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Grundbucheintragung – Vermächtniserfüllung durch Testamentsvollstrecker

OLG München – Az.: 34 Wx 93/16 – Beschluss vom 17.06.2016

Auf die Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Augsburg – Grundbuchamt – vom 17. Februar 2016 aufgehoben.

Gründe

I.

Die am 27.4.2014 verstorbene Juliana M. ist im Grundbuch als Alleineigentümerin je eines Wohnungs- und Teileigentums (= Wohnung mit Tiefgaragenstellplatz; im Folgenden: Wohnung) ausgewiesen. Zu notarieller Urkunde vom 12.1.2016 (“Vermächtniserfüllungsvertrag“) übertrug der Beteiligte zu 1 als ausgewiesener Testamentsvollstrecker das bezeichnete Eigentum an die Beteiligte zu 2. In der Urkunde findet sich unter Abschn. I. (Vorbemerkung) 2. (Erbfolge; Testamentsvollstreckung; Vermächtnisanordnung) zunächst eine Aufzählung der vorhandenen (fünf) notariellen Testamente, darunter das für die Testamentsvollstreckung und die Vermächtnisanordnung maßgebliche vom 1.2.2005, in dem unter Abschnitt 5 für die Wohnung verfügt ist:

Ich beschwere gesetzliche oder gewillkürte Erben entsprechend ihrem Erbteil wie folgt und ordne folgendes an:

Frau Elisabeth V. (= Beteiligte zu 2),… und Frau Eva M. wohnhaft … erhalten als Miteigentümer zu je einem Drittel das … Wohnungs- und Teileigentum…

Herr Anton S., …Frau Katharina D., … und Herr Hans S., … erhalten als Miteigentümer zu je einem Drittel, untereinander zu gleichen Teilen das …. Wohnungs- und Teileigentum…

Vorgenannte Vermächtnisanordnung zugunsten Herrn Anton S., Frau Katharina D. und Herrn Hans S. entfällt je, wenn der jeweilige Begünstigte nicht auf das gemäß Urkunde … vom 22.7.1993 … angeordnete Vermächtnis verzichten. …

Unter Abschn. I. 3. der Urkunde vom 12.1.2016 ist weiter festgehalten, dass Elisabeth V., Eva St. (früher M.), Katharina D., Anton S. und Hans S. das ihnen zugewandte Vermächtnis jeweils angenommen und die drei letztgenannten im Zug der Annahme dieses Vermächtnisses auf die im früheren Testament ausgesetzten Vermächtnisse verzichtet hätten. Weiter ist vermerkt, dass Eva St., Katharina D., Anton S. und Hans S. mit Vereinbarung vom 1., 5. und 7.12.2015 jeweils ihren Anspruch auf Vermächtniserfüllung auflösend bedingt an die Beteiligte zu 2 abgetreten hätten und diese die Abtretungen angenommen habe. Weiter hat der Testamentsvollstrecker erklärt, dass die für die Wirksamkeit der Abtretungen auflösende Bedingung des nicht rechtzeitigen Eingangs von als Gegenleistung für die Abtretung vereinbarten Geldbeträgen auf dem Anwaltsanderkonto nicht eingetreten sei.

Auf den notariellen Antrag vom 4.2.2016, die in der Urkunde (Abschn. III. 1.) erklärte Auflassung einzutragen, hat das Grundbuchamt am 17.2.2016 eine fristsetzende Zwischenverfügung erlassen. Es sieht ein Eintragungshindernis darin, dass wegen unentgeltlicher Verfügung des Testamentsvollstreckers die Zustimmung aller Vermächtnisnehmer in der Form des § 29 GBO erforderlich sei.

Hiergegen richtet sich die namens der Antragsberechtigten eingelegte Beschwerde. Begründet wird das Rechtsmittel damit, dass die Erfüllung einer letztwilligen Verfügung des Erblassers nicht unentgeltlich sei. Das gelte insbesondere auch für eine Vermächtniserfüllung. An der Entgeltlichkeit ändere sich nichts dadurch, dass Erfüllungsansprüche weiterer Vermächtnisnehmer – entgeltlich – abgetreten worden seien. Im Übrigen müsse nicht in der Form des § 29 GBO nachgewiesen werden, dass es sich um die Erfüllung einer letztwilligen Verfügung handle, so dass auch hinsichtlich der Abtretung des Erfüllungsanspruchs die privatschriftliche Vereinbarung zwischen den Vermächtnisnehmern ausreiche.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit der Maßgabe nicht abgeholfen, dass entweder die Zustimmungen aller Vermächtnisnehmer oder aber die Abtretungen der Ansprüche auf Vermächtniserfüllung in der Form des § 29 GBO vorzulegen seien.

II.

Die statthafte und auch im Übrigen von den beiden Urkundsbeteiligten zulässig eingelegte Beschwerde gegen die nach § 18 Abs. 1 GBO ergangene Zwischenverfügung (§ 11 RPflG, § 71 Abs. 1, § 73 GBO sowie § 10 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 FamFG) hat Erfolg.

1. Gemäß § 20 GBO darf die Auflassung eines Grundstücks (Wohnungseigentums) im Grundbuch nur eingetragen werden, wenn die Einigung des Berechtigten und des anderen Teils über den Rechtsübergang (§ 925 Abs. 1 BGB) und daneben gemäß § 19 GBO die Bewilligung des in seinem Recht Betroffenen erklärt sind. Dabei korrespondiert die Befugnis zur Abgabe der Eintragungsbewilligung mit der materiellen Verfügungsbefugnis. Erklärt ein Testamentsvollstrecker Auflassung und Bewilligung, hat daher das Grundbuchamt dessen Verfügungsbefugnis zu prüfen (Senat vom 10.6.2016, 34 Wx 390/15, zur Veröffentlichung vorgesehen in juris; vom 18.11.2013, 34 Wx 189/13 = FamRZ 2014, 1066/1067; BayObLGZ 1986, 208/210; BayObLG NJW-RR 1989, 587; Demharter GBO 30. Aufl. § 52 Rn.18 und 23).

Zum Nachweis der Verfügungsbefugnis ist regelmäßig die Vorlage eines Testamentsvollstreckerzeugnisses erforderlich, § 35 Abs. 2 Halbs. 1 GBO (Demharter § 35 Rn. 57, 59, 61 sowie § 52 Rn. 19), aber auch ausreichend. Ist ein solches erteilt, wird im Grundbucheintragungsverfahren die Verfügungsbefugnis allein durch das Zeugnis nachgewiesen, da sich mögliche Beschränkungen infolge von Anordnungen des Erblassers (§§ 2208 bis 2210, §§ 2222 bis 2224 Abs. 1 Satz 3 BGB) daraus ergeben (Palandt/Weidlich BGB 75. Aufl. § 2368 Rn. 2; Demharter § 35 Rn. 59).

Sind im Testamentsvollstreckerzeugnis – wie hier – keine Abweichungen vom gesetzlichen Umfang der Befugnisse (§§ 2203 bis 2206 BGB) angegeben, hat das Grundbuchamt regelmäßig von der gesetzlichen Verfügungsbefugnis gemäß § 2205 Sätze 2 und 3 BGB auszugehen; denn die Vermutungswirkung des § 2368 Abs. 3, § 2365 BGB (Palandt/Weidlich § 2368 Rn. 8) gilt auch gegenüber dem Grundbuchamt (Meikel/Böhringer GBO 11. Aufl. § 52 Rn. 20; Schaub in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 52 Rn. 21). Die Prüfungspflicht und das Prüfungsrecht des Grundbuchamts (Demharter § 52 Rn. 23; Meikel/Böhringer § 52 Rn. 63) sind in diesen Fällen deshalb darauf beschränkt, ob der Testamentsvollstrecker die gesetzlichen Schranken seiner Verfügungsmacht eingehalten, insbesondere nicht über das zulässige Maß hinaus unentgeltlich über Nachlassgegenstände verfügt hat, § 2205 Satz 3 BGB. Die Erfüllung ausgesetzter Vermächtnisse gehört zum Aufgabenbereich des Testamentsvollstreckers (Palandt/Bassenge § 2203 Rn. 3).

2. Unentgeltlich ist die Verfügung über einen Nachlassgegenstand dann, wenn dem aus dem Nachlass hingegebenen Vermögenswert objektiv keine oder keine gleichwertige Gegenleistung gegenübersteht und der Testamentsvollstrecker subjektiv das Fehlen oder die Ungleichwertigkeit der Gegenleistung erkannt hat oder bei ordnungsgemäßer Verwaltung hätte erkennen müssen (BGH NJW-RR 2016, 457 Rn. 9; NJW 1984, 366/367; Palandt/Weidlich § 2113 Rn. 10; Staudinger/Avenarius BGB Bearb. 2013 § 2113 Rn. 61; aus der Senatsrechtsprechung Beschlüsse vom 10.6.2016 und vom 2.9.2014, 34 Wx 415/13 = FamRZ 2015, 697).

a) Bereits das Reichsgericht (RGZ 105, 246/248) hat die Erfüllung eines tatsächlich bestehenden Vermächtnisanspruchs durch den nach § 2203 BGB dazu berufenen Testamentsvollstrecker als entgeltlich beurteilt. Es hat dies überzeugend damit begründet, dass sie dem (den) Erben einen Vermögensvorteil durch Befreiung von einer Nachlassverbindlichkeit (§ 1967 BGB) verschafft. Hiervon ausgehend ist nur zu fragen, ob die Auflassung der als Vermächtnisgegenstand in dem notariellen Testament bezeichneten Eigentumswohnung an die Beteiligte zu 2 den Nachlass von der bezeichneten Verbindlichkeit als Erbfallschuld befreit (vgl. Palandt/Weidlich § 1967 Rn. 7; Soergel/Damrau BGB 13. Aufl. § 2205 Rn. 84), auch wenn der Beteiligten zu 2 die Wohnung vermächtnisweise nur zu einem Drittel zugewandt war und die weiteren 1/3 bzw. 1/6-Anteile Eva St., Katharina D., Anton S. und Hans S. zukommen sollten.

b) Der Nachweis, eine Vermächtnisforderung zu erfüllen, muss nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Beschluss vom 16.3.2015, 34 Wx 430/14 = RNotZ 2015, 359; siehe auch BayObLG NJW-RR 1989, 587; Demharter § 52 Rn. 24) nicht in der Form des § 29 GBO erbracht werden. Dasselbe gilt dann aber auch für den Nachweis, dass der Bedachte seinen Vermächtnisanspruch (§ 2174 BGB) an einen Dritten (hier an die Beteiligte zu 2 als Mitvermächtnisnehmerin) – wirksam – abgetreten hat (§ 398 BGB). Zur Abtretung ist der Bedachte vom Erbfall an imstande, nach herrschender Meinung könnte dies auch der Erblasser nicht ausschließen (Palandt/ Weidlich § 2174 Rn. 8). Dafür, dass der vermachte Anspruch nicht frei abgetreten werden könnte (§ 399 BGB; vgl. BGH MDR 1958, 416), ist nichts ersichtlich. Die Identität der Forderung bleibt in der Hand des Zessionars grundsätzlich unberührt (Palandt/Grüneberg § 398 Rn. 1). Das schuldrechtliche Kausalgeschäft spielt wegen des geltenden Abstraktionsprinzips in der Regel keine Rolle (Palandt/Grüneberg § 398 Rn. 2).

c) Auf dieser Grundlage kann es im Rahmen einer hier zulässigen freien Beweiswürdigung (vgl. Demharter § 52 Rn. 24) aber keinem begründeten Zweifel unterliegen, dass der Testamentsvollstrecker mit der Auflassung des Grundbesitzes an die Beteiligte zu 2 die mit dem Erbfall bestehenden Ansprüche aus der die Immobilie betreffenden Vermächtnisanordnung der Erblasserin erfüllt und den Nachlass demzufolge von der maßgeblichen Verbindlichkeit befreit hat. Denn die Beteiligte zu 2 ist, wie die Urkundenlage aufzeigt, Inhaberin des Vermächtnisanspruchs gegen den Nachlass, sei es originär, sei es durch Zession.

III.

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

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