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Grundbuchberichtigungsantrag – Unrichtigkeit Grundbuch

OLG München – Az.: 34 Wx 40/16 – Beschluss vom 22.06.2016

I. Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Deggendorf – Grundbuchamt – vom 7. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

II. Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 1 und 2 sind im Grundbuch als Miteigentümer eines mit einem Leibgeding für die Mutter des Beteiligten zu 1 belasteten Grundstücks eingetragen.

Der Grundbesitz, auf dem ein als Wohnhaus genutztes Gebäude errichtet war, wurde dem Beteiligten zu 1 gemäß Vertrag vom 27.1.1992 von seiner Mutter überlassen. In diesem bewilligte er seiner Mutter ein unentgeltliches Leibgeding wie folgt (Ziff. X. A. der Urkunde):

1. Der Veräußerer erhält das ausschließliche Wohnungsrecht in den ersten beiden Zimmern rechts vom Eingang und in dem links vom Eingang gelegenen Bad jeweils im Erdgeschoß des Vertragsobjekts, verbunden mit dem Recht auf Mitbenützung der dem allgemeinen Gebrauch der Hausbewohner dienenden Anlagen und Einrichtungen. Die Kosten für Wasser, Licht, Strom und Beheizung für diese Räume trägt der Veräußerer.

2. Soweit dies im Vertragsobjekt ohne fachkundiges Personal möglich ist, hat der Erwerber dem Veräußerer bei Krankheit oder Altersgebrechlichkeit eine entsprechende Wart und Pflege, namentlich Krankenpflege zu gewähren, ihm Kleidung, Wäsche und Schuhwerk zu reinigen und instandzuhalten, sowie ihm alle Arbeiten zu verrichten oder verrichten zu lassen, die der Veräußerer wegen Alter oder Krankheit nicht mehr selbst verrichten kann, auch alle hierzu erforderlichen Gänge und Fahrten zu besorgen und alle Hilfen zu leisten.

Zur Löschung des Leibgedings soll der Nachweis des Todes der Berechtigten genügen.

Am 31.1.1992 ließ der Beteiligte zu 1 sodann einen halben Miteigentumsanteil des Grundbesitzes unter Hinweis auf die Belastung mit dem Leibgeding an seine Ehefrau, die Beteiligte zu 2, auf.

Am 14.12.2015 beantragten die Beteiligten zu 1 und 2 zur Niederschrift des Grundbuchamts die Löschung des Leibgedings. Für das Haus sei eine Baugenehmigung nicht erteilt gewesen, dieses sei durch eine Flut so beschädigt, dass es abgerissen werden müsse. Eine Baugenehmigung für einen Neubau werde nicht erteilt. Zum Nachweis legten sie die Kopie eines Schreibens der Stadt D. vom 26.3.2014 vor, in dem mitgeteilt wird, dass nach Aktenlage eine Wiedererrichtung des Gebäudes baurechtlich nicht genehmigt werden könne. Nach einem weiter in Abschrift vorgelegten Urteil des Amtsgerichts wurde die Klage der aus dem Leibgeding vom 27.1.1992 Berechtigten gegen die Beteiligten zu 1 und 2 auf Feststellung, dass diese unentgeltliches Wohnen in dem nun aktuell von ihnen bewohnten Gebäude zu gewähren hätten, abgewiesen.

Auf einen Hinweis des Grundbuchamts zu den Nachweisanforderungen für eine Berichtigung nach § 22 GBO erklärten die Beteiligten zusätzlich, dass in Folge des Gebäudeabrisses weder das Wohnrecht noch die als Reallast geschuldete Wart und Pflege in dem Objekt erbracht werden könne.

Den Antrag hat das Amtsgericht – Grundbuchamt – mit Beschluss vom 7.1.2016 schließlich zurückgewiesen, da ein förmlicher Unrichtigkeitsnachweis nicht geführt sei. Auch wenn man annehme, die Ausübung des Leibgedings sei im Sinne von § 275 BGB unmöglich, komme eine Löschung nicht in Betracht, da die Eintragung auch Rückstände sichere. Hinsichtlich möglicher Rückstände, insbesondere im Hinblick auf die Reallast, sei aber nichts vorgetragen.

Dagegen wenden sich die Beteiligten zu 1 und 2 mit ihrer Beschwerde vom 20.1.2016 und tragen ergänzend vor, es sei durch Zeugen nachweisbar, dass keine Rückstände aus der Reallast entstanden sein können.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Wegen der möglichen Rückstände scheide auch eine Löschung nach § 84 GBO aus.

II.

Das Rechtsmittel erweist sich als zulässig, in der Sache aber als nicht begründet.

1. Gegen die Zurückweisung des Grundbuchberichtigungsantrags ist nach herrschender Meinung die unbeschränkte Beschwerde nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 71 Abs. 1 GBO statthaft, wenn – wie hier – mit ihr eine nachträgliche Grundbuchunrichtigkeit geltend gemacht wird (Hügel/Kramer GBO 3. Aufl. § 71 Rn 152 m. w. N.). Das Rechtsmittel ist auch im Übrigen zulässig eingelegt (§ 73 GBO).

2. Eine berichtigende Eintragung im Grundbuch kann gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 GBO nur vorgenommen werden, wenn entweder die Berichtigungsbewilligung des Betroffenen nach § 19 GBO vorgelegt wird oder der Antragsteller die Grundbuchunrichtigkeit in grundbuchtauglicher Form (§ 29 Abs. 1 GBO) nachweist.

a) Eine Berichtigungsbewilligung der Berechtigten des Leibgedings (vgl. Art. 7 ff. AGBGB; zum Inhalt Demharter GBO 30. Aufl. § 49 Rn. 3 f.) liegt nicht vor, so dass eine Löschung nur in Betracht kommt, wenn der Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit erbracht ist.

Das Grundbuchs ist unrichtig, wenn die formelle und die materielle Rechtslage divergieren (§ 894 BGB; Hügel/Holzer § 22 Rn. 25). Unrichtig ist das Grundbuch im Hinblick auf das eingetragene Leibgeding daher nur, wenn nachgewiesen werden kann, dass alle der damit zusammengefassten dinglichen Einzelrechte (Demharter § 49 Rn. 4) erloschen sind. An diesen Nachweis sind strenge Anforderungen zu stellen. Als ausreichende Grundlage für eine Berichtigung ohne Bewilligung der Betroffenen genügt nicht einmal eine gewisse Wahrscheinlichkeit der vorgetragenen Umstände (BayObLGZ 1985, 225/228; Hügel/Holzer § 22 Rn. 59 m. w. N.). Ein Zeugenbeweis ist im grundbuchrechtlichen Antragsverfahren (§§ 13 ff. GBO) nicht vorgesehen. Vielmehr ist allein in der Form des § 29 GBO, somit durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunden, lückenlos jede Möglichkeit auszuräumen, die der Richtigkeit der vorhandenen Eintragung entgegenstehen könnte (Senat vom 12.12.2007, 34 Wx 118/07 = FGPrax 2008, 52/53). Zum Nachweis durch Urkunden sind diese im Original, in Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift vorzulegen (Hügel/Otto § 29 Rn. 137). Nur ganz entfernt liegende, theoretische Möglichkeiten müssen nicht ausgeräumt werden. Einer Nachweisführung bedarf es zudem dann nicht, wenn sich die materielle Unrichtigkeit aus der Eintragung im Grundbuch einschließlich ihrer zulässigen Bezugnahmen (§ 874 BGB) ergibt. Auch was offenkundig ist, braucht nicht bewiesen zu werden (vgl. Demharter § 22 Rn. 37; Kohler in Bauer/von Oefele GBO 3. Aufl. § 22 Rn. 171 f.).

Die Führung des Nachweises obliegt dem Eigentümer des belasteten Grundstücks (BayObLGZ 1985, 225/228; Demharter § 22 Rn. 36; Hügel/Holzer § 22 Rn. 58) und damit den hiesigen Antragstellern. Es gilt der grundbuchrechtliche „Beibringungsgrundsatz“; eine Sachaufklärung von Amts wegen durch das Grundbuchamt findet nicht statt (BayObLG Rpfleger 1982, 467; Böttcher ZfIR 2008, 507/509; Kohler in Bauer/von Oefele § 22 Rn. 171 und 174).

b) Nach diesen Maßstäben ist der Unrichtigkeitsnachweis nicht geführt. Aus dem vorgelegten Urteil des Amtsgerichts, das die Feststellungsklage und die hilfsweise erhobene Leistungsklage der aus dem Leibgeding Berechtigten abweist, ergibt sich nur, dass keine Leistungspflicht auf einem anderen Grundbesitz besteht (vgl. § 322 Abs. 1 ZPO; Reichold in Thomas/Putzo ZPO 37. Aufl. § 322 Rn. 21 ff.). Daraus ergibt sich nicht die Unrichtigkeit des Grundbuchs hinsichtlich des am früher bewohnten Grundstück bestellten Leibgedings. Soweit sich die Beteiligten auf ein Schreiben des städtischen Bauamts beziehen, fehlt diesem eine Verbindlichkeit und beinhaltet jedenfalls keinen die Rechtslage abschließend regelnden Verwaltungsakt. Abgesehen davon, dass die beiden Schriftstücke als Unrichtigkeitsnachweis nicht ausreichen, würden sie auch nicht dem Formerfordernis des § 29 Abs. 1 GBO genügen, weil sie nur in unbeglaubigter Kopie vorliegen. Die von den Beteiligten ergänzend angebotenen Zeugen sind im Antragsverfahren der Grundbuchberichtigung nach § 22 GBO kein taugliches Beweismittel (§ 29 GBO) und können daher nicht angehört werden.

c) Aus diesem Grund kann es dahingestellt bleiben, ob die Unmöglichkeit der Leistung (§ 275 BGB) als schuldrechtlicher Tatbestand schon die Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne von § 22 GBO begründet oder ob dies allein zu einer Löschung im Amtsverfahren nach § 84 GBO führen könnte (vgl. Demharter § 84 Rn. 14).

3. Keine Rolle spielt in diesem Zusammenhang allerdings § 23 GBO, wonach die Löschung eines auf die Lebenszeit des Berechtigten beschränkten Rechts nach dessen Tod ohne Bewilligung des Rechtsnachfolgers vor Ablauf eines Jahres seit dem Tod oder nach Widerspruch des Berechtigten nicht in Betracht kommt, wenn Rückstände von Leistungen nicht ausgeschlossen sind. Die Bestimmung ergänzt (nur) § 22 GBO für den Fall, dass Rechte auf die Lebenszeit des Berechtigten oder für eine festgelegte Zeitdauer beschränkt bestellt sind und die Grundbuchunrichtigkeit Folge des Bedingungseintritts bzw. Zeitablaufs ist. In diesem Sonderfall ist Voraussetzung der Löschung rückstandsfähiger Rechte nicht allein der Nachweis der Unrichtigkeit, sondern zudem entweder eine Bewilligung des Rechtsnachfolgers oder ein Löschungserleichterungsvermerk, wenn die Löschung vor Ablauf eines Jahres erfolgen soll oder der Rechtsnachfolger der Löschung widersprochen hat (Demharter § 23 Rn. 1). Wird bei einem solchen Recht allerdings ein (anderer) gesetzlicher Erlöschenstatbestand geltend gemacht (etwa § 91 ZVG), ist allein § 22 GBO und nicht zusätzlich § 23 GBO heranzuziehen (Meikel/Böttcher GBO 11. Aufl. §§ 23, 24 Rn. 3). Ist der Nachweis geführt, dass ein dingliches Recht von Gesetzes wegen erloschen ist, so ist ausgeschlossen, dass aus dem Recht noch Leistungen zu erbringen wären.

4. Ob die angeführte Unmöglichkeit der Leistungen aus dem vereinbarten Leibgeding die Löschung des Rechts als gegenstandslos rechtfertigen würde, ist vom Beschwerdegericht nicht zu klären. Die Einleitung eines Verfahrens nach §§ 84 ff. GBO wurde im Beschluss, der Beschwerde nicht abzuhelfen, abgelehnt. Soweit hierin eine eigene Entscheidung des Grundbuchamts zu sehen sein sollte, ist ein Rechtsbehelf hiergegen nicht eingelegt; für diesen wäre auch nicht das Beschwerdegericht zuständig (Hügel/Kramer § 71 Rn. 94 und 158).

5. Die Kostenentscheidung des Amtsgerichts ist als Ermessenentscheidung (vgl. § 81 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 FamFG) nicht zu beanstanden.

III.

1. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil sich die Verpflichtung zur Tragung der Gerichtskosten aus dem Gesetz, § 22 Abs. 1 GNotKG, ergibt.

2. Den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens hat der Senat dem Regelwert festgesetzt (§ 36 Abs. 1 und 3 GNotKG). Für eine Bemessung nach § 52 GNotKG fehlen hinreichende Anhaltspunkte.

3. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 GBO) liegen nicht vor.

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