OLG Hamm – Az.: I-15 W 518/10 – Beschluss vom 18.04.2011
Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben.
Gründe
Die Beschwerde ist nach den §§ 71 Abs. 1, 72 GBO statthaft sowie formgerecht eingelegt.
In der Sache hat die Beschwerde lediglich aus formellen Gründen Erfolg. Nach § 18 GBO setzt der Erlass einer Zwischenverfügung das Vorliegen eines (zeitnah) behebbaren Eintragungshindernisses voraus, wobei die zu erlassende Zwischenverfügung das Mittel zur Behebung dieses Hindernisses konkret bezeichnen muss. Vorliegend hat das Grundbuchamt mit dem Verlangen der Vorlage eines Erbscheins jedoch ein Mittel bezeichnet, das von vorneherein ungeeignet ist, dem Antrag der Beteiligten zum Vollzug zu verhelfen.
Die Beteiligten haben hier die Grundbuchberichtigung auf die Beteiligte zu 2) sowie die anschließende Umschreibung des Eigentums auf die Beteiligte zu 1) beantragt, wobei sie den ersten Antrag am 28.10.2009 dahingehend modifiziert haben, dass die berichtigende Eintragung der Beteiligten zu 2) ohne die gleichzeitige Eintragung eines Nacherbenvermerks erfolgen soll. Inhaltlich setzt der zweite Antrag den vorherigen Vollzug des Antrags auf Grundbuchberichtigung voraus.
§ 51 GBO verpflichtet das Grundbuchamt die (berichtigende) Eintragung eines Vorerben nur unter gleichzeitiger Eintragung eines Nacherbenvermerks vorzunehmen. Ob die Vorschrift dabei einen Entscheidungsverbund vergleichbar dem Antragsverbund nach § 16 Abs. 2 GBO bewirkt, kann vorliegend dahinstehen. Denn eine solche Abhängigkeit haben die Beteiligten hier durch die Modifikation vom 28.10.2009 selbst herbeigeführt. Der Antrag, einen Nacherbenvermerk nicht einzutragen, hat keinen vollzugsfähigen Inhalt. Er muss vielmehr dahingehend verstanden werden, dass der Eintragung widersprochen wird und der Vollzug des Berichtigungsantrages von der Beachtung dieses Widerspruchs abhängig sein soll. Hierin liegt keine unzulässige tatsächliche Bedingung im Sinne des § 16 Abs. 1 GBO, sondern eine verfahrensinterne Bedingtheit, die als solche zulässig ist, wie sich nicht zuletzt aus § 16 Abs. 2 GBO ergibt.
Zu Recht ist das Grundbuchamt davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 51 GBO vorliegen. Der Einwand der Beschwerde, dass die Beteiligte zu 2) gemäß dem Erbvertrag Vollerbin nach ihrem Ehemann geworden ist, ist nur im Ansatz zutreffend. Diese Auffassung blendet den Umstand aus, dass der Erbvertrag eine sog. Wiederverheiratungsklausel dergestalt enthält, dass die Erbeinsetzung nur als Vorerbeneinsetzung gelten soll, wenn der überlebende Ehegatte erneut heiratet. Eine derartige Klausel ist wirksam und wird von der h.A. als auflösend bedingte Einsetzung des Überlebenden zum Vollerben unter gleichzeitiger, aufschiebend bedingter Anordnung einer Nacherbfolge eingeordnet (vgl. nur BGH NJW 1988, 59; Staudinger/Avenarius, BGB, Aufl. 2003, § 2100 Rdn.33 m.w.N.). Ob der überlebende Ehegatte Vollerbe oder lediglich Vorerbe ist, steht danach letztlich erst mit seinem Tod oder einem dauerhaften Verlust der Geschäftsfähigkeit (§ 1304 BGB) fest. Dementsprechend lässt sich auch erst in diesem Zeitpunkt beurteilen, inwieweit seine lebzeitigen Verfügungen über Nachlassgegenstände nach den §§ 2112 ff BGB zu beurteilen sind. Hieraus folgert die h.A. zu Recht, dass die Schutzvorschriften zugunsten des Nacherben grundsätzlich auch bereits vor Bedingungseintritt anzuwenden sind, da der Überlebende andernfalls die durch die Wiederverheiratungsklausel gewollte Bindung jederzeit unterlaufen könnte (Avenarius, a.a.O. m.w.N.; BeckOK-BGB/Litzenburger, Stand 2010 § 2269 Rdn.35f).
Zu den Vorschriften, die den Schutz des Nacherben realisieren, gehört § 51 GBO, der die verfahrensrechtliche Umsetzung des § 2113 BGB darstellt. Daher entspricht es, soweit ersichtlich, allgemeiner Auffassung, dass auch bedingte oder befristete Einsetzungen eines Nacherben nach § 51 GBO eintragungspflichtig sind (OLG Braunschweig RPfleger 1991, 204f; Senat OLGZ 1976, 180, 186; Demharter, a.a.O. Rdn.3 und 6; Bauer/v.Oefele/Schaub, GBO, 2.Aufl., § 51 Rdn.68; Hügel/Zeiser, GBO Stand 2011, § 51 Rdn.38; Burandt/Rojahn/Egerland, Erbrecht, § 51 GBO Rdn.2).
Nach alledem ist das Grundbuchamt vorliegend zu Recht davon ausgegangen, dass die Eintragung eines Nacherbenvermerks erforderlich ist. Der Senat teilt auch die Auffassung des Grundbuchamtes, dass die weiteren von den Beteiligten vorgelegten Urkunden diese Eintragung nicht entbehrlich machen.
Die Eintragung eines Nacherbenvermerks ist zunächst nicht aufgrund der Verzichtserklärungen der Söhne der Beteiligten zu 2) entbehrlich. Allerdings kann die Eintragung eines Nacherbenvermerks nach § 51 GBO unterbleiben, wenn alle Nacherben auf ihr Nacherbenrecht verzichtet haben (Demharter, a.a.O. Rdn.26). Nach dem Inhalt des Erbvertrages sind jedoch die gemeinschaftlichen ehelichen Abkömmlinge der Eheleute zu (bedingten) Nacherben eingesetzt und zwar „nach den Regeln der gesetzlichen Erbfolge“. Damit verweist die erbvertragliche Regelung nach ihrem nächstliegenden Sinn jedoch auch auf die gesetzliche Bestimmung des § 1924 BGB. Da die ehelichen Abkömmlinge nicht namentlich benannt sind, steht derzeit also noch nicht fest, wer -Söhne oder Enkelkinder- bei Eintritt des Nacherbenfalls zum Nacherben berufen wäre. Auch der Sohn des Erblassers N ist durch sein Vorversterben danach zwar selbst als möglicher Nacherbe weggefallen, an seine Stelle sind jedoch seine Abkömmlinge getreten. Dementsprechend kann ein wirksamer Verzicht gegenwärtig allenfalls durch einen zu bestellenden Pfleger für die derzeit unbekannten Nacherben erklärt werden.
Keinerlei Auswirkung auf die hier maßgebende Rechtslage kann die letztwillige Verfügung der Beteiligten zu 2) vom 04.11.2009 haben. Da die Beschwerde sich auf diese auch nicht mehr beruft, beschränkt sich der Senat auf den Hinweis, dass der Beteiligten zu 2) nach dem Inhalt des Erbvertrages nicht die Bestimmung der Nacherben nach dem Erblasser vorbehalten ist, was rechtlich unmöglich wäre, sondern die Bestimmung der Schlusserben nach ihr für den Fall, dass die Bedingung für die Vor- und Nacherbschaft nicht eintritt.
Ist nach alledem die Auffassung des Amtsgerichts zutreffend, dass vorliegend die Grundbuchberichtigung nicht ohne die Eintragung eines Nacherbenvermerks erfolgen darf, so ist ein Erbschein doch kein geeignetes Mittel, um dem vorliegenden Berichtigungsantrag zum Erfolg zu verhelfen. Denn es steht nach dem oben Gesagten bereits jetzt fest, dass die Beteiligte zu 2) keinen Erbschein erhalten wird, der sie als unbeschränkte Vollerbin ausweist.
Allerdings kann und soll das Grundbuchamt einen Erbschein verlangen, wenn Uneinigkeit darüber besteht, ob eine Nacherbschaft angeordnet ist (OLG Stuttgart RPfleger 1975, 135f; Schaub, a.a.O. Rdn.27 m.w.N.). Eine derartige, in der Regel auf unterschiedlichen Auslegungsergebnissen beruhende Uneinigkeit mag das Verlangen nach der Vorlage eines Erbscheins rechtfertigen. Darum geht es hier aber nicht. Die Beteiligten stellen nicht in Abrede, dass der Erbvertrag eine bedingte Nacherbeneinsetzung beinhaltet. Sie vertreten vielmehr die Auffassung, dass die Berichtigung des Grundbuchs unter den obwaltenden Umständen gleichwohl ohne die Eintragung eines Nacherbenvermerks zulässig sei. In dieser Situation zeigt das Verlangen nach einem Erbschein einen Weg zur Behebung des Eintragungshindernisses auf, der sowohl aus der Sicht des Grundbuchamtes als auch derjenigen der Beteiligten von vorneherein keinen Erfolg verspricht. Die Zwischenverfügung, die allein Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist, war daher aufzuheben.
Für das weitere Verfahren bemerkt der Senat Folgendes:
Ohne die Eintragung eines Nacherbenvermerks kann der Antrag auf Berichtigung hier nur vollzogen werden, wenn die formgerechte Verzichtserklärung eines Pflegers für die unbekannten Nacherben beigebracht würde (vgl. oben). Da dieser Weg aus tatsächlichen Gründen wenig aussichtsreich und in jedem Fall sehr zeitintensiv wäre, hat der Senat davon abgesehen, diese Möglichkeit zur Behebung des Eintragungshindernisses im Wege einer abändernden Entscheidung zum Gegenstand der Zwischenverfügung zu machen.
Im Übrigen könnte die Berichtigung unter gleichzeitiger Eintragung eines Nacherbenvermerks erfolgen, wenn die Beteiligten ihren Antrag vom 28.10.2009 zurücknehmen und damit die Bedingtheit des Berichtigungsantrages aufheben. Das Grundbuchamt wird den Beteiligten Gelegenheit geben müssen, sich hierzu zu erklären. Sollten die Beteiligten auf dem bedingten Berichtigungsantrag beharren, bleibt dem Grundbuchamt nur die Möglichkeit, sämtliche Anträge zurückzuweisen und im Weiteren ein Vorgehen nach den §§ 82ff GBO zu prüfen.