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Grundbuch – Löschung eines Insolvenzvermerks

KG Berlin – Az.: 1 W 39/17 – Beschluss vom 30.05.2017

Der Beschluss des Grundbuchamts vom 1. August 2016 wird aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, die Beteiligten zu 2 und 3 an Stelle der Beteiligten zu 1 als Eigentümer zu je ½ im Wohnungsgrundbuch von Zehlendorf Blatt 2… einzutragen und die zu ihren Gunsten in Abt. II lfd. Nr. 10 eingetragene Vormerkung zu löschen.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1 nahm am 12. Mai 2011 zur UR-Nr. 9… /2… des Notars Dr. D… W… in B… das ihr von den Beteiligten zu 2 und 3 zur UR-Nr. 9… /2… des Notars C… B… in B… vom 9. Mai 2011 unterbreitete Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrags über das im Beschlusseingang bezeichnete Wohnungseigentum an. Am 25. Juli 2011 erklärte eine in dem Vertrag von den Beteiligten hierzu bevollmächtigte Notariatsangestellte zur UR-Nr. 1… /2… des Notars Dr. D… W… in B… die Auflassung des Wohnungseigentums von der Beteiligten zu 1 auf die Beteiligten zu 2 und 3. Am 25. November 2011 wurde zu Gunsten der Beteiligten zu 2 und 3 eine Eigentumsvormerkung in Abt. II lfd. Nr. 10 des Grundbuchs eingetragen.

Am 21. März 2014 bestellte das Amtsgericht Charlottenburg – Insolvenzgericht – in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen der Beteiligten zu 1 einen vorläufigen Insolvenzverwalter und ordnete u.a. an, dass Verfügungen der Beteiligten zu 1 über ihr Vermögen nur noch mit dessen Zustimmung wirksam seien. Auf Ersuchen des Insolvenzgerichts wurde dieser Zustimmungsvorbehalt am 22. Mai 2014 in Abt. II lfd. Nr. 11 im Grundbuch eingetragen.

Mit Schreiben vom 3. Juni 2014, das am 10. Juni 2014 bei dem Grundbuchamt einging, ersuchte das Amtsgericht Charlottenburg um Eintragung eines Insolvenzvermerks wegen des am 3. Juni 2014 eröffneten Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beteiligten zu 1.

Mit am 6. Juni 2014 bei dem Grundbuchamt eingegangenem Schriftsatz vom 23. Mai 2014 hat Notar Dr. W… unter Beifügung einer Ausfertigung seiner UR-Nr. 1… /2…, einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheidung sowie einer zustimmenden Erklärung des Hausverwalters die Umschreibung des Wohnungseigentums auf die Beteiligten zu 2 und 3 und die Löschung der Vormerkung beantragt.

Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 11. Juni 2014 unter Fristsetzung auf das Erfordernis einer Zustimmung des (vorläufigen) Insolvenzverwalters sowie einer unbedingten Löschungsbewilligung der Beteiligten zu 2 und 3 hingewiesen.

Mit Ersuchen vom 11. Dezember 2014 hat das Insolvenzgericht um Löschung des – noch nicht vollzogenen – Eintrags über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und den in Abt. II lfd. Nr. 11 eingetragenen Vermerk ersucht.

Mit Schriftsatz vom 31. März 2015 hat Notar Zimmer als aktenverwahrender Notar des ehemaligen Notars Dr. W… ein an die Gesellschafterin W… der Beteiligten zu 1 gerichtetes Schreiben des Insolvenzverwalters, dessen Unterschrift von der Notarin M… F… in Berlin zur UR-Nr. 4… /2… beglaubigt worden war, eingereicht, wonach er die Eigentumswohnung aus dem Insolvenzbeschlag freigebe. Das Grundbuchamt hat darauf mit Verfügung vom 7. April 2015 u.a. darauf hingewiesen, dass der Zugang der Freigabeerklärung bei der Beteiligten zu 1 in urkundlicher Form nachzuweisen sei.

Mit Beschluss vom 1. August 2016 hat das Grundbuchamt die Anträge vom 23. Mai 2014 zurückgewiesen. Am 2. August 2016 hat es unter lfd. Nr. 12 in Abt. II des Grundbuchs einen Vermerk über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beteiligten zu 1 sowie zugleich dessen und die Löschung des Vermerks zu lfd. Nr. 11 eingetragen.

Gegen den Beschluss vom 1. August 2016 wendet sich der Beteiligte zu 2 mit seiner Beschwerde vom 11. Januar 2017, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 12. Januar 2017 nicht abgeholfen hat.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, § 71 Abs. 1 GBO, und hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen zum Vollzug der Anträge vom 23. Mai 2014 liegen vor.

1. Hat das Grundbuchamt durch eine Zwischenverfügung die Hebung eines der Eintragung im Grundbuch entgegenstehenden Hindernisses aufgegeben, ist der Antrag zurückzuweisen, wenn nicht die Hebung des Hindernisses in der von dem Grundbuchamt bestimmten Frist nachgewiesen worden ist, § 18 Abs. 1 S. 2 GBO. Vorliegend waren die in der Zwischenverfügung vom 11. Juni 2014 aufgeführten Eintragungshindernisse bis zum Erlass des angefochtenen Beschlusses nicht – vollständig – erfüllt. Das steht dem Erfolg der hiesigen Beschwerde jedoch nicht entgegen. Sie kann auch dann erhoben werden, wenn die auf demselben Grund wie die Antragszurückweisung gestützte Zwischenverfügung unangefochten geblieben ist (OLG München, Beschluss vom 17. Dezember 2013 – 34 Wx 417/13 – juris).

2. Die in der Zwischenverfügung vom 11. Juni 2014 aufgezeigten Eintragungshindernisse bestehen nicht mehr, was im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zu berücksichtigen ist, § 74 GBO.

a) Die Umschreibung des Eigentums an einem Grundstück auf den Erwerber erfolgt auf Antrag, § 13 Abs. 1 S. 1 GBO, wenn sie von demjenigen bewilligt wird, dessen Recht von der Eintragung betroffen ist, § 19 GBO. Im Fall der Auflassung eines Grundstücks darf die Eintragung zudem nur erfolgen, wenn die erforderliche Einigung des Berechtigten und des anderen Teils erklärt ist, § 20 GBO. Berechtigter in diesem Sinn ist der Verfügungsberechtigte (BayObLG, Beschluss vom 24. Mai 1973 – BReg 2 Z 13/73 -, juris). Er ist auch derjenige, der gemäß § 19 GBO zu bewilligen hat (Demharter, GBO, 30. Aufl., § 19, Rdn. 56).

Das Grundbuchamt hat die Verfügungsbefugnis von Amts wegen zu prüfen (BGH, MDR 2013, 701). Maßgeblich für die Beurteilung der Verfügungsbefugnis des gemäß § 19 GBO in seinen Rechten Betroffenen ist der Zeitpunkt der Eintragung, weil sich erst in diesem die verfahrensrechtliche Verfügung über das betroffene Recht verwirklicht (Senat, Beschluss vom 12. November 2015 – 1 W 518/15 – FGPrax 2016, 4; Demharter, a.a.O., Rdn. 60).

b) Gemessen hieran war die Zwischenverfügung zunächst nicht zu beanstanden. Im Zeitpunkt ihres Erlasses war im Grundbuch eine auf die Beteiligte zu 1 bezogene Verfügungsbeschränkung gemäß § 21 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 InsO eingetragen und dem Grundbuchamt lag darüber hinaus das weitere Ersuchen des Insolvenzgerichts auf Eintragung eines Vermerks im Grundbuch über die am 3. Juni 2014 erfolgte Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beteiligten zu 1 vor. Die Beteiligte war danach nicht mehr befugt, über das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verfügen, § 80 Abs. 1 InsO. Die Insolvenzmasse erfasst das gesamte Vermögen des Schuldners, das ihm zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehört, § 35 Abs. 1 InsO. Der bereits eingetragene, aber vor allem der von dem Insolvenzgericht zur Eintragung ersuchte Vermerk dienen der Verdeutlichung der Massezugehörigkeit des Eigentums an dem Grundstück (Schmahl/Busch, in: Münchener Kommentar, InsO, 3. Aufl., § 32, Rdn. 61).

c) Es kann dahinstehen, ob das Grundbuchamt, nachdem ihm das Ersuchen des Insolvenzgericht auf Löschung des bereits gebuchten als auch des zur Eintragung ersuchten Insolvenzvermerks vorlag, zur Hebung des Hindernisses die Zustimmung der Beteiligten zum vorrangigen Vollzug dieses Ersuchens hätte aufzeigen müssen.

Jedenfalls besteht das Hindernis nicht mehr, nachdem das Ersuchen des Insolvenzgerichts auf Löschung der Insolvenzvermerke am 2. August 2016 im Grundbuch vollzogen worden ist (vgl. OLG Hamm, MittBayNot 2015, 165, 166; OLG Frankfurt/Main, MittBayNot 2016, 544, 545f.).

Allerdings steht die gegenteilige Auffassung des Grundbuchamts in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung mehrerer Oberlandesgerichte. Danach sei dem Grundbuchamt in der Form des § 29 GBO nachzuweisen, dass der Schuldner über sein Eigentum an dem Grundstück – wieder – verfügen könne, wenn das Grundbuchamt Kenntnis von der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über sein Vermögen erlangt habe. Auf die Eintragung eines entsprechenden Vermerks oder dessen Löschung komme es nicht an, weil diese Eintragungen lediglich deklaratorische Bedeutung hätten und keine materiell-rechtliche Prüfung des Grundbuchamts voraussetzten (OLG Brandenburg, MittBayNot 2013, 76; OLG Zweibrücken, NZI 2013, 952; OLG Jena, Beschluss vom 26. August 2013 – 9 W 323/13 – juris; OLG Naumburg, MittBayNot 2015, 162, 163; OLG Celle, FGPrax 2015, 154, 155). Dem vermag der Senat hingegen nicht zu folgen.

Zwar erstrecken sich die auch von dem Grundbuchamt zu beachtenden (Senat, Beschluss vom 8. August 1972 – 1 W 1270/71 – NJW 1973, 56, 57) Vermutungen des § 891 BGB nicht darauf, dass der eingetragene Eigentümer uneingeschränkt zur Verfügung über das Grundstück befugt und seine Verfügungsmacht nicht auf Grund persönlicher Verhältnisse eingeschränkt ist (Senat, Beschluss vom 12. Dezember 1972 – 1 W 1781/72 – NJW 1973, 428, 430). Jedoch ist die Verfügungsbefugnis regelmäßiger Ausfluss der Eigentümerstellung, so dass eine tatsächliche Vermutung dafür besteht, dass der eingetragene Eigentümer zur Verfügung über das Grundstück berechtigt ist. Diese tatsächliche Vermutung wurde durch Eintragung der Verfügungsbeschränkung in Abt. II lfd. Nr. 11 und umso mehr durch das weitere Ersuchen des Insolvenzgerichts auf Eintragung des Insolvenzeröffnungsvermerks erschüttert. Nach Löschung beider Vermerke am 2. August 2016 gilt dies jedoch nicht mehr. Dagegen spricht weder der deklaratorische Charakter der Eintragungen – auch die Löschungen, vgl. § 46 Abs. 1 GBO – noch, dass den Eintragungen der Löschungsvermerke keine materiell-rechtliche Prüfung durch das Grundbuchamt zugrunde lag.

Im Rahmen des Ersuchens einer Behörde auf Eintragung im Grundbuch, § 38 GBO, beschränkt sich die Prüfung durch das Grundbuchamt darauf, ob die Behörde zur Stellung eines Ersuchens der in Rede stehenden Art abstrakt befugt ist, ob das Ersuchen bezüglich seiner Form den gesetzlichen Vorschriften entspricht und ob die durch das Ersuchen nicht ersetzten Eintragungserfordernisse gegeben sind. Hingegen trägt die ersuchende Behörde die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit des Ersuchens (BGH, FGPrax 2013, 54, 55; BGHZ 19, 355, 357f.). Die Verantwortlichkeiten für die Gesetzmäßigkeit des Ersuchens sind mithin zwischen der ersuchenden Behörde und dem Grundbuchamt geteilt (Krause, in: Meikel, GBO, 11. Aufl., § 38, Rdn. 13; Keller, FGPrax 2015, 155; Zimmer, ZfIR 2014, 434, 436).

Die Voraussetzungen, unter denen das Insolvenzgericht das Grundbuchamt um Löschung eines Insolvenzvermerks zu ersuchen hat, sind in § 32 Abs. 3 S. 1 InsO geregelt. Danach hat das Insolvenzgericht das Ersuchen auf Antrag – z.B. des Schuldners, des Insolvenzverwalters oder des Erwerbers – zu stellen, wenn ein Grundstück von dem Verwalter freigegeben oder veräußert worden ist. Entsprechendes gilt etwa bei Aufhebung, § 200 Abs. 2 S. 2 InsO, oder Einstellung des Insolvenzverfahrens, § 215 Abs. 1 S. 3 InsO (vgl. Zipperer, in: Uhlenbruck, InsO, 14. Aufl., § 32, Rdn. 24; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rdn. 1638), also jeweils bei Fallgestaltungen, in denen der Schuldner seine Verfügungsbefugnis – jedenfalls bezogen auf das betroffene Grundstück – zurückerlangt hat, vgl. § 215 Abs. 2 S. 1 InsO (Hintzen, in: Münchener Kommentar, a.a.O., § 200, Rdn. 31; Kesseler, DNotZ 2015, 773, 775).

Vor diesem Hintergrund ist es unzutreffend, im Verfahren auf Löschung eines Insolvenzvermerks auf Ersuchen des Insolvenzgerichts werde nicht geprüft, ob der Schuldner seine Bewilligungsbefugnis wiedererlangt habe (so aber Holzer, ZfIR 2014, 531, 532). Zwar muss dies dem Grundbuchamt nicht nachgewiesen werde, jedoch setzt das Ersuchen des Insolvenzgerichts die aus der Verfügungsbefugnis folgende Bewilligungsbefugnis des Schuldners voraus (vgl. Weber, NotBZ 2014, 419, 420). Die hierzu erforderlichen Feststellungen obliegen dem Insolvenzgericht.

Deshalb besteht nach Löschung eines Insolvenzvermerks die aus der Eigentümerstellung des Veräußerers/Schuldners resultierende tatsächliche Vermutung seiner Verfügungsbefugnis wieder, wenn – wie hier – keine weiteren Anhaltspunkte vorliegen, die Anlass zu Zweifeln daran geben könnten (vgl. Otto, in: Hügel, GBO, 3. Aufl., § 29, Rdn. 112; DNotI-Report 2013, 145, 148).

Der Senat hat trotz abweichender Rechtsprechung keinen Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, § 78 Abs. 2 S. 1 GBO, weil die Beteiligten mit der Anordnung des Vollzugs ihrer Anträge nicht beschwert sind (was von Kreuzer, MittBayObLG 2015, 163, 165, offenbar übersehen worden ist).

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