OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 178/14 – Beschluss vom 15.10.2014
Die Beschwerde wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Beschwerdewert: 210.000 €
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1) und seine Ehefrau sind je zu ¼ eingetragene Miteigentümer des im Rubrum näher bezeichneten Grundbesitzes.
Die Beteiligten zu 2) und 3) sind die Nichten des Beteiligten zu 1).
Die Mutter des Beteiligten zu 1) war ebenfalls Miteigentümerin zu ½-Anteil. Durch notariellen „Schenkungsvertrag mit auf den Tod verzögerter Erfüllung“ vom 17.07.2007 – UR. Nr. 1279 für 2007, Notar Dr. L. – schenkte sie ihren ½ Miteigentumsanteil ihren Enkelinnen, den Beteiligten zu 2) und 3), je zu ¼.
Die Erfüllung der Schenkung durch Auflassung und Grundbucheintragung sollte erst mit dem Tod der Mutter erfolgen, wobei die Beteiligten zu 2) und 3) den Grundbesitz aufgrund der ihnen erteilten Vollmacht auf sich auflassen und den Antrag auf Vollzug des Eigentumswechsels in das Grundbuch stellen sollten.
Die Mutter des Beteiligten zu 1) bevollmächtigte „unwiderruflich und unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB“ die Beteiligten zu 2) und 3), sie nach ihrem Tod bei der Auflassung und allen für den Vollzug des Eigentumswechsels erforderlichen Erklärungen zu vertreten. Bis zum Eigentumswechsel sollte der Anspruch der Beteiligten zu 2) und 3) durch eine Vormerkung gemäß § 883 BGB gesichert werden, die am 21.07.2008 eingetragen wurde.
Am 14.12.2012 starb die Mutter des Beteiligten zu 1). Sie wurde beerbt von ihren beiden Söhnen, dem Beteiligten zu 1) und dessen Bruder, dem Vater der Beteiligten zu 2) und 3).
Die Beteiligten zu 2) und 3) erklärten am 24.07.2013 – UR. Nr. 2274 für 2013, Notar Dr. L. – die Auflassung und beantragten am 30.07.2013 die Eigentumsumschreibung. Der Eigentumswechsel wurde am 05.08.2013 ins Grundbuch eingetragen.
Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 28.05.2014 hat der Beteiligte zu 1) gegen die Eintragungen der Beteiligten zu 2) und 3) Beschwerde eingelegt und diese verbunden mit dem Antrag, einen Widerspruch einzutragen.
Er hat zur Begründung ausgeführt, die Miteigentumsumschreibung auf die Beteiligten zu 2) und 3) sei zu Unrecht erfolgt und entbehre jeder Rechtsgrundlage. Seine Mutter habe ihren hälftigen Miteigentumsanteil nicht mehr wirksam übertragen können, da sie bereits im Zeitpunkt des Vertrages aufgrund einer dementiellen Erkrankung geschäftsunfähig gewesen sei. Er verweist hierzu auf Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI vom 25.07.2007 und vom 06.12.2007.
Das Amtsgericht hat den Beteiligten zu 1) mit Verfügung vom 06.06.2014 um Überprüfung der Beschwerde gebeten und darauf hingewiesen, dass ein Widerspruch nur einzutragen sei, wenn das Grundbuch durch eine Eintragung unrichtig geworden sei, die unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften erfolgt sei. Das gelte auch für einen im Beschwerdeverfahren begehrten Widerspruch.
Am 13.06.2014 hat der Beteiligte zu 1) die vorerwähnten Gutachten zur Pflegebedürftigkeit seiner Mutter vorgelegt und den Widerruf der den Beteiligten zu 2) und 3) von seiner Mutter erteilten Vollmacht erklärt.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde durch Beschluss vom 21.07.2014 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Grundakte Bezug genommen.
II.
1.
Die Beschwerde ist gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Der Beteiligte zu 1) ist beschwerdeberechtigt im Sinne des § 71 GBO.
Ziel der Beschwerde ist nicht eine – nach § 71 Abs. 2 Satz 1 GBO ohnedies unzulässige – Anfechtung der Eintragungsentscheidung des Grundbuchamts, sondern die Eintragung eines Widerspruchs gemäß § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO gegen die Richtigkeit der vorgenommenen Eintragung der Beteiligten zu 2) und 3) als Miteigentümer im Grundbuch mit der Rechtsbehauptung, das Grundbuch sei unrichtig, soweit es die Beteiligten zu 2) und 3) als Miteigentümer zu je ¼ an dem Grundstück ausweise, weil der hälftige Miteigentumsanteil seiner Mutter mit deren Tod auf die Erbengemeinschaft, bestehend aus ihm und seinem Bruder, übergegangen sei.
2.
Das Rechtsmittel ist jedoch in der Sache unbegründet. Das Grundbuchamt hat den Antrag auf Eintragung eines Amtswiderspruchs, wie er mit der Beschwerde weiterverfolgt wird, zu Recht zurückgewiesen.
Eine nach § 71 Abs. 2 Satz 2 GBO beschränkte Beschwerde kann nur Erfolg haben, wenn die Voraussetzungen des § 53 Abs. 1 Satz 1 GBO für die Eintragung eines Amtswiderspruchs gegeben sind (BeckOK/Kramer GBO, Stand: 01.07.2014, § 71 Rn. 114; Demharter, GBO, 27. Aufl., § 71 Rn. 49).
Die Eintragung eines Amtswiderspruchs bezweckt, die sich aus einem Rechtsverlust durch gutgläubigen Erwerb aufgrund eines unrichtigen Grundbuchs, § 892 BGB, möglicherweise ergebenden Schadensersatzansprüche gegen den Fiskus abzuwehren.
Ein Amtswiderspruch kommt daher nur in Betracht, wenn eine Eintragung unter Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen worden ist und das Grundbuch aufgrund dieser Eintragung unrichtig geworden ist (vgl. zum Amtswiderspruch nur Demharter, a.a.O., § 53, Rdnr. 19 ff. und BeckOK/Holzer GBO, § 53 Rdnr. 1 ff.).
a)
Es kann schon nicht festgestellt werden, dass die beanstandete Eintragung der Beteiligten zu 2) und 3) unter einer Verletzung gesetzlicher Vorschriften vorgenommen worden ist. Für diese ist maßgeblich auf die dem Grundbuchamt zur Zeit der Eintragung unterbreitete Sachlage abzustellen (vgl. nur Demharter, GBO, § 53, Rdnr. 22; BeckOK/Holzer GBO, § 53 Rdnr. 22). Das gilt auch dann, wenn der Amtswiderspruch im Beschwerdewege verlangt wird (vgl. Demharter a.a.O. § 23, Rdnr. 23; Holzer, a.a.O., § 53 Rdnr. 24; OLGR Schleswig 2006, 473 – 475; a.A. OLG Celle, RPfleger 1990, 112 für eine im Wege der Zwangsvollstreckung vorgenommene Eintragung, die zwar nicht unter einer Rechtsverletzung im Sinne von § 53 GBO erfolgt ist, aber objektiv der Rechtsordnung widerspricht).
Eine solche Gesetzesverletzung steht hier jedoch nicht fest.
Zu den Pflichten des Grundbuchamts bei Vornahme der Eintragung von Rechtsveränderungen im Grundbuch gehört auch die selbständige Prüfung der Geschäftsfähigkeit der an einem die Rechtsveränderung vereinbarenden Rechtsgeschäft Beteiligten (hierzu eingehend: Senat FGPrax 2013, 147 m.w.N.). Im Rahmen dieser Prüfung ist indessen von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass die Geschäftsfähigkeit die Regel und die Geschäftsunfähigkeit die Ausnahme ist (OLG Frankfurt NJW-RR 2006, 450; OLG Celle FGPrax 2011, 111; OLG Jena NotBZ 2012, 459; Senat, a.a.O.; BeckOK/Otto GBO, § 29 Rn. 36).
Geht es um die Vornahme der Berichtigung einer Eintragung nach § 22 GBO ist die Unrichtigkeit der Eintragung nachzuweisen und, sofern diese mit fehlender Geschäftsfähigkeit bei Bestellung eines eingetragenen Rechts begründet wird, der volle Nachweis der Geschäftsunfähigkeit in der Form des § 29 GBO zu führen (Demharter, a.a.O., § 22 Rn. 37).
Die Gutachten vom 20.07.2007 und 06.12.2007 sind erstmals im Beschwerdeverfahren eingereicht worden und lagen dem Grundbuchamt im maßgeblichen Zeitpunkt der Eintragung nicht vor. Für das Grundbuchamt bestanden bei Vornahme der Eintragung auch sonst keine Anhaltspunkte dafür, an der Geschäftsfähigkeit der Mutter ernsthaft zu zweifeln; erst recht lag dem Grundbuchamt zu diesem Zeitpunkt kein Nachweis einer Geschäftsunfähigkeit vor.
Der von dem Beteiligten zu 1) mit Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten vom 13.06.2014 erklärte Widerruf der von der Mutter als Schenkerin erteilten Vollmacht zur Auflassung, war vom Grundbuchamt nicht zu berücksichtigen. Denn abgesehen davon, dass die fragliche Vollmacht in dem Schenkungsvertrag unwiderruflich erteilt worden war, erfolgte die Erklärung des Widerrufs erst nach der Eintragung des Eigentumswechsels vom 05.08.2013 und konnte schon deshalb vom Grundbuchamt nicht beachtet werden.
Fehlt es aber damit schon an einer Gesetzesverletzung, kommt die Eintragung eines Amtswiderspruchs schon aus diesem Grunde nicht in Betracht.
b)
Auch fehlt es an der erforderlichen Glaubhaftmachung der materiellen Unrichtigkeit des Grundbuchs.
Da der Amtswiderspruch – wie der Widerspruch nach § 899 BGB insoweit – nur ein bloßes Sicherungsmittel darstellt, bedarf es für dessen Eintragung lediglich der Glaubhaftmachung der Unrichtigkeit des Grundbuchs (OLG München NJW-RR 2007, 810 ff.; BeckOK/Holzer GBO, a.a.O., § 53 Rdnr. 32 m.w.N.).
Die vom Beteiligten zu 1) hierzu vorgelegten Gutachten vom 25.07.2007 und 06.12.2007 reichen zu solcher Glaubhaftmachung nicht aus, weil sie hinsichtlich der Frage der Geschäftsfähigkeit der Mutter keine ausreichende Aussagekraft besitzen.
Beide Gutachten waren zu dem Zweck der Feststellung einer aktuellen Pflegebedürftigkeit der Mutter erstellt worden, nicht aber zur Klärung der für die Beurteilung der Geschäftsfähigkeit wesentlichen Frage, ob sich die Mutter bei Abschluss des Schenkungsvertrages vom 17.07.2007 „in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden hatte“.
Im Gutachten vom 25.07.2007 ist festgehalten, dass die bei der Untersuchung anwesende Beteiligte zu 2) zunehmende aber nicht übermäßige Störungen des Kurzzeitgedächtnisses der Mutter des Beteiligten zu 1) beklagt. Abschließend wird eine beginnende dementielle Entwicklung festgestellt, das Bestehen einer erheblich eingeschränkten Alltagskompetenz verneint, eine „demenzbedingte Fähigkeitsstörung, geistige Behinderung oder psychische Erkrankung“ hingegen bejaht und sieben der neun anschließend tabellarisch aufgeführten Gesichtspunkte (Orientierung, Antrieb/Beschäftigung, Gedächtnis, Wahrnehmung und Denken, Kommunikation/Sprache, Situatives Anpassen und Soziale Bereiche des Lebens wahrnehmen) als auffällig angekreuzt. Soweit der Gutachter zu der abschließenden Feststellung gelangt ist, es liege eine „nicht näher bezeichnete Demenz“ nach ICD-10 F03 vor, ist damit lediglich eine Hirnfunktionsstörung beschrieben, ohne jedoch eine konkrete Aussage zum Vorliegen einer die freie Willensbestimmung ausschließenden aktuellen krankhaften Störung der Geistestätigkeit zu treffen.
Das Gutachten vom 06.12.2007 wurde „nach Aktenlage“ erstellt, nachdem gegen das Gutachten vom 20.07.2007, wonach eine Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI verneint wurde, Widerspruch eingelegt worden war. Die Gutachterin kommt, ohne eigene Untersuchungen vorzunehmen und ohne sich mit der im Erstgutachten festgehaltenen beginnenden Demenzerkrankung und der Frage der Geschäftsunfähigkeit der Mutter des Beteiligten zu 1) auseinanderzusetzen, letztlich zu dem Ergebnis, dass abweichend von dem ersten Gutachtenergebnis eine Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe I gegeben sei.
3.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.