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Grundbuchberichtigungszwangsverfahren – Anforderungen an Zwangsgeldfestsetzung

OLG Düsseldorf – Az.: 3 Wx 185/17 – Beschluss vom 15.12.2017

Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.

Gründe

I.

Der Beteiligte und seine am 13. Februar 2015 verstorbene Ehefrau sind als Eigentümer zu je 1/2-Anteil des im hiesigen Beschlusseingang bezeichneten Grundbesitzes eingetragen. Nach dem Tode der Ehefrau sind zwei privatschriftliche gemeinschaftliche Testamente eröffnet worden. In dem ersten vom 17. August 2003 setzten sich die Eheleute gegenseitig zu alleinigen Erben ein. In dem als „Erweiterung“ bezeichneten zweiten vom 1. April 2014 hieß es unter anderem:

„Wird unser Haus verkauft ist wie folgt zu verfahren: Die Hälfte soll unsere Tochter …. erhalten. Die andere Hälfte ist wie folgt aufzuteilen: Die Hälfte soll unsere Enkeltochter …. erhalten. Die andere Hälfte wird aufgeteilt auf unsere Enkelkinder …. und …..“

Nach Bekanntwerden des Erbfalls schrieb das Grundbuchamt den Beteiligten mit formlosen Schreiben unter dem 6. August 2015, 9. Oktober 2015 und 23. Januar 2017 an. Dieser reagierte, indem er zunächst am 30. September 2015 einen Vordruck unterzeichnete, wonach er „unter Vorlage einer Ausfertigung des Erbscheins“ die Berichtigung des Grundbuchs dahin, ihn als Eigentümer einzutragen, beantrage; hernach auf einem von ihm unterschriebenen Formular unter dem 28. Januar 2017 den Berichtigungsantrag wiederholte, auf die Nachlassakten 137 IV 140/15 AG Neuss sowie die beiden vorgenannten letztwilligen Verfügungen, bezeichnet als „notarielle Verfügung von Todes wegen“, Bezug nahm und mitteilte, er sei Alleinerbe nach der Erblasserin.

Nach einer Anfang Februar 2017 geführten mündlichen Unterredung hat das Grundbuchamt sodann durch die angefochtene Entscheidung ein Zwangsgeld von 100 EUR – unter erneuter Fristsetzung, Androhung eines weiteren Zwangsgeldes und Auferlegung der Verfahrenskosten – festgesetzt.

Gegen diesen ihm am 8. August 2017 zugestellten Beschluss wendet sich der Beteiligte mit seinem am 21. August 2017 bei Gericht eingegangenen Rechtsmittel, mit dem er die Aufhebung des Zwangsgeldfestsetzungsbeschlusses begehrt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Grundakte und der beigezogenen Testamentsakte 137 IV 140/15 AG Neuss Bezug genommen.

II.

Das Rechtsmittel gegen die Zwangsgeldfestsetzung ist gemäß §§ 35 Abs. 5 FamFG, 567 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, 569 Abs. 1 Satz 1 und 2, Abs. 2 ZPO als sofortige Beschwerde statthaft und insgesamt zulässig. Insbesondere handelt es sich bei einem festgesetzten Zwangsgeld nicht um eine Entscheidung über Kosten im Sinne des § 567 Abs. 2 ZPO, so dass die dortige Wertgrenze von 200 EUR hier nicht beachtet werden muss.

Infolge der vom Grundbuchamt mit weiterem Beschluss vom 30. August 2017 erklärten Nichtabhilfe ist die sofortige Beschwerde dem Senat zur Entscheidung angefallen,

§ 572 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbs. ZPO. Über sie hat nach § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter zu entscheiden.

Das Rechtsmittel des Beteiligten ist auch begründet.

1.

Die Festsetzung des Zwangsgeldes ist nicht verfahrensfehlerfrei erfolgt.

a)Der Anwendung von Zwangsmaßnahmen – hier durch Festsetzung des Zwangsgeldes – hat nach § 82 Satz 1 GBO die Auferlegung der Verpflichtung durch das Grundbuchamt vorauszugehen, den Antrag auf Berichtigung des Grundbuchs zu stellen und die zur Berichtigung notwendigen Unterlagen zu beschaffen, d.h. vorzulegen. Es ist umstritten, ob diese Verpflichtung durch Beschluss nach § 38 Abs. 2 und 3 FamFG auszusprechen ist oder ob ein formloses – inhaltlich allerdings deutliches – Anschreiben des Gerichts („Verfügung“) genügt. Abhängig von der Stellung zur weiteren Streitfrage der Anfechtbarkeit des Verpflichtungsausspruchs wird ferner teilweise gemeint, der Beschluss sei mit einer Rechtsbehelfsbelehrung gemäß § 39 Satz 1 FamFG zu versehen. Schließlich scheint der Standpunkt vertreten zu werden, dass, falls im vorgenannten Sinne verfahren werde, nach Ablauf der Rechtsmittelfrist bezüglich des Verpflichtungsausspruchs mit einem Rechtsmittel gegen den späteren Festsetzungsbeschluss nicht mehr die auferlegte Verpflichtung also solche angegriffen werden könne, sondern nur noch Fehler bei der Zwangsgeldfestsetzung selbst geltend gemacht werden könnten (zu allem Vorstehenden: Demharter, GBO, 30. Aufl. 2016, § 82 Rdnr. 21 und 23; Bauer/v.Oefele-Budde, GBO, 3. Aufl. 2013, § 82 Rdnr. 18 und 21 f; BeckOK GBO – Holzer, Stand: 01.05.2017, § 82 Rdnr. 29 und 34; Meikel-W.Schneider, GBO, 11. Aufl. 2015, § 82 Rdnr. 41 und 54; OLG Hamm FGPrax 2011, 322 ff; OLG München FGPrax 2013, 109 f m. Anm. Demharter; OLG Köln FGPrax 2017, 61 f).

b)Diese Gesichtspunkte können jedoch hier auf sich beruhen; ebenso mag offenbleiben, ob vor Ablauf einer Frist von zwei Jahren nach dem Tode der eingetragenen Ehefrau ein Verpflichtungsausspruch (eine Zwangsgeldfestsetzung ohnehin nicht) gegenüber dem Beteiligten ergehen durfte.

Denn selbst wenn man davon ausgeht, die formlosen gerichtlichen Verfügungen im vorliegenden Fall hätten den Anforderungen an das Verfahren genügt, und selbst wenn man die besagte Beschränkung der Begründung eines Rechtsmittels gegen den Festsetzungsbeschluss verträte, kann die Zwangsgeldfestsetzung vom 7. August 2017 keinen Bestand haben, weil ein auf die Festsetzung selbst bezogener Mangel vorliegt.

Einer solchen Festsetzung muss nämlich nach § 35 Abs. 2 FamFG ein gerichtlicher Hinweis auf die Folgen einer Zuwiderhandlung gegen den Verpflichtungsausspruch vorausgehen. Die an diesen Hinweis zu stellenden Anforderungen sind im gegebenen Fall nicht erfüllt, was zur Aufhebung der Festsetzung führt.

aa)Zwar ist der genannte Hinweis zur Beschleunigung des Verfahrens an die Stelle der nach „altem“ (bis 2009 geltenden) Recht notwendigen förmlichen Androhung getreten. Nach wie vor muss er aber den Zweck erfüllen, den zur Handlung Aufgeforderten in die Lage zu versetzen, die mit der Nichterfüllung seiner Verpflichtung – also mit einem weiteren Unterlassen – verbundenen Folgen zutreffend einschätzen zu können. Dieser Zweck wird verfehlt, wenn sich der Hinweis in rein abstrakten Ausführungen („Verhängung von Zwangsmitteln“ / „… Zwangsmaßnahmen“ / „… eines Zwangsgeldes“) erschöpft; erforderlich, aber auch ausreichend ist es, die Maßnahme des Zwangsgeldes ausdrücklich zu benennen und die in Aussicht genommene Höchstsumme – den nach vorausschauendem Ermessen des Grundbuchamtes höchstens zu verhängenden Betrag, nicht die gesetzliche Höchstsumme von 25.000 EUR nach § 35 Abs. 3 Satz 1 FamFG – zu beziffern (BGH NJW 1973, 2288 f; BayObLG FamRZ 1996, 878 f; OLG Brandenburg MDR 2014, 1092 f; Keidel-Zimmermann, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 35 Rdnr. 15; Bahrenfuss-Rüntz, FamFG, 3. Aufl. 2017, § 35 Rdnr. 16; Bumiller/Harders-Schwamb, FamFG, 11. Aufl. 2015, § 35 Rdnr. 6; Meikel-W.Schneider a.a.O., Rdnr. 44; der Tendenz nach bereits Senat, Beschluss vom 10. November 2014 in Sachen I-3 Wx 189/14; strenger wohl OLG München FGPrax 2010, 168 f; großzügiger MK-Ulrici, FamFG, 2. Aufl. 2013, § 35 Rdnr. 10).

Hier ist die Möglichkeit einer Zwangsgeldfestsetzung in den gerichtlichen Schreiben vom 6. August und 9. Oktober 2015 sowie 23. Februar 2016 gar nicht und in demjenigen vom 23. Januar 2017 nur in der Weise angesprochen worden, der Beteiligte werde hingewiesen auf seine Verpflichtung nach § 82 GBO sowie darauf, „dass die Antragstellung ohne weitere Androhung durch die Festsetzung eines Zwangsgeldes erzwungen werden kann“. Das genügte, wie gezeigt, als Inhalt des Hinweises nicht. Dies gilt umso mehr, als der Beteiligte den Berichtigungsantrag als solchen schon unter dem 30. September 2015 gestellt hatte. Bei alledem spielt keine Rolle, dass das alsdann festgesetzte Zwangsgeld sehr maßvoll ausgefallen ist.

bb)Ungeachtet der Formulierungen in der angefochtenen Entscheidung hinsichtlich eines weiteren Zwangsgeldes („von bis zu 25.000 EUR“) stellt sich die Frage einer wirksamen Nachholung des ordnungsgemäßen Hinweises im vorliegenden Fall nicht.

Zwar wird eine derartige Nachholung – auch in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung – heute für zulässig erachtet. Dies betrifft aber nur Fälle der Nachholung nach dem in § 35 Abs. 2 FamFG genannten Zeitpunkt – nämlich gleichzeitig mit dem Verpflichtungsausspruch -, jedoch vor Erlass des Festsetzungsbeschlusses (BVerfG NJW 2011, 2347 f; OLG Sachsen-Anhalt FamRZ 2015, 1222; Keidel-Zimmermann a.a.O.; Bahrenfuss-Rüntz a.a.O., Rdnr. 15). Bereits wegen seiner Warnfunktion ist es unabdingbar, dass der Hinweis rechtzeitig vor Anordnung des Zwangsmittels erteilt wird.

cc)Angesichts dessen macht der unzureichende Hinweis die angegriffene Festsetzung unzulässig und muss auf das Rechtsmittel hin deren Aufhebung erfolgen (vgl. OLG Brandenburg a.a.O.; Senat a.a.O.; Keidel-Zimmermann a.a.O.).

2.Der Senat sieht sich allerdings zu der Bemerkung veranlasst, dass die vom Grundbuchamt ausgesprochene Verpflichtung des Beteiligten zur Vorlage eines Erbscheins – entgegen der Beschwerdebegründung – in der Sache nicht zu beanstanden ist.

Das Grundbuch soll eine im Rahmen des überhaupt Möglichen verlässliche Auskunft über die Rechtsverhältnisse an Grundstücken geben. Zu diesem Zweck legt das Gesetz besonderen Wert auf eine hohe Verlässlichkeit der Eintragungsunterlagen. Diese wird unter anderem durch eine besondere Formalisierung des Verfahrens (vgl. § 29 GBO) erreicht. Demselben Zweck dient § 35 GBO. Danach kann der Nachweis der Erbfolge nur durch einen Erbschein (oder, hier nicht in Betracht kommend, ein Europäisches Nachlasszeugnis) geführt werden, § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO. Ausschließlich dann, wenn die Erbfolge auf einer in einer öffentlichen Urkunde enthaltenen Verfügung von Todes wegen beruht, genügt es im Regelfall, wenn stattdessen diese Verfügung und das Eröffnungsprotokoll vorgelegt werden, § 35 Abs. 1 Satz 2, 1. Halbs. GBO. Eine öffentliche Urkunde kann nur eine öffentliche Behörde oder eine mit öffentlichem Glauben versehene Person, in Fällen wie dem vorliegenden ein Notar ausstellen. Im Ergebnis bedeutet dies: Ein Erbschein kann nur erübrigt werden, wenn die letztwillige Verfügung notariell beurkundet wurde (davon geht im übrigen auch das vom Beteiligten selbst am 28. Januar 2017 verwendete Formular aus, wenn es dort unter der Bezugnahme auf die Nachlassakten heißt, „und die dort am …. eröffnete notarielle Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) vom ….“). Von einer notariellen Beurkundung kann hier keine Rede sein, beide eröffneten Schriftstücke sind privatschriftliche, nämlich gemeinschaftliche eigenhändige Testamente nach § 2267 BGB.

Schließlich lässt sich gerade im gegebenen Fall auch nicht sagen, all dies sei reine Förmelei, weil der Erbgang sozusagen sonnenklar sei; das ist er nicht. Eindeutig ist zwar das gegenseitige Testament von 2003. Die sogenannte Erweiterung von 2014 hingegen ist unklar und auslegungsbedürftig. Offen bleibt zunächst, wann der Verkauf stattfinden muss: zu Lebzeiten beider Ehegatten (obwohl sie dann die letztwilligen Anordnungen ja ohne weiteres noch selbst der neuen Sachlage hätten anpassen können), in der Zeit, die der Letztversterbende den Erstverstorbenen überlebt, oder gar erst im Zuge der Nachlassauseinandersetzung nach dem Tode des Letztversterbenden (obwohl im Testament von 2003 allein der erste Erbfall geregelt worden war, nicht der Erbgang nach dem Zweitversterbenden)? Geht man von der zweitgenannten Möglichkeit aus, ergibt sich die merkwürdige Konsequenz, dass der überlebende Ehegatte, der der Lebenserfahrung nach den Familiengrundbesitz doch veräußert haben dürfte, um an für seine Lebensführung benötigtes Geld zu gelangen (etwa für Pflege), den Erlös vollständig Dritten (Kind und Enkelkindern) zukommen lassen müsste, aufgrund welcher rechtlichen Konstruktion auch immer. Schließlich bleibt die Stellung des Beteiligten als Alleinerbe nach seiner Frau gesichert nur dann unberührt, wenn man die Erlösaufteilung als Anordnung von – bloßen – Vermächtnissen auffasst, was ohne Kenntnis der genauen Zusammensetzung des Nachlasses oder gar des Gesamtvermögens beider Ehegatten nicht zweifelsfrei ist. Derartige Fragen haben sich im übrigen erkennbar auch bereits dem Nachlassgericht gestellt, denn dieses hat in einem Zettelvermerk festgehalten, für den Fall eines Erbscheinsantrages müsse der Testierwille genauer erforscht werden.

III.

Im Hinblick auf den Erfolg des Rechtsmittels ist weder eine Entscheidung über Kosten des Beschwerdeverfahrens, noch eine Wertfestsetzung, noch eine Entscheidung über die Zulassung der Rechtsbeschwerde veranlasst.

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