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Geschäftswertfestsetzung – Verkehrswertbemessung einer Immobilie

OLG München – Az.: 34 Wx 237/16 Kost – Beschluss vom 02.09.2016

Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Augsburg – Grundbuchamt vom 15. Februar 2016 (Geschäftswertfestsetzung) wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 1 erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 3.4.2014 ein im Zentrum einer bayerischen Großstadt gelegenes, mit einem vermieteten Wohn- und Geschäftshaus bebautes Grundstück von 1.005 m² zum Kaufpreis von 2.050.000 €. Die Eigentumsvormerkung wurde am 24.4.2014 im Grundbuch eingetragen und das Eigentum am 2.7.2014 umgeschrieben. Die Kostenrechnungen setzten jeweils einen dem Kaufpreis entsprechenden Wert an.

Zu notarieller Urkunde vom 3.9.2015 verkaufte die Beteiligte zu 1 das Objekt zu einem Kaufpreis von 3.700.000 € weiter; hiervon entfielen auf mitverkauftes Inventar 10.000 €.

Auf die Kostenprüfung durch den Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse (= Beteiligter zu 2) und dessen Beanstandung vom 11.12.2015 führte der Kostenbeamte mit am 18.12.2015 zugestelltem Schreiben eine Nacherhebung auf der Grundlage eines Geschäftswerts von 3.500.000 € (= 4.176 €) durch. Gegen die Nacherhebung wandte sich die Beteiligte zu 1 mit ihrem Einspruchsschreiben vom 26.12.2015. Im daraufhin eingeleiteten Verfahren auf Wertfestsetzung (§ 79 GNotKG) hat das Grundbuchamt mit Beschluss vom 15.2.2016 den Geschäftswert für die Eigentumsumschreibung auf 3.500.000 € festgesetzt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt:

Für die Wertfestsetzung sei hier der höhere Wiederverkaufspreis zu berücksichtigen. Bei einem alsbaldigen Weiterverkauf könne der bei dieser Gelegenheit erzielte Erlös maßgeblich sein. Der Wertansatz werde darüber hinaus auf einen Verkaufsvorgang aus dem Jahr 2008 gestützt. Schließlich sprächen die aktuellen Beleihungen für den höheren Wert.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1 vom 15.3.2016 mit dem Antrag, für den Wert der Eigentumsumschreibung den Kaufpreis aus dem Geschäft vom 3.4.2014 zugrunde zu legen. Ihr sei das Objekt im Januar 2014 zum Preis von ursprünglich 1.822.000 € angeboten worden. Die Immobilie grenze an einen Platz an, der am Anfang einer umfangreichen mit mehrjährigen Belästigungen verbundenen Sanierung gestanden habe. Das Anwesen sei seit Jahren nicht renoviert worden. Im Zuge eines Bieterverfahrens habe sie es sodann für den bezeichneten Kaufpreis erworben. In den 1 1/2 Jahren bis zum Weiterverkauf habe sie verschiedene Maßnahmen durchgeführt, welche den Ertragswert der Anlage um 14,5 % gesteigert hätten. Zudem ergebe sich ein Preisanstieg auf dem örtlichen Immobilienmarkt um mehr als 10 % p. a.. Im Übrigen sei die Belastung des Objekts nicht hinreichend aussagekräftig.

Der angehörte Beteiligte zu 2 hält den festgesetzten Wert für zutreffend. Der Beschwerdevortrag bleibe im Ergebnis allgemein und sei in weiten, entscheidungserheblichen Teilen nicht nachzuvollziehen. Konkrete Abzüge für Sanierungsmaßnahmen seien trotz entsprechender Anregung nicht geltend gemacht. Der angenommene Bodenrichtwert liege am untersten Rand, die angesprochenen Baumaßnahmen im Umfeld des Objekts seien Ende 2013 abgeschlossen gewesen, das Grundstück habe dadurch – ohne eigene Investitionen – eine wesentliche Lageverbesserung erfahren. Der ausgezogene Mieter im 2. Obergeschoss habe schon im Zeitpunkt des Verkaufs den Standort aufgeben wollen. Eine eklatante nachhaltige Verbesserung der Mieterträgnisse gegenüber der Komplettvermietung beim Kauf im Jahr 2014 sei beim Verkauf im Jahr 2015 nicht zu erkennen. Die angegebene Ertragswertsteigerung sei zumindest nicht belegt, ebenso wenig die behauptete Ablöse für einen Mieter im Erdgeschoss.

Insgesamt sei der Kostenschuldner durch den vorgenommenen Abzug von (nur) 200.000 € vom Weiterverkaufspreis nicht benachteiligt.

Allgemeine Wertsteigerungen – zumal für Eigentumswohnungen – seien nicht aussagekräftig. Hingegen spiegele sich der Verkehrswert in der aktuellen Beleihung der Immobilie durch die Banken wider.

Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 28.6.2016 nicht abgeholfen und die Akten zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt.

II.

Die Beschwerde gegen den Festsetzungsbeschluss vom 15.2.2016 ist nach §§ 79, 83 Abs. 1 Sätze 1, 3 und 5, § 81 Abs. 3 und 5 Sätze 1 und 4 GNotKG, § 10 Abs. 2 Satz 1 FamFG zulässig, namentlich nicht verfristet. Auch wenn man für die Beschwer nur die Eigentumsumschreibung einschließlich Katasterfortführungsgebühr aus dem Vorgang vom 2.7.2014 berücksichtigt, ergibt sich ein Beschwerdewert, errechnet aus der beantragten im Verhältnis zur getroffenen Festsetzung, von deutlich über 200 €. Über die Beschwerde zu entscheiden hat der Einzelrichter des Senats (§ 81 Abs. 6 Satz 1 GNotKG).

Das Rechtsmittel ist unbegründet.

1. Der Wert der Eintragung als Eigentümer richtet sich im Zusammenhang mit einem Grundstückskauf nach § 47 GNotKG. Danach bestimmt in erster Linie der Kaufpreis den Wert der Sache (§ 47 Satz 1 GNotKG). Die Vorschrift dient der Vereinfachung (Diehn in Bormann/Diehn/ Sommerfeldt GNotKG 2. Aufl. § 47 Rn. 2; Hartmann Kostengesetze 46. Aufl. § 47 GNotKG Rn. 2). Jedoch ist bei einem Kaufpreis, der niedriger ist als der Verkehrswert, der Verkehrswert maßgebend (§ 47 Satz 3 GNotKG). Im Kern übernommen wird die frühere Regelung in § 20 Abs. 1 KostO (Diehn in Bormann/Diehn/Sommerfeldt a. a. O.; Hartmann § 47 GNotKG Rn. 1). Um dem Vereinfachungszweck der Regelung aber Rechnung zu tragen, ist der Wert der Sache – also der Verkehrswert – nur dann festzustellen, wenn Anhaltspunkte vorhanden sind, dass der Kaufpreis nicht annähernd so hoch ist wie der sich aus § 47 Satz 1 GNotKG ergebende Wert (Senat vom 1.9.2014, 34 Wx 358/14 Kost = MittBayNot 2015, 431; BayObLGZ 1974, 422/425; BayObLG JurBüro 1989, 824/825). Im Wesentlichen können die unter Geltung der Kostenordnung entwickelten Grundsätze beibehalten werden (dazu BGH JurBüro 2006, 209 mit Anm. Schmidt; BayObLGZ 1974, 422/424; BayObLG JurBüro 1989, 824/825; auch Senat vom 1.9.2014).

2. Anhaltspunkte für einen abweichenden Verkehrswert ergaben sich – ohne weitere Ermittlungen – schon daraus, dass die Immobilie bereits im Jahr 2008 zu einem noch über dem Weiterverkaufspreis im Jahr 2015 liegenden Betrag den Eigentümer wechselte, schließlich aus dem beim Weiterverkauf an einen unbeteiligten Dritten erzielten Preis, letztlich auch aus der Beleihung durch Kreditinstitute, die bereits im Jahr 2015 – noch vor der in der Frist des § 20 Abs. 1 GNotKG angeordneten und mitgeteilten Nacherhebung – den Kaufpreis deutlich übertraf.

3. Ist demnach der Verkehrswert, bestimmt durch den Preis, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit der Sache unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden Umstände bei einer Veräußerung erzielbar wäre (§ 46 Abs. 1 GNotKG), als höherer Wert maßgebend, bestimmt sich dieser nach § 46 Abs. 2 und 3 GNotKG.

a) Der Verkehrswert kann sich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles aus dem Erlös beim (Weiter-)Wiederverkauf der Immobilie – abzüglich werterhöhender Maßnahmen – ergeben (Hartmann Kostengesetze 46. Aufl. § 46 GNotKG Rn. 13 Stichwort: Kaufpreis). Es handelt sich hierbei um verwertbare Tatsachen aus anderen in den Grundakten befindlichen Vorgängen, in denen ein Kostenansatz stattfand oder aus denen sich ein Wert ableiten lässt (vgl. § 46 Abs. 3 Nr. 2 GNotKG; Heinze in Renner/Otto/Heinze Leipziger Gerichts- und Notarkostenkommentar 2. Aufl. § 46 Rn. 26). Ebenfalls kraft ausdrücklicher gesetzlicher Erwähnung verwertbar sind insoweit Informationen aus den Eintragungen in der Dritten Abteilung des Grundbuchs (Belastungen; vgl. § 46 Abs. 3 Nr. 1 GNotKG).

b) Auch in der Rechtsprechung des Senats werden verschiedentlich Erlöse aus einem Weiterverkauf zur Verkehrswertbemessung anerkannt (vgl. Beschlüsse vom 1.9.2014; vom 4.7.2013, 34 Wx 266/13 Kost = juris); jedoch bedarf dies stets sorgfältiger Prüfung (siehe Beschlüsse vom 10.7.2015, 34 Wx 69/14 Kost; vom 13.3.2015, 34 Wx 232/13, je juris). Die einzelfallbezogene Prüfung ergibt hier folgendes:

aa) Für einen höheren Wert, als er sich aus dem gemäß Vertrag vom 3.4.2014 vereinbarten Kaufpreis ergibt, spricht bereits deutlich das frühere Geschäft aus dem Jahr 2008, zumal der damalige Kaufpreis zu dem im Jahr 2015 erzielten Erlös um weniger als 10 % abweicht. Zudem belegen Wertangaben bei Eigentumsübergängen in früheren Jahren (2004 und 1994), dass die Immobilie durchwegs wesentlich höher als mit dem im Jahr 2014 ausgewiesenen Kaufpreis bewertet war.

bb) Für Wertsteigerungen, die über den vorgenommenen Abschlag von 200.000 € (der Betrag von 10.000 € für Inventar kann insoweit vernachlässigt werden) hinausgingen, fehlen belastbare Tatsachen.

(1) Die Umbaumaßnahmen in der Nachbarschaft waren bereits im Zeitpunkt des Erwerbs abgeschlossen. Zutreffend merkt der Vertreter der Staatskasse dazu an, dass sie zu einer Lageverbesserung der Immobilie führten, die naturgemäß auch die Bewertung bereits im Jahr 2014 beeinflusst.

(2) Die Wertminderung infolge eines Renovierungsstaus wird in der vorgelegten Ertragswertberechnung mit 150.000 € beziffert. Dem trägt bereits der vorgenannte Abschlag Rechnung. Dass es zu wertsteigernden Umbau- oder Sanierungsmaßnahmen erheblichen Umfangs im Zeitraum bis zur Weiterveräußerung kam, ist aus dem Vortrag der Beteiligten zu 1 nicht ersichtlich.

(3) Eine nachdrückliche Werterhöhung der Immobilie durch Renovierungsmaßnahmen und eine Verbesserung der Mietertragssituation ist nicht erkennbar. Belegbar sind aus der Verkaufsurkunde vom 3.9.2015 Klempner- und Installationsarbeiten sowie Malerarbeiten in einer damals nicht vermieteten Wohnung im 3. Obergeschoss, ferner ein Austausch einzelner Fenster, alles in allem in einem Gesamtwert von (rund) 21.500 €. Der Behauptung, dass die Mieterin im – derzeit wohl leerstehenden – 2. Obergeschoss hätte langfristig gebunden werden können, steht die Feststellung im Kaufvertrag vom 3.9.2015 entgegen, wonach deren frist- und formgerechte Kündigung zum 31.12.2015 vorgelegen hätte. Zudem hatte diese Mieterin ihren innerstädtischen Standort dort wohl aufgrund langfristiger Überlegungen aufgegeben. Aufwendungen erheblichen Umfangs im Zusammenhang mit außervertraglichen Mieterhöhungen für die Praxisräume im Erdgeschoss gegen Ablösung eingebrachten Inventars und von Umbauten sind wiederum nicht belegt. Zudem wird aus dem vorgelegten Schreiben des Mieters ersichtlich, dass die Mietfläche um mindestens 100 m² größer ist als im damals vorhandenen Mietvertrag ausgewiesen.

(4) Der von der Beteiligten zu 1 in allgemeiner Form dargelegte Preisanstieg auf den Immobilienmärkten – auch vor Ort mit knapp 10 % p. a., allerdings für Eigentumswohnungen, um die es bei dem gegenständlichen Objekt nicht geht – kann eine Werterhöhung hier um gut 1.600.000 € in ca. 1 1/2 Jahren nicht erklären.

c) Indiziell bestätigt wird der deutlich höhere Verkehrswert auch durch die in der Dritten Abteilung ausgewiesenen Belastungen des Grundstücks mit Grundpfandrechten zugunsten von regionalen Banken und Sparkassen. Die zu III/1 am 7.5.2014 eingetragene Grundschuld erschöpft nahezu den Kaufpreis im Vertrag vom 3.4.2014. Die spätere am 16.11.2015 eingetragene Belastung (III/2) beläuft sich auf rund 70 % des im Vertrag vom 3.9.2015 ausgewiesenen Kaufpreises. Aktuell ist das Grundstück mit Grundschulden im Nominalbetrag von über 90 % des Kaufpreises aus dem Jahr 2015 belastet. Denkbar sind natürlich auch anderweitige Umstände für die Kreditgewährung in diesem Umfang wie sonstige Sicherheiten oder gute Geschäftsbeziehungen. Allerdings erschöpfen sich die Ausführungen der Beteiligten zu 1 hierzu wiederum nur in allgemeinen Überlegungen. Zudem stellt die Beleihung hier für den Senat auch keineswegs das einzige Kriterium für die Verkehrswertbestimmung dar.

5. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§ 83 Abs. 3 GNotKG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

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