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Grundbuchberichtigungsantrag von Miterben trotz Testamentsvollstreckung

OLG Stuttgart – Az.: 8 W 173/20 – Beschluss vom 30.06.2020

1. Auf die Beschwerde der Antragsteller wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Waiblingen – Grundbuchamt – vom 17.03.2020 – WBN005 GRG 889/19 – aufgehoben.

2. Das Grundbuchamt wird angewiesen, die Eintragungsanträge vom 16.08.2019 und 10.12.2019 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zu bescheiden.

3. Die Beschwerdeentscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 2 und 3 sind jeweils als hälftige Bruchteilseigentümer des verfahrensgegenständlichen Grundbesitzes eingetragen. Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 26.06.2019 veräußerten sie diesen an die Beteiligte zu 1 zum Kaufpreis von 36.000 €. Die Auflassung wurde unabhängig von der Kaufpreiszahlung sofort erklärt. Zur Sicherung des Anspruchs der Erwerberin haben die Veräußerer die Eintragung einer Eigentumsvormerkung bewilligt.

Bei Abschluss des Kaufvertrags handelte die Beteiligte zu 3 als Vertreterin des Beteiligten zu 2 aufgrund notariell beurkundeter Vollmacht vom 26.04.2005. Nach dieser ist die Beteiligte zu 3 auch zur Verfügung über Grundstücke berechtigt, Schenkungen kann sie jedoch nur in dem Rahmen vornehmen, der auch einem Betreuer gestattet ist.

Unter dem 16.08.2019 hat der nach § 15 Abs. 2 GBO vertretungsberechtigte Notar in Ausübung der ihm im Kaufvertrag erteilten Vollmacht im Namen der Veräußerer die Eigentumsumschreibung bewilligt und namens der Erwerberin deren Eintragung beantragt. Unter dem 19.08.2019 hat der vertretungsberechtigte Notar erklärt, die Antragstellung erfolge im Namen der Beteiligten. Mit Schreiben vom 10.12.2019 hat der vertretungsberechtigte Notar namens der Beteiligten auch die Eintragung der Erwerbsvormerkung am Vertragsgegenstand hilfsweise am Miteigentumsanteil der Beteiligten zu 3 beantragt.

Am 17.03.2020 hat das Amtsgericht Waiblingen als zuständiges Grundbuchamt den Antrag auf Eintragung einer Erwerbsvormerkung zulasten der Miteigentumshälfte der Beteiligten zu 3 vollzogen und mit Beschluss gleichen Tags den Antragstellern im Wege der Zwischenverfügung unter Androhung der Zurückweisung der übrigen Anträge aufgegeben, die Genehmigung bzw. Vollmachtsbestätigung des Veräußerers … … in der Form des § 29 GBO bis zum 16.05.2020 vorzulegen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dem Grundbuchamt sei nicht in der Form des § 29 GBO nachgewiesen, dass die Bevollmächtigte bei dem Rechtsgeschäft ihre Vollmacht nicht überschritten habe, es sei nicht auszuschließen, dass eine gemischte Schenkung vorliege. Die Grundsätze, die im Falle der Verfügung eines Testamentsvollstreckers für den erleichterten Nachweis der Entgeltlichkeit gelten, könnten vorliegend nicht herangezogen werden, da die Beweisnot nicht kraft Gesetzes bestehe, sondern durch den Vollmachtgeber selbst herbeigeführt worden sei.

Gegen den Beschluss des Grundbuchamtes vom 17.03.2020 hat der vertretungsbefugte Notar mit Schriftsatz vom 06.04.2020 namens der Beteiligten Beschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, eine Genehmigung des vertretenen Veräußerers sei nicht erforderlich. Bei der Prüfung der Entgeltlichkeit der Verfügung durch einen durch General-Vorsorgevollmacht rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten habe das Grundbuchamt dieselben Grundsätze anzuwenden, wie wenn ein gesetzlicher Betreuer gehandelt hätte. Da der Umfang der Vollmacht am gesetzlichen Leitbild des Betreuers anknüpfe, könne die Prüfung der Entgeltlichkeit der Verfügung durch das Grundbuchamt nicht strenger ausfallen, als dies beim gesetzlichen Betreuer der Fall sei. Dabei seien ähnliche Grundsätze maßgeblich, wie sie bei der Beurteilung der Entgeltlichkeit von Verfügungen eines Testamentsvollstreckers oder befreiten Vorerben heranzuziehen sind. Eine entgeltliche Verfügung sei dem Grundbuchamt gegenüber danach regelmäßig dann hinreichend nachgewiesen, wenn die dafür maßgebenden Beweggründe im Einzelnen angegeben seien. Diene die Verfügung der Erfüllung eines Kaufvertrages mit einem unbeteiligten Dritte, sei die Entgeltlichkeit der Erfüllung regelmäßig indiziert.

Mit Beschluss vom 08.05.2020 hat das Grundbuchamt der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

Das Rechtsmittel ist gemäß §§ 71 ff. GBO zulässig. Die Beschwerde gegen eine Zwischenverfügung gemäß § 18 Abs. 1 GBO ist, obwohl es sich nicht um eine Endentscheidung handelt, statthaft. Die Vorgabe des § 58 Abs. 1 FamFG gilt insoweit nicht. Gegenstand der Beschwerde ist nur das vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis, nicht aber die Entscheidung über den Eintragungsantrag selbst (Demharter, Grundbuchordnung, 31. Auflage 2018, § 71 GBO, Rdnr. 34).

Das Rechtsmittel der Beteiligten hat auch in der Sache Erfolg. Die begehrten Eintragungen können von einer der Form des § 29 GBO entsprechenden Genehmigung bzw. Vollmachtsbestätigung des Beteiligten zu 2 nicht abhängig gemacht werden. Dies gilt sowohl für die Eintragung des Eigentümerwechsels (zu 1) als auch für die Eintragung der Erwerbsvormerkung (zu 2).

1. Die von dem Beteiligten zu 2 der Beteiligten zu 3 erteilte Vollmacht ist insoweit eingeschränkt, als sie Schenkungen nur in dem Rahmen zulässt, der auch einem Betreuer nach Maßgabe der §§ 1908i Abs. 2 Satz 1, 1804 Satz 2 BGB gestattet ist. Dieses (teilweise) Schenkungsverbot ist auch für die Auflassung im Rahmen des § 20 GBO und für die Eintragungsbewilligung im Rahmen des § 19 GBO zu berücksichtigen. Denn im Zusammenhang mit der Anwendung der einschlägigen Vorschriften aus §§ 1908i Abs. 2 Satz 1, 1804 Satz 2 BGB ist anerkannt, dass sich ein Schenkungsverbot für den Betreuer nicht allein auf das Verpflichtungsgeschäft bezieht. Die Regelung des § 1804 BGB verfolgt vielmehr den Zweck, das Vermögen des Mündels bzw. des Betreuten vor einer Schmälerung durch Schenkungen zu schützen. Diesem Zweck würde es widersprechen, das Mündel bzw. den Betreuten (hier den Vollmachtgeber) im Falle einer verbotswidrigen Schenkung auf Bereicherungsansprüche zu verweisen (Oberlandesgericht des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 11. August 2016 – 12 Wx 3/16; OLG Frankfurt, Beschluss vom 15. Mai 2018 – 20 W 38/18; KG Berlin, Beschluss vom 13. März 2012 – 1 W 542/11). Die erforderliche Prüfung des Grundbuchamtes, ob Auflassung und Eintragungsbewilligung von der Vollmacht gedeckt sind, umfasst mithin auch die Prüfung, ob im Rahmen der Vertretung des Beteiligten zu 2 durch die Beteiligte zu 3 das Schenkungsverbot des § 1804 BGB beachtet wurde. Dabei ist das Grundbuchamt weder berechtigt noch verpflichtet, Ermittlungen und Beweiserhebungen eigenhändig anzustellen (Meikel/Böhringer, GBO, 11. Aufl. 2015., § 51 GBO, Rdnr. 158 m.w.N.).

Die Schenkung setzt die Zuwendung eines Vermögensgegenstands durch den Schenker an den dadurch bereicherten Beschenkten voraus, sowie die Einigung der Parteien, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt (§ 516 Abs. 1 BGB). Wird für die Zuwendung eine Gegenleistung gewährt, ist die Annahme einer Schenkung nicht ausgeschlossen. Vielmehr kann eine gemischte Schenkung vorliegen, bei der die Leistung wesentlich geringer ist als die Gegenleistung und die Parteien sich über die teilweise Unentgeltlichkeit der Leistung einig sind. Die gemischte Schenkung setzt nicht voraus, dass der unentgeltliche Charakter des Geschäfts gegenüber dem entgeltlichen überwiegt (KG, Beschluss vom 13. März 2012 – 1 W 542/11). Auch eine gemischte Schenkung unterfällt dem Schenkungsverbot des § 1804 BGB (Staudinger/Veit (2020) BGB § 1804, Rn. 9 m.w.N.). Allerdings kann die objektive Ungleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung nur ein Indiz für eine gemischte Schenkung sein. In erster Linie ist es der Wille der Beteiligten, der die von beiden Seiten zu erbringenden Leistungen in das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung zu setzen vermag. Deshalb ist nicht der objektive Wert entscheidend, sondern die Frage, ob nach der Wertvorstellung der Parteien mindestens teilweise eine Schenkung vorliegen sollte. Es steht den Parteien auch grundsätzlich frei, eine objektiv wesentlich geringere Gegenleistung noch als subjektiv gleichwertig anzusehen (BGH, Urteil vom 18. Mai 1990 – V ZR 304/88; KG, Beschluss vom 13. März 2012 – 1 W 542/11).

Im Grundbuchverfahren sind für den Nachweis, dass die Verfügung eines Betreuers nicht dem Schenkungsverbot unterfällt, in der Regel ähnliche Grundsätze maßgeblich, wie sie bei der Beurteilung der Entgeltlichkeit von Verfügungen des Testamentsvollstreckers oder befreiten Vorerben maßgebend sind (KG, Beschluss vom 13. März 2012 – 1 W 542/11). Insoweit ist der Nachweis erbracht, wenn die Entgeltlichkeit bei dem Grundbuchamt offenkundig ist, § 29 Abs. 1 S. 2 GBO. Im Interesse der Erleichterung des Grundbuchverkehrs sind der Offenkundigkeit die Fälle gleichzustellen, in denen bei freier Würdigung der vorgelegten Urkunden durch das Grundbuchamt die Unentgeltlichkeit durch die Natur der Sache ausgeschlossen wird. Dabei hat sich der Grundsatz herausgebildet, dass die Entgeltlichkeit der Verfügung regelmäßig anzunehmen ist, wenn sie auf einem zweiseitigen entgeltlichen Rechtsgeschäft, vornehmlich einem Kaufvertrag beruht und der andere Vertragsteil ein unbeteiligter Dritter ist; das Grundbuchamt ist befugt, Wahrscheinlichkeitserwägungen anzustellen und auf allgemeine Erfahrungssätze zurückzugreifen (KG, Beschluss vom 13. März 2012 – 1 W 542/11).

Gegen die Heranziehung dieser für die Verfügung eines Betreuers geltenden Grundsätze auf den hier vorliegenden Fall der Verfügung eines Bevollmächtigten, dessen Verfügungsmacht entsprechend § 1804 BGB eingeschränkt ist, kann nach Auffassung des Senats – entgegen der Argumentation des Grundbuchamtes – nicht eingewendet werden, die für die Antragsteller bestehende Beweisnot beruhe nicht auf einer gesetzlichen Regelung, sondern sei durch den Vollmachtgeber selbst herbeigeführt worden (so aber auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 27. Oktober 2014 – 20 W 252/14 –, Rn. 14, juris; OLG Köln, Beschluss vom 10. April 2007 – 2 Wx 20/07 –, Rn. 21, juris für den Nachweis einer die Entscheidungsfähigkeit des Vollmachtgebers einschränkenden geistigen Erkrankung als aufschiebende Bedingung der Bevollmächtigung). Es ist kein Grund ersichtlich, warum der gesetzliche Betreuer hinsichtlich des Nachweises der Entgeltlichkeit grundbuchverfahrensrechtlich besser gestellt sein sollte als der Vorsorgebevollmächtigte mit dem Kompetenzrahmen eines Betreuers. Die Möglichkeit, die General- und Vorsorgevollmacht derart zu gestalten, dass Beschränkungen lediglich für das Innenverhältnis gelten, darf die Anforderungen an die grundbuchverfahrensrechtlichen Nachweiserfordernisse nicht verändern, da dies dem Zweck einer Vorsorgevollmacht, eine Betreuungsanordnung überflüssig zu machen, zuwiderliefe, zumal sich die von dem Grundbuchamt zu prüfenden Plausibilitätsanforderungen gegenüber der Verfügung eines Betreuers nicht erhöhen (so auch Gutachten DNotI-Report 2019, 108 ff.). Zu Recht weist der vertretungsberechtigte Notar darauf hin, dass die dort einzuholende betreuungsgerichtliche Genehmigung das Grundbuchamt nicht von der Prüfung entbindet, ob die – genehmigte – Verfügung dem Schenkungsverbot unterfällt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. April 2010 – 20 W 90/10 –, Rn. 17, juris).

Dies berücksichtigt kann die Eintragung der Eigentumsänderung nicht von einer der Form des § 29 GBO entsprechenden Genehmigung bzw. Vollmachtsbestätigung des Beteiligten zu 2 abhängig gemacht werden, da von einer wirksamen Bevollmächtigung der Beteiligten zu 3 auszugehen ist. Die Verfügung beruht auf einem Kaufvertrag und es ist nicht ersichtlich, dass die Beteiligte zu 3 in einem persönlichen Näheverhältnis zu der Beteiligten zu 1 stünde. Entscheidend gegen eine teilweise unentgeltliche Verfügung spricht vorliegend der Umstand, dass der vereinbarte Kaufpreis erheblich höher ist als es dem von dem Gutachterausschuss der Stadt Leonberg festgelegten Bodenrichtwert für das verfahrensgegenständliche Flurstück 966 entspricht. Dieser liegt zum Stichtag 31.12.2018 bei 18 €/m² (Auszug aus dem Bodenrichtwertinformationssystem Baden-Württemberg – https://www.gutachterausschuesse-bw.de).

2. Die Erwerbsvormerkung ist schon deshalb unabhängig von der Prüfung der Entgeltlichkeit des zugrundeliegenden Vertrags einzutragen, weil ein eventueller Verstoß gegen das Schenkungsverbot des § 1804 BGB insoweit ohne Bedeutung ist (Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluss vom 13. Mai 2003 – 2Z BR 57/03). Nur wenn feststünde, dass der Anspruch nicht entstanden ist und auch nicht mehr entstehen kann, müsste das Grundbuchamt dem nachgehen. Bloße Zweifel, die hier allenfalls in Betracht kommen, genügen insoweit nicht (BayObLG a.a.O.; Demharter GBO 31. Aufl. Anh. zu § 44 Rn. 88).

Die Beschwerdeentscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei (GNotKG KV Nr. 14510), einer Wertfestsetzung bedarf es daher nicht. Für die Anordnung der Erstattung außergerichtlicher Kosten besteht kein Anlass, da am Beschwerdeverfahren nicht mehrere Beteiligte in einem entgegengesetzten Sinne beteiligt sind.

Da die Beschwerde der Beteiligten Erfolg hat, kommt die Zulassung einer Rechtsbeschwerde (§ 78 GBO) nicht in Betracht.

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