Da die nötigen Zahlen fehlten, setzte der Notar für den Erbvertrag eine Geschäftswert Schätzung von einer Million Euro an. Trotz Vorlage der tatsächlich geringeren Vermögenswerte sollte eine nachträgliche Korrektur der Notarkosten nicht mehr möglich sein.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Darf ein Notar die Kosten für einen Erbvertrag einfach schätzen?
- Warum durfte der Notar hier eine Million Euro ansetzen?
- Hätte der Notar das Ehepaar nicht an das fehlende Formular erinnern müssen?
- Kann man eine Notarrechnung nachträglich korrigieren, wenn man ein geringeres Vermögen nachweist?
- Was war mit dem Argument, der Vertrag sei ohnehin „storniert“ worden?
- Die Urteilslogik
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann darf der Notar den Geschäftswert schätzen und meine Notarkosten festlegen?
- Kann ich meine Notarrechnung korrigieren, wenn ich dem Notar den niedrigeren Wert später nachweise?
- Wie muss ich meine Vermögenswerte beim Notar richtig und rechtzeitig nachweisen?
- Muss mich der Notar mahnen oder auf die Folgen einer fehlenden Vermögensaufstellung hinweisen?
- Entstehen die Notarkosten auch dann, wenn ich den fertigen Erbvertrag später aufheben will?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 4 OH 12/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Landgericht Offenburg
- Datum: 20.02.2025
- Aktenzeichen: 4 OH 12/24
- Verfahren: Gerichtliche Überprüfung von Notarkosten
- Rechtsbereiche: Notarkostenrecht, Erbrecht
- Das Problem: Bürger beauftragten einen Notar mit der Beurkundung eines Erbvertrags. Sie gaben dem Notar die geforderte Vermögensaufstellung nicht zurück. Der Notar schätzte daraufhin den Wert für die Gebühren auf 1.000.000,00 Euro. Die Bürger verlangten die Korrektur der Rechnung, da ihr tatsächliches Vermögen nur 719.000,00 Euro betrage.
- Die Rechtsfrage: Darf ein Notar die Gebühren für einen Erbvertrag schätzen, wenn die Kunden die notwendigen Vermögensdaten nicht liefern? Ist die Korrektur der Rechnung möglich, wenn der Kunde später einen niedrigeren Wert nachweist?
- Die Antwort: Nein, die Korrektur wurde abgelehnt. Der Notar durfte den Wert schätzen, weil die Kunden ihre Pflicht zur Mitwirkung verletzt hatten. Eine ordnungsgemäße Schätzung kann später nicht mehr durch den Nachweis eines niedrigeren Werts geändert werden.
- Die Bedeutung: Kunden müssen Notaren alle relevanten Vermögensdaten vollständig und rechtzeitig mitteilen. Kommen Kunden dieser Pflicht nicht nach, darf der Notar den Gebührenwert selbst schätzen. Diese Schätzung ist verbindlich und kann nachträglich nicht mehr korrigiert werden.
Der Fall vor Gericht
Darf ein Notar die Kosten für einen Erbvertrag einfach schätzen?
Es ist der Moment, den niemand mag: Eine Rechnung kommt und sie ist höher als erwartet. Ein Ehepaar, das seinen Nachlass per Erbvertrag geregelt hatte, fand sich genau in dieser Lage wieder. Die Notarkosten basierten auf einem geschätzten Vermögen von einer Million Euro.

Doch ihr tatsächliches Vermögen, so rechneten sie nun eilig nach, betrug nur 719.000 Euro. Mit dieser neuen Zahl wollten sie die Rechnung korrigieren lassen – ein logischer Schritt. Doch vor dem Landgericht Offenburg lernten sie eine harte Lektion: Im Notarkostenrecht kann eine zu spät gelieferte Wahrheit wertlos sein, wenn zuvor eine Schätzung rechtmäßig war.
Die Antwort auf die Frage ist ein klares Ja, aber an Bedingungen geknüpft. Ein Notar darf den Geschäftswert – also die Summe, nach der sich seine Gebühren richten – nicht willkürlich festlegen. Seine Aufgabe ist es, den tatsächlichen Wert zu ermitteln. Bei einem Erbvertrag ist das der Wert des gesamten Vermögens der Erblasser zum Zeitpunkt der Beurkundung, wie es § 97 und § 102 des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG) vorschreiben.
Um diesen Wert zu bestimmen, ist der Notar auf die Hilfe seiner Mandanten angewiesen. Das Gesetz verpflichtet die Beteiligten ausdrücklich zur Mitwirkung. Sie müssen alle relevanten Umstände vollständig und wahrheitsgemäß angeben (§ 95 Satz 1 und 2 GNotKG). Kommen sie dieser Pflicht nicht nach, gibt das Gesetz dem Notar ein mächtiges Werkzeug in die Hand: Er darf den Wert „nach billigem Ermessen“ schätzen (§ 95 Satz 3 GNotKG). Diese Schätzung ist keine Strafe, sondern eine notwendige Konsequenz, um das Verfahren abzuschließen und eine Rechnung erstellen zu können.
Warum durfte der Notar hier eine Million Euro ansetzen?
Das Gericht prüfte die Schätzung des Notars nicht auf ihre punktgenaue Richtigkeit. Es prüfte nur, ob der Notar überhaupt schätzen durfte und ob er dabei sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hatte. Beide Fragen bejahte das Gericht.
Der Notar durfte schätzen, weil das Ehepaar seine Mitwirkungspflicht verletzt hatte. Zwar nannten die beiden im Beurkundungstermin mündlich den Wert von einer Million Euro. Die Notarvertreterin erkannte aber eine gewisse Unsicherheit und übergab ein Formular für eine exakte Vermögensaufstellung. Dieses Formular kam nie zurück. Mehr als drei Monate vergingen zwischen der Beurkundung im März und der Rechnungsstellung im Juni. Das Gericht sah diesen Zeitraum als vollkommen ausreichend an, um die nötigen Informationen zu liefern. Das Schweigen des Ehepaars aktivierte das Schätzungsrecht des Notars.
Die Schätzung selbst war ebenfalls nicht zu beanstanden. Der Notar griff nicht einfach eine Zahl aus der Luft. Er orientierte sich an der ursprünglichen Angabe des Ehepaars – der einen Million Euro. Zusätzlich unterzog er diesen Wert einer Plausibilitätsprüfung. Er wusste aus früheren Beurkundungen, dass dem Paar zwei Immobilien und Geschäftsanteile an einer GmbH gehörten. Vor diesem Hintergrund erschien ihm die Summe von einer Million Euro als nachvollziehbar und keineswegs überzogen. Das Gericht sah darin eine sachgerechte Ausübung seines Ermessens. Ein Ermessensfehler lag nicht vor.
Hätte der Notar das Ehepaar nicht an das fehlende Formular erinnern müssen?
Das Ehepaar argumentierte, der Notar hätte sie anmahnen oder zumindest auf die Konsequenzen des fehlenden Formulars hinweisen müssen. Sie hätten das Formular übersehen und bei einem Hinweis sofort reagiert.
Dieser Einwand überzeugte das Gericht nicht. Es verneinte eine generelle Pflicht des Notars, seine Mandanten an fehlende Unterlagen zu erinnern. Zwar gibt es in der juristischen Literatur eine Diskussion, ob in Einzelfällen eine Mahnung geboten sein könnte. Dieser Fall war aber anders gelagert. Ein Aktenvermerk einer Kanzleimitarbeiterin vom 26. März – also drei Wochen nach der Beurkundung – belegte ein Telefonat mit dem Ehepaar. In diesem Gespräch war klar geworden, dass die endgültige Klärung des Kostenwerts noch ausstand und das Ehepaar sich von sich aus wieder melden wollte.
Für das Gericht war dies der entscheidende Punkt. Dem Ehepaar war bewusst, dass die Wertermittlung noch nicht abgeschlossen war. Sie wussten, dass sie noch handeln mussten. Eine zusätzliche Mahnung durch den Notar wäre unter diesen Umständen eine reine Förmlichkeit gewesen. Ihre Untätigkeit konnten sie nicht auf ein Versäumnis des Notars schieben.
Kann man eine Notarrechnung nachträglich korrigieren, wenn man ein geringeres Vermögen nachweist?
Hier liegt der Kern des Falles. Das Ehepaar legte im Gerichtsverfahren eine detaillierte Vermögensaufstellung vor. Diese wies ein Vermögen von 719.000 Euro aus. Sie forderten, die Rechnung auf Basis dieses nun belegten, niedrigeren Wertes zu korrigieren.
Das Gericht lehnte das ab. Die Logik dahinter ist streng, aber systemkonform. Das Schätzungsrecht des Notars nach § 95 Satz 3 GNotKG hat auch einen Sanktionscharakter. Es soll die Mitwirkungspflicht der Beteiligten erzwingen. Würde man eine rechtmäßige und ermessensfehlerfreie Schätzung nachträglich durch einfach nachgereichte Zahlen aushebeln können, verlöre die Regelung ihre Wirkung. Mandanten könnten dann spekulieren: Sie schweigen zunächst und hoffen auf eine niedrige Schätzung. Fällt sie zu hoch aus, reichen sie die echten Zahlen einfach nach.
Dieses Vorgehen will das Gesetz unterbinden. Sobald der Notar berechtigt war zu schätzen und dies ohne Fehler getan hat, wird die geschätzte Summe zur festen Berechnungsgrundlage. Der Zug für eine Korrektur ist abgefahren. Die nachträglich vorgelegte Aufstellung des Ehepaars änderte an der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Rechnung nichts mehr.
Was war mit dem Argument, der Vertrag sei ohnehin „storniert“ worden?
Das Ehepaar versuchte noch einen weiteren Ausweg. Sie behaupteten, sie hätten den Erbvertrag unmittelbar nach der Beurkundung aufheben wollen oder dies sogar telefonisch erklärt. Die Gebühren seien deshalb gar nicht erst fällig geworden.
Auch dieser Versuch scheiterte. Das Gericht stellte klar: Eine einmal beurkundete notarielle Urkunde ist in der Welt. Sie kann nicht wie eine Hotelbuchung „storniert“ werden. Die Gebührenschuld entsteht in dem Moment, in dem der Notar seine Amtshandlung – die Beurkundung – abgeschlossen hat. Eine spätere Unzufriedenheit mit dem Inhalt ändert daran nichts.
Für eine rechtlich wirksame Aufhebung eines Erbvertrags wäre ein sogenannter „Actus contrarius“ erforderlich. Im Klartext bedeutet das: Die Parteien müssten erneut zum Notar gehen und einen formellen Aufhebungsvertrag beurkunden lassen. Dieser Akt würde seinerseits wiederum Notarkosten auslösen. Eine einseitige, telefonische Erklärung ist rechtlich bedeutungslos.
Die Urteilslogik
Die Pflicht zur Offenlegung des Vermögenswertes liegt unwiderruflich bei den Mandanten; Versäumnisse bei der Wertermittlung aktivieren das rechtmäßige Schätzungsrecht des Notars.
- Schätzung als Konsequenz unterlassener Mitwirkung: Verletzen die Vertragsparteien ihre ausdrückliche Pflicht, den tatsächlichen Geschäftswert vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen, erwirbt der Notar das Recht, den Wert nach billigem Ermessen selbst festzulegen.
- Finalität der rechtmäßigen Schätzung: Eine Notargebührenrechnung, die auf einer zulässigen und ermessensfehlerfreien Schätzung beruht, bleibt auch dann verbindlich, wenn die Beteiligten nachträglich einen belegten, niedrigeren Wert nachweisen.
- Kein Anspruch auf Mahnung: Der Notar muss seine Mandanten nicht generell an die nachträgliche Lieferung fehlender Wertermittlungsunterlagen erinnern, wenn den Beteiligten bewusst ist, dass die Kostenrechnung noch nicht final kalkuliert wurde.
Das Kostenrecht sanktioniert die mangelnde Mitwirkung der Beteiligten, indem es eine einmal rechtmäßige Schätzung über nachträglich eingereichte Beweise stellt.
Experten Kommentar
Viele Mandanten sehen die genaue Angabe des Vermögens für den Erbvertrag oft nur als lästige Bürokratie an. Dieses Urteil zeigt konsequent, warum das ein gefährlicher Irrtum ist. Wer die Mitwirkungspflicht verletzt und die angeforderten Unterlagen nicht liefert, gibt dem Notar nach einer gewissen Wartezeit das Recht zur Schätzung des Geschäftswerts. Die wichtigste praktische Konsequenz ist hierbei, dass diese einmal rechtmäßig erfolgte Schätzung nicht durch nachträglich eingereichte Belege über ein geringeres Vermögen ausgehebelt werden kann. Der Zug für Korrekturen ist abgefahren, was Spekulationen zulasten des Notars effektiv unterbindet.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann darf der Notar den Geschäftswert schätzen und meine Notarkosten festlegen?
Der Notar erhält das Recht zur Schätzung des Geschäftswertes, sobald Sie Ihre gesetzliche Mitwirkungspflicht verletzen. Diese Pflicht verlangt, dass Sie alle relevanten Vermögensumstände vollständig und wahrheitsgemäß angeben (§ 95 Satz 1 und 2 GNotKG). Reichen Sie angeforderte, präzise Vermögensaufstellungen nicht fristgerecht ein, darf der Notar tätig werden. Typischerweise liegt eine Verletzung vor, wenn mehr als drei Monate zwischen Beurkundung und Rechnungsstellung ohne Nachweis verstreichen.
Obwohl die primäre Aufgabe des Notars die Ermittlung des tatsächlichen Werts ist, muss das Verfahren auch bei fehlender Kooperation abgeschlossen werden können. Das Gesetz befugt den Notar, den Wert in diesem Fall „nach billigem Ermessen“ zu schätzen (§ 95 Satz 3 GNotKG). Diese juristische Regelung verhindert, dass Mandanten durch Untätigkeit oder absichtliches Verzögern die Rechnungsstellung blockieren. Die Schätzung ist dabei kein willkürlicher Akt; sie muss sich auf plausible Anhaltspunkte wie frühere mündliche Angaben oder bekannte Vermögenswerte stützen.
Konkret: Ein Notar setzte eine Schätzung von einer Million Euro an, weil Mandanten das angeforderte Formular zur Vermögensaufstellung über drei Monate lang nicht zurücksandten. Der Notar begründete seinen Ansatz mit den mündlichen Angaben im Termin und der Kenntnis über vorhandene Immobilien. Das Gericht akzeptierte, dass die Untätigkeit die rechtmäßige Schätzung auslöste. Eine angemessene Frist zur Nachreichung gilt dabei als verstrichen, wenn die notwendigen Unterlagen für die Notarkosten fehlen.
Um eine Schätzung zu verhindern, senden Sie dem Notariat sofort schriftlich (E-Mail) präzise Unterlagen und setzen Sie dafür eine verbindliche Frist fest, auch wenn Sie im Termin unsichere Zahlen nennen mussten.
Kann ich meine Notarrechnung korrigieren, wenn ich dem Notar den niedrigeren Wert später nachweise?
Nein, in den meisten Fällen ist eine nachträgliche Korrektur der Notarrechnung ausgeschlossen, selbst wenn Sie den tatsächlichen Geschäftswert als niedriger beweisen. Hat der Notar das Recht zur Schätzung korrekt genutzt, wird die von ihm angesetzte Summe zur festen Berechnungsgrundlage. Die Schätzung kann nachträglich nicht durch den Nachweis eines geringeren tatsächlichen Wertes ausgehebelt werden.
Der Gesetzgeber hat das Schätzungsrecht des Notars bewusst mit einer Sanktionsfunktion ausgestattet. Diese strenge Regelung soll Mandanten davon abhalten, auf Zeit zu spielen und darauf zu spekulieren, dass die Schätzung niedrig ausfällt. Sie können nicht einfach abwarten und erst dann die echten, niedrigeren Zahlen nachreichen, wenn die geschätzte Rechnung zu hoch erscheint. Die nachträgliche Vorlage korrekter Belege ändert nichts an der Rechtmäßigkeit der ursprünglichen Rechnung, sofern der Notar sein billiges Ermessen korrekt anwendete.
Die Gerichte verfolgen hier einen konsequenten Kurs, um die Pflicht der Mandanten zur aktiven und fristgerechten Mitwirkung zu erzwingen. Das bedeutet: Sobald der Notar berechtigt war zu schätzen und keine offensichtlichen Ermessensfehler begangen hat, ist der Zug für eine Korrektur abgefahren. Selbst ein formal korrekter Nachweis des geringeren Vermögenswertes, etwa im Rahmen eines Gerichtsverfahrens, führt in dieser Situation nicht mehr zur Senkung der Gebühren.
Prüfen Sie sofort, ob die Schätzung völlig willkürlich erfolgte und der Notar damit sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat – nur dies kann die Rechnung anfechtbar machen.
Wie muss ich meine Vermögenswerte beim Notar richtig und rechtzeitig nachweisen?
Der Gesetzgeber verlangt, dass Sie den maßgeblichen Geschäftswert aktiv, vollständig und wahrheitsgemäß belegen. Dieser Wert entspricht dem gesamten Vermögen zum Zeitpunkt der Beurkundung und dient als notwendige Basis für die Notarkostenberechnung. Um eine unnötige Schätzung zu vermeiden, müssen Sie diese Belege fristgerecht nachreichen. Eine Frist von bis zu drei Monaten nach der Beurkundung gilt dabei als ausreichend lang für diesen lückenlosen Nachweis.
Diese juristische Verpflichtung wird Mitwirkungspflicht nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz genannt (§ 95 GNotKG). Die Pflicht ist eine Bringschuld, was bedeutet: Sie müssen die angeforderten Unterlagen von sich aus liefern und dürfen nicht auf eine Erinnerung des Notars warten. Versäumen Sie dies, gilt die Mitwirkungspflicht als verletzt. Eine Verzögerung von mehr als drei Monaten zwischen dem Beurkundungstermin und der Rechnungsstellung ohne Nachweis berechtigt den Notar fast immer zur Schätzung.
Der Nachweis muss den Gesamtwert des Vermögens nach den Paragrafen 97 und 102 GNotKG umfassend darlegen. Hierzu zählen konkrete Belege über den aktuellen Verkehrswert von Immobilien oder die Bewertung von Geschäftsanteilen. Nehmen wir an: Das Notariat stellt Ihnen ein Formular zur genauen Vermögensaufstellung bereit. Lassen Sie dieses Formular unbeachtet liegen, verletzt dies Ihre Pflicht. Der Notar darf dann den Wert nach billigem Ermessen schätzen und sich dabei auf ihm bekannte Anhaltspunkte stützen, etwa mündliche Angaben oder bekannte Immobilienwerte.
Nehmen Sie das vom Notariat bereitgestellte Formular zur Vermögensaufstellung und senden Sie es frühzeitig zurück, um die Grundlage für eine Schätzung zu beseitigen.
Muss mich der Notar mahnen oder auf die Folgen einer fehlenden Vermögensaufstellung hinweisen?
Der Notar ist nicht generell verpflichtet, seine Mandanten aktiv an fehlende Unterlagen zu erinnern oder eine gesonderte Mahnung auszusprechen. Sobald Sie einmal über die Notwendigkeit der exakten Wertermittlung informiert wurden, liegt die Verantwortung der Nachreichung vollständig bei Ihnen. Sie können sich später nicht auf ein Versäumnis des Notars berufen, wenn Sie Ihre gesetzliche Mitwirkungspflicht verletzen.
Die Vorlage der vollständigen Vermögensaufstellung gilt juristisch als selbstständige Bringschuld der Mandanten. Wurden Sie im Beurkundungstermin auf die fehlenden Dokumente hingewiesen, ist Ihnen der Handlungsbedarf ausreichend bekannt. Juristische Diskussionen über eine mögliche Mahnpflicht in Einzelfällen werden gegenstandslos, wenn Aktenvermerke im Notariat belegen, dass Ihnen die ausstehende Klärung des Kostenwerts bewusst war. Eine zusätzliche Erinnerung des Notars wäre unter diesen Umständen nur eine reine Förmlichkeit.
Werden Sie nach der Beurkundung kontaktiert und bestätigen, dass die endgültige Klärung des Geschäftswerts noch aussteht, wird Ihre Eigenverantwortung besonders gefordert. Lässt der Mandant anschließend einen angemessenen Zeitraum, oft drei Monate, ohne Nachweis verstreichen, aktiviert die Untätigkeit das Schätzungsrecht des Notars. Gerichte lehnten Argumente ab, man habe das Formular nur übersehen und hätte bei einem Hinweis sofort reagiert, wenn die Notwendigkeit des Handelns bekannt war.
Wenn Sie feststellen, dass Unterlagen fehlen, rufen Sie das Notariat proaktiv an und dokumentieren Sie die Nachreichung der Vermögensaufstellung schriftlich per E-Mail, um eine höhere Schätzung zu verhindern.
Entstehen die Notarkosten auch dann, wenn ich den fertigen Erbvertrag später aufheben will?
Die Gebührenschuld für den Erbvertrag entsteht unwiderruflich in dem Moment, in dem der Notar seine Amtshandlung erfolgreich beendet. Die anschließende Unterzeichnung der Urkunde durch die Parteien schließt den Prozess ab. Eine spätere Unzufriedenheit oder die Absicht, den Vertrag aufzuheben, beeinflusst die entstandene Fälligkeit der Notarkosten nicht.
Eine notarielle Urkunde unterscheidet sich grundlegend von gewöhnlichen Dienstleistungen oder Buchungen. Sie lässt sich nicht einfach telefonisch oder formlos wie eine Hotelreservierung stornieren. Die Gerichte stellen klar: Die Urkunde ist rechtlich in der Welt, sobald die formelle Beurkundung abgeschlossen ist. Die Gebührenpflicht hängt daher nicht von der späteren Nutzung oder dem Bestandswillen der Vertragsparteien ab, sondern vom formal korrekten Zustandekommen des Dokuments.
Wollen Sie den Erbvertrag rechtlich wirksam beenden, benötigen Sie einen formalen Gegenakt – den sogenannten actus contrarius. Die Aufhebung erfolgt nicht durch einfache Nichtbeachtung, sondern erfordert, dass alle Parteien erneut beim Notar erscheinen. Dort beurkunden sie einen separaten Aufhebungsvertrag. Dieser notwendige formelle Schritt zur Vertragsauflösung löst seinerseits wiederum zusätzliche Notarkosten aus.
Wenn Sie den Vertrag ändern oder beenden möchten, klären Sie umgehend beim Notariat die zusätzlichen Gebühren für den notwendigen formellen Aufhebungsvertrag.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Actus contrarius
Als actus contrarius bezeichnen Juristen den Gegenakt oder das entgegengesetzte formelle Rechtsgeschäft, das notwendig ist, um einen bereits wirksam geschlossenen Vertrag wieder aufzuheben.
Dieses Prinzip stellt sicher, dass formgebundene Verträge nicht einfach mündlich oder einseitig beendet werden können, da das Gesetz Rechtssicherheit und Formstrenge verlangt.
Beispiel: Das Ehepaar konnte den bereits beurkundeten Erbvertrag nicht telefonisch „stornieren“, sondern hätte für die Aufhebung einen formalen actus contrarius – also einen neuen Aufhebungsvertrag – beurkunden lassen müssen.
Beurkundung
Eine Beurkundung ist der zwingende formelle Akt, bei dem ein Notar die Echtheit und den Inhalt eines Rechtsgeschäfts – wie beispielsweise einen Erbvertrag – bestätigt, damit dieses Dokument rechtlich wirksam wird.
Das Gesetz schreibt die notarielle Form für besonders wichtige und folgenreiche Rechtsgeschäfte vor, um die Beteiligten vor Übereilung zu schützen und Beweissicherheit im Rechtsverkehr zu schaffen.
Beispiel: Die Gebührenschuld für den Erbvertrag entstand in dem Moment, als die notarielle Beurkundung abgeschlossen war, weil die Amtshandlung des Notars erfolgreich beendet war.
Billiges Ermessen
Nach billigem Ermessen (§ 95 GNotKG) muss eine Entscheidung, etwa die Schätzung eines Wertes, von der entscheidenden Person sachgerecht und unter Berücksichtigung aller bekannten, plausiblen Umstände getroffen werden.
Diese Rechtsnorm verhindert Willkür; der Notar muss sich bei der Schätzung auf nachvollziehbare Anhaltspunkte stützen, um die Notarkosten trotz fehlender Mitwirkung fair festzulegen.
Beispiel: Das Gericht bejahte, dass der Notar sein billiges Ermessen korrekt ausgeübt hatte, da er die ursprüngliche Angabe des Ehepaars von einer Million Euro sowie die bekannten Immobilienwerte plausibel in die Schätzung einbezog.
Geschäftswert
Der Geschäftswert bezeichnet die maßgebliche Bemessungsgrundlage (auch Gegenstandswert genannt), nach der Notare und Gerichte ihre Gebühren und Kosten exakt berechnen müssen.
Da Notare keine Stundenhonorare abrechnen dürfen, legt das GNotKG den Wert des zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts fest, wodurch eine bundesweit transparente und einheitliche Kostenberechnung gewährleistet wird.
Beispiel: Bei einem Erbvertrag entspricht der maßgebliche Geschäftswert dem gesamten Vermögen der Erblasser zum Zeitpunkt der notariellen Beurkundung und dient als Basis für die Notarkostenrechnung.
GNotKG
Das Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) ist die zentrale bundesdeutsche Vorschrift, die exakt festlegt, welche Gebühren Notare und Gerichte für ihre Dienstleistungen erheben dürfen und wie der Geschäftswert zu ermitteln ist.
Das Gesetz soll eine faire und verbindliche Kostenstruktur im Rechtsverkehr gewährleisten und regelt in den Paragrafen 97 und 102 speziell die Wertermittlung von Nachlässen und Erbverträgen.
Beispiel: Nach § 95 Satz 3 GNotKG erhielt der Notar das Schätzungsrecht, um die Höhe der Gebühren festzulegen, weil das Ehepaar die Pflicht zur Mitwirkung laut GNotKG verletzt hatte.
Mitwirkungspflicht
Die Mitwirkungspflicht ist die gesetzliche Bringschuld der Mandanten, die vorschreibt, dass sie dem Notar alle relevanten Informationen und Vermögensunterlagen vollständig und wahrheitsgemäß übermitteln müssen.
Diese Pflicht ist essentiell, damit der Notar den tatsächlichen Geschäftswert korrekt bestimmen und unnötige Schätzungen bei der Kostenberechnung vermeiden kann.
Beispiel: Weil das Ehepaar das angeforderte Formular zur detaillierten Vermögensaufstellung über drei Monate lang nicht zurücksandte, sah das Gericht die gesetzliche Mitwirkungspflicht als verletzt an.
Schätzungsrecht
Das Schätzungsrecht (§ 95 Abs. 3 GNotKG) befugt den Notar dazu, den Geschäftswert eigenständig festzulegen, wenn die Mandanten ihre gesetzliche Mitwirkungspflicht dauerhaft verletzen.
Diese Regelung dient als notwendige Konsequenz, um die Mandanten zur aktiven Kooperation zu zwingen und eine Spekulation auf niedrige Schätzungen zu unterbinden.
Beispiel: Da das Schätzungsrecht des Notars rechtmäßig aktiviert wurde, war die nachträgliche Vorlage eines niedrigeren Vermögenswertes durch die Eheleute vor Gericht irrelevant.
Das vorliegende Urteil
LG Offenburg – Az.: 4 OH 12/24 – Beschluss vom 20.02.2025
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