Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Pflichtteilsverzicht im Erbrecht: Bedeutung und rechtliche Rahmenbedingungen im Fokus
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wie werden die Notarkosten bei einem Pflichtteilsverzicht berechnet?
- Was ist die Bemessungsgrundlage für den Geschäftswert beim Pflichtteilsverzicht?
- Welche rechtlichen Folgen hat ein Pflichtteilsverzicht gegenüber dem erstversterbenden Elternteil?
- Wann wird ein Pflichtteilsverzicht wirksam?
- Welche Rolle spielt das Vermögen des längerlebenden Elternteils beim Pflichtteilsverzicht?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Das Urteil befasst sich mit der Frage nach der korrekten Bewertung des Geschäftswerts bei der Beurkundung eines Pflichtteilsverzichts gegenüber dem erstversterbenden Elternteil.
- Der Antragsteller widersprach einer Erhöhung der Kostenrechnung, da er den Geschäftswert nur nach dem Vermögen eines Elternteils bestimmte.
- Das Landgericht München I entschied zunächst, dass das Vermögen beider Elternteile in die Bewertung einzubeziehen sei, was zu einer höheren Rechnung führte.
- Das OLG München hob diese Entscheidung auf und bestimmte, dass der Geschäftswert nach dem höheren Vermögen eines Elternteils zu bemessen ist.
- Der Senat argumentierte, dass der Verzicht nur gegenüber dem erstversterbenden Elternteil wirksam wird, und eine Addition des Vermögens beider Elternteile daher nicht geboten ist.
- Diese Entscheidung folgt der Auffassung, dass im Rahmen eines Pflichtteilsverzichts ein einheitliches Rechtsverhältnis vorliegt.
- Das Urteil verdeutlicht, dass die Verzichtserklärungen in einem Bedingungsverhältnis stehen und letztlich nur eine Erklärung wirksam wird.
- Die Entscheidung hat Einfluss auf die Berechnung von Kosten im Zusammenhang mit Pflichtteilsverzichten und könnte zu einer Vereinheitlichung der Rechtsprechung in diesem Bereich führen.
Pflichtteilsverzicht im Erbrecht: Bedeutung und rechtliche Rahmenbedingungen im Fokus
Im Erbrecht spielt der Pflichtteilsverzicht eine bedeutende Rolle, insbesondere wenn es um die Regelung von Vermögen und Nachlass geht. Ein Pflichtteilsverzichtsvertrag ermöglicht es einem Erben, auf seinen gesetzlichen Pflichtteil zu verzichten, was oft Teil einer umfassenden Nachlassregelung ist. Solche Verträge müssen notariell beurkundet werden, um rechtlich gültig zu sein. Dabei spielt der Geschäftswert eine zentrale Rolle, da er die Höhe der Gebühren für die Notarielle Beurkundung beeinflusst.
Dieser Geschäftswert wird unter Berücksichtigung des gesamten Nachlasses und der jeweiligen Vermögenswerte ermittelt und hat Auswirkungen auf die Erbschaftsteuer sowie die Rechtsstellung innerhalb einer Erbengemeinschaft. Im Folgenden wird ein konkreter Fall beleuchtet, der diese Aspekte näher untersucht und analysiert.
Der Fall vor Gericht
Kostenberechnung beim Pflichtteilsverzicht gegenüber erstversterbenden Eltern

Das Oberlandesgericht München hat in einem Beschluss vom 17. Oktober 2022 die Berechnungsgrundlage für notarielle Gebühren bei Pflichtteilsverzichten neu definiert. Im Kern ging es um die Frage, wie der Geschäftswert für die Beurkundung eines Pflichtteilsverzichts zu bemessen ist, wenn Kinder gegenüber dem Erstversterbenden ihrer Eltern auf ihr Pflichtteilsrecht verzichten.
Streit um notarielle Gebührenberechnung
Ein Notar hatte für die Beurkundung eines Pflichtteilsverzichts eine Rechnung über 437,09 Euro ausgestellt. Bei der Berechnung berücksichtigte er nur das Vermögen eines Elternteils als Grundlage. Die Notarkasse vertrat hingegen die Auffassung, dass die Vermögen beider Elternteile für die Bewertung herangezogen werden müssten. Auf Anweisung der Präsidentin des Landgerichts München I musste der Fall gerichtlich geklärt werden.
Rechtliche Kontroverse um die Bewertungsgrundlage
Das Landgericht München I änderte die ursprüngliche Kostenrechnung auf 657,24 Euro ab und stützte sich dabei auf die These, dass zwei Rechtsverhältnisse vorlägen, die getrennt zu bewerten seien. Der Notar legte gegen diese Entscheidung Beschwerde ein. Er argumentierte, dass beim Verzicht gegenüber dem Erstversterbenden nur ein Pflichtteilsrecht verloren gehe, nicht beide, weshalb eine Addition der Vermögenswerte nicht gerechtfertigt sei.
Grundlegende Entscheidung des OLG München
Das Oberlandesgericht München gab der Beschwerde des Notars statt. In seiner Begründung führte das Gericht aus, dass der Geschäftswert sich nach dem Reinvermögen eines Elternteils bestimmen müsse – bei unterschiedlichen Vermögen sei der höhere Vermögenswert maßgeblich. Das Gericht betonte, dass es sich um ein einheitliches Rechtsverhältnis handele, da die Verzichtserklärungen die Gesamtheit der Erklärungen darstellten, die der Gestaltung des Beurkundungsgegenstands dienten.
Das OLG München wies darauf hin, dass der Verzicht nur im Verhältnis zum erstversterbenden Elternteil Wirksamkeit erlangen solle und bei gleichzeitigem Versterben der Eltern nicht zum Tragen komme. Die Verzichtserklärungen stünden in einem Bedingungsverhältnis, wobei letztlich nur einer der beiden Verzichte wirksam werden könne. Diese rechtliche Konstruktion rechtfertige sowohl in wirtschaftlicher als auch in kostenrechtlicher Hinsicht eine Einzelbetrachtung der Reinvermögen.
Aufgrund der erheblichen praktischen Bedeutung und der unterschiedlichen Behandlung der Kostenfrage in Literatur und Rechtsprechung ließ das OLG München die Rechtsbeschwerde zu, um eine höchstrichterliche Klärung zu ermöglichen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das OLG München hat eine wichtige Entscheidung zur Berechnung der Notargebühren bei Pflichtteilsverzichten getroffen: Bei einem Verzicht gegenüber dem erstversterbenden Elternteil richtet sich der Geschäftswert nur nach dem höheren Vermögen eines Elternteils, nicht nach der Summe beider Vermögen. Das Gericht begründet dies damit, dass letztlich nur ein einziger Verzicht wirksam werden kann, da nur ein Elternteil zuerst versterben wird. Diese Entscheidung schafft Klarheit in einer bisher umstrittenen Kostenfrage und hat große praktische Bedeutung für die notarielle Praxis.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie als Kind einen Pflichtteilsverzicht gegenüber dem erstversterbenden Elternteil notariell beurkunden lassen möchten, müssen Sie mit geringeren Notarkosten rechnen als bisher häufig berechnet. Die Gebühren orientieren sich nur am Vermögen des vermögenderen Elternteils. Dies macht die Kosten einer solchen Beurkundung besser kalkulierbar und oft günstiger. Auch wenn der Verzicht formal gegenüber beiden Eltern erklärt werden muss, zahlen Sie die Notargebühren nur für einen Verzicht. Bei einem beispielhaften Vermögen von 100.000 Euro pro Elternteil würde sich der Geschäftswert nicht auf 200.000 Euro, sondern nur auf 100.000 Euro belaufen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wie werden die Notarkosten bei einem Pflichtteilsverzicht berechnet?
Die Notarkosten für einen Pflichtteilsverzicht richten sich nach dem Geschäftswert des Verzichts, der sich aus dem modifizierten Reinvermögen des künftigen Erblassers zum Zeitpunkt der Beurkundung und dem Pflichtteilsanteil der verzichtenden Person ergibt.
Berechnung des Geschäftswerts
Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Bei einem Pflichtteilsverzicht gegenüber dem erstversterbenden Elternteil werden zwei selbstständige Pflichtteilsverzichte berücksichtigt – einer für jeden Elternteil.
Die Wertberechnung erfolgt nach folgenden Grundsätzen:
- Das gesamte Vermögen beider Elternteile wird einbezogen
- Der Geschäftswert entspricht dem addierten Wert beider Pflichtteilsverzichtsverträge
- Maßgeblich ist der Zeitpunkt der Beurkundung
Gebührenberechnung
Der Notar berechnet einen Gebührensatz von 2,0 nach dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG). Zu den Gebühren kommen noch Auslagen wie Dokumentpauschale, Post- und Telekommunikationspauschale sowie die gesetzliche Umsatzsteuer hinzu.
Mitwirkungspflicht bei der Wertermittlung
Die Beteiligten sind verpflichtet, bei der Wertermittlung mitzuwirken und ihre Angaben zu tatsächlichen Umständen vollständig und wahrheitsgemäß abzugeben. Der Notar setzt den Geschäftswert auf Grundlage dieser Angaben fest.
Ein praktisches Beispiel: Bei einem Geschäftswert von 100.000 Euro betragen die Notarkosten etwa 500 bis 1.000 Euro. Die genaue Höhe variiert je nach Komplexität des Falls und zusätzlichen Faktoren wie erforderlichen Vorabberatungen oder der Anzahl der beteiligten Parteien.
Was ist die Bemessungsgrundlage für den Geschäftswert beim Pflichtteilsverzicht?
Der Geschäftswert für die Beurkundung eines Pflichtteilsverzichtsvertrags entspricht dem Pflichtteilsbruchteil am modifizierten Reinvermögen des Erblassers. Bei einem Pflichtteilsverzicht gegenüber dem Erstversterbenden von zwei Erblassern ist das Vermögen beider Erblasser für die Bemessung zugrunde zu legen.
Grundsätze der Wertermittlung
Die Wertermittlung erfolgt nach dem Prinzip der Addition der einzelnen Rechtsverhältnisse. Jeder Pflichtteilsverzichtsvertrag stellt einen eigenständigen Beurkundungsgegenstand dar, auch wenn die Verzichte nur zugunsten des überlebenden Elternteils erklärt werden.
Berechnungsmethode
Das Reinvermögen beider Erblasser wird für die Berechnung herangezogen. Dies gilt auch dann, wenn der Verzicht nur zugunsten des länger lebenden Elternteils erfolgt. Die Werte der einzelnen Pflichtteilsverzichtsverträge werden nach § 35 Abs. 1 GNotKG zusammengerechnet.
Praktische Bedeutung
Ein Beispiel verdeutlicht die Berechnung: Bei einem Vermögen von jeweils 36.250 Euro pro Elternteil ergibt sich ein Gesamtgeschäftswert von 72.500 Euro. Diese Berechnungsmethode entspricht dem Wertgebührensystem des Notarkostenrechts und gewährleistet leistungsgerechte Gebühren, da der Notar seine Tätigkeit auf die Pflichtteilsrechte nach beiden Erblassern erstrecken muss.
Welche rechtlichen Folgen hat ein Pflichtteilsverzicht gegenüber dem erstversterbenden Elternteil?
Ein Pflichtteilsverzicht gegenüber dem erstversterbenden Elternteil führt dazu, dass der Verzichtende nach dem Tod des ersten Elternteils keinen Pflichtteilsanspruch mehr geltend machen kann. Dies bedeutet konkret, dass Sie als verzichtendes Kind beim Tod des ersten Elternteils nicht mehr auf einer Mindestbeteiligung am Nachlass bestehen können.
Auswirkungen auf die Erbenstellung
Der Pflichtteilsverzicht lässt die gesetzliche Erbfolge unberührt. Wenn Sie nicht ausdrücklich im Testament enterbt wurden, bleiben Sie weiterhin gesetzlicher Erbe und können Ihren Erbteil erhalten. Stellen Sie sich vor, Ihre Eltern haben Sie trotz des Pflichtteilsverzichts nicht enterbt – in diesem Fall können Sie neben der eventuell erhaltenen Abfindung auch noch Ihren gesetzlichen Erbteil bekommen.
Umfang des Verzichts
Der Pflichtteilsverzicht umfasst nicht nur den regulären Pflichtteil, sondern erstreckt sich auch auf:
- Pflichtteilsergänzungsansprüche
- Ausgleichspflichtteile
- Pflichtteilsrestansprüche
- Sämtliche Verteidigungsrechte im Zusammenhang mit dem Pflichtteil
Auswirkungen auf Nachkommen
Wenn Sie als Kind einen Pflichtteilsverzicht erklären, wirkt dieser automatisch auch für Ihre eigenen Kinder, sofern im Verzichtsvertrag keine andere Regelung getroffen wurde. In einem solchen Fall können auch Ihre Kinder keine Pflichtteilsansprüche beim Tod des erstversterbenden Elternteils geltend machen.
Bedeutung für den überlebenden Elternteil
Der Pflichtteilsverzicht gegenüber dem erstversterbenden Elternteil schützt den überlebenden Elternteil vor wirtschaftlich ungünstigen Folgen der Pflichtteilsansprüche. Dies ist besonders bei einem Berliner Testament von Bedeutung, da der überlebende Ehepartner dann nicht mit sofortigen Zahlungsforderungen der Kinder konfrontiert wird.
Wann wird ein Pflichtteilsverzicht wirksam?
Ein Pflichtteilsverzicht wird unmittelbar mit der notariellen Beurkundung des Verzichtsvertrags zwischen Erblasser und Verzichtendem wirksam. Die rechtliche Wirkung tritt sofort ein und ist nicht vom späteren Erbfall abhängig.
Formelle Voraussetzungen für die Wirksamkeit
Der Pflichtteilsverzicht muss zwingend notariell beurkundet werden. Beide Vertragsparteien – Erblasser und Verzichtender – müssen bei der Beurkundung geschäftsfähig sein. Der Erblasser muss persönlich anwesend sein, während sich der Verzichtende vertreten lassen kann.
Inhaltliche Wirksamkeitsvoraussetzungen
Der Verzicht darf nicht sittenwidrig sein. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn der Verzichtende über wesentliche Umstände getäuscht wurde oder unter Druck gesetzt wurde. Der Verzichtende muss ausreichend Zeit haben, sich über die Konsequenzen des Vertrags klar zu werden.
Besonderheiten bei Gegenleistungen
Wenn der Pflichtteilsverzicht gegen eine Abfindung erfolgt, wird die Wirksamkeit des Verzichts von der vereinbarten Gegenleistung beeinflusst. Dabei gilt:
Die Abfindung kann sofort oder zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Die Parteien können die Fälligkeit der Abfindung frei vereinbaren. Wird die vereinbarte Gegenleistung nicht erbracht, bleibt der Verzicht dennoch wirksam, sofern keine auflösende Bedingung vereinbart wurde.
Unwirksamkeitsgründe
Der Pflichtteilsverzicht kann unwirksam sein, wenn:
- Der Verzichtende zum Zeitpunkt der Beurkundung geschäftsunfähig war
- Eine Täuschung oder Drohung vorlag
- Der Verzicht unter sittenwidrigen Bedingungen erfolgte
Ein Irrtum über die Vermögensverhältnisse des Erblassers führt nicht automatisch zur Unwirksamkeit des Verzichts. Die Preisgabe der Vermögensverhältnisse ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung.
Welche Rolle spielt das Vermögen des längerlebenden Elternteils beim Pflichtteilsverzicht?
Bei einem Pflichtteilsverzicht ist das Vermögen beider Elternteile relevant, auch wenn der Verzicht nur gegenüber einem Elternteil erklärt wird. Dies hat der Bundesgerichtshof in einer wegweisenden Entscheidung vom 11.10.2023 klargestellt.
Bewertung des Vermögens
Der Geschäftswert eines Pflichtteilsverzichts berechnet sich aus der Summe der Vermögenswerte beider Elternteile. Dies gilt selbst dann, wenn der Verzicht nur gegenüber dem erstversterbenden Elternteil erklärt wird. Die Berechnung basiert darauf, dass der Notar seine Tätigkeit auf die Pflichtteilsrechte nach beiden Elternteilen erstrecken muss.
Praktische Bedeutung
Wenn Sie einen Pflichtteilsverzicht erwägen, wirkt sich das Vermögen beider Elternteile auf die Notarkosten aus. Der Verzicht kann dabei beschränkt oder unbeschränkt erfolgen. Bei einem beschränkten Verzicht können bestimmte Vermögensgegenstände oder Höchstsummen festgelegt werden.
Besonderheiten beim Berliner Testament
Bei einem Berliner Testament ist der Pflichtteilsverzicht besonders relevant, da er den überlebenden Elternteil vor finanziellen Belastungen schützt. Durch einen Verzichtsvertrag kann die wirtschaftliche Unabhängigkeit des längerlebenden Elternteils gesichert werden. Häufig wird der Verzicht gegen eine Abfindungszahlung vereinbart, die sich aus dem Vermögen beider Elternteile berechnet.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Pflichtteilsverzicht
Ein Pflichtteilsverzicht ist eine rechtlich bindende Vereinbarung, durch die ein gesetzlicher Erbe bereits zu Lebzeiten des Erblassers auf seinen Mindestanteil am Erbe verzichtet. Dies geschieht häufig im Rahmen einer Nachlassplanung, etwa wenn ein Unternehmen ungeteilt an einen Erben übergehen soll. Der Verzicht muss notariell beurkundet werden und ist unwiderruflich. Gesetzlich geregelt ist der Pflichtteilsverzicht in § 2346 BGB. Ein typisches Beispiel ist, wenn ein Kind gegen eine Abfindung auf seinen Pflichtteil verzichtet, damit der Familienbesitz ungeteilt erhalten bleiben kann.
Geschäftswert
Der Geschäftswert bezeichnet bei notariellen Beurkundungen den Geldwert, der einer Rechtsangelegenheit für die Gebührenberechnung zugrunde gelegt wird. Er bemisst sich nach der wirtschaftlichen Bedeutung des Rechtsgeschäfts und ist in § 36 GNotKG geregelt. Bei Erbangelegenheiten wird typischerweise das Reinvermögen (Vermögen abzüglich Schulden) des Erblassers herangezogen. Beispiel: Bei einem Nachlass von 500.000 Euro wäre dies der Geschäftswert, nach dem sich die Notargebühren berechnen.
Reinvermögen
Das Reinvermögen ist der tatsächliche Nettowert des Vermögens einer Person nach Abzug aller Verbindlichkeiten vom Gesamtvermögen. Im Erbrecht ist es besonders relevant für die Berechnung von Pflichtteilen und Notargebühren gemäß § 2311 BGB. Beispiel: Hat jemand ein Haus im Wert von 400.000 Euro aber noch 200.000 Euro Hypothekenschulden, beträgt das Reinvermögen 200.000 Euro. Diese Berechnung ist wichtig für die korrekte Bewertung von Erbansprüchen.
Rechtsbeschwerde
Die Rechtsbeschwerde ist ein Rechtsmittel gegen Beschlüsse in bestimmten Verfahren, geregelt in § 70 FamFG. Sie ist vergleichbar mit der Revision und dient der Überprüfung von Rechtsfragen durch höhere Instanzen, hier den Bundesgerichtshof. Sie muss ausdrücklich zugelassen werden. Im vorliegenden Fall wurde sie zugelassen, um eine grundsätzliche Klärung der Gebührenberechnung bei Pflichtteilsverzichten zu ermöglichen.
Notarielle Beurkundung
Die notarielle Beurkundung ist ein formeller Rechtsakt, bei dem ein Notar einen rechtlich relevanten Vorgang oder eine Erklärung in einer öffentlichen Urkunde festhält. Sie ist für bestimmte Rechtsgeschäfte gesetzlich vorgeschrieben (§ 128 BGB) und dient der Rechtssicherheit sowie dem Schutz der Beteiligten. Der Notar berät dabei umfassend und stellt sicher, dass alle Beteiligten die rechtlichen Folgen verstehen. Die Kosten richten sich nach dem Geschäftswert.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 86 GNotKG: Dieser Paragraph regelt die Beurkundungskosten und deren Berechnung. Hierbei wird insbesondere festgelegt, dass die Beurkundung von Geschäften, die mehreren rechtlichen Beziehungen unterliegt, die Bewertung nach den jeweiligen Vermögenswerten erfordert. Im vorliegenden Fall geht es um die Beurkundung eines Pflichtteilsverzichts, der im Hinblick auf die Vermögensverhältnisse beider Elternteile zu bewerten ist, was direkt die Höhe der Notarkosten beeinflusst.
- § 109 GNotKG: Dieser Paragraph bezieht sich auf die Definition des Beurkundungsgegenstandes und regelt, welche Verträge als einheitlicher Gegenstand betrachtet werden. Im aktuellen Fall argumentiert das Landgericht, dass es sich um zwei getrennte Beurkundungsgegenstände handelt, weil zwei Elternteile und deren Vermögen betroffen sind, was die Beurteilung der Kostenrechnung des Notars beeinflusst.
- § 130 Abs. 2 GNotKG: Hier wird die Anweisung zur Klärung unterschiedlicher Auffassungen zwischen Notaren und Notarkassen behandelt. Im vorliegenden Fall hat die Präsidentin des Landgerichts München I diesen Paragraphen zitiert, um eine kostenrechtliche Diskussion über die Bewertung der Pflichtteilsverzichte einzuleiten und damit die Notwendigkeit einer gerichtlichen Entscheidung zu legitimieren.
- § 2346 BGB: Dieser Paragraph des Bürgerlichen Gesetzbuches befasst sich mit der Pflichtteilsansprüchen. Er definiert, wer Anspruch auf einen Pflichtteil hat und unter welchen Bedingungen diese Ansprüche vererbt werden können. Im Kontext des Falles hat der Verzicht auf den Pflichtteil unmittelbare Auswirkungen auf die Vermögensaufteilung und damit auch auf die Kostenberechnung.
- § 2303 BGB: In diesem Paragraphen wird das gesetzliche Pflichtteilsrecht festgelegt. Er regelt, wer als Pflichtteilsberechtigter gilt und bestimmt den Anspruch auf den Pflichtteil. Der Pflichtteilsverzicht der Kinder, der hier im Raum steht, berührt grundlegend die Verhältnisse des Erbes und hat große finanzielle Auswirkungen auf beide Seiten, was die Thematik der Kosten und deren Bewertung verstärkt.
Das vorliegende Urteil
OLG München – Az.: 32 Wx 411/22 Kost – Beschluss vom 17.10.2022
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