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Grundbucheintragungen – Voreintragung des Berechtigten ist nicht entbehrlich

KG Berlin – Az.: 1 W 1357/20 – Beschluss vom 22.10.2020

Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben.

Gründe

I.

Die eingetragene Eigentümerin des im Beschlusseingang bezeichneten Wohnungseigentums ist am 29. Dezember 2019 verstorben. Sie hatte zu notarieller Urkunde vom 16. Mai 2014 (UR-Nr. 1…/2… des Notars …… W…) ihrer Schwiegertochter B… G…x umfassende Vollmacht erteilt, sie in allen vermögensrechtlichen Angelegenheiten zu vertreten. Die Vollmacht sollte nach Ziffer I der Urkunde nicht durch den Tod der Vollmachtgeberin erlöschen.

B…x G…x verkaufte mit notariell beurkundetem Vertrag vom 22. Mai 2020 (UR-Nr. 1…/2… des Notars …x W…) unter Bezugnahme auf die Vollmacht vom 16. Mai 2014 das Wohnungseigentum an den Beteiligten zu 2. Sie bewilligte die Eintragung einer Eigentumsvormerkung zugunsten des Beteiligten zu 2 und erteilte diesem die Vollmacht, das Wohnungseigentum schon vor seiner Eintragung als Eigentümer mit Grundpfandrechten zu belasten. Zu notarieller Urkunde desselben Tages (UR-Nr. 1…/2… des Notars …x W…) bewilligte der Beteiligte zu 2 unter Bezugnahme auf die Belastungsvollmacht die Eintragung einer Grundschuld zugunsten der Beteiligten zu 3. Die Eigentumsvormerkung ist am 9. Juni 2020 im Grundbuch eingetragen worden. Nunmehr beantragen die Beteiligten die Eintragung der Grundschuld.

Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 13. Juli 2020 darauf hingewiesen, dass vor der Eintragung der Grundschuld zunächst die Erben nach der eingetragenen Eigentümerin im Grundbuch eingetragen werden müssten, wofür es eines entsprechenden Antrags der Erben und des Nachweises der Erbfolge bedürfe.

Die Beteiligten sind unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des OLG Celle vom 16. August 2019 (FamRZ 2020, 131) und des OLG Stuttgart vom 2. November 2018 (Rpfleger 2019, 189) der Ansicht, die Erben müssten nicht voreingetragen werden. Ihrer Beschwerde vom 30. Juli 2020 hat das Grundbuchamt nicht abgeholfen.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§§ 71 ff. GBO) und begründet. Für den Vollzug der beantragten Eintragung ist die Voreintragung der Erben nicht erforderlich.

Gemäß § 39 GBO soll eine Eintragung nur erfolgen, wenn die Person, deren Recht durch sie betroffen wird, als der Berechtigte eingetragen ist. Die Vorschrift soll einerseits dem Grundbuchamt die Legitimationsprüfung erleichtern, andererseits den eingetragenen Berechtigten dagegen sichern, dass ungeachtet der Vermutungswirkung des § 891 BGB ein anderer unbefugt über das Recht verfügt (Hahn/Mugdan, Die gesamten Materialien zu den Reichs-Justizgesetzen, Band 5, S. 163). Gemäß § 40 Abs. 1 GBO ist § 39 GBO nicht anzuwenden, wenn die Person, deren Recht durch eine Eintragung betroffen wird, Erbe des eingetragenen Berechtigten ist und die Übertragung oder die Aufhebung des Rechts eingetragen werden soll oder wenn der Eintragungsantrag durch die Bewilligung des Erblassers oder eines Nachlasspflegers begründet wird. Das gleiche gilt gemäß § 40 Abs. 2 GBO für eine Eintragung auf Grund der Bewilligung eines Testamentsvollstreckers, sofern die Bewilligung gegen den Erben wirksam ist.

1.

Zutreffend ist das Grundbuchamt davon ausgegangen, dass keiner der gesetzlich ausdrücklich geregelten Fälle des § 40 GBO erfüllt ist. § 40 Abs. 1, 1. Alt. GBO ist auch nicht deshalb entsprechend anwendbar, weil es sich bei der einzutragenden Grundschuld augenscheinlich um eine Finanzierungsgrundschuld handelt. Allerdings ist nach nahezu allgemeiner Ansicht eine Voreintragung der Erben analog § 40 Abs. 1, 1. Alt. GBO entbehrlich, wenn statt der Übertragung des Rechts zunächst nur eine Eigentumsvormerkung eingetragen werden soll (BGH NJW 2018, 3310; Senat, JFG 7, 328, FGPrax 2011, 270; Böttcher in Meikel, GBO, 11. Aufl., § 40 Rdn. 26 Demharter, GBO, 31. Aufl., § 40 Rdn. 17; Zeiser in Hügel, GBO, 4. Aufl., § 40 Rdn. 20; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, Rdn. 142c). Diese Analogie rechtfertigt sich daraus, dass die Vormerkung allein dazu dient, die endgültige Übertragung vorzubereiten und zu sichern, und sie in ihrem rechtlichen Bestand von dem Bestand des gesicherten Übertragungsanspruchs abhängig ist (Senat, FGPrax 2011, 270). Der historische Gesetzgeber hat befunden, im Falle der Übertragung oder Aufhebung des ererbten Rechts sei die Voreintragung der Erben weder zur Vereinfachung der Buchführung noch durch die Interessen Dritter geboten, weshalb die dem Erben entstehenden Eintragungskosten ohne Zweck seien (Hahn/Mugdan a.a.O. S. 164 zum damaligen § 39 GBO). Dies ist bei der Eigentumsvormerkung ebenso zu bewerten, weil sich deren Bedeutung in der Sicherung des Übertragungsanspruchs erschöpft und sie sowohl nach Durchführung der Eigentumsübertragung als auch bei Scheitern des darauf gerichteten Vertrages bei entsprechendem Nachweis im Grundbuch im Wege der Berichtigung zu löschen ist.

Bei einem Antrag auf Eintragung einer Finanzierungsgrundschuld besteht keine vergleichbare Rechts- und Interessenlage (Senat, FGPrax 2011, 270; OLG Stuttgart, Rpfleger 2019, 189, Ott, notar 2018, 189, a.A. OLG Frankfurt ZfIR 2017, 833; OLG Köln, FGPrax 2018, 106; OLG Celle, FamRZ 2020, 131; Böttcher in Meikel a.a.O. Rdn. 28). Die Finanzierungsgrundschuld wird zwar ebenfalls im sachlichen Zusammenhang mit der (beabsichtigten) Übertragung eines Grundstücks eingetragen, jedoch ist hier die Eintragung des Berechtigten nicht zwecklos, sondern durch Interessen Dritter geboten. Ebenso wenig wie bei der Eigentumsvormerkung steht bei der Finanzierungsgrundschuld fest, dass die Eintragung des Käufers im Grundbuch überhaupt oder gar „innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit“ nachfolgen wird. Anders als die Eigentumsvormerkung wäre die Grundschuld allerdings weder bei Erfüllung noch bei Scheitern des Übertragungsanspruchs als unrichtig zu löschen. Sie bleibt eingetragen, ohne dass die Berechtigung des Bewilligenden aus dem Grundbuch nachvollzogen werden kann.

2.

Handelt der Verfügende nicht aufgrund einer – vermeintlichen oder nachgewiesenen – Erbenstellung (so der Sachverhalt zu der Entscheidung des Senats in FGPrax 2011, 270), sondern als Inhaber einer von dem eingetragenen Eigentümer ausgestellten transmortalen Vollmacht, so ist eine Ausnahme von dem Voreintragungsgebot des § 39 GBO jedoch entsprechend § 40 Abs. 1, 2. Alt, Abs. 2 GBO geboten. Diese Analogie knüpft nicht an den Inhalt der einzutragenden Verfügung, sondern an die Person des – wirksam – Verfügenden an (zutreffend Ott, a.a.O.).

Die für eine Analogie erforderliche Regelungslücke im Gesetz liegt offensichtlich vor. Der Gesetzgeber wollte mit den Regelungen in § 40 GBO, die nicht die Übertragung oder Aufhebung des Rechts (§ 40 Abs. 1, 1. Alt. GBO) betreffen, Fälle erfassen, in denen aus irgendeinem Grunde die Person des Erben noch nicht feststeht, aber die Erklärung des Verfügenden (Erblasser, Nachlasspfleger, Testamentsvollstrecker) für und gegen die Erben bindend ist (Hahn/Mugdan a.a.O. S. 164, 165). Für diese Fälle sollte die Lage desjenigen, der eine Eintragung verlangen kann, erleichtert werden (Hahn/Mugdan a.a.O.). Dabei hat der Gesetzgeber die gesetzliche Regelung nicht auf den Fall beschränkt, dass tatsächlich die Person des oder der Erben noch nicht bekannt ist, sondern im gesetzlichen Tatbestand solche Fälle aufgeführt, in denen ein anderer als der zur Zeit der Eintragung berechtigte Erbe die Bewilligung mit Wirkung für und gegen die Erben unabhängig von deren Ermittlung und deren Willen abgeben konnte. Eine entsprechende Situation liegt aber auch vor, wenn der Erblasser zwar nicht selbst bereits verfügt hat, jedoch transmortal einen Dritten zur Verfügung über sein Vermögen oder – nach seinem Tod  seinen Nachlass mit Wirkung für und gegen die Erben bevollmächtigt hat. Dafür, dass der Gesetzgeber diese Konstellation bedacht hat und nicht in gleicher Weise regeln wollte, sind keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Die gesetzlich geregelten Fälle und der ungeregelte Fall sind so vergleichbar, dass eine unterschiedliche Behandlung nicht sachgemäß wäre (a.A. Dressler-Berlin, FGPrax 2020, 12f). Auch der Erwerber eines Grundstücks oder Rechts an einem Grundstück, der dieses im Vertrauen auf eine notariell beurkundete transmortale Vollmacht des eingetragenen Eigentümers erwerben will, hat ein berechtigtes Interesse daran, den Vollzug des Vertrages betreiben zu können, ohne zuvor die Erben ermitteln und eintragen lassen zu müssen. Eine solche einfache und zügige Abwicklung wird häufig aus der Sicht des Erblassers gerade der Sinn der Erteilung einer transmortalen Vollmacht sein.

Dem ist nicht entgegenzuhalten, dass im Falle einer transmortalen Vollmacht die Person des Erben ohnehin ermittelt werden müsse, um ausschließen zu können, dass der Bevollmächtigte Alleinerbe geworden und die Vollmacht durch Konfusion erloschen sein könnte (vgl. OLG Hamm, FGPrax 2013, 148, das Konfusion bei Alleinerbenstellung des Bevollmächtigten annimmt, aber eine generelle Nachweispflicht für deren Nichteintritt ablehnt). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Vollmacht dem Alleinerben auch nach dem Erbfall noch eine über die Erbenstellung hinausgehende Rechtsmacht verleiht, die nicht erlischt (so Wendt, ErbR 2017, 19, 23; a.A. Bestelmeyer, FGPrax 2018, 107f). Denn jedenfalls für die Prüfung der Wirksamkeit der Bewilligung bedarf es keiner Aufklärung der Erbfolge, weil gerade im Falle des Nachweises der Alleinerbenstellung der Erbe als solcher ebenfalls zur Bewilligung der Eintragung berechtigt wäre (Böttcher, NJW 2018, 831, 835; argumentierend mit dem Fortbestand der Legitimationswirkung der Vollmacht: OLG München, Rpfleger 2017, 140).

Die Person des Erben muss bei Verwendung einer transmortalen Vollmacht auch nicht deshalb ermittelt werden, weil ausgeschlossen werden müsste, dass der Erbe minderjährig ist und zu der Verfügung über das Grundstück eine Genehmigung nach §§ 1821, 1822 BGB erforderlich ist. Die familiengerichtliche Genehmigung ist in diesen Fällen nicht erforderlich (RGZ 106, 185, 186). Der Schutz des minderjährigen Erben vor den vom Erblasser ermöglichten Verfügungen über das ererbte Grundvermögen ist auch nicht geboten. Die Vertretungsmacht aus der transmortalen Vollmacht beschränkt sich auf den Nachlass. Dieser ist dem Erben von vornherein nur mit der Beschränkung angefallen, dass der Bevollmächtigte darüber bis zu einem etwaigen Widerruf der Vollmacht noch verfügen kann. Für den Erben verhält es sich nicht anders, als wenn der Erblasser selbst noch zu Lebzeiten die Eintragung einer Verfügung über das Grundstück bewilligt hätte.

3.

Die Analogie zu § 40 Abs. 1, 2. Alt., Abs. 2 GBO führt dazu, dass bei einer Belastung des Grundstücks ohne gleichzeitige Auflassung der Erbe voreingetragen werden muss, wenn er (aufgrund seiner Erbenstellung) selbst verfügt, währen der im Namen des Erben handelnde Vertreter, der seine Vollmacht von dem Erblasser erhalten hat, ohne eine solche Voreintragung des Erben verfügen kann. Dieser Unterschied ist jedoch durch Sinn und Zweck des Voreintragungsgrundsatzes sachlich gerechtfertigt (a.A. Böttcher in Meikel a.a.O., § 40 Rdn. 28; Cramer, ZfIR 2017, 834, 835f). Der Erbe wird – außer in den Fällen des § 40 Abs. 1, 1. Alt. GBO – gemäß § 39 GBO voreingetragen, um seine Legitimation als neuer Berechtigter grundbuchlich zu dokumentieren und damit das Verfahren des Grundbuchamts zu erleichtern und die Interessen Dritter zu schützen. Die Legitimation eines transmortal Bevollmächtigten leitet sich hingegen gerade nicht von dem noch nicht eingetragenen Erben ab. Sie kann nicht durch die Eintragung des Erben, sondern nur durch die Vollmachtsurkunde nachgewiesen werden. Letztere wird weder für das Grundbuchamt noch für Dritte durch eine Eintragung der Erben besser nachvollziehbar oder sicherer dokumentiert.

Die unterschiedliche grundbuchliche Behandlung einer Bewilligung des Erben einerseits und einer Bewilligung des Bevollmächtigten andererseits zwingt auch nicht dazu, für die Frage der Voreintragung Nachweise zu erfordern, dass die Vollmacht nicht durch Konfusion erloschen ist. Die transmortale Vollmacht wird gerade ausgestellt, um dem Bevollmächtigten das Handeln ohne Nachweis der Erbfolge zu ermöglichen. Sie bleibt Eintragungsgrundlage, wenn der Bevollmächtigte sie als solche verwendet, jedenfalls solange nicht der Nachweis, dass er Alleinerbe des eingetragenen Eigentümers geworden ist, in der Form des § 35 GBO bereits vorliegt.

Im Hinblick auf den Erfolg der Beschwerde besteht kein Anlass für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde.

 

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