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Grundbuchberichtigung – Nichtexistenz der Rücktrittserklärung von einem Erbvertrag

OLG Zweibrücken – Az.: 3 W 22/14 – Beschluss vom 11.07.2014

Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Bingen am Rhein vom 14. Februar 2014 aufgehoben und das Amtsgericht – Grundbuchamt – Bingen am Rhein angewiesen, über den Grundbuchberichtigungsantrag unter Beachtung der Rechtsansicht des Senats neu zu befinden.

Gründe

I.

Die Beteiligte ist die Witwe des am 2. Mai 2012 gestorbenen und im Grundbuch zusammen mit ihr zu je ½ – Anteil eingetragenen Eigentümers des vorbezeichneten Grundstücks. Die Eheleute hatten am 29. März 2012 einen notariellen Erbvertrag geschlossen, durch den sie sich gegenseitig zu Erben einsetzten, wobei sie sich das Recht eines jederzeitigen und nicht von Bedingungen abhängigen Rücktritts von dem Erbvertrag vorbehielten. Der Erbvertrag wurde am 15. Mai 2012 durch das Nachlassgericht eröffnet.

Mit Mitteilung vom 11. Juni 2012 unterrichtete die Nachlassabteilung des Amtsgerichts das Grundbuchamt von dem Erbfall unter Übersendung von Abschriften des Eröffnungsprotokolles sowie des mit einem Eröffnungsvermerk versehenen Erbvertrages.

Nach entsprechender Aufforderung durch das Grundbuchamt hat die Beteiligte unter Bezugnahme auf den Inhalt der Nachlassakte unter dem 5. Februar 2014 die Grundbuchberichtigung beantragt, wonach sie nunmehr alleinige Eigentümerin des Grundstücks sei.

Mit Zwischenverfügung vom 14. Februar 2014 hat das Grundbuchamt der Beteiligten aufgegeben, entweder den nicht erfolgten Rücktritt vom Erbvertrag in notarieller Urkunde eidesstattlich zu versichern oder einen Erbschein vorzulegen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten, der der Rechtspfleger nicht abgeholfen und die er dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.

II.

1. Die Beschwerde ist nach § 71 Abs. 1 GBO zulässig. Der Senat ist nach §§ 72, 81 Abs. 1 GBO für die Entscheidung über die Beschwerde zuständig.

2. Die Beschwerde ist begründet. Im Einzelnen gilt folgendes:

a) Ist das Grundbuch durch den Tod des eingetragenen dinglich Berechtigten unrichtig geworden, ist es nach § 22 GBO zu berichtigen. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO ist der Nachweis der Erbfolge gegenüber dem Grundbuchamt dabei grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen. Beruht die Erbfolge – wie hier – auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, genügt jedoch anstelle eines Erbscheines zunächst die Vorlage dieser Urkunde sowie der Eröffnungsniederschrift. Erachtet das Grundbuchamt sodann die Erbfolge alleine durch diese Urkunden nicht für nachgewiesen, so kann es nach § 35 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 GBO wiederum die Vorlegung eines Erbscheins verlangen.

b) Der Senat stimmt mit dem Rechtspfleger im Ausgangspunkt darin überein, dass das Grundbuchamt grundsätzlich berechtigt ist, außer den in § 35 GBO ausdrücklich erwähnten Urkunden auch die Vorlage anderer Dokumente zu verlangen, insbesondere eine vor einem Notar abgegebene, eidesstattliche Versicherung betreffend den Nichteintritt eines bestimmten Ereignisses. Dass der Nachweis erbfolgerelevanter, insbesondere negativer Tatsachen auch durch andere Urkunden geführt werden kann, entspricht der in der Rechtsprechung einhellig vertretenen Auffassung (vgl. BayObLG, FamRZ 2001, 43 m.w.N.; OLG Frankfurt, FamRZ 2014, 339 m.w.N.).

Ob eine solche Beweisführung im Besonderen dann erforderlich und geboten ist, wenn – wie hier – eine in einer öffentlichen Urkunde enthaltene letztwillige Verfügung einen Rücktrittsvorbehalt enthält, ist in Rechtsprechung und Literatur hingegen umstritten. Die Erforderlichkeit des Nachweises des nichterfolgten, vertraglich vorbehaltenen Rücktritts vom Erbvertrag bejaht hat das OLG München (FamRZ 2012, 1007), verneint hingegen das OLG Düsseldorf (FamRZ 2013, 195; zum Streitstand vgl. auch Litzenburger, FD-ErbR 2013, 346364).

c) Wie diese Rechtsfragen generalisierend zu beantworten ist, kann der Senat im hier zu entscheidenden Fall offen lassen. Eines wie auch immer zu führenden, weitergehenden Nachweises bedarf es in der vorliegenden Fallkonstellation jedenfalls dann nicht, wenn die Antragstellerin – wie hier – zulässigerweise zum Nachweis der Grundbuchunrichtigkeit Bezug nimmt auf den Inhalt der Nachlassakte. Insoweit gilt folgendes:

Es ist anerkannt, dass der die Berichtigung des Grundbuchs beantragende Erbe die Erbfolge nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO nicht nur durch Vorlegung der letztwilligen Verfügung oder des Erbscheins führen kann, sondern diese Vorlegung durch Verweisung auf die Nachlassakten ersetzen kann, wenn diese beim selben Amtsgericht geführt werden (BGH NJW 1982, 170; Thüringer OLG, Beschluss vom 26.11.2013, 9 W 568/13, juris, BeckOK GBO/Kral GBO § 10 Rn. 5). So liegt der Fall hier. Die Beteiligte hat zum Nachweis der erbfolgerelevanten Urkunden auf die bei demselben Amtsgericht geführte Nachlassakte verwiesen.

Ob von dem erbvertraglich eingeräumten Rücktrittsrecht, welches nach § 2296 Abs. 2 Satz 2 BGB der notariellen Beurkundung bedarf, Gebrauch gemacht wurde, ergibt sich indes aus der Nachlassakte:

Nach § 34a BeurkG übermittelt der Notar nach Errichtung einer solchen erbfolgerelevanten Urkunde die Verwahrangaben an das Zentrale Testamentsregister. Sterbefälle werden nach § 78 c Satz 1 BNotO durch die das Sterberegister führenden Behörden an die Registerbehörde übermittelt. Nach Satz 2 dieser Vorschrift prüft die Registerbehörde daraufhin, ob im Zentralen Testamentsregister Angaben über erbfolgerelevante Urkunden vorliegen und benachrichtigt nach Satz 3 unverzüglich das zuständige Nachlassgericht und den verwahrenden Notar über den Sterbefall und etwaige Angaben über relevante Urkunden. Befindet sich ein Erbvertrag in der Verwahrung des Notars, liefert der Notar ihn sodann an das Nachlassgericht ab, in dessen Verwahrung er danach verbleibt. Enthält eine sonstige Urkunde Erklärungen, nach deren Inhalt die Erbfolge geändert werden kann, so teilt der Notar auch diese Erklärungen dem Nachlassgericht nach dem Eintritt des Erbfalls in beglaubigter Abschrift mit. Hat das Nachlassgericht entsprechende Mitteilungen nicht erhalten, so kann deshalb davon ausgegangen werden, dass es sie nicht gibt. Auch wenn eine notariell beurkundete Rücktrittserklärung von dem Nachlassgericht nicht nach §§ 348 ff FamFG eröffnet wird, weil es sich hierbei nicht um eine Verfügung von Todes wegen handelt (vgl. § 1937 BGB), und sie deshalb auch in keinem Eröffnungsprotokoll Erwähnung findet, so ergibt sich ihre (Nicht-)Existenz gleichwohl aus dem Inhalt der Nachlassakte.

Zwar verlangt § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO den Nachweis der Erbfolge u.a. durch Vorlage des Eröffnungsprotokolls. Hält man indes für den Nachweis erbfolgerelevanter Tatsachen, insbesondere für deren Nichteintritt, über den Wortlaut des Gesetzes hinaus auch die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung für zulässig, einer in § 35 Abs. 1 Satz 2 GBO ebenfalls nicht erwähnten Nachweisführung, dann ist nicht ersichtlich, weshalb nicht auch aus dem Schweigen der ohnehin beizuziehenden und vom Grundbuchamt zu verwertenden Nachlassakte dieselbe Erkenntnis gewonnen werden kann. Eine für das Grundbuchamt unzumutbare Nachforschung sieht der Senat für den Fall, dass das Grundbuchamt die Nachlassakte ohnehin beizuziehen hat, hierin nicht (a.A. Litzenburger, FD-ErbR 2013, 346364). Diesem Schweigen der Nachlassakte zur Nichtausübung des Rücktrittsrechts kommt nach Ansicht des Senats in Anbetracht der geschilderten Rechtslage betreffend die verschiedenen Mitteilungspflichten auch kein geringerer Beweiswert zu als er der eidesstattlichen Versicherung des die Grundbuchberichtigung Beantragenden zukäme.

3. Eine Entscheidung über die Kostentragung sowie über die Festsetzung des Geschäftswertes erübrigt sich. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde kommt nicht in Betracht, weil die Beteiligte durch die Entscheidung des Senats nicht beschwert ist.

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