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Grundbucheinsicht durch ehemaligen Lebensgefährten

OLG München – Az.: 34 Wx 239/18 – Beschluss vom 26.07.2018

I. Auf die Beschwerde des Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Landshut – Grundbuchamt – vom 18. Juni 2018 aufgehoben, soweit die Einsicht in das Bestandsverzeichnis und Abteilung I des Grundbuchs abgelehnt wurde. Insofern wird das Grundbuchamt angewiesen, die beantragte Einsicht zu gewähren.

II. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

III. Der Beteiligte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, soweit das Rechtsmittel erfolglos geblieben ist. Insoweit wird der Geschäftswert des Beschwerdegegenstands auf 5.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Beteiligte, von Beruf Meister im Heizungs- und Sanitärhandwerk, führte mit Frau R.M. eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Diese soll dem Beteiligten zu nicht näher genanntem Zeitpunkt erzählt haben, dass sie von ihrem Großvater ein Grundstück erhalten habe, das sie bebauen wolle.

Der Beteiligte erbrachte nach seinem Vortrag Leistungen für das zwischenzeitlich errichtete Haus. Nach Beendigung der Beziehung macht er nun Ansprüche für die erbrachten Arbeiten geltend.

Am 29.3.2018 beantragte seine Anwältin beim Grundbuchamt, ihm schriftliche Auskunft zu erteilen, ob es einen Überlassungsvertrag des Großvaters an die frühere Lebensgefährtin des Beteiligten überhaupt gebe, über den Zeitpunkt der schuldrechtlichen Vereinbarung sowie der Auflassung. Der Urkundsbeamte des Grundbuchamts teilte am 3.4.2018 mit, dass die Auskunft mangels rechtlichen Interesses für die Einsicht nicht erteilt werde. In einem weiteren Schreiben vom 2.5.2018 an das Landgericht, das zu den Grundakten gelangte, beantragte die Anwältin des Beteiligten zudem eine unbeglaubigte Kopie des notariellen Vertrags zu übersenden. Mit weiterem Anwaltsschreiben an den Direktor des Amtsgerichts vom 12.6.2018 wandte sich der Beteiligte gegen die Versagung der beantragten Informationen und beantragte nunmehr auch die Erteilung eines unbeglaubigten Grundbuchauszugs.

Dieses Schreiben hat das Grundbuchamt als Erinnerung ausgelegt und diese am 18.6.2018 zurückgewiesen, da aus dem Vortrag kein berechtigtes Interesse für eine Gewährung einer Grundbuch- und Grundakteneinsicht hergeleitet werden könne. Aus diesen Gründen sei auch der mit der Erinnerung beantragte Grundbuchauszug nicht zu erteilen.

Dagegen wendet sich der Beteiligte mit der Beschwerde vom 3.7.2018, in der die Anträge auf Übersendung einer unbeglaubigten Kopie des Grundbuchauszugs und des etwaigen Überlassungsvertrags weiterverfolgt werden. Vor dem Familiengericht werde eine Ausgleichsforderung geltend gemacht; nach der Rechtsprechung des BGH sei von Ausgleichsansprüchen u.a. wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage auszugehen.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

1. Gegen die im Erinnerungsverfahren ergangene ablehnende Entscheidung des Rechtspflegers (§ 3 Nr. 1 Buchst. h RPflG) über die beantragte Grundbucheinsicht ist die Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO i. V. m. § 12c Abs. 4 Satz 2 GBO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig erhoben (§ 73 GBO, § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG).

2. Die Beschwerde erweist sich jedoch nur als teilweise begründet.

a) Die Einsicht in das Grundbuch ist jedem gestattet, der ein berechtigtes Interesse darlegt (§ 12 Abs. 1 Satz 1 GBO). In diesem Rahmen umfasst das Einsichtsrecht auch die in Bezug genommenen Urkunden (§ 12 Abs. 1 Satz 2 GBO), ferner den übrigen Inhalt der Grundakten (§ 46 GBV), auch wenn dieser keinen unmittelbaren Bezug zur Grundbucheintragung hat (Demharter GBO 31. Aufl. § 12 Rn. 9, 17; Hügel/Wilsch GBO 3. Aufl. § 12 Rn. 5; Senat vom 9.2.2015, 34 Wx 43/15 = NJW 2015, 1891). Gemäß § 12 Abs. 2 GBO kann, soweit ein Einsichtsrecht besteht, auch die Übersendung von Abschriften gefordert werden.

aa) Ein berechtigtes Interesse i. S. v. § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO besteht nicht nur, wenn dieses rechtlicher Natur ist, namentlich dem Antragsteller am Grundstück (aktuell) ein Recht zusteht (vgl. Demharter § 12 Rn. 8; Hügel/Wilsch § 12 Rn. 4), sondern auch dann, wenn ein verständiges, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse des Antragstellers dargetan ist, das auch mit einem bloß tatsächlichen, insbesondere wirtschaftlichen Interesse begründet werden kann (OLG Düsseldorf FGPrax 2018, 56; OLG Oldenburg FGPrax 2014, 18; BayObLG NJW 19923, 1142; Senat vom 17.10.2016, 34 Wx 287/16 = MDR 2017, 30; Demharter § 12 Rn. 7; Hügel/Wilsch § 12 Rn. 2).

Der Regelungszweck der Norm bezieht sich dabei auf eine Einsicht wegen einer zu erwartenden Teilnahme am Rechtsverkehr im Zusammenhang mit im Grundbuch dokumentierten Rechtsverhältnissen (OLG Düsseldorf FGPrax 2018, 56; Senat vom 17.10.2016 = MDR 2017, 30; Schöner/Stöber Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 524; a.A. Griwotz MDR 2013, 433). Denn das Einsichtsrecht ist begrifflich mit dem materiellen Publizitätsgrundsatz des Grundbuchs verklammert (Böhringer Rpfleger 1987, 181/191); dies erfordert grundsätzlich – abgesehen von Sonderfällen wie dem des Einsichtsrechts der Presse (vgl. BVerfG NJW 2001, 503/504; BGH NJW-RR 2011, 1651) – ein hierauf bezogenes Interesse. Das gilt erst recht für die „erweiterte“ Einsicht in die Grundakten nach § 12 Abs. 3 Nr. 1 GBO, § 46 Abs. 1 GBV (OLG Düsseldorf FGPrax 2018, 56; OLG Oldenburg FGPrax 2014, 18; OLG Dresden FGPrax 2010, 66), die auf eine Kenntniserlangung der schuldrechtlichen Vereinbarungen, etwa der Höhe eines Kaufpreises oder von Modalitäten des Kaufvertrages, abzielt. Denn derartige Informationen gehören nicht zum eigentlichen Grundbuchinhalt, dessen Publizität § 12 Abs. 1 GBO sicherstellt (OLG Oldenburg FGPrax 2014, 18; OLG Dresden Rpfleger 2010, 209/210; OLG Stuttgart FGPrax 2010, 324; KG NJW-RR 2004, 1316; Meikel/Ebeling GBO 8. Aufl. § 46 GBV Rn. 2; Meikel/Böttcher GBO 11. Aufl. § 12 Rn. 1). Insofern ist das Interesse an der Grundbucheinsicht daher vom Grundbuchamt mit dem Recht des Betroffenen auf informationelle Selbstbestimmung abzuwägen (Meikel/Ebeling § 46 GBV Rn. 2; Meikel/Böttcher § 12 Rn. 3 f.).

bb) Werden Ansprüche gegen den Eigentümer eines Grundstücks behauptet, so ist Einsicht in das Grundbuch zu gewähren, wenn die geltend gemachten Ansprüche aus einem Recht des Einsichtnehmenden am Grundstück herzuleiten sind (etwa beim Berechtigten aus einer Dienstbarkeit, vgl. Hügel/Wilsch § 12 Rn. 45). Bei anderen Ansprüchen kann Einsicht zu gewähren sein, wenn diese durch ein Recht am Grundstück im Grundbuch abgesichert werden sollen (etwa bei Gläubigern, die eine Zwangsvollstreckung ins Grundstück beabsichtigen, vgl. OLG Zweibrücken NJW 1989, 531). Gleiches gilt, wenn Ansprüche mit einem Recht des Eigentümers am Grundstück in Zusammenhang stehen (etwa Einsicht des Mieters zur Frage, ob dem Vermieter noch weiterer freier oder freiwerdender Wohnraum zur Verfügung steht, LG Mannheim NJW 1992, 2492).

cc) Darlegung bedeutet einen nachvollziehbaren Vortrag von Tatsachen in der Weise, dass dem Grundbuchamt daraus die Überzeugung von der Berechtigung des geltend gemachten Interesses verschafft wird, also mehr als die bloße Behauptung von Tatsachen und mehr als einen pauschalen Vortrag (Demharter § 12 Rn. 13; Hügel/Wisch § 12 Rn. 7). Entscheidend ist in der Regel das Vorbringen sachlicher Gründe, die die Verfolgung unbefugter Zwecke oder bloßer Neugier ausgeschlossen erscheinen lassen (Senat vom 17.10.2016, 34 Wx 287/16 = MDR 2017, 30; OLG Oldenburg FGPrax 2014, 18; BayObLG NJW 1993, 1142; Demharter § 12 Rn. 7; Hügel/Wilsch § 12 Rn. 2).

dd) Das Grundbuchamt hat in jedem Einzelfall genau zu prüfen, ob durch die Einsichtnahme schutzwürdige Interessen der Eingetragenen oder ihrer Rechtsnachfolger verletzt werden können, und darf Unbefugten keinen Einblick in deren Rechts- und Vermögensverhältnisse gewähren (BayObLG Rpfleger 1999, 216/217; KG NJW-RR 2004, 1316/1317; Hügel/Wilsch § 12 Rn. 7).

Gerade wenn es um eine „erweiterte“ Einsicht in die Grundakten nach § 12 Abs. 3 Nr. 1 GBO, § 46 Abs. 1 GBV geht, ist eine strenge Prüfung des berechtigten Interesses erforderlich (OLG Düsseldorf FGPrax 2018, 56; OLG Oldenburg FGPrax 2014, 18; OLG Dresden Rpfleger 2010, 209/210; OLG Stuttgart FGPrax 2010, 324), weil das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Parteien des schuldrechtlichen Vertrags berührt ist, deren Beteiligung (Anhörung) im Einsichtsverfahren nicht stattfindet (vgl. BVerfG NJW 2001, 503/505; Hügel/ Wilsch § 12 Rn. 25).

Bei Abwägung der maßgeblichen Umstände wird ein Vorzug des Einsichtsrechts in die in den Grundakten befindlichen Urkunden dann in Betracht kommen, wenn daraus weitere relevante Informationen zu dem im Grundbuch für den Einsichtsnehmenden eingetragenen Recht zu erwarten sind. Soll dagegen ein Anspruch durch ein Recht am Grundstück abgesichert werden, ist nicht aus sich heraus ersichtlich, dass über die Information über den Grundbuchstand hinaus regelmäßig weitere Kenntnisse zum Inhalt der Rechte, die sich aus den in den Grundakten befindlichen Unterlagen ergeben, erforderlich sind. Folglich wird in diesen Fällen das Recht des Eigentümers auf informationelle Selbstbestimmung regelmäßig die Interessen des Einsichtsbegehrenden überwiegen. Gleiches gilt, wenn sich Ansprüche aus dem Eigentum des Schuldners am Grundstück ergeben. Da das Eigentum ein Vollrecht am Grundstück darstellt, ist aus der Überlassungs- und Auflassungsurkunde keine Erkenntnis über den Umfang des Rechts des Eigentümers zu erwarten. So wird dem Mieter ein berechtigtes Interesse an der Grundbucheinsicht regelmäßig nur durch Einsicht in das Grundbuch, nicht auch in die zugrundeliegenden Verträge zuzugestehen sein (Senat vom 24.7.2018, 34 Wx 68/18).

b) Gemessen daran steht dem Beteiligten nur ein Recht auf Einsicht in das Bestandsverzeichnis des von ihm genannten Grundstücks, an dem er nach seinem Vortrag Arbeiten erbracht hat, sowie in Abteilung I des Grundbuchs zu. Ein weitergehender Einsichtsanspruch besteht nicht.

aa) Der Beteiligte bezieht sich nämlich auf die Rechtsprechung des BGH, wonach nach Beendigung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wegen wesentlicher Beiträge eines Partners, mit denen ein Vermögenswert von erheblicher Bedeutung geschaffen wurde, dessen Alleineigentümer der andere Partner ist, Ansprüche in Betracht kommen (BGH NJW 2008, 3277).

Hier hat der Beteiligte dargelegt, beim Hausbau erhebliche Arbeitsleistungen erbracht zu haben, so dass es für ihn auf die Frage ankommt, ob die damalige Lebensgefährtin Alleineigentümerin des bebauten Grundstücks ist. Aus der Einsicht in das Bestandsverzeichnis des betroffenen Grundstücks und die Abteilung I ergibt sich für ihn, ob seine damalige Lebensgefährtin als Eigentümerin eingetragen ist und er somit die Leistung tatsächlich an sie erbracht hat, er mithin gegen sie Ansprüche herleiten kann.

bb) Für die Frage, ob ein Anspruch gegen die ehemalige Lebensgefährtin bestehen kann, ist hingegen irrelevant, ob Rechte am Grundstück in Abteilungen II und III des Grundbuchs eingetragen sind; denn selbst wenn Rechte am Grundstück eingetragen sein sollten, erwächst der Anspruch aus den erbrachten Leistungen und ist vom Bestand eingetragener Rechte unabhängig. Eine Einsicht in die weiteren Abteilungen des Grundbuchs ist daher abzulehnen.

cc) Zudem ist der Antrag auf die Erteilung von Abschriften der Vertragsurkunden abzuweisen. Es ist insofern kein berechtigtes Interesse dargelegt. Die mit der Einsicht begehrte Information ergibt sich nämlich schon allein aus der zu gewährenden Einsicht ins Grundbuchblatt. Es ist auch nicht sonst ersichtlich, dass sich aus dem Überlassungsvertrag für ihn relevante Informationen ergäben.

III.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG. Das Rechtsmittel hat zwar in geringem Umfang Erfolg. Das vorrangig verfolgte Ziel, Einsicht in den Überlassungsvertrag zu erhalten ist jedoch nicht erreicht. Dies rechtfertigt es, dem Beteiligten die Kosten des Verfahrens aus dem Wert des zurückgewiesenen Teils aufzuerlegen (Wortmann in Renner/Otto/Heinze GNotKG 2. Aufl. § 25 Rn. 6; Friedrich in Fackelmann/Heinemann GNotKG § 25 Rn. 2).

2. Soweit der Beteiligte mit dem Rechtsmittel erfolglos geblieben ist, bestimmt der Senat den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens (vgl. § 61 Abs. 1, § 79 Abs. 1 GNotKG) nach dem Wert der vom Antragsteller durch die Einsichtnahme erhofften Informationen für seine Klage. Mangels genügender Anhaltspunkte wird der Auffangwert des § 36 Abs. 3 GNotKG angesetzt.

3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.

 

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