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Grundbuchberichtigung nach fehlerhaftem Eintrag eines Vormerkungsberechtigten

OLG Stuttgart – Az.: 8 W 125/19 – Beschluss vom 06.10.2020

1. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird die Zwischenverfügung des Amtsgerichts Ravensburg – Grundbuchamt – vom 28.03.2019, Az. RAV012 GRG 322/2019, aufgehoben.

2. Die Sache wird zur Behandlung und Entscheidung in eigener Zuständigkeit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats an das Amtsgericht Ravensburg – Grundbuchamt – zurückgegeben.

3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

Am 18.06.2018 schlossen die Antragstellerin und Herr M. F. vor Notar … …, …, unter Urkundenrolle … einen Vertrag betreffend die Überlassung einer Grundstücksfläche von 304 qm durch M. F. an die Antragstellerin zu Alleineigentum. Dabei wurde ein bedingter und befristeter Rückübertragungsanspruch des M. F. in den Vertrag aufgenommen und dessen Sicherung durch eine befristete Vormerkung vereinbart. Die Eintragung dieser Vormerkung wurde im Rahmen des Notarvertrages bewilligt und beantragt.

Am 17.12.2018 wurde die Rückerwerbsvormerkung in Abteilung II unter laufender Nummer 1 im Grundbuch eingetragen, wobei auf Grund eines Versehens des Grundbuchamtes A. F. als Vormerkungsberechtigter eingetragen wurde (Vormerkung II/1). Der beurkundende Notar hat mit Schreiben an das Grundbuchamt vom 21.12.2018 auf die fehlerhafte Eintragung hingewiesen und um Berichtigung gebeten. Das Grundbuchamt hat in der Folge am 14.01.2019 einen Amtswiderspruch gegen die Eintragung des falschen Berechtigten eingetragen, des Weiteren wurde in Abteilung II unter laufender Nummer 2 eine Vormerkung zugunsten des richtigen Berechtigten (Vormerkung II/2) eingetragen. Im Weiteren hat die Rechtspflegerin des Grundbuchamts mitgeteilt, eine Löschung sei nur mit Vorlage einer Löschungsbewilligung des eingetragenen Berechtigten möglich. Der Name des tatsächlich eingetragenen Berechtigten sowie dessen Geburtstag seien richtig. Daher sei nicht die Bezeichnung des Berechtigten falsch eingetragen, sondern der Berechtigte selbst. Es handle sich um eine existente Person.

Mit Schreiben an das Grundbuchamt vom 04.03.2019 hat die Antragstellerin als nunmehrige Eigentümerin die Löschung der Vormerkung II/1 wegen Unrichtigkeit des Grundbuchs beantragt und zum Nachweis auf die Bewilligung vom 18.06.2018 Bezug genommen. Aus ihr ergebe sich die Unrichtigkeit.

Im Rahmen einer Zwischenverfügung vom 28.03.2019 hat die Rechtspflegerin des Grundbuchamts mitgeteilt, zum Vollzug des Löschungsantrages vom 04.03.2019 bedürfe es noch der Löschungsbewilligung des Vormerkungsberechtigten A. F. in der Form des § 29 GBO. Eine Löschung auf Grund Unrichtigkeitsnachweises mithilfe der Urkunde … vom 18.08.2018 scheide leider aus. Der Bundesgerichtshof habe in seiner Entscheidung vom 26.11.1999 (Az. V ZR 432/98, abgedruckt in NJW 2000, 805; ebenso BGH NJW 2008, 578) festgestellt, dass für die Eintragung der Vormerkung keine bestimmte Reihenfolge von Bewilligung und Eintragung vorgesehen sei. Durch eine nachträgliche Einigung werde das anfänglich unrichtige Grundbuch richtig. Eine bloße anfängliche Unrichtigkeit reiche aber für die Berichtigung nicht aus. Ein Nachweis über die nicht erfolgte nachträgliche Einigung sei in der Form des § 29 GBO zu erbringen. Im vorliegenden Fall könne dies jedoch nicht nachgewiesen werden. Die Urkunde UR … weise nicht nach, dass nicht zwischenzeitlich nach der Eintragung der Vormerkung eine der Vormerkung entsprechende Einigung stattgefunden habe. Es bedürfe daher der Löschungsbewilligung des Vormerkungsberechtigten. Diesbezüglich wurde eine Frist bis zum 15.05.2019 gesetzt, nach deren ergebnislosem Ablauf der bezeichnete Antrag zurückzuweisen sei.

Mit Schreiben an das Grundbuchamt vom 02.04.2019 legte der beurkundende Notar eine Stellungnahme des Deutschen Notarinstituts vom 06.02.2019 zu dem verfahrensgegenständlichen Vorgang vor und bat die zuständige Rechtspflegerin um Überprüfung ihrer Rechtsauffassung. Nachdem diese bei ihrer mitgeteilten Auffassung blieb, legte der beurkundende Notar für die Antragstellerin durch Schreiben vom 10.04.2019 Beschwerde gegen die Zwischenverfügung vom 28.03.2019 ein. Zur Begründung verwies er auf die Stellungnahme des Deutschen Notarinstituts und wies zudem darauf hin, dass die Auffassung der Rechtspflegerin schon aus praktischen Gründen nicht richtig sein könne.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Oberlandesgericht Stuttgart zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die gemäß § 71 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde der Antragstellerin hat in der Sache Erfolg. Die angegriffene Zwischenverfügung kann keinen Bestand haben.

1.

Eine Zwischenverfügung gemäß § 18 GBO dient dazu, der Eintragung den sich nach dem Eingang des Antrags bestimmenden Rang zu sichern, weshalb die gesetzliche Regelung sich ausschließlich auf solche Eintragungshindernisse bezieht, die mit Rückwirkung auf den Eintragungsantrag beseitigt werden können. Deshalb ist es nicht zulässig, mit einer Zwischenverfügung auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts hinzuwirken oder dem Antragsteller aufzugeben, eine erst noch zu erklärende Eintragungsbewilligung eines unmittelbar betroffenen Dritten beizubringen (BGH Rpfleger 2014, 580; OLG Köln RNotZ 2020, 282). Dies gilt nicht nur für Eintragungsbewilligungen, die eine Rechtsänderung zum Gegenstand haben, sondern auch für solche, die eine Grundbuchberichtigung herbeiführen sollen (BayObLG MittBayNot 1995, 42; OLG München, Beschluss vom 07.08.2012, Az. 34 Wx 76/12, zitiert nach JURIS).

Schon aus diesem formalen Grund kann die angegriffene Zwischenverfügung, die der Antragstellerin die Vorlage einer Löschungsbewilligung des A. F. ansinnt, keinen Bestand haben.

 

2.

Überdies besteht das vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis nicht. Die Unrichtigkeit des Grundbuches ist im vorliegenden Fall in der Form des § 29 GBO nachgewiesen.

Richtig ist im Ausgangspunkt, dass an die Führung des Unrichtigkeitsnachweises gemäß § 22 GBO strenge Anforderungen zu stellen sind, weil sonst am Verfahren nicht beteiligte Personen geschädigt werden könnten (Demharter, Grundbuchordnung, 31. Auflage 2018, § 22 GBO, Rdnr. 37 m.w.N.). Diese strengen Anforderungen sind hier aber erfüllt.

Es liegt im vorliegenden Fall eine – allein durch ein Versehen des Grundbuchamts verursachte – Divergenz zwischen Willenselement und Grundbucheintragung vor. Die Eintragungsbewilligung bezog sich auf eine Vormerkung zugunsten des Vertragspartners und Gläubigers des bedingten und befristeten Rückübereignungsanspruchs, M F., während die tatsächliche Eintragung A. F. als Berechtigten der Vormerkung II/1 ausweist. In einem solchen Fall tritt materiell keine Rechtsänderung ein, das Grundbuch wird mit der Eintragung unrichtig (vgl. Meikel/Böttcher, Grundbuchordnung, 11. Auflage 2015, § 22 GBO, Rdnr. 9). Bei einer solchen Divergenz zwischen Willenselement und Grundbucheintragung lässt sich der Unrichtigkeitsnachweis dadurch führen, dass die materiell-rechtlichen Erklärungen (Einigung, Auflassung, Aufgabeerklärung) in der Form des § 29 GBO vorgelegt werden (Meikel/Böttcher, a.a.O., § 22 GBO, Rdnr. 122; Schäfer in: Bauer/Schaub, Grundbuchordnung, 4. Auflage 2018, § 22 GBO, Rdnr. 180). Der notarielle Überlassungsvertrag vom 18.06.2018 liegt vor.

Keine andere Bewertung ergibt sich daraus, dass es vorliegend um die fehlerhafte Eintragung einer Vormerkung geht. Die Möglichkeit, dass zeitlich nach der Eintragung der Vormerkung II/1 eine der Vormerkung entsprechende Einigung stattgefunden hat („Aufladen“ der Vormerkung), stellt den Unrichtigkeitsnachweis nicht ohne Weiteres in Frage. Eine Einigung müsste durch die Eigentümerin erfolgt sein, die hier aber gerade von Anfang an die Berichtigung beantragt hat. Eigentümerin ist seit dem 17.12.2018 die nunmehrige Antragstellerin, am selben Tage ist die fehlerhafte Rückerwerbsvormerkung II/1 im Grundbuch eingetragen worden. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang überdies, dass generell die bloße Möglichkeit, dass der durch die Vormerkung gesicherte Anspruch nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erweitert oder durch einen anderen ersetzt wurde, die auch für das Grundbuchamt geltende, an die Grundbucheintragung einschließlich der in Bezug genommenen Eintragungsbewilligung anknüpfende Richtigkeitsvermutung des § 891 BGB nicht zu entkräften vermag (Demharter, Grundbuchordnung, 31. Auflage 2018, Anhang zu § 44 GBO, Rdnr. 90.3). Vor diesem Hintergrund erscheint es umgekehrt in der vorliegenden Konstellation folgerichtig, in jener bloßen Möglichkeit auch nicht ohne Weiteres ein Hindernis für die beantragte Berichtigung einer infolge eines bloßen Versehens des Grundbuchamts unrichtigen Eintragung zu sehen. Vor allem aber ist der Nachweis des Nichtbestehens der Vormerkung wegen Fehlens eines gesicherten Anspruchs im Einzelfall erbracht, wenn eine Anspruchssubstitution oder Anspruchsextension nicht nur höchst unwahrscheinlich, sondern bloß eine ganz entfernte theoretische Möglichkeit ist (KG Rpfleger 2011, 365; OLG Schleswig FGPrax 2011, 72; Schäfer in: Bauer/Schaub, a.a.O., § 22 GBO, Rdnr. 223). So liegen die Dinge hier. Gegenstand des Überlassungsvertrages vom 18.06.2018 ist die Überlassung des vertragsgegenständlichen Grundbesitzes durch M. F. als Eigentümer an die Antragstellerin als Erwerberin zu Alleineigentum. Der in Ziffer III. 3. des Überlassungsvertrages vereinbarte, bedingte und befristete Rückübertragungsanspruch des übertragenden Eigentümers M. F., sollte durch die Vormerkung gesichert werden, wie dies nunmehr durch Vormerkung II.2 auch geschieht. Die Möglichkeit, dass mit dem allein auf Grund eines Versehens des Grundbuchamt als Vormerkungsgläubiger in das Grundbuch gelangten A. F. entsprechend den Ausführungen des Grundbuchamts in der angegriffenen Zwischenverfügung eine „der Vormerkung entsprechende Einigung“ stattgefunden hat, ist angesichts der hier gegebenen besonderen Umstände als bloß ganz entfernte theoretische Möglichkeit im oben genannten Sinne einzustufen.

Die von der Rechtspflegerin zwischenzeitlich im Verfahren geäußerte Auffassung, wonach eine Löschung der Vormerkung II/1 zur Folge hätte, das Grundbuch sehenden Auges unrichtig zu machen, kann nicht nachvollzogen werden.

Die Kostenentscheidung im Beschwerdeverfahren beruht auf § 81 FamFG.

Anlass für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde gemäß § 78 GBO besteht nicht.

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