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Grundbuchberichtigung nach dem Eintritt des Nacherbfalls Eigentümereintragung auf Nacherben

OLG München – Az.: 34 Wx 502/13 – Beschluss vom 14.03.2014

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des Amtsgerichts Sonthofen – Grundbuchamt – vom 13. November 2013 aufgehoben.

II. Die Sache wird zur anderweitigen Prüfung und Entscheidung an das Grundbuchamt Sonthofen zurückverwiesen.

Gründe

I.

Im Grundbuch sind die Beteiligte und ihr Bruder Anton N. (junior) zu je 1/2 nach ihrem am 21.11.2002 verstorbenen Vater Anton N. (senior) teils aufgrund Erbschein vom 8.5.2003, teils aufgrund Auflassung vom 28.5.2003 als Eigentümer eingetragen. Hinsichtlich des Anteils von Anton N. (junior) findet sich in Abt. II. 2 ein Nacherben- und Ersatznacherbenvermerk. Hiernach ist Nacherbin nach Anton N. die Beteiligte, Ersatznacherben sind die Abkömmlinge der Nacherbin zu gleichen Teilen. Für den Anteil von Anton N. (junior) ist weiter ein Testamentsvollstreckervermerk eingetragen (Abt. II. 3). In Abt. II. 4 findet sich schließlich – am gesamten Grundbesitz – ein Wohnungsrecht für Anton N. (junior), löschbar bei Todesnachweis.

Die Beteiligte, ihre Mutter sowie ihr Bruder Anton N. (junior) haben sich zu notarieller Urkunde vom 28.5.2003 über den zum Nachlass gehörenden Grundbesitz, u. a. das gegenständliche Grundstück, umfassend auseinandergesetzt.

Der Vorerbe Anton N. (junior) ist am 12.8.2013 verstorben. Das Nachlassgericht hat den Erbschein vom 8.5.2003 über das Erbrecht nach Anton N. (senior) am 18.9.2013 als unrichtig eingezogen. Gemäß neu erteiltem Erbschein vom 29.10.2013 ist dieser infolge des durch den Tod des Vorerben eingetretenen Nacherbfalles beerbt worden von der Beteiligten und deren Mutter Josefine N. je zu 1/2.

Zu Protokoll des Nachlassgerichts hat die Beteiligte am 25.10.2013 „die Berichtigung des Grundbuchs für … samt Eintragungen in Abteilung II/2 – 4“ beantragt. Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 13.11.2013 den Antrag zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, dem Berichtigungsantrag nach Eintritt des Nacherbfalles könne nicht stattgegeben werden. Die (drei) Erben nach Anton N. (senior) hätten sich zu notarieller Urkunde vom 28.5.2003 dergestalt auseinandergesetzt, dass der Grundbesitz zu Miteigentum auf die beiden Erben Anton N. (junior) und die Beteiligte zu je 1/2 übergehen solle. Dies sei so vollzogen worden. Damit sei die Erbengemeinschaft nicht mehr existent gewesen und der Nacherbenvermerk hätte nicht mehr ins Grundbuch eingetragen werden dürfen.

Das Grundbuch könne nur aufgrund eines Erbscheins nach Anton N. (junior) berichtigt werden. Der Antrag auf Berichtigung sei insgesamt „präziser zu stellen“.

Hiergegen richtet sich die zu Protokoll eingelegte Beschwerde der Beteiligten, der das Grundbuchamt nicht abgeholfen hat.

II.

Die nach § 71 Abs. 1, § 73 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GBO wirksam eingelegte Beschwerde, die auf die nachgewiesene Nacherbenstellung für den Erbfall von Anton N. (senior) nach dem Ableben des Vorerben Anton N. (junior) gestützt wird, hat Erfolg. Die Ansicht des Grundbuchamts, die begehrte Berichtigung durch Eintragung der Beteiligten nach dem als Vorerben eingetragenen Anton N. (junior) als (Mit-) Eigentümerin sowie in deren Folge die Löschung von Vermerken in Abt. II. 2 und 3 am Hälfteanteil des Bruders über die Nacherbfolge (§ 51 GBO) und die Testamentsvollstreckung (§ 52 GBO) erfordere einen Erbschein nach Anton N. (junior), kann der Senat im Ergebnis nicht teilen.

1. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO (die Sonderregelung in Abs. 3 für geringwertige Grundstücke scheidet aus) kann der Nachweis der Erbfolge nur durch einen Erbschein geführt werden. Der neu erteilte Erbschein nach Anton N. (senior) weist für das Grundbuchamt, regelmäßig verbindlich, die Erbfolge nach Anton N. (senior) aus; indessen ist dem Grundbuchamt darin zu folgen, dass die Umschreibung auf dieser Nachweisgrundlage nur dann vorgenommen werden kann, wenn der Hälfteanteil am Grundstück noch zum Nachlass von Anton N. (senior) gehört. Dies setzt die fortbestehende Nacherbenbindung voraus (Lang in Burandt/Rojahn Erbrecht § 2111 BGB Rn. 19). Ist der Anteil am Grundstück nach wirtschaftlichem Maßstab Surrogat für den Erbanteil (§ 2111 BGB), so bleibt er Teil dieses Nachlasses. Es rechnet dann nicht zum Nachlass des im Grundbuch als Vorerben ausgewiesenen Miteigentümers Anton N. (junior). Diese Rechtslage gestaltet sich unabhängig vom Vorhandensein des Nacherbenvermerks; denn dieser könnte unrichtig sein (dazu Demharter § 51 Rn. 40 ff.).

2. Aus dem Nachlass scheidet ein Nachlassgegenstand aus, wenn der Vorerbe darüber mit Wirksamkeit für den Nacherben verfügt hat (BayObLG Rpfleger 1988, 525). Anerkannt ist insoweit, dass es bei der Erbauseinandersetzung unter Beteiligung von Nacherben möglich ist, eine endgültige Auseinandersetzung vorzunehmen mit der Folge, dass die dem Vorerben übertragenen Gegenstände aus dem Nachlass ausscheiden und damit von der Nacherbeneinsetzung nicht mehr erfasst werden (vgl. BGH NJW-RR 217/218; auch BayObLG MittBayNot 2005, 239/240).

a) Das Grundbuchamt verweist in diesem Zusammenhang auf den vorliegenden als Erbauseinandersetzung bezeichneten Vertrag vom 28.5.2003. Dieser regelt unter Beteiligung der Mutter und ihrer beiden Kinder (des Vorerben sowie der Beteiligten) nach Maßgabe des seinerzeit vorliegenden Erbscheins die Zuteilung des im Nachlass befindlichen Grundvermögens, im Wesentlichen also des Anwesens B-Weg 4 an die Witwe und des Anwesens O. Straße 20 an deren beiden Kinder. Festgehalten ist dort, die vereinbarte Auseinandersetzung entspreche dem jeweiligen Wert der Beteiligung der Vertragsteile an der Erbschaft, Ausgleichszahlung sei nicht geschuldet. Die Vertragsteile seien sich darüber einig, dass der Nachlass damit auseinandergesetzt sei (Abschn. II.3.). Ausdrücklich ist die Eintragung des Nacherben- sowie des Testamentsvollstreckervermerks am Anteil von Anton N. (junior) beantragt (Abschn. II.7). Die Beteiligte hat in Abschn. VII. „sowohl als Nacherbin nach ihrem Bruder als auch in ihrer Eigenschaft als Testamentsvollstreckerin“ über dessen Erbteil am Nachlass von Anton N. (senior) vorbehaltlos zugestimmt.

b) Anders als dies das Grundbuchamt sieht, zeigt der in den Erklärungen der Urkundsbeteiligten zum Ausdruck gekommene Parteiwille deutlich auf, dass der Vertrag nur die Auseinandersetzung unter den Erben nach Anton N. (senior) regeln sollte, nicht hingegen eine vertragliche Auflösung des zwischen dem Vorerben und der Beteiligten als Nacherbin bestehenden Verhältnisses bezweckte (siehe dazu BGH NJW-RR 2001, 217/218; BayObLG MittBayNot 2005, 239/240; Palandt/Weidlich BGB 73. Aufl. § 2100 Rn. 18; Lang in Burandt/Rojahn § 2111 BGB Rn. 18 und 19). Dass die auf der Nacherbschaft beruhenden Bindungen verloren gehen und der unter Betreuung stehende Bruder der Beteiligten von nachlassrechtlichen Beschränkungen fortan befreit sein sollte, ist auch von der Interessenlage her völlig fernliegend. Demnach setzt sich die Nacherbfolge im Weg der dinglichen Surrogation (siehe § 2111 BGB) an dem Grundstücksmiteigentumsanteil fort, das der Vorerbe im Weg der Erbauseinandersetzung aus dem Nachlass erworben hat (OLG Hamm NJW-RR 2002, 1518; Palandt/Weidlich § 2111 Rn. 7). Der Hälfteanteil gehört nach wie vor zur Erbschaft des Anton N. (senior). Das von der Beteiligten geltend gemachte Recht leitet sich von diesem ab und nicht vom verstorbenen Vorerben (vgl. Palandt/Weidlich § 2100 Rn. 1). Dies wird in dem eingetragenen Nacherbenvermerk zutreffend dokumentiert.

c) Die Berichtigung (§ 22 GBO) des im Antrag bezeichneten Grundbuchs kann nicht bereits auf der Grundlage des die Beteiligte ausweisenden Nacherbenvermerks in Verbindung mit der Sterbeurkunde des Vorerben (siehe Senat vom 11.4.2011, 34 Wx 160/11 = FGPrax 2012, 173; Demharter § 35 Rn. 8 m. w. N.) bewirkt werden. Wohl aber kann sie auf der Grundlage des die Nacherbfolge bekundenden Erbscheins nach Anton N. (senior) vom 29.10.2013 vorgenommen werden. Dieser Erbschein weist die Beteiligte und deren Mutter als Erben zu 1/2 nach dem Eintritt des Nacherbfalls aus. Er trifft, isoliert betrachtet, aber keine Aussage, welche der als Miterben aufgeführten Personen Nacherbe ist. Insoweit kann aber der eingezogene Erbschein vom 8.5.2003 nicht außer Betracht bleiben, weil er, unabhängig von seiner aktuellen Unrichtigkeit („ex nunc“; Seiler in Burandt/Rojahn § 2363 BGB Rn. 12), jedenfalls den bis zum Tod des Vorerben zutreffenden Rechtszustand, namentlich die Nacherbfolge für den (1/4) Erbanteil des Bruders sowie die zur Nacherbin berufene Person, bezeugte. Im Hinblick auf die Zugehörigkeit des fraglichen Grundstücksanteils zur Erbschaft (§ 2111 BGB) und die unter den Miterben nach Anton N. (senior) bereits umfassend vorgenommene Auseinandersetzung (siehe Abschn. II.3 der Urkunde vom 28.5.2003) hat die Beteiligte mit dem Tod des Vorerben als Nacherbin – außerhalb des Grundbuchs – unmittelbar (Allein-) Eigentum erlangt. Die Rechtswirkungen der Nacherbfolge erstrecken sich nämlich auf den Gegenstand, der auf Grund dinglicher Surrogation als zur Erbschaft gehörend anzusehen ist. Der dem Grundbuchamt vorliegende notarielle Vertrag vom 28.5.2003 belegt die Auseinandersetzung. Aus ihr ergibt sich, bezogen auf den dem Vorerben übertragenen Grundstücksanteil, die Surrogation. Der automatische Anfall der Nacherbschaft nach § 2139 BGB betrifft gerade diesen dem Vorerben vertraglich zugewiesenen Grundstücksanteil. Der die Nacherbfolge bekundende Erbschein erlaubt die Berichtigung auf die Beteiligte als Nacherbin (ebenso OLG Hamm NJW-RR 2002, 1518/1519). Der Beschluss des Amtsgerichts hat deshalb insofern keinen Bestand.

3. Indessen ist dem Grundbuchamt zuzugeben, dass den im Protokoll des Nachlassgerichts enthaltenen Grundbuchanträgen noch die notwendige Bestimmtheit fehlt. Das gilt namentlich auch für die Berichtigung des Grundbuchs in der Ersten Abteilung (Eigentümereintragung). Selbst wenn man davon ausginge, dass die Eintragungen, deren Änderung beantragt wird, hinreichend bezeichnet sind (vgl. § 28 Satz 1 GBO), erscheint es im Hinblick auf die nicht ohne weiteres übersichtliche Situation notwendig, dass die begehrte Eintragung selbst näher umschrieben, also das Gewollte von sich aus klar zum Ausdruck gebracht wird (z. B. Berichtigung in Form der Löschung oder Berichtigung in Form der Eintragung als Alleineigentümerin). Die noch fehlende Konkretisierung des Eintragungsantrags ist aber im Allgemeinen kein Grund, den Antrag zurückzuweisen; vielmehr ist regelmäßig – so auch hier – der Erlass einer Zwischenverfügung (§ 18 Abs. 1 GBO) angebracht (siehe BayObLG Rpfleger 1997, 371; Demharter § 18 Rn. 26). Dem Senat erscheint es sachgerecht, die konkrete Ausgestaltung der Zwischenverfügung dem Grundbuchamt aufzugeben (vgl. KG JFG 3, 381/384; Demharter § 77 Rn. 25).

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

 

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