Das Kammergericht Berlin entschied, dass ein Bauhandwerker ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme in das Grundbuch einer Wohnungseigentümergemeinschaft in Berlin-Friedenau hat, um Informationen über Zugriffsmöglichkeiten im Wege der Zwangsvollstreckung zu erhalten. Das Gericht stellte klar, dass ein wirtschaftliches Interesse ausreicht, um ein solches Einsichtsrecht zu begründen, sofern die Verfolgung unbefugter Zwecke ausgeschlossen ist. Dieses Urteil hat weitreichende Bedeutung für ähnliche Fälle, in denen Gläubiger von WEG-Mitgliedern Einsicht in das Grundbuch begehren.
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Übersicht
✔ Das Wichtigste in Kürze
- Das Gericht bestätigt das Grundbucheinsichtsrecht eines Bauhandwerkers, der Forderungen gegen eine Wohnungseigentümergemeinschaft geltend macht.
- Ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht besteht, wenn der Antragsteller ein wirtschaftliches Interesse an Informationen über Zugriffsmöglichkeiten im Wege der Zwangsvollstreckung hat.
- Der Bauhandwerker hat ein solches Interesse hinreichend dargelegt, indem er Verträge mit der Wohnungseigentümergemeinschaft vorgelegt hat.
- Die Wohnungseigentümer haften gemäß § 10 Abs. 8 WEG für Verbindlichkeiten der Gemeinschaft nach ihren Miteigentumsanteilen.
- Dem Bauhandwerker sind daher vollständige Ausdrucke aus den betroffenen Wohnungsgrundbüchern zu erteilen.
- Unbeglaubigte Teilabschriften aus Grundbüchern sind nach § 45 GBV nicht zulässig.
Grundbucheinsichtsrecht: Wer hat Anspruch auf Informationen im Grundbuch?
Grundbucheinsichtsrecht – was bedeutet das genau und wer hat darauf Anspruch? Das Grundbuch ist ein öffentliches Register, in dem grundstücksbezogene Rechte und Belastungen verzeichnet sind. Grundsätzlich hat jeder ein Recht darauf, Einsicht in das Grundbuch zu nehmen, sofern er ein berechtigtes Interesse nachweisen kann.
Dieses Recht ist vor allem für Gläubiger und Vertragspartner von Immobilienbesitzern relevant. Sie können so Informationen über Eigentumsverhältnisse, Hypotheken und andere Belastungen des Grundstücks einholen. Auch Handwerker, die Arbeiten an einer Immobilie ausführen, können ein solches Interesse geltend machen.
Ob und in welchem Umfang das Grundbucheinsichtsrecht besteht, hängt vom Einzelfall ab. Das Gericht prüft genau, ob der Antragsteller ein tatsächliches, wirtschaftliches Interesse an den Informationen hat und keine unbefugten Zwecke verfolgt. Im Folgenden wird ein konkreter Fall beleuchtet, in dem ein Bauhandwerker Einsicht in das Grundbuch einer Wohnungseigentümergemeinschaft begehrte.
Der Fall vor dem Kammergericht Berlin im Detail
Grundbucheinsichtsrecht eines Bauhandwerkers in Berlin bestätigt
Im Zentrum des Rechtsstreits steht die Anfrage eines Bauhandwerkers, der im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeiten Einblick in bestimmte Grundbücher einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) in Berlin-Friedenau begehrte. Diese Anfrage wurde ursprünglich vom zuständigen Grundbuchamt abgelehnt, da nur beglaubigte Teilauszüge erteilt werden könnten, was mit Kosten von 200 EUR verbunden gewesen wäre. Der Bauhandwerker, der Forderungen aus einem Aufzugsservice- und Modernisierungsvertrag geltend machte, lehnte diese Kosten ab und erhob Beschwerde gegen die Entscheidung des Grundbuchamts. Nachdem seine erste Beschwerde keine Abhilfe schuf, legte er erneut Beschwerde ein, was letztlich zur gerichtlichen Auseinandersetzung führte. Das rechtliche Dilemma bestand darin, ob der Bauhandwerker ein berechtigtes Interesse an der Einsichtnahme nachweisen konnte, was sowohl wirtschaftliche als auch rechtliche Fragen aufwarf.
Rechtsprechung des Kammergerichts Berlin
Das Kammergericht Berlin entschied am 21. Januar 2016, dass dem Bauhandwerker ein vollumfängliches Einsichtsrecht in die angefragten Grundbuchblätter zusteht. Die Richter begründeten ihre Entscheidung mit dem Verweis auf § 12 Abs. 1 S. 1 und § 12 Abs. 2 HS. 1 GBO, nach denen jeder, der ein berechtigtes Interesse darlegt, Einsicht in das Grundbuch nehmen und Abschriften fordern kann. Das Gericht betonte, dass ein wirtschaftliches Interesse ausreiche, um ein solches Einsichtsrecht zu begründen, sofern die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen ist. In diesem Fall wurde das Interesse des Bauhandwerkers, Informationen über Zugriffsmöglichkeiten im Wege der Zwangsvollstreckung zu erhalten, als legitim erachtet, auch ohne einen bereits vorliegenden Vollstreckungstitel.
Rechtliche Bedeutung des Interesses und dessen Nachweis
Die Begründung des berechtigten Interesses erforderte eine detaillierte Darlegung von Tatsachen, die dem Grundbuchamt die Berechtigung des Antrags nachvollziehbar machten. Das Kammergericht stellte klar, dass nicht jedes beliebige Interesse ausreichend ist und dass die Verfolgung unbefugter Zwecke ausgeschlossen sein muss. Die Entscheidung verdeutlicht, wie das Gericht das Gleichgewicht zwischen dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung und der Notwendigkeit der Transparenz im Grundbuchwesen austariert.
Details und weiterführende Bestimmungen zur Grundbucheinsicht
Neben der grundsätzlichen Bestätigung des Einsichtsrechts wurden auch spezifische Anforderungen an die Form der gewährten Einsichtnahme gestellt. Laut Beschluss sind vollständige Ausdrucke aller Wohnungsgrundbuchblätter in der Form von Ausdrucken gemäß § 78 Abs. 1 S. 1 GBV zu erteilen. Das Gericht wies zudem darauf hin, dass der Antragsteller keine Namen aller Wohnungseigentümer für die Klage benötigt, da sich die Klage gegen die WEG und nicht gegen die einzelnen Eigentümer richtet. Diese präzise Auslegung des WEG-Rechts hat weitreichende Bedeutung für ähnliche Fälle, in denen Gläubiger von WEG-Mitgliedern Einsicht in das Grundbuch begehren.
✔ FAQ zum Thema: Grundbucheinsichtsrecht
Was ist das Grundbucheinsichtsrecht und wer kann es in Anspruch nehmen?
Das Grundbucheinsichtsrecht ermöglicht es bestimmten Personen oder Institutionen, Informationen aus dem Grundbuch einzusehen. Das Grundbuch ist ein öffentliches Register, das Informationen über Grundstücke, deren Eigentümer sowie über darauf lastende Rechte und Belastungen enthält. Das Recht auf Einsicht in das Grundbuch ist in § 12 der Grundbuchordnung (GBO) geregelt und setzt voraus, dass der Antragsteller ein berechtigtes Interesse darlegen kann. Ein berechtigtes Interesse liegt vor, wenn sachliche Gründe vorgetragen werden, die die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausschließen.
Zu den Personen, die in der Regel ein berechtigtes Interesse nachweisen können, gehören:
Der Grundstückseigentümer selbst sowie alle im Grundbuch eingetragenen Rechteinhaber, wie beispielsweise Inhaber von Hypotheken oder Grundschulden.
Behörden, Gerichte und Notare im Rahmen ihrer Amtshilfepflicht sowie öffentlich bestellte Vermessungsingenieure.
Gläubiger des Grundstückseigentümers, wenn sie Informationen über Zugriffsmöglichkeiten im Wege der Zwangsvollstreckung benötigen, auch ohne dass bereits ein Vollstreckungstitel vorliegt.
Kreditgeber des Eigentümers, wenn ein Kredit grundbuchlich abgesichert werden soll, sowie potenzielle Erben oder Mieter, um beispielsweise zu prüfen, ob der Vermieter auch der tatsächliche Eigentümer ist.
Für Bauhandwerker, die eine Bauhandwerkersicherungshypothek nach § 648 BGB beanspruchen, besteht ebenfalls ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht. Dies ist insbesondere relevant, wenn sie sich vor Beantragung einer solchen Hypothek über die rechtlichen Verhältnisse des Grundstücks informieren müssen, um nicht mit ihrem Antrag wegen fehlender Identität zwischen Auftraggeber und Eigentümer abgewiesen zu werden.
Es ist wichtig zu betonen, dass die Einsicht in das Grundbuch nicht generell jedem Wohnungseigentümer zusteht. Ein berechtigtes Interesse muss konkret dargelegt werden, und allein die Stellung als Miteigentümer reicht hierfür nicht aus. Die Entscheidung über die Gewährung der Einsicht liegt beim Grundbuchamt und basiert auf der Prüfung des dargelegten berechtigten Interesses.
Wie kann man ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in das Grundbuch nachweisen?
Ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in das Grundbuch kann auf verschiedene Weise nachgewiesen werden, abhängig von der spezifischen Situation und dem Zweck der Anfrage. Hier sind einige allgemeine Methoden und Beispiele, wie ein solches Interesse glaubhaft gemacht werden kann:
Vorlage von Dokumenten: Der Antragsteller kann Dokumente vorlegen, die sein Interesse an der Einsichtnahme belegen. Dies könnte ein Vertrag, ein Vorvertrag oder ein Schreiben sein, das die Notwendigkeit der Einsichtnahme begründet. Beispielsweise könnte ein Bauhandwerker, der eine Bauhandwerkersicherungshypothek nach § 648 BGB geltend machen möchte, einen Vertrag vorlegen, der seine Arbeiten an dem betreffenden Grundstück belegt.
Nachweis eines rechtlichen oder wirtschaftlichen Interesses: Ein rechtliches Interesse könnte durch die Notwendigkeit der Klärung von Eigentumsverhältnissen oder Belastungen im Rahmen einer bevorstehenden Transaktion oder Rechtsstreitigkeit begründet sein. Ein wirtschaftliches Interesse könnte beispielsweise durch die Absicht, in das Grundstück zu investieren oder es zu erwerben, nachgewiesen werden. In beiden Fällen sollten konkrete Angaben gemacht werden, die das Interesse deutlich und nachvollziehbar darlegen.
Erklärung des Interesses: Eine detaillierte schriftliche Erklärung, warum die Einsicht in das Grundbuch notwendig ist, kann ebenfalls hilfreich sein. Diese sollte klar und präzise formulieren, warum die Informationen aus dem Grundbuch für die rechtlichen oder wirtschaftlichen Aktivitäten des Antragstellers unerlässlich sind.
Zustimmung des Eigentümers: Falls der Eigentümer der Einsichtnahme zustimmt, kann dies den Prozess vereinfachen und als Nachweis des berechtigten Interesses dienen. Dies ist jedoch nicht immer erforderlich oder möglich.
Gerichtliche Anordnungen oder Anfragen: In manchen Fällen kann eine gerichtliche Anordnung oder eine Anfrage einer Behörde den Grund für die Notwendigkeit der Einsichtnahme darlegen und somit ein berechtigtes Interesse begründen.
Für Bauhandwerker einer Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG), die ihre Ansprüche sichern möchten, ist es besonders wichtig, den direkten Bezug ihrer Arbeit zum betreffenden Grundstück nachzuweisen. Dies könnte durch Verträge, Rechnungen oder andere Dokumente geschehen, die die durchgeführten Arbeiten und deren Verbindung zum Grundstück belegen.
Welche Informationen enthält das Grundbuch und warum sind diese für Bauhandwerker wichtig?
Das Grundbuch enthält eine Vielzahl von Informationen, die für Bauhandwerker von entscheidender Bedeutung sind, insbesondere wenn es um die Sicherung ihrer Forderungen und die rechtliche Klarheit bei Bauprojekten geht. Hier sind die wesentlichen Inhalte des Grundbuchs und deren Bedeutung für Bauhandwerker:
- Eigentumsverhältnisse: Das Grundbuch verzeichnet die aktuellen Eigentümer von Grundstücken und Immobilien. Diese Information ist für Bauhandwerker wichtig, um die Identität des rechtlichen Eigentümers zu bestätigen, was insbesondere bei der Beantragung von Sicherungshypotheken nach § 648 BGB relevant ist.
- Belastungen und Beschränkungen: Im Grundbuch sind auch Belastungen wie Hypotheken, Grundschulden und andere Rechte Dritter eingetragen. Für Bauhandwerker ist dies entscheidend, um zu verstehen, welche finanziellen Lasten bereits auf dem Grundstück liegen. Dies beeinflusst die Entscheidung, ob und in welcher Höhe eine Sicherungshypothek sinnvoll ist, da bestehende Belastungen den Wert der Sicherheit beeinflussen können.
- Wegerechte und Dienstbarkeiten: Diese im Grundbuch eingetragenen Rechte können den Zugang zu einem Grundstück regeln oder bestimmte Nutzungen erlauben bzw. verbieten. Für Bauhandwerker ist es wichtig, solche Einträge zu kennen, da sie die Durchführung von Bauarbeiten beeinflussen können.
- Größe und Lage des Grundstücks: Genauere Angaben zur Fläche und Lage des Grundstücks sind ebenfalls im Grundbuch verzeichnet. Diese Informationen sind für die Planung und Ausführung von Bauprojekten notwendig, um beispielsweise die Einhaltung von Baugrenzen und -vorschriften sicherzustellen.
- Vormerkungen und Widersprüche: Vormerkungen, wie die Auflassungsvormerkung, sichern Rechte aus einem Kaufvertrag vor der eigentlichen Eigentumsumschreibung. Für Bauhandwerker kann dies relevant sein, wenn sie Leistungen erbringen, die direkt den Eigentumsübergang betreffen. Widersprüche im Grundbuch zeigen an, dass Rechtsstreitigkeiten bezüglich des Grundstücks bestehen, was ebenfalls für die Planungssicherheit von Bauvorhaben wichtig ist.
Die Kenntnis dieser Informationen ermöglicht es Bauhandwerkern, ihre rechtliche Position zu stärken und finanzielle Risiken zu minimieren. Insbesondere die Möglichkeit, eine Sicherungshypothek einzutragen, bietet Bauhandwerkern Schutz für ihre Forderungen, was im Kontext von Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) besonders relevant sein kann, da hier oft umfangreiche Baumaßnahmen an gemeinschaftlichem Eigentum durchgeführt werden.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 12 Abs. 1 S. 1 GBO (Grundbuchordnung): Regelt, dass jeder, der ein berechtigtes Interesse nachweist, das Recht hat, das Grundbuch einzusehen. Dies ist zentral für den Fall, da der Bauhandwerker sein berechtigtes Interesse darlegen musste, um Einsicht in die Grundbücher zu erhalten. Dies unterstreicht die Bedeutung der Offenlegung von Grundbuchdaten für wirtschaftliche und rechtliche Transaktionen.
- § 12 Abs. 2 HS. 1 GBO: Erlaubt die Forderung einer Abschrift des Grundbuchs, wenn die Einsicht gestattet wurde. Diese Regelung ist relevant, weil sie bestimmt, dass nach gewährter Einsicht auch Kopien der Einträge verlangt werden können, was im besagten Fall die Herausgabe vollständiger Ausdrucke der Grundbuchblätter umfasst.
- § 71 Abs. 1 GBO: Legt die Zulässigkeit einer Beschwerde fest, wenn das Grundbuchamt eine Anfrage ablehnt. Dies spielt eine Schlüsselrolle im Fall, da die Beschwerde des Bauhandwerkers gegen die Ablehnung des Grundbuchamts erfolgreich war.
- Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG: Diese Artikel des Grundgesetzes zum Schutz der Persönlichkeitsrechte und zur informationellen Selbstbestimmung werden im Kontext der Grundbucheinsicht interpretiert, um die Interessen der im Grundbuch Eingetragenen zu schützen. Dies betont die Notwendigkeit, ein berechtigtes Interesse klar und substantiiert darzulegen.
- § 78 Abs. 1 S. 1 GBV (Grundbuchverfügung): Regelung zur Art der Ausdrucke aus dem Grundbuch, die erteilt werden können. Dies ist wichtig, da im Fall vollständige Ausdrucke sämtlicher Wohnungsgrundbuchblätter erteilt wurden, was die Zugänglichkeit und Verwendung der Informationen im Rechtsverkehr erleichtert.
Diese Gesetze und Vorschriften sind entscheidend für das Verständnis, wie und warum der Bauhandwerker Einsicht in die Grundbuchdaten erlangen konnte und welche rechtlichen Schritte erforderlich waren, um diese Informationen zugänglich zu machen.
➜ Das vorliegende Urteil vom Kammergericht Berlin
KG Berlin – Az.: 1 W 6/16 – Beschluss vom 21.01.2016
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, der Beteiligten vollständige – einfache – Ausdrucke aus den Grundbüchern von Friedenau Blätter 2… bis 2… und 8… zu erteilen.
Gründe
I.
Die Beteiligte beantragte am 1. Dezember 2015 bei dem Grundbuchamt die Übersendung unbeglaubigter Abschriften aus den im Beschlusseingang näher bezeichneten Wohnungsgrundbüchern beschränkt jeweils auf die Abteilung I und führte zur Begründung an, sie führe ein Verfahren gegen die Eigentümer wegen Forderungen aus einem Aufzugsservicevertrag und wegen einem solchen auf Aufzugsmodernisierung. Sofern Kosten von mehr als 100,00 EUR entstünden, bat die Beteiligte um vorherige Information.
Das Grundbuchamt wies am 3. Dezember 2015 darauf hin, dass lediglich beglaubigte Teilauszüge erteilt werden könnten und insofern Kosten in Höhe von 200,00 EUR entstünden, womit sich die Beteiligte nicht einverstanden erklärte.
Mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2015 hat die Beteiligte die Erteilung vollständiger Abschriften aller Wohnungsgrundbuchblätter der Wohnungseigentümergemeinschaft beantragt, was die Urkundsbeamtin des Grundbuchamts als “Beschwerde” gegen ihre bis dahin ergangenen Entscheidungen angesehen und dieser nicht abgeholfen hat. Die Rechtspflegerin des Grundbuchamts hat mit Beschluss vom 23. Dezember 2015 den Antrag vom 11. Dezember 2015 zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 6. Januar 2016, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 8. Januar 2016 nicht abgeholfen hat.
II.
1. Die gemäß § 12c Abs. 4 S. 2 BGB statthafte Beschwerde ist zulässig, § 71 Abs. 1 GBO, und begründet. Der Beteiligten sind die mit ihrem Hauptantrag begehrten vollständigen Abschriften sämtlicher Wohnungsgrundbuchblätter in der Form von Ausdrucken, § 78 Abs. 1 S. 1 GBV, zu erteilen.
a) Die Einsicht des Grundbuchs ist jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt, § 12 Abs. 1 S. 1 GBO. Soweit die Einsicht des Grundbuchs gestattet ist, kann eine Abschrift gefordert werden, § 12 Abs. 2 HS. 1 GBO.
aa) Ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht ist dann gegeben, wenn zur Überzeugung des Grundbuchamtes – bzw. des Beschwerdegerichts, §§ 74, 77 GBO – ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargelegt wird, wobei auch ein bloß tatsächliches, insbesondere wirtschaftliches Interesse das Recht auf Grundbucheinsicht begründen kann. Dabei reicht regelmäßig das Vorbringen sachlicher Gründe aus, welche die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen (Senat, Beschluss vom 19. Juni 2001 – 1 W 132/01 – NJW 2002, 223, 224 m.w.N.).
§ 12 Abs.1 GBO bezweckt nicht in erster Linie einen Geheimnisschutz, sondern zielt auf eine Publizität, die über die rein rechtliche Anknüpfung an die Vermutungs- und Gutglaubensvorschriften der §§ 891 ff. BGB hinausgeht. Andererseits genügt nicht jedes beliebige Interesse des Antragstellers; die Verfolgung unbefugter Zwecke oder reiner Neugier muss ausgeschlossen und die Kenntnis vom Grundbuchstand für den Antragsteller aus sachlichen Gründen für sein künftiges Handeln erheblich erscheinen. Das folgt aus dem durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG geschützten, zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht gehörenden Recht auf informationelle Selbstbestimmung der durch die Grundbucheinsicht Betroffenen, welches bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs einzubeziehen ist.
Die Darlegung des berechtigten Interesses erfordert einen nachvollziehbaren Vortrag von Tatsachen in der Weise, dass dem Grundbuchamt daraus die Überzeugung von der Berechtigung des geltend gemachten Interesses verschafft wird, denn es hat in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob durch die Einsichtnahme das schutzwürdige Interesse der Eingetragenen verletzt werden könnte, Unbefugten keinen Einblick in ihre Rechts- und Vermögensverhältnisse zu gewähren (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2004 – 1 W 294/03).
bb) Nach verbreiteter, auch von dem Senat geteilter Ansicht kann ein Gläubiger des eingetragenen Eigentümers unter dem Gesichtspunkt der Information über Zugriffsmöglichkeiten im Wege der Zwangsvollstreckung ein berechtigtes Interesse an der umfassenden Einsichtnahme in das Grundbuch grundsätzlich geltend machen, und zwar entgegen der Ansicht des Grundbuchamts auch dann, wenn er noch keinen Vollstreckungstitel hat (OLG Zweibrücken, NJW 1989, 531; Senat, Beschluss vom 14. Mai 1900 – 1 Y 292/00 – KGJ 20 A 173; Böttcher, in: Meikel, 11. Aufl., § 12, Rdn. 32; Demharter, GBO, 29. Aufl., § 29, Rdn. 9; Keller, in: Keller/Munzig, Grundbuchrecht, 7. Aufl., § 12 GBO, Rdn. 9; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rdn. 525; a.A. Maaß, in: Bauer/von Oefele, GBO, 3. Aufl., § 12, Rdn. 39).
Soweit ein Bauhandwerker Einsicht in das Grundbuch begehrt, ist lediglich umstritten, ob ein solches Recht den Abschluss eines entsprechenden Vertrags erfordert (Schöner/Stöber, a.a.O.; Böttcher, a.a.O., Rdn. 19; Keller, a.a.O.) oder ob bereits die Anbahnung eines solchen Vertrags ausreichend sein soll (Maaß, a.a.O., Rdn. 31; Wilsch, in: Hügel, GBO, 3. Aufl., § 12, Rdn. 43).
b) Vor diesem Hintergrund liegen die Voraussetzungen zur Erteilung vollständiger Ausdrucke aus den bezeichneten Grundbuchblättern vor.
aa) Allerdings trifft es nicht zu, dass zur Erhebung der Klage, die im Entwurf zu den Akten gereicht worden ist, die namentliche Bezeichnung sämtlicher Wohnungseigentümer erforderlich wäre. Die Klage richtet sich nicht gegen die Wohnungseigentümer, sondern gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft. § 44 Abs. 1 S. 2 WEG findet insoweit keine Anwendung (Grziwotz, in: Erman, BGB, 14. Aufl., § 44 WEG, Rdn. 6).
bb) Aus dem vorliegenden Klageentwurf und den ihr zugrundeliegenden Verträgen hat die Beteiligte aber auch eine Gläubigerstellung gegenüber den Wohnungseigentümern hinreichend dargelegt.
Dabei ist es nicht erheblich, dass die Verträge nicht mit den einzelnen Wohnungseigentümern, sondern mit der aus ihnen bestehenden Gemeinschaft geschlossen worden sind und im Hinblick auf den Aufzug Leistungen betrifft, die regelmäßig dem gemeinschaftlichen Eigentum zuzurechnen sind (vgl. Hügel/Elzer, WEG, § 5, Rdn. 40, Stichwort “Aufzug”). Die mit den Verträgen begründeten Rechte und Pflichten betreffen damit unmittelbar die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer, die insoweit (teil-)rechtsfähig ist, vgl. § 10 Abs. 6 WEG.
Zu Recht hat die Beteiligte aber darauf hingewiesen, dass jeder Wohnungseigentümer einem Gläubiger für solche Verbindlichkeiten der Gemeinschaft nach dem Verhältnis seines Miteigentumsanteils haftet, § 10 Abs. 8 S. 1 HS 1 WEG. Diese Haftung besteht gleichzeitig und unmittelbar neben der Haftung der Wohnungseigentümergemeinschaft (Hügel/Elzer, a.a.O., § 10, Rdn. 304). In diesem Rahmen können auch Ansprüche der Beteiligten gegen die Wohnungseigentümer auf Einräumung von – anteiligen – Sicherungshypotheken bestehen, vgl. § 648 BGB (vgl. BT-Drs. 16/887, S. 66; Wilsch, a.a.O., Rdn. 43; Palandt/Bassenge, BGB, 75. Aufl., § 10 WEG, Rdn. 42).
c) Nach allem sind der Beteiligten vollständige Ausdrucke gemäß §§ 131 Abs. 1 GBO, 78 Abs. 1 S. 1 GBV zu erteilen. Die damit verbundene Kostenfolge tritt von Gesetzes wegen ein, so dass es insoweit keiner Anweisung an das Grundbuchamt bedarf.
2. Einer Entscheidung über den hilfsweise aufrecht erhaltenen ursprünglichen Antrag auf Erteilung unbeglaubigter, auf die Eintragungen in den Bestandsverzeichnissen und Abteilungen I beschränkter Abschriften bzw. Ausdrucke bedarf es danach nicht.
Insoweit sei jedoch darauf hingewiesen, dass § 45 GBV seit jeher so verstanden wird, dass Abschriften eines Teils des Grundbuchblattes nur in beglaubigter Form zu erteilen sind (Böttcher, a.a.O., Rdn. 78; Dressler, in: Meikel, a.a.O., § 131, Rdn. 20; Eickmann, in: Keller/Munzig, a.a.O., § 45 GBV, Rdn. 1; Püls, ebda, § 77 GBV, Rdn. 7; Maaß, a.a.O., Rdn. 65; Demharter, a.a.O., Rdn. 22; ; Wilsch, a.a.O., § 131, Rdn. 6; Kral, in: Hügel, a.a.O., § 12c, Rdn. 6; Schöner/Stöber, a.a.O., Rdn. 536; ebenso bereits Güthe/Triebel, GBO, 5. Aufl., 1929, § 11, Rdn. 22; Meikel/Imhof, GBO, 4. Aufl., 1940, § 12, Rdn. 31).
Mit § 45 GBV in der Fassung vom 8. August 1935 (RMBl. 637) wurden zuvor bereits in Preußen geltende Regelungen reichsvereinheitlichend umgesetzt. Die Abschrift von Teilen der Grundbuchblätter war in Preußen notwendig mit einem Zeugnis des Grundbuchamts verbunden, dass weitere den Gegenstand betreffende Einträge im Grundbuch nicht vorhanden sind, § 33 pr. Allgemeine Verfügung zur Ausführung der Grundbuchordnung vom 20. November 1899 (vgl. Arnheim, GBO, 1913, S. 163). Damit sollten Fehler bei der Fertigung von Teilabschriften vermieden werden, die zu Amtshaftungsansprüchen hätten führen können, wenn solche Abschriften im Rechtsverkehr verwandt wurden. Beglaubigte Abschriften aus dem Grundbuch waren neben dem Gerichtsschreiber auch von dem Grundbuchrichter zu unterschreiben, Art. 7 Abs. 2 pr. Ausführungsgesetz zur Grundbuchordnung; sie unterlagen damit einer doppelten Kontrolle. Zugleich waren die nunmehr in § 45 Abs. 2 GBV vorgegebenen Angaben in die Abschrift aufzunehmen. Einfache Abschriften hingegen erteilte nur der Gerichtsschreiber. Sie enthielten keinerlei Zusätze.
Auch wenn beglaubigte Abschriften nur noch vom Urkundsbeamten erteilt werden, § 12c Abs. 1 Nr. 1 GBV, gilt § 45 Abs. 1 und 2 GBV in seiner ursprünglichen Fassung fort. Allein § 45 Abs. 3 S. 2 GBV, wonach die Erteilung eines abgekürzten Auszugs aus dem Inhalt des Grundbuchs nicht zulässig war, ist mit Wirkung vom 9. Oktober 2013 aufgehoben worden, Art. 2 Nr. 15 GaBaGG vom 1. Oktober 2013 (BGBl. I 3719). Der Gesetzgeber sah aus praktischen Gründen für dieses Verbot keinen Grund, nachdem Grundbuchauszüge in der Praxis nicht mehr durch Abschreiben des Grundbuchinhalts hergestellt werden. An der Erteilung von Teilauszügen hielt der Gesetzgeber hingegen ausdrücklich fest (BT-Drs. 17/122635, S. 27).