Das Oberlandesgericht Bamberg hat entschieden, dass ein Unternehmen, das Solarkraftwerke errichten will, kein berechtigtes Interesse darlegt, um die Namen und Anschriften der Grundstückseigentümer aus dem Grundbuch zu erhalten. Die reine Absicht, Solarkraftwerke zu bauen, reicht nicht aus, um einen Eingriff in das Grundrecht des Eigentümers auf informationelle Selbstbestimmung zu rechtfertigen. Der Schutz der informationellen Selbstbestimmung der Grundstückseigentümer hat höchste Priorität.
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Übersicht
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- Grundbucheinsicht für Solarkraftwerke: Berechtigtes Interesse nicht immer gegeben
- Der Fall vor dem Oberlandesgericht Bamberg im Detail
- ✔ FAQ zum Thema: Grundbucheinsicht für Solarkraftwerke
- Was versteht man unter einem berechtigten Interesse im Kontext der Grundbucheinsicht?
- Wie wirkt sich die Grundbuchordnung auf den Datenschutz von Grundstückseigentümern aus?
- Welche Rolle spielen das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das Baugesetzbuch (BauGB) bei der Grundbucheinsicht?
- Wie wird das öffentliche Interesse bei Entscheidungen über die Grundbucheinsicht berücksichtigt?
- Welche alternativen Wege gibt es, um an Informationen über Grundstückseigentümer zu kommen, ohne das Grundbuch einzusehen?
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ➜ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Bamberg
✔ Das Wichtigste in Kürze
- Die Beschwerde des Unternehmens zur Erlangung von Grundbucheinsicht zum Zwecke der Kontaktaufnahme mit Grundstückseigentümern für den Bau von Solarkraftwerken wurde abgelehnt.
- Ein berechtigtes Interesse nach § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO für die Grundbucheinsicht liegt nicht vor, da keine wirtschaftliche Verbindung zu den Eigentümern besteht.
- Die Privilegierung erneuerbarer Energien nach § 2 Satz 2 EEG 2023 rechtfertigt keine Ausweitung der Grundbucheinsicht.
- Das Informationsinteresse des Unternehmens überwiegt nicht das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Grundstückseigentümer.
- Eine Einsichtnahme in das Liegenschaftskataster wurde vom BayVGH separat beurteilt und ist nicht auf die Grundbucheinsicht übertragbar.
- Eine Ausforschung von Eigentumsverhältnissen allein zur Kontaktaufnahme ist nicht der Zweck des Grundbuchs.
- Alternative Möglichkeiten zur Anschriftenermittlung unter geringerer Persönlichkeitsrechtsverletzung sind zu berücksichtigen.
- Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, weshalb die Rechtsbeschwerde zugelassen wurde.
Grundbucheinsicht für Solarkraftwerke: Berechtigtes Interesse nicht immer gegeben
Der Besitz und die Verwaltung von Grundstücken sind in Deutschland durch ein komplexes rechtliches System geregelt. Das Grundbuch spielt hierbei eine zentrale Rolle, da es den offiziellen Nachweis über Eigentum und andere dingliche Rechte an Grundstücken darstellt. Allerdings ist der Zugriff auf die Informationen im Grundbuch nicht für jedermann frei zugänglich, sondern unterliegt bestimmten Voraussetzungen.
Eine Vielzahl von Unternehmen, insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien, hat ein gesteigertes Interesse daran, Zugang zu den Eigentümerdaten von Grundstücken zu erhalten. Dies kann etwa im Rahmen von Projekten zum Bau von Solarkraftwerken relevant sein. Ob und unter welchen Umständen ein solches Informationsinteresse rechtlich als „berechtigt“ eingestuft wird, ist jedoch nicht immer einfach zu beantworten. Die Gerichte haben hierzu in der Vergangenheit unterschiedliche Entscheidungen getroffen.
Im Folgenden wird ein aktuelles Gerichtsurteil näher beleuchtet, das sich mit der Frage der Berechtigung zur Grundbucheinsicht im Kontext des Baus von Solarkraftwerken auseinandersetzt.
Der Fall vor dem Oberlandesgericht Bamberg im Detail
Sachverhalt im Fall der Grundbucheinsicht für Solarkraftwerksbau
Im vorliegenden Fall des Oberlandesgerichts Bamberg (Az.: 10 Wx 17/23) ging es um eine Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts Wunsiedel, die einem Unternehmen, das Photovoltaik-Anlagen errichten wollte, die Einsicht in das Grundbuch verweigerte. Das Unternehmen begehrte speziell die Einsicht in das Bestandsverzeichnis, um die Namen und Anschriften der Grundstückseigentümer herauszufinden. Diese Informationen waren für die Antragstellerin entscheidend, um Kontakt mit den Eigentümern potentiell geeigneter Grundstücke für den Bau von Solarkraftwerken aufzunehmen. Das Amtsgericht lehnte dies ab, da es die Absicht der Antragstellerin lediglich als Ausforschung von Eigentumsverhältnissen ansah, was nicht ausreichend sei, um ein berechtigtes Interesse im Sinne des Grundbuchordnung zu begründen.
Kern der gerichtlichen Entscheidung
Das Oberlandesgericht Bamberg bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts und wies die Beschwerde der Antragstellerin zurück. In seiner Begründung stellte das Gericht klar, dass das berechtigte Interesse nach § 12 Abs. 1 Satz 1 der Grundbuchordnung (GBO) nicht jedes beliebige Interesse umfasst. Es muss ein verständiges und durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse darlegen, das schwer genug wiegt, um einen Eingriff in das Grundrecht des Eigentümers auf informationelle Selbstbestimmung zu rechtfertigen. Die reine Absicht, Solarkraftwerke zu bauen, reicht hierfür nicht aus, da es sich lediglich um die Sammlung von Informationen handelt, ohne dass ein konkretes rechtliches oder wirtschaftliches Verhältnis zum Grundstückseigentümer besteht.
Rechtliche Erwägungen und Abwägungen des Gerichts
Das Gericht erörterte zudem, dass die Privilegierungen bestimmter Einsichtsrechte in das Grundbuch nicht einfach auf Fälle wie den vorliegenden übertragbar sind. Auch die Berufung auf das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das Baugesetzbuch (BauGB), die die Förderung von Projekten mit erneuerbaren Energien unterstützen, führen nicht zur Anerkennung eines berechtigten Interesses im Sinne der GBO. Weiterhin betonte das Gericht, dass der Schutz der informationellen Selbstbestimmung der Grundstückseigentümer eine hohe Priorität hat und die Gewährung der Grundbucheinsicht eine erhebliche Beeinträchtigung darstellen kann.
Konsequenzen und weiteres Vorgehen
Durch die Zurückweisung der Beschwerde bleibt die Entscheidung des Amtsgerichts bestehen, die Antragstellerin erhält keine Einsicht in das Grundbuch. Das Gericht setzte den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren auf 5.000 Euro fest und ließ die Rechtsbeschwerde zu, was der Antragstellerin ermöglicht, das Urteil auf höherer Ebene anzufechten. Dies zeigt auf, dass das Thema der Grundbucheinsicht in bestimmten wirtschaftlichen Kontexten weiterhin rechtlich umstritten ist und möglicherweise noch höchstrichterliche Klärung erfahren wird.
✔ FAQ zum Thema: Grundbucheinsicht für Solarkraftwerke
Was versteht man unter einem berechtigten Interesse im Kontext der Grundbucheinsicht?
Ein berechtigtes Interesse im Kontext der Grundbucheinsicht bedeutet, dass eine Person oder ein Unternehmen ein sachlich gerechtfertigtes und verständiges Interesse an der Einsichtnahme in das Grundbuch darlegen muss. Es reicht nicht aus, lediglich aus Neugier oder zu unbefugten Zwecken Einsicht nehmen zu wollen.
Das berechtigte Interesse ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, der im Einzelfall vom Grundbuchamt geprüft wird. Die Darlegung muss Gründe enthalten, die belegen, dass keine missbräuchliche Einsichtnahme beabsichtigt ist. Ein berechtigtes Interesse haben in der Regel:
- Der Grundstückseigentümer selbst und alle im Grundbuch eingetragenen Rechteinhaber wie Hypothekengläubiger.
- Potenzielle Käufer oder Mieter, wenn bereits konkrete Vertragsverhandlungen laufen. Bloßes Kaufinteresse ohne Verhandlungen reicht nicht aus.
- Gläubiger des Eigentümers mit Vollstreckungstitel zur Zwangsversteigerung.
- Angrenzende Grundstückseigentümer mit Interesse an den Eigentumsverhältnissen der Nachbargrundstücke.
- Erben und Pflichtteilsberechtigte nach dem Erbfall, nicht jedoch schon zu Lebzeiten des Erblassers.
Die Einsichtnahme dient dem Zweck der Rechtssicherheit und Transparenz im Immobilienverkehr. Das Grundbuchamt muss das berechtigte Interesse des Antragstellers gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Eigentümers abwägen.
Wie wirkt sich die Grundbuchordnung auf den Datenschutz von Grundstückseigentümern aus?
Die Grundbuchordnung (GBO) enthält wichtige Bestimmungen zum Datenschutz von Grundstückseigentümern im Zusammenhang mit der Grundbucheinsicht:
Das Grundbuch ist kein öffentliches Register, sondern die Einsicht ist nur bei berechtigtem Interesse möglich (§ 12 GBO). Ein berechtigtes Interesse muss konkret dargelegt werden, z.B. als potenzieller Käufer, Gläubiger mit Vollstreckungstitel oder Nachbar. Bloße Neugier reicht nicht aus, um Einsicht zu erhalten. Dies schützt die Privatsphäre der Eigentümer.
Die Einsicht kann auf bestimmte Abteilungen des Grundbuchs beschränkt werden, soweit das Interesse des Antragstellers reicht. So werden nicht mehr Daten offengelegt als nötig.
Grundbuchämter müssen Aufzeichnungen führen, wer wann Einsicht genommen hat. Dies dient der Kontrolle und Aufdeckung von Missbrauch.
Für den elektronischen Zugriff auf Grundbuchdaten gelten spezielle Sicherheitsanforderungen wie Zugangskontrolle, Verschlüsselung und Kennwortschutz. Unberechtigte sollen keine Daten erhalten.
Das Bundesministerium der Justiz kann per Verordnung weitere Datenschutzmaßnahmen erlassen, z.B. zur Bekanntgabe von Änderungen an Betroffene.
Insgesamt sieht die GBO also einen abgestuften Datenschutz vor, der die informationelle Selbstbestimmung der Grundstückseigentümer schützen und unberechtigte Zugriffe verhindern soll. Das berechtigte Interesse ist die zentrale Hürde für die Einsichtnahme.
Welche Rolle spielen das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das Baugesetzbuch (BauGB) bei der Grundbucheinsicht?
Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) und das Baugesetzbuch (BauGB) spielen eine indirekte Rolle bei der Grundbucheinsicht:
Das EEG regelt die Förderung von Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien. Unternehmen, die solche Anlagen errichten oder betreiben wollen, haben oft ein berechtigtes Interesse an der Einsicht in das Grundbuch, um Eigentumsverhältnisse potenzieller Standorte zu klären.
Das Baugesetzbuch enthält hingegen keine direkten Regelungen zur Grundbucheinsicht. Es ist jedoch relevant, da es Vorgaben für die Bauleitplanung und Zulässigkeit von Bauvorhaben wie Windkraft- oder Solaranlagen macht. Deren Errichtung kann ein Grund für ein berechtigtes Einsichtsinteresse sein.
Speziell § 22 BauGB ermöglicht es Gemeinden, in Fremdenverkehrsgebieten die Grundbucheinsicht für bestimmte Rechtsgeschäfte genehmigungspflichtig zu machen, um die Zweckbestimmung zu sichern. Dies könnte theoretisch Auswirkungen auf Erneuerbare-Energien-Projekte in solchen Gebieten haben.
§ 19 BauGB regelt die Teilung von Grundstücken im Geltungsbereich von Bebauungsplänen, was für die Aufteilung von Flächen für Energieanlagen relevant sein kann.
Insgesamt haben EEG und BauGB keinen direkten Einfluss auf die Grundbucheinsicht, können aber mittelbar die Voraussetzungen für ein berechtigtes Interesse bei Unternehmen der Erneuerbaren-Energien-Branche schaffen.
Wie wird das öffentliche Interesse bei Entscheidungen über die Grundbucheinsicht berücksichtigt?
Das öffentliche Interesse wird bei Entscheidungen über die Grundbucheinsicht wie folgt berücksichtigt:
Ein berechtigtes öffentliches Interesse kann die Grundbucheinsicht rechtfertigen, muss aber gegen das Persönlichkeitsrecht der Eigentümer abgewogen werden.
- Die Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG allein reicht nicht aus, um der Presse stets ein Einsichtsrecht zu gewähren. Es bedarf einer Abwägung mit den Grundrechten der Eigentümer.
- Liegt eine Frage vor, die die Öffentlichkeit wesentlich angeht, und dient die Recherche einer ernsthaften öffentlichen Auseinandersetzung, kann das öffentliche Interesse überwiegen. Beispiel: Einsicht in Grundbuch des Bundespräsidenten wegen dessen herausgehobener Stellung.
- Bei Mitgliedern von Volksvertretungen wie Bundestag oder Landtagen kann die parlamentarische Kontrollfunktion ein öffentliches Interesse begründen. Dies setzt aber voraus, dass die Einsicht der Aufklärung von Missständen oder Fehlverhalten in der Exekutive dient, nicht nur allgemeinen Informationszwecken.
- Behörden und Gerichte sind zur Einsicht ohne Darlegung eines Interesses befugt (§ 43 Abs. 1 GBV).
Insgesamt muss stets eine Abwägung zwischen öffentlichem Interesse und Persönlichkeitsrecht im Einzelfall erfolgen. Ein pauschales Überwiegen des öffentlichen Interesses ist nicht gegeben. Das Grundbuchamt hat hier einen Ermessensspielraum.
Welche alternativen Wege gibt es, um an Informationen über Grundstückseigentümer zu kommen, ohne das Grundbuch einzusehen?
Es gibt einige alternative Wege, um an Informationen über Grundstückseigentümer zu gelangen, ohne das Grundbuch direkt einzusehen:
- Liegenschaftskataster: Das Liegenschaftskataster enthält Daten zu Lage, Größe, Nutzungsart und Grenzen von Grundstücken. Hier sind jedoch aus Datenschutzgründen keine Eigentümerinformationen enthalten.
- Öffentlich zugängliche Quellen: Manchmal lassen sich Eigentümerinformationen aus öffentlich zugänglichen Quellen wie Grundsteuerbescheiden, Baugenehmigungen oder Vereinsregistern ableiten, sofern die Eigentümer dort genannt werden.
- Befragung von Nachbarn/Mietern: Eine direkte Befragung von Nachbarn oder Mietern des Grundstücks kann möglicherweise Hinweise auf den Eigentümer geben, ist aber nicht garantiert erfolgreich.
- Einschaltung von Detektiven: Professionelle Detekteien haben oft bessere Möglichkeiten, Eigentümerinformationen legal zu beschaffen, z.B. über Melderegisterauskünfte. Dies ist jedoch mit Kosten verbunden.
- Kontaktaufnahme mit Behörden: In manchen Fällen können Baubehörden, Finanzämter oder Katasterämter auf Anfrage zumindest bestätigen, ob eine bestimmte Person Eigentümer ist, wenn ein berechtigtes Interesse vorliegt.
Wichtig ist, dass alle Methoden die Persönlichkeitsrechte und den Datenschutz der Eigentümer wahren. Eine unberechtigte Beschaffung von Eigentümerinformationen kann rechtliche Konsequenzen haben.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO (Grundbuchordnung): Dieser Paragraph regelt, unter welchen Bedingungen eine Person Einsicht in das Grundbuch nehmen darf. Im konkreten Fall wurde argumentiert, dass das Unternehmen kein berechtigtes Interesse im Sinne dieses Paragraphen nachweisen konnte, da das bloße Interesse an der Errichtung von Photovoltaik-Anlagen nicht ausreicht, um Einsicht in die Namen und Anschriften der Grundstückseigentümer zu erhalten.
- Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG (Grundgesetz): Der Artikel thematisiert die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film. Er wurde im Kontext der Grundbucheinsicht erwähnt, um zu verdeutlichen, dass auch in Fällen von öffentlichem Interesse, wie etwa der Presseberichterstattung, Ausnahmen für ein berechtigtes Interesse bestehen können. Allerdings waren diese Ausnahmen im vorliegenden Fall nicht anwendbar, da es primär um wirtschaftliche Interessen ging.
- § 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB (Baugesetzbuch): Dieser Paragraph wird im Kontext der Errichtung von Anlagen zur Nutzung erneuerbarer Energien im bauplanungsrechtlichen Außenbereich diskutiert. Er war relevant, da das Unternehmen argumentierte, dass dieses Gesetz ihre Position stärkt. Das Gericht sah jedoch keinen direkten Einfluss auf das berechtigte Interesse zur Grundbucheinsicht.
- § 2 EEG 2023 (Erneuerbare-Energien-Gesetz): Spezifisch in diesem Gesetz verankerte Privilegierungen für den Bau von Anlagen zur Energiegewinnung aus erneuerbaren Energien wurden von der Antragstellerin als Argument für die Grundbucheinsicht herangezogen. Das Gericht lehnte diese Argumentation ab, da die Vorschriften des EEG nicht unmittelbar ein berechtigtes Interesse zur Grundbucheinsicht nach § 12 GBO schaffen.
- BVerfG und BGH Entscheidungen zur Grundbucheinsicht: Verschiedene Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs wurden zitiert, um den Rahmen und die Einschränkungen für das berechtigte Interesse an der Grundbucheinsicht zu verdeutlichen. Diese Entscheidungen betonen, dass die Einsichtnahme verhältnismäßig sein muss und ein substantielles, durch die Sachlage gerechtfertigtes Interesse erfordert.
➜ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Bamberg
OLG Bamberg – Az.: 10 Wx 17/23 – Beschluss vom 09.01.2024
1. Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Wunsiedel vom 12.09.2023, bezüglich Grundbucheinsicht, wird zurückgewiesen.
2. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe:
I.
Die Antragstellerin ist nach ihrer Darstellung ein mit der Errichtung von Photovoltaik-Anlagen befasstes Unternehmen.
Zum Zwecke der Kontaktaufnahme mit den Eigentümern von nach ihrer Einschätzung potentiell geeigneten Grundstücken, die der (gewinnbringenden) Errichtung von Photovoltaik-Anlagen dienen könnten, begehrt die Antragstellerin eine beschränkte Einsicht in das Grundbuch, namentlich in das Bestandsverzeichnis, zwecks Erlangung der Namen und Anschriften der jeweiligen Grundstückseigentümer.
Mit Beschluss vom 12.09.2023 hat das Amtsgericht Wunsiedel – Grundbuchamt – die Erinnerung gegen die vorangegangene Ablehnung der Grundbucheinsicht zurückgewiesen.
Zur Begründung führt das Erstgericht aus, dass die Antragstellerin kein berechtigtes Interesse dargelegt habe.
Die bloße Absicht einer etwaigen Errichtung von Photovoltaikanlagen auf Grundstücken genüge nicht, um die Namen und Anschriften der Eigentümer von geeignet erscheinenden Grundstücken zu erfahren. Der Sache nach handle es sich um bloße Ausforschung von Eigentumsverhältnissen. Zu berücksichtigen sei unter anderem, dass die Errichtung von Photovoltaik-Anlagen nicht nur durch die Antragstellerin, sondern durch eine Vielzahl von am Markt befindlichen Unternehmen betrieben werde und spätestens seit der Etablierung von „Balkonkraftwerken“ kaum noch ungeeignete Grundstücke zu finden sein dürften. Eine Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs über eine berechtigte Einsichtnahme in das Liegenschaftskataster sei auf die Einsichtnahme in das Grundbuch nicht übertragbar.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, welcher das Erstgericht mit Beschluss vom 26.10.2023 nicht abgeholfen hat.
Sowohl in der Beschwerdeschrift wie auch in der nachfolgend vom Beschwerdegericht eröffneten weiteren Begründung ihrer Beschwerde trägt die Antragstellerin vor, dass sich insbesondere aus § 2 S. 2 EEG 2023 eine Privilegierung des (beabsichtigten) Baus von Anlagen zur Energiegewinnung aus erneuerbaren Energien ergäbe und dies bei der Schutzgüterabwägung, insoweit auch bei der Abwägung berechtigter Datenschutzinteressen der Eigentümer, zu berücksichtigen sei. Um mit den Eigentümern potentiell geeignet erscheinender Grundstücke in Kontakt treten zu können, sei aber die Kenntnis deren Namen und deren Anschrift unverzichtbar, da umgekehrt nur sehr zögerlich eine Kontaktaufnahme von interessierten Grundstückseigentümern erfolge. Es gebe auch keine Vorrangigkeit einer Einsichtnahme in das Liegenschaftsverzeichnis. Vielmehr sei die dortige Einsicht mit derjenigen in das Grundbuch, jedenfalls im Falle der Beschränkung auf die Namen und Anschriften der Grundstückseigentümer vergleichbar.
Entsprechend der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs genüge somit der plausible Nachweis von bereits angestellten Eignungsuntersuchungen, sogenannte Potentialanalyse, für diejenigen Grundstücke, über deren Eigentümer die beschränkte Grundbucheinsicht begehrt werde. Zu berücksichtigen sei auch, dass sowohl nach § 35 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. b BauGB wie auch nach § 2 Satz 1 EEG die Errichtung von PV-Anlagen im (besonderen) öffentlichen Interesse lägen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Die Antragstellerin kann kein hinreichend berechtigtes Interesse i. S. d. § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO darlegen. Dies wäre aber für die Gewährung auch nur der beschränkten Grundbucheinsicht erforderlich.
1. Als berechtigtes Interesse i. S. d. § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO kann nicht jedes beliebige Interesse an einer Grundbucheinsicht – gleich welchen Umfang – angesehen werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.08.2000 – 1 BvR 1307/91 -; BGH, Beschluss vom 09.01.2020 – V ZB 98/19 -). Insoweit unterscheidet sich die Einsichtnahme in das Handelsregister von derjenigen in das Grundbuch (vgl. BGH, Beschluss vom 07.03.2019 – V ZB 53/18 -).
a) Die Einsichtnahme muss für das Informationsanliegen des Antragstellers geeignet und erforderlich und dieses muss von einem solchen Gewicht sein, dass der mit der Gewährung der Einsicht verbundene Eingriff in das Grundrecht des Eigentümers auf informationelle Selbstbestimmung verhältnismäßig erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.08.2000 – 1 BvR 1307/91 -). Die Bestimmung des § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO als solche ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfG, Beschluss vom 15.06.1983 – 1 BvR 1025/79 -).
b) Ausreichend für die Annahme des berechtigten Interesses ist die Darlegung eines verständigen, durch die Sachlage gerechtfertigten Interesses, das sich im Unterschied zum rechtlichen Interesse nicht auf ein bereits vorhandenes Recht oder konkretes Rechtsverhältnis stützen muss, sondern auch in einem bloß tatsächlichen, etwa einem wirtschaftlichen Interesse bestehen kann (vgl. BGH, Beschluss vom 09.01.2020 – V ZB 98/19 -; BayObLG, Beschluss vom 03.12.1998 – 2Z BR 174/98 -).
Seine Darlegung und die Nachprüfung durch das Grundbuchamt dient den schützenswerten Interessen des Eigentümers, eine allgemeine Einsicht in das Grundbuch und die Grundakten zu verhindern, zumal der von der Einsichtnahme betroffene Grundstückseigentümer weder zuvor angehört wird noch ihm nachgehend ein Beschwerderecht gegen die Einsichtsgewährung zusteht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 25.03.1998 – 2Z BR 171/97 -, NJW-RR 1989, 1241, II.2.b.).
c) Anerkannt ist, dass neben einer bereits durch nachweisbar erfolgte Kontaktaufnahme mit dem Grundstückseigentümer konkretisierten Kaufabsicht auch ein rein wirtschaftliches Interesse für eine Einsicht genügen kann (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 03.09.2018 – 20 W 171/18 -; Demharter, GBO, 33. Aufl. 2023, Rn. 9, m. w. N.).
Dies wiederum setzt allerdings eine bereits bestehende „Verbindung“ zwischen dem Einsichtsnehmenden und dem Grundstückseigentümer voraus. Zur Vermeidung der bloßen Befriedigung von bloßer Neugierde oder reiner Informationsbeschaffung ist eine bereits bestehende wirtschaftliche Verbindung zu dem jeweiligen Grundstückseigentümer erforderlich (vgl. Grziwotz, MDR 2013, 433 ; Demharter, GBO, 33. Aufl. 2023, § 12 Rn. 11).
So kann ein Bauhandwerker – erst – Einsicht in das Grundbuch verschaffen, wenn er nachweisbar für einen bereits bestehenden Bauvertrag die Möglichkeit der Eintragung einer Sicherungshypothek (§ 650e BGB) prüfen will (vgl. OLG München, Beschluss vom 09.02.2015 – 34 Wx 43/15 -). Insoweit gilt nichts anderes als für Gläubiger, der sich zum Zwecke der Vorbereitung der Zwangsvollstreckung in den Grundbesitz des Schuldners Einsicht in das Grundbuch verschaffen möchte (vgl. KG, Beschluss vom 21.01.2016 – 1 W 6/16 -).
Dem Kaufinteressenten eines Grundstücks fehlt dementsprechend für die Grundbucheinsicht mit dem Ziel, erstmalig den Namen und die Anschrift des Eigentümers zu erlangen, das berechtigte Interesse (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 20.04.2021 – 12 Wx 76/20 -; OLG Oldenburg, Beschluss vom 16.01.2019 – 12 W 151/18 -; OLG Naumburg, Beschluss vom 14.09.2015 – 12 Wx 41/15 -; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 01.06.2015 – 11 Wx 97/14 -; Maaß, in: Bauer/Schaub, GBO, 5. Aufl. 2023, § 12 Rn. 10, 40, jew. m. w. N.).
Nur bei herrenlosen Grundstücken ist ein allgemeines Einsichtsrecht befürwortbar, wohingegen bloßen Kaufinteressenten oder auch Grundstücksnachbarn, die mittels der Einsicht erst den Namen (und die Anschrift) des Grundstücksinhabers erfahren wollen, noch kein berechtigtes Interesse darlegen können (vgl. OLG München, Beschluss vom 08.06.2016 – 34 Wx 168/16 -; OLG Naumburg, Beschluss vom 14.09.2015 – 12 Wx 41/15 -, m. zust. Anm. Kreuzer, NZM 2016, 288; OLG Oldenburg, Beschluss vom 30.09.2013 – 12 W 261/13 -; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 524a).
2. Nach diesen Maßstäben kann die Antragstellerin kein berechtigtes Interesse darlegen.
a) Sie konzediert selbst, dass sie erst durch die vorzunehmende Einsicht in eine Vielzahl von Grundbuchblättern, wenn auch beschränkt auf das Bestandsverzeichnis und die dortigen Namen und Anschriften der gegenwärtigen Eigentümer, in der Lage wäre, mit diesen in Kontakt zu treten. Dies wäre ihr nach eigener Darlegung ebenso gut auch über die Einsicht in das Liegenschaftsverzeichnis möglich. Das vom BayVGH hierfür bereits bejahte ausreichende Interesse kann, entgegen der Annahme der Antragstellerin, aber nicht „im Rückschluss“ auf die Grundbucheinsicht übertragen werden.
Im Falle der begehrten Grundbucheinsicht fehlt die nach eigenem Vorbringen fehlende Kenntnis über die Person des Grundstückseigentümers. Der Fall liegt nicht anders als derjenige, in denen der Interessent am Erwerb eines ihm nur nach dessen Lage und allenfalls noch Größe bekannten Grundstücks über die Grundbucheinsicht den aktuellen Eigentümer zu erfahren versucht. Für eine solche Ausforschung von Eigentumsverhältnissen ist weder das Grundbuch selbst noch die Einsicht in dieses geschaffen.
Auch entbehrt eine solche Ausforschung von personenbezogenen Daten mit dem primären Ziel einer initialen Kontaktaufnahme gegenüber Eigentümern von Grundstücken der notwendigen vorherigen wirtschaftlichen oder anderweitigen Verbindung mit diesen.
b) Es ist auch nicht erkennbar, dass die bislang existierenden Privilegierungen einzelner Einsichtsberechtigter (§§ 43, 86a GBV) durch § 2 Satz 2 EEG 2023 erweitert oder gar auf Unternehmen, zu deren Geschäftsmodell die Errichtung von Anlagen für die Gewinnung von Elektrizität aus erneuerbaren Energien gehört, erstreckt werden soll. Ebenso wenig kann die grundsätzliche Gestattung der Errichtung von PV-Anlagen im bauplanungsrechtlichen Außenbereich (§ 35 Abs. 1 Nr. 8 BauGB) insoweit eine Berücksichtigung finden.
d) Ausweislich der Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 2 Satz 2 EEG 2023 soll der dort niedergelegte „vorrangige Belang“, der „in die jeweils durchzuführenden Schutzgüterabwägungen eingebracht werden soll“, zwar „im Rahmen von Abwägungsentscheidungen u. a. gegenüber seismologischen Stationen, Radaranlagen, Wasserschutzgebieten, dem Landschaftsbild, Denkmalschutz oder im Forst-, Immissionsschutz-, Naturschutz-, Bau- oder Straßenrecht“ (BT-Drs. 20/1630, S. 159) berücksichtigt werden. Dabei handelt es sich, erkennbar ausnahmslos, allerdings jeweils um Abwägungsentscheidungen im öffentlichen Verwaltungs- und Planungsrecht. Diese ist mit der Abwägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung als Bestandteil der allgemeinen Handlungsfreiheit des im Grundbuch Eingetragenen gegenüber dem erforderlichen Vorliegen eines hinreichend berechtigenden Interesses für das Einsichtsrecht in das Grundbuch (§ 12 Abs. 1 Satz 1 GBO) nicht ohne Weiteres vergleichbar.
c) Weiterhin wäre, vergleichbar der Abwägung widerstreitender Interessen bei der Grundbucheinsicht, namentlich, soweit das berechtigte Interesse auf die Pressefreiheit gestützt wird (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 28.08.2000 – 1 BvR 1307/91 -), auch dann noch zu berücksichtigen, dass es anderweitige Möglichkeiten gibt, die gewünschten Anschriften der Grundstückseigentümer unter geringerer Beeinträchtigung deren Persönlichkeitsschutzes zu erlangen (vgl. hierzu BVerfG, Beschluss vom 28.08.2000 – 1 BvR 1307/91 -).
d) Entgegen der Rechtsansicht der Antragstellerin hat der BayVGH nicht präjudiziell über den Begriff des berechtigten Interesses i. S. d. § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO entschieden, sondern sich expressis verbis gerade von einer als uneinheitlich angeführten Praxis dessen Auslegung durch die Grundbuchämter distanziert und – allein – die für ihn als Fachgericht maßgebliche Bestimmung des Art. 11 Abs. 1 Satz 3 Hs. 1 VermKatG ausgelegt (vgl. BayVGH, Urt. v. 09.03.2023 – 13a B 22.1688 -).
e) Schließlich genügt, entgegen der perpetuierten Auffassung der Antragstellerin, für ein berechtigtes Interesse i. S. d. § 12 Abs. 1 Satz 1 GBO nicht eine schlichte „Auseinandersetzung“ mit den von der Grundbucheinsicht betroffenen Grundstücken (so aber Schriftsatz v. 20.11.2023, S. 4). Notwendig ist, wie die Judikatur zu notwendigen Kaufverhandlungen als Voraussetzungen für ein berechtigtes Interesse zur – weitergehenden – Grundbucheinsicht belegt, dass bereits eine Kenntnis der Person des Eigentümers des Grundstücks vorhanden. Die verfassungsrechtlich anerkannten Ausnahmen aufgrund eines besonderen Informationsbedürfnisses, etwa im Falle der Presseberichterstattung (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG), liegen nicht vor.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 25 Abs. 1 GNotKG; e contrario zu Nr. 14510 und Nr. 14511 KV-GNotKG; vgl. Kramer, in: Hügel, BeckOK-GBO, 45. Edition, § 77 Rn. 42 ).
Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens sind nach den gesetzlichen Bestimmungen zu tragen (§ 1 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 19, § 22 Abs. 1 GNotKG) und eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht in Betracht kommt (§ 30 Satz 1 EGGVG; vgl. BayObLG, Beschluss vom 01.12.2021 – 102 VA 116/21 -, Rn. 37).
Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 36 Abs. 1, 3 GNotKG.
Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GBO).
Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache zu, wenn sie eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. BGH, Beschluss vom 30.10.2023 – VIa ZR 406/22 -; BGH, Beschluss vom 27.03.2003 – V ZR 291/02 -).
Diese Voraussetzungen liegen vor, da eine unbestimmte Vielzahl von Fällen in Betracht kommt, in denen gleich- und ähnlich gelagerte Grundbucheinsichtsersuchen gestellt werden, die durch die Beantwortung einer ebenso klärungsbedürftigen wie klärungsfähigen Rechtsfrage abschließend entschieden werden könnten.