KG Berlin – Az.: 1 W 303/16 – Beschluss vom 13.10.2016
Die Beschwerde wird nach einem Wert von 5.000 € zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
In notarieller Verhandlung vom 5. Januar 2016 erklärte die Beteiligte – eingetragene Eigentümerin – die Teilung des im Beschlusseingang genannten Grundstücks nach § 8 WEG (Bl. 229 ff. d.A.). Mit Schreiben vom 7./12. Januar 2016 hat sie beantragt, die Teilung im Grundbuch einzutragen und angegeben, die sanierungsrechtliche Genehmigung werde nachgereicht. Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 19. Januar 2016 (Bl. 210 f. d.A.) mehrere Eintragungshindernisse benannt und unter Nr. 3 ausgeführt, es sei keine Sanierungsgenehmigung, aber die Vorlage einer Negativbescheinigung gemäß § 172 BauGB erforderlich. Gleichzeitig hat es die Eintragung von der Zahlung eines Vorschusses von 4.135 € und rückständiger Gerichtskosten von 25 € abhängig gemacht (Bl. 212 d.A.). Nach Ergänzung der Zwischenverfügung hat die Beteiligte mit Schreiben vom 30. März/1. April 2016 letztmals Urkunden zur Mängelbehebung eingereicht. Am 12. Mai 2016 hat sie dem Grundbuchamt die Barzahlung von 4.160 € Gerichtskosten nachgewiesen (Bl. 304 d.A.); die Justizkasse hatte zuvor Überweisungen (vgl. Bl. 427 f. d.A.) zweimal zurückgebucht.
Nachdem das Grundbuchamt am 20. Mai 2016 telefonisch auf das noch fehlende Negativzeugnis hingewiesen hatte (Bl. 210R d.A.), hat die Beteiligte mit Schreiben vom 24./25. Mai 2016 u.a. auf den Beschluss des Senats vom 8. Dezember 2015 – 1 W 680/15 (GE 2016, 124) verwiesen.
Am 25. Mai 2016 trat die am Vortag verkündete Erhaltungsverordnung “Leopoldplatz” vom 3. Mai 2016 in Kraft (GVBl. Berlin 2016, 270), in deren Geltungsbereich das Grundstück liegt.
Mit Zwischenverfügung vom 26. Mai 2016 (Bl. 317 d.A.) hat das Grundbuchamt eine Frist zur Vorlage der Genehmigung nach § 172 BauGB gesetzt. Die Beteiligte hat ein unterschriebenes und gesiegeltes Schreiben des Bezirksamts Mitte vom 26. Mai 2016 (Bl. 328 d.A.) eingereicht, in dem es heißt, das Grundstück liege nicht “in einem durch Erhaltungssatzung festgelegten Gebiet”. Eine Genehmigung nach § 173 BauGB sei daher nicht erforderlich. Es werde darauf hingewiesen, dass für das Gebiet Leopoldplatz am 25. Mai 2016 die Erhaltungsverordnung vom 3. Mai 2016 in Kraft getreten sei. Das Grundbuchamt hat mitgeteilt, die Bescheinigung könne nicht verwandt werden. Die Beteiligte hat Beschwerde (Bl. 337 ff. d.A.) gegen die Zwischenverfügung vom 26. Mai 2016 eingelegt, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Akten (Bl. 143 bis 440) Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§§ 71 ff. GBO), jedoch nicht begründet. Das mit der angefochtenen Zwischenverfügung gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 GBO aufgezeigte Hindernis besteht.
Die Bewilligung des Eigentümers nach § 19 GBO, § 8 Abs. 1 WEG genügt für die beantragte Anlegung der Wohnungsgrundbücher (§ 8 Abs. 2 S. 2 WEG) nicht. Denn die Begründung von Wohnungseigentum (§ 2 WEG) darf gemäß § 1 der Umwandlungsverordnung vom 3. März 2015 (GVBl. Berlin 2015, 43) i.V.m. § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 4 und 6, § 22 Abs. 6 S. 1 BauGB nicht ohne die Genehmigung des Bezirksamts Mitte als zuständiger Behörde erfolgen. Die Erhaltungsverordnung vom 3. Mai 2016 steht einer gemeindlichen Satzung nach § 172 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BauGB gleich. In Berlin werden Angelegenheiten, für die nach dem Baugesetzbuch die Gemeinden zuständig sind, von den Bezirken wahrgenommen, § 246 Abs. 2 S. 1 BauGB, § 1 BerlAGBauGB. An die Stelle der Satzung nach § 172 Abs. 1 BauGB tritt eine vom Bezirksamt zu erlassende Rechtsverordnung, § 246 Abs. 2 S. 1 BauGB, § 30 S. 1 BerlAGBauGB.
Die Erhaltungsverordnung “Leopoldplatz” ist vom Grundbuchamt zu berücksichtigen, obwohl sie erst nach der Antragstellung vom 12. Januar 2016 in Kraft getreten ist. Gemäß § 172 Abs. 1 S. 5 BauGB i.V.m. § 135 BGB unterliegt der Eigentümer mit dem Inkrafttreten der Verordnung einer relativen Verfügungsbeschränkung (Hügel, GBO, 3. Aufl., Verfb Rn. 55), die das Grundbuchamt von Amts wegen beachten muss, da sich die verfahrensrechtliche Bewilligungsbefugnis von der Befugnis zur sachenrechtlichen Verfügung über das Eigentum ableitet (BGH, MDR 2013, 701). Entscheidend für die Beurteilung der Verfügungsbefugnis als Grundlage der Bewilligungsbefugnis ist der Zeitpunkt der Eintragung, weil sich erst in diesem die Verfügung über das betroffene Recht verwirklicht (Demharter, GBO, 30. Aufl., § 19 Rn. 60 f. m.w.N.).
§ 878 BGB ist nicht anzuwenden (Senat, Beschluss vom 8. Dezember 2015 – 1 W 518/15, FGPrax 2016, 4). Eine entsprechende Anwendung der Vorschrift auf die einseitige, widerrufliche Erklärung nach § 8 WEG scheidet jedenfalls deshalb aus, weil es an der für eine Analogie erforderlichen Regelungslücke im Gesetz (vgl. BGH, NJW 2007, 992, 993) fehlt.
Eine § 878 BGB vergleichbare Regelung hatte der Gesetzgeber ursprünglich ausdrücklich für den Fall getroffen, dass ein zur Begründung von Wohnungseigentum erforderlicher Eintragungsantrag beim Grundbuchamt vor dem Wirksamwerden eines der Sicherung von Gebieten mit Fremdenverkehrsnutzung dienenden Genehmigungsvorbehalts (§ 22 Abs. 1 BauGB) eingegangen war, § 22 Abs. 4 BauGB in der Fassung vom 8. Dezember 1986 (BGBl. I 1986, 2191) bzw. § 22 Abs. 3 BauGB in der Fassung des Bau- und Raumordnungsgesetzes 1998 (BGBl. I 1997, 2081). Die Dauer der Bearbeitung beim Grundbuchamt sollte keinen Einfluss auf die Frage der Genehmigungsbedürftigkeit haben (BT-Drs. 10/4630, S. 79). Damit wurde das Vertrauen in allen Fällen geschützt, in denen der Eigentümer alles in seiner Macht Stehende veranlasst hatte, um Wohnungseigentum zu begründen oder zu teilen, bevor die Voraussetzungen zu einer Eigentumsbeschränkung nach § 22 BauGB vorlagen (BVerwG, NVwZ 1995, 271). Darüber hinaus erstreckt § 22 Abs. 4 S. 2 BauGB den Vorrang der Vormerkung (§ 883 BGB) auf den Genehmigungsvorbehalt nach § 22 Abs. 1 BauGB, indem ein Anspruch auf Genehmigung besteht, wenn eine Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Einräumung eines Rechts nach dem Wohnungseigentumsgesetz im Grundbuch eingetragen bzw. vor dem Wirksamwerden eines Genehmigungsvorbehalts die Eintragung einer solchen Vormerkung beantragt worden ist (vgl. Spannowsky/Grziwotz, BauGB, 2. Aufl., § 22 Rn. 25; Schrödter/Rieger, BauGB, 8. Aufl., § 22 Rn 20).
Eine dem § 22 Abs. 4 BauGB (1986) entsprechende Regelung ist bei Einfügung des Genehmigungsvorbehalts für die Bildung von Sondereigentum an Wohnraum im Gebiet einer Milieuschutzsatzung (§ 172 Abs. 1 S. 4 bis 6 BauGB) durch das Bau- und Raumordnungsgesetz 1998 nicht geschaffen worden. Andererseits ist die Frage eines bei Antragstellung bestehenden schützenswerten Vertrauens durchaus gesehen worden. So hatte der Bundesrat vorgeschlagen, vollständige, bis zum 8. November 1996 beim Grundbuchamt eingegangene Anträge von der Genehmigungspflicht zu befreien, § 174b BauGB-E (BT-Drs. 13/6392, S. 115 und 117). Dies hat der Gesetzgeber dann in § 236 Abs. 2 S. 1 BauGB übernommen, dessen Voraussetzungen vorliegend hingegen nicht erfüllt sind, weil dies einen vor dem 26. Juni 1997 gestellten Grundbuchantrag erfordert. Einen Schutz Vormerkungsberechtigter gewährt § 172 Abs. 4 S. 3 Nr. 4 BauGB, setzt jedoch in Abweichung zu § 22 Abs. 4 S. 2 BauGB voraus, dass die Vormerkung bei Wirksamwerden des Genehmigungsvorbehalts bereits im Grundbuch eingetragen ist (vgl. BT-Drs. 13/6392, S. 116). Ein lediglich hierauf gerichteter Antrag beim Grundbuchamt allein begründet hier keinen solchen Anspruch. Schließlich ist § 22 Abs. 3 BauGB (1998) durch das Europarechtsanpassungsgesetz Bau vom 24. Juni 2004 (BGBl. I 2004, 1359) gestrichen worden.
Vor diesem Hintergrund ist die Annahme einer planwidrigen Lücke nicht gerechtfertigt und eine entsprechende Anwendung des § 878 BGB muss ausscheiden (a.A. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn 3846); vielmehr lässt die Gesetzeshistorie allein den Schluss zu, dass sich der Gesetzgeber bewusst dagegen entschieden hat, ein bei Antragstellung beim Grundbuchamt bestehendes Vertrauen des Eigentümers auf die geltende Rechtslage im Hinblick auf einen Genehmigungsvorbehalt nach § 172 Abs. 2 S. 4 BauGB über die in § 236 Abs. 2 BauGB aufgeführten Übergangsfällen hinaus zu schützen. Das ist aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 14 GG) grundsätzlich nicht zu beanstanden (vgl. Ernst/Zinkhahn/Bielenberg/Stock, BauGB, Stand Mai 2016, § 172 Rn 207 ff.; Berliner Kommentar/Kraft, BauGB, Stand Mai 2016, § 22 Rn 26). Es bedarf keiner Erörterung, ob das auch für Fälle gilt, in denen der Eintragungsantrag allein wegen einer verzögerten oder fehlerhaften Bearbeitung des Grundbuchamts (oder z.B. auch durch die Baubehörde bei Erteilung der Abgeschlossenheitsbescheinigung) nicht mehr vor dem Inkrafttreten des Genehmigungsvorbehalts vollzogen worden ist. Dem wäre nicht dadurch zu begegnen, dass das Grundbuchamt in Einzelfällen von dem Genehmigungserfordernis absieht. Vielmehr kann bei besonderen Härten im Einzelfall gemäß § 172 Abs. 4 S. 2 BauGB (ggf. in entsprechender Anwendung) ein Anspruch auf Erteilung der Genehmigung durch das Bezirksamt bestehen (vgl. Berliner Kommentar/Kraft, a.a.O.).
Der Nachweis der Genehmigung ist auch nicht im Hinblick auf das Schreiben des Bezirksamts vom 26. Mai 2016 entbehrlich. Zwar steht eine Negativbescheinigung der Genehmigung gleich, wenn der Genehmigungsvorbehalt – wie hier nach § 172 Abs. 1 S. 4 BauGB – ausschließlich dem Schutz öffentlicher Interessen dient (vgl. BGH, NJW 2010, 144, 145; OLG München, NJW-RR 2016, 137, 139; Demharter, a.a.O., § 19 Rn. 117). Dem Schreiben ist aber nicht hinreichend zu entnehmen, dass es einer Genehmigung auch unter Berücksichtigung der Erhaltungsverordnung nicht bedarf; die Angaben sind in sich widersprüchlich.
Die Wertfestsetzung beruht auf § 61 Abs. 1 und 2, § 36 Abs. 3 GNotKG. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen gemäß § 78 Abs. 2 S. 1 GBO vor.