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Grundbucheintragung – Testamentsauslegung durch das Grundbuchamt

OLG Zweibrücken – Az.: 3 W 150/10 – Beschluss vom 14.03.2011

Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Prüm vom 1. September 2010 wird aufgehoben.

Das Amtsgericht – Grundbuchamt – wird angewiesen, die Eintragung der Beteiligten in das Grundbuch nicht von der Vorlage eines Erbscheins abhängig zu machen.

Gründe

I.

Die Beschwerde ist nach § 71 Abs. 1 GBO zulässig. Der Senat ist nach §§ 72, 81 Abs. 1 GBO für die Entscheidung über die Beschwerde zuständig.

II.

Die Beschwerde führt in der Sache zu dem angestrebten Erfolg. Ist das Grundbuch durch den Tod des eingetragenen dinglich Berechtigten unrichtig geworden, ist es nach § 22 GBO zu berichtigen. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO ist der Nachweis der Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt dabei grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen. Beruht die Erbfolge – wie hier – auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, genügt jedoch anstelle eines Erbscheins zunächst die Vorlage dieser Urkunde sowie der Eröffnungsniederschrift. Erachtet das Grundbuchamt sodann die Erbfolge alleine durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen, so kann es nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Hbs. 2 GBO wiederum die Vorlegung eines Erbscheins verlangen. Das gilt aber nur, wenn sich bei der Prüfung der letztwilligen Verfügung hinsichtlich des behaupteten Erbrechts tatsächlich Zweifel ergeben, die nur durch weitere Ermittlungen betreffend den Willen des Erblassers geklärt werden können (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 4. Januar 2010 – 3 Wx 217/09, – zitiert nach juris). In diesem Zusammenhang hat das Grundbuchamt die Verfügung von Todes wegen selbst auszulegen, wobei auch außerhalb der Verfügung liegende Umstände zu berücksichtigen sind, wenn sich diese aus öffentlichen, dem Grundbuchamt vorliegenden Urkunden ergeben und auch dann, wenn bei der Auslegung rechtlich schwierige Fragen zu beurteilen sind (OLG Köln Rpfleger 2000, 157; BayObLG Rpfleger 2000, 266). Eine Auslegung scheidet nur dann aus, wenn diese nach Ausschöpfung dieser Möglichkeiten nicht zu einem eindeutigen Ergebnis führt (OLG Celle ZfIR 2010, 83; OLG Schleswig FGPrax 2006, 248; Pfälzisches Oberlandesgericht Zweibrücken Rpfleger 2001, 173). Hieraus folgt, dass das Grundbuchamt bei der Auslegung einer letztwilligen Verfügung auch solche Tatsachen zu berücksichtigen hat, die allgemein bekannt oder offenkundig sind. Solche Tatsachen bedürfen nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen keiner Tatsachenfeststellung im Rahmen eines förmlichen Beweisverfahrens (vgl. § 291 ZPO).

Für den hier zu entscheidenden Fall folgt daraus, dass das Amtsgericht – Grundbuchamt – die Eintragung der Beschwerdeführerin als alleinige Eigentümerin nicht von der Vorlage eines Erbscheins abhängig machen durfte. Die Rechtsfrage, ob hinsichtlich der in der letztwilligen Verfügung angeordneten Folgen für den Fall der Wiederheirat Beschränkungen für die Beschwerdeführerin bestehen, hat das Amtsgericht – Grundbuchamt – selbst zu beurteilen. Bei der Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung ist Beschwerdegegenstand nur die in der Zwischenverfügung enthaltene Beanstandung, nicht die Entscheidung über den Eintragungsantrag selbst (Senat OLGZ 1991, 153 und FGPrax 1997, 133, Beschluss vom 6. Januar 2005 – 3 W 91/04 m.w.N.; BayObLG MittBayNot 1990, 307). Daher hat sich die Nachprüfung des Beschwerdesenats vorliegend auf das vom Grundbuchamt mit der Zwischenverfügung geltend gemachte Eintragungshindernis der Vorlage eines Erbscheins zu beschränken. Andere Eintragungshindernisse können, da sie nicht Verfahrensgegenstand sind, nur -wegweisend- und ohne Bindungswirkung für das Grundbuchamt erörtert werden. Dies vorausgeschickt weist der Senat auf folgende Problematik hin:

Bei der in Rede stehenden letztwilligen Verfügungen handelt es sich um eine Wiederverheiratungsklausel in Form einer auflösend bedingten Vollerbeneinsetzung. Die Ehegatten haben die Anordnung getroffen, dass der Überlebende im Fall der Wiederverheiratung den gesamten Nachlass des Erstversterbenden vorzeitig an die gemeinschaftlichen Abkömmlinge verliert. Die Vollerbeneinsetzung des Überlebenden erfolgt also auflösend bedingt durch seine Wiederverheiratung. Der Überlebende wird spiegelbildlich aufschiebend bedingt durch seine Wiederverheiratung als Vorerbe eingesetzt. Ebenfalls aufschiebend bedingt fungieren die gemeinschaftlichen Abkömmlinge als Nacherben. Im Anschluss an die Hohenzollern-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (NJW 2004, 2008 = ZEV 2004, 241) ist hier die Frage aufzuwerfen, unter welchen Voraussetzungen Wiederverheiratungsklauseln nach § 138 BGB unter der Prämisse, dass der durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG geschützten Testierfreiheit des erstversterbenden Ehegatten das Grundrecht des überlebenden Ehegatten aus Art. 6 Abs. 1 GG gegenübersteht, noch als wirksam erachtet werden können (vgl. auch Adam, MDR 2007, 68 bis 70; Scheuren-Brandes, ZEV 2005, 185 bis 188). Unwirksam könnten jedenfalls solche Wiederverheiratungsklauseln sein, die objektiv geeignet sind die Entscheidung des Bedachten für oder wider eine (neue) Ehe zu beeinflussen und ihn subjektiv vor die Entscheidung -Geld oder Liebe- stellen (vgl. hierzu Reymann in juris PK-BGB 5. Aufl. 2010, § 2269 BGB Rdnr. 54). Maßgeblich dürfte letztlich eine Abwägung sein, bei der neben der Frage, inwiefern bei dem Überlebenden ein für diesen unzumutbarer Druck bei der Eingehung einer neuen Ehe erzeugt wird, der Wert des Nachlasses des Erstversterbenden, die Lebensverhältnisse des Überlebenden und dessen sonstige Vermögensverhältnisse eine Rolle spielen. Eine Wiederverheiratungsklausel, die wie in dem vorliegenden Fall bei Wiederverheiratung des Überlebenden den kompensationslosen Nacherbfall vorsieht, dürfte regelmäßig unwirksam sein (vgl. hierzu Scheuren-Brandes a.a.O.).

Die Entscheidung ergeht nach § 131 Abs. 3 KostO gebühren- und auslagenfrei. Damit erübrigt sich auch die Festsetzung eines Geschäftswerts für das Verfahren der Beschwerde.

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