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Grundbuchfähigkeit einer altrechtlichen Waldgemeinschaft – Hähnegesellschaft

OLG Zweibrücken – Az.: 3 W 7/11 – Beschluss vom 12.08.2011

Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Westerburg vom 16. Dezember 2010 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Die im Grundbuch von K…., Blatt …, als Eigentümer des im Rubrum genannten Grundstücks eingetragenen Personen bilden die Hähnegesellschaft …. (Beteiligte zu 1). Es handelt sich um eine Waldgemeinschaft, die bereits im Jahre 1821 urkundlich erwähnt wurde. Sowohl im Lagerbuch von H…. aus dem Jahre 1834 als auch im Stockbuch von K…. aus dem Jahre 1838 war die (Hack-)Hähnegesellschaft … als Eigentümerin von Grundstücken eingetragen. Bei Anlegung der Grundbücher im Jahre 1907 wurden die Mitglieder der Hähnegesellschaft als Bruchteilsgemeinschaft im Grundbuch eingetragen. Die Hähnegesellschaft wird ausweislich der Bestätigung der Zentralstelle der Forstverwaltung N….. vom 16. August 2010 von den im Rubrum genannten Vorstandsmitgliedern satzungsgemäß vertreten. Mit Urkunde des verfahrensbevollmächtigten Notars vom 29. Oktober 2010 (UR.-Nr. …..) hat die Beteiligte zu 1), vertreten durch ihren Vorstand, den im Rubrum genannten Grundbesitz an die Beteiligte zu 2) zum Zweck des Ausbaus/der Befestigung des Grundstückes als Wegefläche verkauft. Die Beteiligten beantragen die Eintragung des Eigentumsübergangs.

Mit Zwischenverfügung vom 16. Dezember 2010 hat der Rechtspfleger beim Grundbuchamt die Vorlage der formgerechten Genehmigung der oben genannten Urkunde durch sämtliche im Grundbuch eingetragene Eigentümer verlangt. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Hähnegesellschaft …. fehle eine eigene Rechtspersönlichkeit. Im Grundbuch sei eine Bruchteilsgemeinschaft eingetragen. Nichts deute auf eine anderweitige „gesellschaftliche Verbundenheit“ der eingetragenen Eigentümer hin.

Gegen die Zwischenverfügung haben die Beteiligten Beschwerde eingelegt und auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 7. Juli 1999 (Az. 8 K 1025/98 KO) hingewiesen. Darin ist u.a. ausgeführt, dass die im Grundbuch von K…., Blatt …, eingetragene Personengemeinschaft keine echte Bruchteilsgemeinschaft im Sinne der §§ 1008 ff BGB sei. Vielmehr handele es sich um eine altrechtliche Gemeinschaft, die die Rechte ihrer Teilhaber nur durch ihre satzungsgemäßen Organe gegenüber Dritten geltend machen könne.

Der Rechtspfleger hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die Beschwerde ist gemäß §§ 71 Abs. 1, 72, 73, 81 GBO zulässig. Der Senat ist nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 a GerOrgG RP, § 23 a Abs. 2 Nr. 8 GVG zur Entscheidung berufen.

In der Sache führt das Rechtsmittel zum Erfolg. Die angegriffene Zwischenverfügung unterliegt bereits aus formellen Gründen der Aufhebung.

Das Grundbuchamt hat die Beteiligten zur Vorlage der Genehmigung des notariellen Vertrages durch die im Grundbuch eingetragenen (Bruchteils-)Eigentümer des Grundstückes aufgefordert, da der Hähnegesellschaft …. eine eigene Rechtspersönlichkeit fehle. Damit fehlt es nach Auffassung des Rechtspflegers an einer wirksamen Auflassung. Die fehlende Auflassung ist aber kein zulässiger Gegenstand einer Zwischenverfügung im Grundbuchverfahren. In einer Zwischenverfügung macht das Grundbuchamt die Behebung eines seiner Ansicht nach bestehenden Eintragungshindernisses von einem solchen Mittel abhängig, durch das der Mangel des Antrags mit rückwirkender Kraft geheilt werden kann. Aus diesem Grund kann es nicht Gegenstand einer Zwischenverfügung sein, auf die Vornahme eines Rechtsgeschäfts hinzuwirken, das dann erst die Grundlage der einzutragenden Rechtsänderungen sein soll (BayObLG DNotZ 1989, 373). So liegt der Fall hier. Fehlt es nach Auffassung des Rechtspflegers an einer wirksamen sachenrechtlichen Einigungserklärung, fehlt das durch die Grundbucheintragung zu vollziehende Rechtsgeschäft. Dieses kann nicht dergestalt nachgeholt werden, dass der ursprüngliche Mangel des Eintragungsantrags mit Rückwirkung geheilt wird. In diesem Fall ist der Eintragungsantrag bereits ohne weiteres zurückweisungsreif.

In der Sache sieht sich der Senat zu folgenden Anmerkungen veranlasst:

Mit dem Verwaltungsgericht Koblenz ist der Senat der Auffassung, dass die Hähnegesellschaft … als Rechtssubjekt von Grundstücksrechten anzusehen ist.

Auf die Hähnegesellschaft findet über Art. 164 EGBGB das Preußische Gesetz über gemeinschaftliche Holzungen vom 14. März 1881 i.V.m. dem nassauischen Privatrecht Anwendung (hierzu ausführlich Verwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 7. Juli 1999 – 8 K 1025/98.KO; Kroeschell, AgrarR 1981, 325). Gemäß Art. 164 EGBGB „bleiben die landesgesetzlichen Vorschriften in Kraft, über die zur Zeit des Inkrafttretens des Bürgerlichen Gesetzbuches bestehenden Realgemeinden und ähnliche Verbände, deren Mitglieder als solche zu Nutzungen an land- und forstwirtschaftlichen Grundstücken ,…, berechtigt sind. Es macht keinen Unterschied, ob die Realgemeinden oder sonstigen Verbände juristische Personen sind oder nicht und ob die Berechtigung der Mitglieder an Grundbesitz geknüpft ist oder nicht.“

Der letzte Satz dieser Vorschrift verdeutlicht, das eine exakt körperschaftliche Struktur, wie sie die §§ 21 bis 89 BGB für die bürgerlichen Körperschaften, insbesondere für die eingetragenen Vereine, Stiftungen sowie für Körperschaften des öffentlichen Rechts bestimmen und wie sie in vielen körperschaftlichen Spezialgesetzen im Einzelnen geregelt ist, für die früheren landesrechtlichen Waldgemeinschaften unmaßgeblich ist. Es reicht aus, wenn eine Mehrheit von Personen bestimmte, aus einem Grundstück folgende Nutzungsrechte inne hat , um sie – wenn sie nach Maßgabe der alten landesrechtlichen Regelungen als Waldgenossenschaft oder Realgemeinde zu behandeln waren – auch heute noch als Rechtssubjekte von Grundstücksrechten, insbesondere des Eigentumsrechts, anzusehen (OLG Frankfurt, NJW-RR 2000, 538).

Unter der Geltung des preußischen und nassauischen Rechts war die Hähnegesellschaft ….. sowohl im Lagerbuch von H…. (1834) als auch im Stockbuch von K…. (1838) als Eigentümerin von Grundstücken eingetragen, nachdem sie das Eigentum kraft Gesetzes im Wege der Konsolidation, einem Vorläufer des modernen Flurbereinigungsverfahrens, erworben hatte (vgl. VG Koblenz aaO). Damit verfügte die Hähnegesellschaft ….. über gemeinschaftliches Eigentum hinsichtlich der damaligen Holzungen. Obwohl es sich bei der Hähnegesellschaft auch nach damaligem Recht nicht um eine juristische Person handelte, war sie nach den Vorschriften über die gemeinrechtliche Gesellschaft zu beurteilen (vgl. hierzu VG Koblenz aaO). Dies entsprach der im 19.Jahrhundert fortschreitenden Verrechtlichung der Waldgenossenschaften, die in starkem Maße Strukturen erlangten, wie sie der heutigen bürgerlich-rechtlichen Gemeinschaft eigen sind (OLG Frankfurt aaO).

Wurde die Hähnegesellschaft bei Inkrafttreten des Bürgerlichen Gesetzbuches im Jahre 1900 als Rechtssubjekt angesehen und rechtlich so behandelt, bewirkt Art. 164 EGBGB die Perpetuierung dieser Rechtsposition. Die Hähnegesellschaft … ist damit Eigentümerin der Grundstücke und wird im Rechtsverkehr wirksam durch ihre satzungsmäßigen Organe vertreten.

Zwar wurde bei der Anlegung der Grundbücher im Jahr 1907 nicht die Hähnegesellschaft als Eigentümerin der Grundstücke eingetragen, sondern die einzelnen Mitglieder der Gesellschaft als Bruchteilseigentümer. Allerdings ist nach dem Eigentumserwerb der Hähnegesellschaft … im Wege der Konsolidation und deren Eintragung im Stockbuch/Lagerbuch kein Eigentumswechsel von der Hähnegesellschaft auf die „Miteigentümer“ nachgewiesen, was nach § 400 Abs. 3 Nr. 2 des Nassauischen Privatrechts erforderlich gewesen wäre. Es liegt auch keine Auflassungserklärung der Hähnegesellschaft gegenüber den eingetragenen Personen vor.

Daraus folgt die Unrichtigkeit des Grundbuchs hinsichtlich der Eintragung des Eigentümers.

Es handelt sich um eine ursprüngliche materielle Unrichtigkeit, die der Berichtigung nach § 22 GBO unterliegt.

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