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Grundbucheinsicht – gekündigter Wohnraummieter

OLG München – Az.: 34 Wx 68/18 – Beschluss vom 24.07.2018

I. Die Beschwerde des Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Starnberg – Grundbuchamt – vom 17. Januar 2018 wird zurückgewiesen.

II. Der Wert des Beschwerdegegenstands wird auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beteiligte ist Mieter eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks, das mit notarieller Urkunde vom 9.10.2013 mit Nachtrag vom 23.7.2014 von einer Stiftung mit Genehmigung der staatlichen Stiftungsaufsicht veräußert wurde. Der Erwerber wurde am 4.12.2014 als Eigentümer ins Grundbuch eingetragen. Im Oktober 2016 kündigte er den Mietvertrag wegen Eigenbedarfs. Mit nicht rechtskräftigem Endurteil des Amtsgerichts S. vom 1.3.2018 wurde der Beteiligte verurteilt, das Grundstück bis 31.12.2019 zu räumen. Am 25.8.2015 nahm der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten Einsicht in Aufschrift, Bestandsverzeichnis und 1. Abteilung des betreffenden Grundbuchblatts. Des Weiteren wurde eine mit Schriftsatz vom 29.1.2018 beantragte Auskunft darüber, ob der Vermieter des Beteiligten im Bezirk des Amtsgerichts noch weiteren Grundbesitz habe, am 6.2.2018 vom Grundbuchamt erteilt.

Mit Schriftsatz vom 7.12.2017, eingegangen beim Grundbuchamt am 11.12.2017, beantragte der anwaltlich vertretene Beteiligte die Übersendung einer Kopie des Kaufvertrages mit Nachtrag sowie eines kompletten beglaubigten Grundbuchauszugs. Zur Begründung ist ausgeführt, der Beteiligte befinde sich in einem Rechtsstreit mit dem Eigentümer, in dem es darum gehe, ob dieser wirksam Eigentum erworben habe. Der Kaufvertrag sei gegebenenfalls wegen gesetzlicher Verstöße nichtig oder es könne ein Vorkaufsrecht des Beteiligten bestehen.

Der Urkundsbeamte des Grundbuchamts hat mit Schreiben vom 11.12.2017 dem anwaltlichen Vertreter des Beteiligten mitgeteilt, weitere Auskünfte könnten nur mit Genehmigung des Eigentümers erteilt werden. Bereits am 20.7.2017 war ein Schreiben des anwaltlichen Vertreters des Eigentümers beim Grundbuchamt eingegangen, in dem einer Auskunftserteilung widersprochen wurde.

Gegen die Entscheidung des Urkundsbeamten vom 11.12.2017 hat der Beteiligte mit Schriftsatz vom 10.1.2018 Erinnerung eingelegt, die der Rechtspfleger mit Beschluss vom 17.1.2018 zurückgewiesen hat. Einem bereits gekündigten Mieter stehe grundsätzlich ein Einsichtsrecht nur insoweit zu, als sich dieses auf Einsichten zur Prüfung des Vorhandenseins weiteren Wohnraums im Eigentum des Vermieters beschränke. Um ein solches handle es sich hier aber nicht. Der Mieter habe keine Rechtsposition, den Erwerbsvertrag anzugreifen oder gar zu Fall zu bringen.

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 15.2.2018 erhobene Beschwerde, in der der Beteiligte ergänzend ausführt, die Herausgabe der Kaufvertragsurkunde würde einen weiteren Prozess vermeiden. Es bestehe der Hinweis, dass eine Schenkung vorliege. Da auf Veräußererseite eine Stiftung beteiligt war, würde dies wegen Verstoßes gegen das stiftungsrechtliche Schenkungsverbot zur Nichtigkeit des Vertrages führen. In diesem Fall sei auch die Kündigung wegen Eigenbedarfs hinfällig, da dann der eingetragene Eigentümer nicht der wirkliche Eigentümer sei. Um dies zu überprüfen werde die „Kaufvertragsurkunde“ benötigt.

Der Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 23.2.2018 der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Aufgrund der Eintragung des Erwerbers als Eigentümer im Grundbuch werde vermutet, dass dieser auch Eigentümer sei. Die vom Beteiligten vorgetragenen Verdachtsmomente bez. der eventuellen Unwirksamkeit der notariellen Urkunden seien viel zu vage und würden kein berechtigtes Interesse hinsichtlich des Einsichtsbegehrens begründen. Es fehle an konkreten Hinweisen. Aus einem bloßen Verdacht lasse sich kein Interesse an Grundbuch- oder Grundakteneinsicht herleiten.

Im Beschwerdeverfahren hat der Beteiligte ergänzend vorgetragen, die bisher dargestellten Verdachtsmomente seien nur deshalb Verdachtsmomente, da die entsprechenden Verträge nicht zur Verfügung gestellt würden. Die Herausgabe der Vertragsurkunde sei erforderlich, um den Verdacht, der sich aus Äußerungen des Eigentümers bzw. aus dessen Umgebung ergebe, nachzuweisen. Es sei immerhin nachgewiesen, dass der Eigentümer selbst berichtet habe, er habe ein wertvolles Dokument gefunden und deshalb das Grundstück kaufen können. Die Veräußerin spreche von einem „Tauschvertrag“. Zudem sei ihm mitgeteilt worden, dass der Kaufvertrag Regelungen über die vom Beteiligten im Laufe der Mietdauer erbrachten Einbauten und Verbesserungen enthalten solle. Dies habe Einfluss auf die spätere Ablösepflicht des Eigentümers gegenüber dem Beteiligten, weshalb er ebenfalls den Vertrag zur Einsicht benötige. Schließlich habe der Eigentümer 2010 ein großzügiges Haus mit Grundstück geerbt. Da von einem „Tauschvertrag“ die Rede sei, sei es durchaus wahrscheinlich, dass die Grundstücke getauscht wurden, was ein guter Grund wäre, den Eigenbedarf zu bestreiten.

II.

1. Gegen die im Erinnerungsverfahren ergangene ablehnende Entscheidung des Rechtspflegers (§ 3 Nr. 1 Buchst. h RPflG) über die beantragte Grundbucheinsicht ist die Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO i. V. m. § 12c Abs. 4 Satz 2 GBO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig durch Einreichung der anwaltlichen Beschwerdeschrift beim Amtsgericht erhoben (§ 73 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG). Mit seinem Rechtsmittel behauptet der Antragsteller (nur noch) ein eigenes rechtliches Interesse an der Übersendung von Abschriften der in den Grundakten enthaltenen Vertragsurkunden (vgl. § 46 Abs. 1, Abs. 3 GBV), so dass eine Beschwerdebefugnis zu bejahen ist.

2. Die Beschwerde erweist sich jedoch als unbegründet.

a) Die Einsicht in das Grundbuch ist jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt (§ 12 Abs. 1 Satz 1 GBO). In diesem Rahmen umfasst das Einsichtsrecht auch die in Bezug genommenen Urkunden (§ 12 Abs. 1 Satz 2 GBO), ferner den übrigen Inhalt der Grundakten (§ 46 GBV), auch wenn dieser keinen unmittelbaren Bezug zur Grundbucheintragung hat (Demharter GBO 31. Aufl. § 12 Rn. 9, 17; Hügel/Wilsch GBO 3. Aufl. § 12 Rn. 5; Senat vom 9.2.2015, 34 Wx 43/15 = NJW 2015, 1891). Gemäß § 12 Abs. 2 GBO kann, soweit ein Einsichtsrecht besteht, auch die Übersendung von Abschriften gefordert werden.

aa) Ein berechtigtes Interesse i. S. v. § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO besteht nicht nur, wenn dieses rechtlicher Natur ist, namentlich dem Antragsteller am Grundstück (aktuell) ein Recht zusteht (vgl. Demharter § 12 Rn. 8; Hügel/Wilsch § 12 Rn. 4), sondern auch dann, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargetan wird, das auch mit einem bloß tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Interesse begründet werden kann (OLG Düsseldorf FGPrax 2018, 56; OLG Oldenburg FGPrax 2014, 18; BayObLG NJW 1993, 1142; Senat vom 17.10.2016, 34 Wx 287/16 = MDR 2017, 30; Demharter § 12 Rn. 7; Hügel/Wilsch § 12 Rn. 2). Darlegung bedeutet einen nachvollziehbaren Vortrag von Tatsachen in der Weise, dass dem Grundbuchamt daraus die Überzeugung von der Berechtigung des geltend gemachten Interesses verschafft wird, also mehr als die bloße Behauptung von Tatsachen und mehr als einen pauschalen Vortrag (Demharter § 12 Rn. 13; Hügel/Wisch § 12 Rn. 7). Entscheidend ist in der Regel das Vorbringen sachlicher Gründe, die die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen (OLG Oldenburg FGPrax 2014, 18; BayObLG NJW 1993, 1142; Senat vom 17.10.2016, 34 Wx 287/16 = MDR 2017, 30; Demharter § 12 Rn. 7; Hügel/Wilsch § 12 Rn. 2).

bb) Das Grundbuchamt hat in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob durch die Einsichtnahme schutzwürdige Interessen der Eingetragenen oder ihrer Rechtsnachfolger verletzt werden können, und darf Unbefugten keinen Einblick in deren Rechts- und Vermögensverhältnisse gewähren (BayObLG Rpfleger 1999, 216/217; KG NJW-RR 2004, 1316/1317; Hügel/Wilsch § 12 Rn. 7). Zu beachten ist, dass sich der Regelungszweck der Norm gerade auf eine Einsicht wegen einer zu erwartenden Teilnahme am Rechtsverkehr im Zusammenhang mit im Grundbuch dokumentierten Rechtsverhältnissen bezieht (OLG Düsseldorf FGPrax 2018, 56; Senat vom 17.10.2016 = MDR 2017, 30; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 524; a.A. Griwotz MDR 2013, 433). Denn das Einsichtsrecht ist begrifflich mit dem materiellen Publizitätsgrundsatz des Grundbuchs verklammert (Böhringer Rpfleger 1987, 181/191); dies erfordert grundsätzlich – abgesehen von Sonderfällen wie dem des Einsichtsrechts der Presse (vgl. BVerfG NJW 2001, 503/504; BGH NJW-RR 2011, 1651) – ein gerade hierauf bezogenes Interesse. Das gilt erst recht für die „erweiterte“ Einsicht in die Grundakten nach § 12 Abs. 3 Nr. 1 GBO, § 46 Abs. 1 GBV (OLG Düsseldorf FGPrax 2018, 56; OLG Oldenburg FGPrax 2014, 18; OLG Dresden FGPrax 2010, 66), die auf eine Kenntniserlangung etwa von der Höhe eines Kaufpreises oder von Modalitäten des Kaufvertrages abzielt. Denn derartige Daten gehören nicht zum eigentlichen Grundbuchinhalt, dessen Publizität § 12 Abs. 1 GBO sicherstellt (OLG Oldenburg FGPrax 2014, 18; OLG Dresden Rpfleger 2010, 209/210; OLG Stuttgart FGPrax 2010, 324; KG NJW-RR 2004, 1316). Erforderlich ist in diesen Fällen eine strenge Prüfung des berechtigten Interesses (OLG Düsseldorf FGPrax 2018, 56; OLG Oldenburg FGPrax 2014, 18; OLG Dresden Rpfleger 2010, 209/210; OLG Stuttgart FGPrax 2010, 324), weil das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Kaufvertragsparteien berührt ist, deren Beteiligung (Anhörung) im Einsichtsverfahren nicht stattfindet (BVerfG NJW 2001, 503; Hügel/Wilsch § 12 Rn. 25).

cc) Was die Fallgruppe der Mieter anbelangt, wird ganz überwiegend dem Grundsatz nach ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht zugestanden (OLG Düsseldorf FGPrax 2018, 56; BayObLG NJW 1993, 1142; LG Mannheim Rpfleger 1992, 245; Hügel/Wilsch § 12 Rn. 86; Demharter § 12 Rn. 9; a.A. Maaß in Bauer/Schaub GBO 4. Aufl. § 12 Rn. 44). So soll Mietinteressenten, die den Eintritt in die Mietverhandlungen darlegen können, ein Einsichtsrecht in das gesamte Grundbuch, insbesondere auch die dritte Abteilung, zustehen. Der Mietinteressent müsse feststellen können, ob der Vermieter mit dem Eigentümer identisch ist. Außerdem müsse er die Risiken einer vorzeitigen Beendigung des Mietvertrages bei der Zwangsversteigerung abschätzen können (BayObLG NJW 1993, 1142; Demharter § 12 Rn. 9). Nach Abschluss des Mietvertrages soll die Einsichtnahme nur noch beschränkt in das Bestandsverzeichnis und die erste Abteilung bestehen, damit der Mieter seiner Darlegungslast im Räumungsprozess, dem Vermieter stehe noch freier oder freiwerdender Wohnraum zur Verfügung (LG Mannheim NJW 1992, 2492), genügen könne.

b) Nach diesen Grundsätzen kann die Erteilung von Abschriften der Vertragsurkunden, aufgrund deren der jetzige Eigentümer an dem Grundstück Eigentum erlangt hat, nicht verlangt werden, da ein berechtigtes Interesse des Antragstellers nicht dargetan ist.

aa) Der wegen Eigenbedarfs gekündigte Antragsteller möchte im Räumungsprozess die Klage dadurch zu Fall bringen, dass er nachweist, der kündigende Vermieter sei mangels wirksamen Erwerbsvertrages nicht Eigentümer geworden. Da auf Veräußererseite eine Stiftung beteiligt war, könnte bei Vorliegen einer teilweisen Schenkung Nichtigkeit des schuldrechtlichen Vertrages gegeben sein. Zu beachten ist jedoch, dass eine eventuelle Nichtigkeit des schuldrechtlichen Vertrages nicht zwingend auf die Auflassung durchschlagen würde. Selbst wenn sich also aus der Höhe des Kaufpreises und den sonstigen Vertragsmodalitäten eine Nichtigkeit des schuldrechtlichen Vertrages ergeben würde, würde dies nicht ohne weiteres auch zur Nichtigkeit der Übereignung führen (Palandt BGB 77. Aufl. vor § 854 Rn. 13, vor § 104 Rn. 22 ff.). Gelänge dem Antragsteller mit Hilfe der Vertragsurkunde der Nachweis der Nichtigkeit auch des dinglichen Rechtsgeschäfts, so wäre die Räumungsklage gegebenenfalls wegen fehlender Aktivlegitimation abzuweisen. Ob die beabsichtigte Verschaffung derartiger Erkenntnisse ein berechtigtes Interesse i.S.d. § 12 GBO für eine Einsicht in die Grundakten begründen kann, erscheint jedoch fraglich. Denn das Einsichtsinteresse ist hier darauf gerichtet, die Eigentümerstellung des eingetragenen Eigentümers, für den die Vermutung des § 891 BGB spricht, überprüfen zu können. Ob hierfür die Grundbucheinsicht der richtige Weg ist, kann jedoch letztendlich dahinstehen. Denn Verdachtsmomente, die für eine Nichtigkeit des Erwerbsgeschäfts sprechen würden, sind nicht dargelegt. Dass eine Schenkung vorliegen könnte, für die, angesichts der Tatsache, dass die Veräußerung von der staatlichen Stiftungsaufsicht genehmigt wurde, nichts spricht, stellt eine bloße nicht einmal besonders wahrscheinliche Spekulation dar. Die Anhaltspunkte, die der Antragsteller hierfür vorbringt, sind in keinerlei Hinsicht stichhaltig. Weshalb der Umstand, dass es sich um einen Tauschvertrag handelt, Nichtigkeit begründen soll, ist nicht einmal ansatzweise dargetan. Ebenso wenig ist nachvollziehbar, weshalb die angebliche Äußerung des Eigentümers, aufgrund eines von ihm aufgefunden wertvollen Dokuments habe er das Grundstück kaufen können, ein Indiz für eine Schenkung sein sollte.

bb) Mit der Behauptung, dass der Vertrag Regelungen enthalte, die die spätere Ablösepflicht des Eigentümers gegenüber dem Antragsteller betreffen könnten, kann ein Einsichtsrecht keinesfalls begründet werden, da hier jeglicher Grundstücksbezug fehlt. Zudem wären irgendwelche Vereinbarungen zu Lasten des nicht am Vertragsschluss beteiligten Antragstellers diesem gegenüber nicht wirksam. Auch die durch nichts belegte Spekulation, der Eigentümer könne ein anderes Grundstück „eingetauscht“ haben, weshalb ein Grund vorläge, den Eigenbedarf zu bestreiten, ist unbehelflich.

3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst; denn die Kostenfolge ergibt sich aus dem Gesetz (§ 22 Abs. 1 GNotKG).

Den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens (vgl. § 61 Abs. 1, § 79 Abs. 1 GNotKG) bestimmt der Senat nach dem Wert der vom Antragsteller durch die Einsichtnahme erhofften Informationen für seine Verteidigung in der Räumungsklage. Mangels genügender Anhaltspunkte wird der Auffangwert des § 36 Abs. 3 GNotKG angesetzt.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.

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