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Grundbuchberichtigung – unwirksamer Grundstückskaufvertrag bei Geschäftsunfähigkeit Verkäufer

LG München II – Az.: 2 T 2629/19 – Beschluss vom 24.07.2019

1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss des Amtsgerichts Miesbach vom 15.05.2019, Az. (4) 12 C 66/19, aufgehoben.

2. Im Grundbuch von Miesbach für Xxx, Fl.St. 564/2 und 564/9, Bl. 1440, wird zugunsten der Erbengemeinschaft zu Frau D. Sch…, verstorben am ….2015, bestehend aus Herrn Dr. E. A…, D.str. 4, …, Herrn O. A…, Xxxstr. 8, …, und Frau R. …, geb. A…, …, … ein Widerspruch gegen das Eigentumsrecht der Antragsgegner eingetragen.

3. Die Antragsgegner tragen als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits.

Gründe

I.

Die Antragsteller begehren im Wege der einstweiligen Verfügung die Eintragung eines Widerspruchs zugunsten der Erbengemeinschaft nach D. … gegen das Eigentumsrecht der Antragsgegner an den im Grundbuch von Miesbach für Xxx eingetragenen Grundstücken Fl.St. 564/2 und 564/9, Bl. 1440.

Mit notariellem Kaufvertrag vom 27.01.2013 erwarben die Beklagten von der Erblasserin, vertreten unter Vorlage einer am 01.12.2011 ausgestellten Vorsorgevollmacht durch Dr. E. …, das Grundstück mit der damaligen Fl.St. 564/2, aus dem mittlerweile das Grundstück Fl.St. 564/9 herausgemessen wurde.

Das Landgericht Traunstein hat mit Endurteil vom 07.09.2018 festgestellt, dass die Kläger Miterben zu je 1/3 nach der Erblasserin geworden sind. Das Landgericht Traunstein führt in seinem Urteil aus, dass das notarielle Testament der Erblasserin vom 01.12.2011 unwirksam ist, da die Erblasserin nicht testierfähig war. Daher ist gesetzliche Erbfolge eingetreten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gründe Bezug genommen.

Die Antragsteller sind der Ansicht, der notarielle Kaufvertrag zwischen der Erblasserin und den Antragsgegnern sei unwirksam, da die am 01.12.2011 von der Erblasserin ausgestellte Vorsorgevollmacht ebenso wie das notarielle Testament vom 01.12.2011 wegen Geschäfts- und Testierunfähigkeit der Erblasserin unwirksam sei. Daher stehe die Eintragung der Antragsgegner im Grundbuch mit der materiellen Rechtslage im Widerspruch, so dass ein Berichtigungsanspruch nach § 894 BGB bestehe. Zur Sicherung sei die vorliegende einstweilige Verfügung, gerichtet auf einen Widerspruch, erforderlich.

Die Antragsteller beantragten:

Im Grundbuch von Miesbach für Xxx, Fl.St. 564/2 und 564/9, Bl. 1440, wird zugunsten der Erbengemeinschaft zu Frau D. …, verstorben am …2015, bestehend aus Herrn Dr. E. A…, D.str. 4, …, Herrn O. A…, Xxxstr. 8,…, und Frau R. …, geb. A…, …, … ein Widerspruch gegen das Eigentumsrecht der Antragsgegner eingetragen.

Die Antragsgegner beantragten, den Antrag abzuweisen.

Sie sind der Ansicht, es bestehe keine die Eintragung eines Widerspruchs gemäß § 899 I BGB rechtfertigende Unrichtigkeit des Grundbuchs im Sinne des § 894 BGB. Ausschlaggebend sei, ob zum Zeitpunkt der Grundbucheintragung am 04.06.2013 die Eintragung falsch war. Dies sei nicht der Fall gewesen. Die Nichtigkeit der materiell-rechtlichen Vollmacht führe lediglich dazu, dass der abgeschlossene Kaufvertrag schwebend unwirksam sei, nicht aber nichtig. Zudem fehle es an der Glaubhaftmachung der Passivlegitimation. Offensichtlich sei übersehen worden, dass die streitgegenständlichen Grundstücke mit einem anderen Grundstück verschmolzen worden seien und hinterher eine Realteilung vorgenommen, nach der Realteilung ein Grundstücksanteil übertragen worden sei und nicht mehr im Eigentum der Antragsgegner stehe. Die Antragsteller hätten auch nicht das im Antrag genannte Grundstück mit der Fl.Nr. 564/9 erworben.

Das Amtsgericht hat mit Verfügung vom 14.03.2019 die Antragsteller darauf hingewiesen, dass nach derzeitiger Rechtsauffassung durch die vorgelegte Vorsorgevollmacht des Vertreters bei Kaufvertragsschluss mit den Antragsgegnern eine Rechtsscheinsvollmacht nach § 172 BGB begründet worden sei. Eine Unrichtigkeit des Grundbuchs dürfte damit nicht vorliegen. Auf die weiteren Ausführungen wird Bezug genommen.

Die Parteien haben hierauf Stellung genommen. Auf die schriftsätzlichen Ausführungen wird Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 15.05.2019 hat das Amtsgericht ohne mündliche Verhandlung den Antrag der Antragsteller auf Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung zurückgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits den Antragstellern auferlegt. Zur Begründung führt es aus, ein Verfügungsanspruch sei weder schlüssig vorgetragen noch hinreichend glaubhaft gemacht. Ein Verfügungsanspruch sei bereits nach dem eigenen Vorbringen der Antragsteller zu verneinen. Die Antragsgegner seien wirksam Eigentümer des Grundstücks geworden. Durch die vorgelegte Vorsorgevollmacht sei eine Rechtsscheinsvollmacht begründet worden. Der Rechtsschein sei der Erblasserin zurechenbar. Da die Antragsgegner gutgläubig gewesen seien, bestehe eine Rechtsscheinvollmacht, die dem Mangel an Vertretungsmacht abhelfe, wenn die Vollmacht infolge der Geschäftsunfähigkeit der Vollmachtgeberin nicht wirksam ist. Auf die weiteren Ausführungen wird Bezug genommen. Im Übrigen hätten die Antragsteller ihre Erbenstellung nicht – wie grundbuchrechtlich nach § 35 GBO vorgeschrieben – durch Vorlage eines Erbscheins nachgewiesen.

Die Antragsteller haben gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 21.05.2019 zugestellten Beschluss vom 15.05.2019 mit Schriftsatz vom 28.05.2019, bei Gericht im Original am 31.05.2019 eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt. Auf die zur Begründung gemachten Ausführungen der Antragsteller und die daraufhin erfolgte Stellungnahme der Antragsgegner wird Bezug genommen.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 15.07.2019 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt.

II.

Die fristgerecht eingereichte sofortige Beschwerde ist begründet. Die Antragsteller haben einen Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht. Ein Verfügungsgrund ist nicht notwendig (§ 899 II S. 2 BGB).

1. Die Antragssteller haben glaubhaft gemacht, dass das Grundbuch hinsichtlich des Eigentumsrechts der Antragsgegner an den streitgegenständlichen Grundstücken unrichtig ist im Sinne des § 894 BGB. Daher war nach § 899 I die Eintragung des beantragten Widerspruchs im Grundbuch anzuordnen.

a. Die Antragsgegner haben unstreitig das Grundstück Fl.St. 564/2 erworben. Die Antragsteller haben vorgetragen, aus diesem Grundstück sei das Grundstück Fl.St. 564/9 herausgemessen worden. Dies haben die Antragsgegner nicht ausdrücklich bestritten. Ihren Vortrag, sie seien nicht mehr Eigentümer des nach einer Realteilung entstandenen Grundstücks haben sie nicht glaubhaft gemacht. Aus den vorgelegten Grundbuchauszügen ergibt sich dies nicht. Vorliegend geht es um die Sicherung der Rechte der Antragsteller. Daher kann die genaue Grundstückssituation im Hauptsacheverfahren geklärt werden. Die Passivlegitimation der Antragsgegner war daher zu bejahen.

b. Die Antragsteller haben glaubhaft gemacht, dass die Erblasserin zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Kaufvertrages und der Ausstellung der Vorsorgevollmacht geschäfts- und testierunfähig war. Sie haben hierzu das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 07.09.2018 vorgelegt. Das Landgericht Traunstein kommt nach den dort getroffenen Feststellungen zum Ergebnis, dass die Erblasserin am 01.12.2011 als sie ein notarielles Testament errichtete testierunfähig war. Auf die Ausführungen des Landgerichts Traunstein wird Bezug genommen. Am selben Tag hat die Erblasserin die Vorsorgevollmacht ausgestellt, aufgrund derer es dann zum Abschluss des Kaufvertrags mit den Antragsgegnern kam. Für diesen Zeitpunkt haben die Antragsteller damit die Geschäftsunfähigkeit der Erblasserin glaubhaft gemacht. Rechtsfolge der Ausstellung der Vorsorgevollmacht durch die nach § 104 Nr. 2 BGB geschäftsunfähige Erblasserin ist gemäß § 105 BGB die Nichtigkeit der Vorsorgevollmacht.

c. Für die Anwendung des § 172 BGB ist hier kein Raum. Dieser setzt voraus, dass der Vertretene bei Vornahme des Kundgabeakts geschäftsfähig war (Palandt/Ellenberger, BGB, 78. A., § 172 Rz. 1 mHa BGH NJW 1977, 623, BB 2004, 683). Die §§ 104 ff. BGB kennen keinen Schutz des guten Glaubens an die unbeschränkte Geschäftsfähigkeit einer Person. Vielmehr ist nach dem Gesetz der Schutz Geschäftsunfähiger gegenüber dem Schutzbedürfnis des Verkehrs vorrangig. Daher sind die Vorschriften der §§ 171, 172 BGB auf geschäftsunfähige Personen nicht anwendbar, falls vor Erteilung der Vollmacht nicht die Einwilligung der gesetzlichen Vertreter vorlag. Denn es ist Voraussetzung des Schutzes des guten Glaubens, dass die Vollmacht durch gegenüber dem Dritten abgegebene Willenserklärung gültig entstanden war (BGH NJW 1977, 622, beck-online). Eine Vollmacht, die der Geschäftsunfähige ausstellt, ist wegen § 105 I BGB nichtig. Damit kommt es nicht zur Vermittlung einer rechtsgeschäftlichen Vertretungsmacht, der (vermeintlich) rechtsgeschäftliche Vertreter handelt als falsus procurator. Einen Rechtsschein im Hinblick auf die Geschäftsfähigkeit des Vertretenen kennt das BGB ebenfalls nicht. Die Geschäftsunfähigkeit hat auch Auswirkungen auf die gesetzlichen Rechtsscheintatbestände der §§ 171, 172 BGB, weil es sich sowohl bei der Kundgabe an einen Dritten oder der öffentlichen Bekanntmachung nach § 171 BGB als auch bei der Aushändigung der Vollmachtsurkunde nach § 172 BGB um rechtsgeschäftsähnliche Handlungen handelt, auf die §§ 104 ff BGB entsprechend anwendbar sind (siehe MüKoBGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, BGB § 171 Rn. 7), weshalb der Geschäftsunfähige hier kein schützenswertes Vertrauen auslösen kann (Staudinger/Klumpp (2017) Vorbemerkungen zu §§ 104 ff, Rn. 59). Der Vollmachtgeber muss daher bei der Kundgabe geschäftsfähig sein (MüKoBGB/Schubert, 8. Aufl. 2018, BGB § 171 Rn. 7). Dies war die Erblasserin hier nicht.

d. Da die Willenserklärung der Erblasserin bei Abschluss des notariellen Kaufvertrags unwirksam war, ist der notarielle Kaufvertrag und auch die Auflassung unwirksam. Die Erblasserin konnte den Antragsgegnern kein Eigentum an dem Grundstück verschaffen. Die Eintragung der Antragsgegner im Grundbuch als Eigentümer des Grundbuchs entspricht daher nicht der tatsächlichen Rechtslage.

e. § 35 GBO, den das Amtsgericht zitiert hat, kommt hier nicht zur Anwendung. Diese Vorschrift kommt zur Anwendung, wenn jemand einen Eintragungsantrag direkt beim Grundbuchamt stellt. Hier geht es um einen Antrag bei Gericht, der die Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch anordnet. Die Vorlage eines Erbscheins ist hier nicht erforderlich.

f. Das vom Antragsgegner zitierte Urteil des Landgerichts München II vom 25.05.2016, Az.: 3 O 1996/16, steht hier nicht entgegen. Im dortigen Fall ging es nicht um die Frage der Geschäftsunfähigkeit.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 ZPO.

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