ist das Grundbuch hier nicht unrichtig im Sinne des § 894 BGB, da die derzeitige Grundbuchlage mit dem derzeitigen Rechtszustand – das Grundstück steht (derzeit) im Eigentum der Verfügungsbeklagten – übereinstimmt und dem Verfügungskläger allenfalls (aus § 2287 BGB) ein Anspruch auf Änderung der dinglichen Rechtslage zusteht.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass ein etwaiger Anspruch aus § 2287 BGB durch die Eintragung einer Vormerkung gesichert werden kann (vgl. dazu etwa OLG München, Urteil vom 01.10.1999 – 23 W 1996/99, NJW-RR 2000, 526, 527 ff.). Die beiden Rechtsinstitute unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und ihrer Rechtsfolge grundlegend: Während der Widerspruch einen Anspruch des Berechtigten auf Grundbuchberichtigung sichert, sichert die Vormerkung den Anspruch auf eine dingliche Rechtsänderung (vgl. etwa Schellhammer, Sachenrecht nach Anspruchsgrundlagen, 4. Aufl. 2013, Rdnr. 1019 m. w. N.). Bereits vor dem Hintergrund dieser kategorialen Unterschiede kam eine Umdeutung des Antrags des Verfügungsklägers hier von vornherein nicht in Betracht.
Damit kann im Rahmen des vorliegenden Verfahrens offen bleiben, ob dem Verfügungskläger hier tatsächlich ein Anspruch aus § 2287 BGB zusteht.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.