OLG Brandenburg setzt Geschäftswert in Erbscheinsangelegenheit fest
In einer aktuellen Entscheidung hat das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg den Geschäftswert einer Erbscheinsangelegenheit auf 676.416 € festgesetzt. Der Beschluss betraf die sofortige Beschwerde gegen die Wertfestsetzung durch das Amtsgericht Brandenburg an der Havel. Im Zentrum der Auseinandersetzung stand die Bewertung eines zum Nachlass gehörenden Grundbesitzes.
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Übersicht
Relevanz des Geschäftswerts und Grundbesitzbewertung
Der Geschäftswert eines Erbscheinantrags nebst Eidesstattlicher Versicherung richtet sich nach § 40 Abs. 1 GNotKG. Es kommt darauf an, welchen Wert der Nachlass im Zeitpunkt des Erbfalls hatte. Verbindlichkeiten sind abzuziehen. Gehören Grundstücke zum Nachlassvermögen, so sind diese nach § 46 Abs. 1 GNotKG mit ihrem Verkehrswert anzusetzen.
Der Verkehrswert wird durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit der Sache bei einer Veräußerung zu erzielen wäre. Bei bebauten Grundstücken ergibt sich der Verkehrswert aus der Verbindung von Bodenwert, Gebäudesachwert und Ertragswert von Gebäude und Grundstück.
Anfechtung der Wertfestsetzung durch das Amtsgericht
Die Festsetzung des Amtsgerichts war grundsätzlich nicht zu beanstanden, und die Einholung eines Gutachtens war nicht erforderlich. Das Amtsgericht hatte seine Festsetzung auf die Angaben des Gutachterausschusses gestützt.
Im Beschwerdeverfahren legte der Antragsteller jedoch ein Verkehrswertgutachten vor, das einen Wert von 520.000 € für das Grundstück auswies. Der Senat hielt es für angemessen, das Ergebnis dieses Gutachtens als Basis für die Festsetzung des Geschäftswertes zu verwenden.
OLG Brandenburg folgt dem Verkehrswertgutachten
Obwohl der Beschwerdeführer das Ergebnis des von ihm selbst eingereichten Gutachtens in Frage stellte und einen Verkehrswert von lediglich 231.375,50 € vorschlug, folgte der Senat dem nicht. Die Angaben im Schriftsatz waren pauschal und setzten sich nicht konkret mit dem Gutachten auseinander. Zudem erschien der vom Beschwerdeführer genannte Wert angesichts der unmittelbaren Wasserlage sowie der Größe des Grundstücks und des Gebäudes unrealistisch niedrig.
Infolgedessen setzte das OLG Brandenburg den Geschäftswert auf 676.416 € fest. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, und außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 3 W 79/21 – Beschluss vom 22.12.2021
Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 11.03.2021, Az. 49 VI 167/20, wird der Beschluss abgeändert und der Geschäftswert auf 676.416 € festgesetzt.
Gründe
Die nach §§ 83 Abs. 1, Abs. 2 Satz 7 GNotKG zulässige Beschwerde gegen die Wertfestsetzung, über die nach § 81 Abs. 6 GNotKG die Einzelrichterin entscheidet, hat in der Sache teilweise Erfolg.
Der Geschäftswert war in Abänderung des amtsgerichtlichen Beschlusses auf 676.416 € festzusetzen, da der Senat den Grundbesitz in Abweichung zur Entscheidung des Amtsgerichts mit lediglich 520.000 € bewertet.
Der Geschäftswert eines Erbscheinantrags nebst Eidesstattlicher Versicherung richtet sich nach § 40 Abs. 1 GNotKG. Es kommt darauf an, welchen Wert der Nachlass im Zeitpunkt des Erbfalls hatte (§ 40 Abs. 1 S. 1 GNotKG), wobei vom Erblasser herrührende Verbindlichkeiten abzuziehen sind (§ 40 Abs. 1 S. 2 GNotKG). Gehören Grundstücke zum Nachlassvermögen, so sind diese nach § 46 Abs. 1 GNotKG mit ihrem Verkehrswert anzusetzen.
Der Wert der Sache, auch von Grundbesitz, wird gemäß § 46 Abs. 1 GNotKG durch den Preis bestimmt, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit der Sache unter Berücksichtigung aller den Preis beeinflussenden Umstände bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (Verkehrswert).
Der Verkehrswert eines bebauten Grundstücks ergibt sich aus der Verbindung dreier Werte, nämlich aus dem auf der Grundlage des Bodenrichtwerts ermittelten Bodenwert, dem Gebäudesachwert und dem Ertragswert von Gebäude und Grundstück. Der Verkehrswert schlüsselt sich auf in Bodenwert, Ertragswert und Sachwert (BGH, Beschluss vom 18. Januar 1995, IV ZR 182/94, Rn. 5) und ist aus dem Ergebnis dieser Werte zu bilden (§ 199 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit § 8 Abs. 1 S. 3 ImmoWertV; OLG Jena, OLG Jena Beschl. v. 28.12.2020 – 4 W 127/20, BeckRS 2020, 46420).
Steht der Verkehrswert – wie hier – nicht fest, so ist er für die Zwecke der Gebührenerhebung im Wege des Freibeweises nach den Kriterien des § 46 Abs. 2 (und ggf. Abs. 3) GNotKG zu bestimmen (Fackelmann in Schneider/Volpert/Fölsch KostenR, 2. Aufl., § 46 Rn. 25; Korintenberg/Tiedtke GNotKG, 20. Aufl., § 46 Rn. 12). Angestrebt wird mit dieser Vorgabe einerseits eine möglichst zuverlässige, andererseits aber auch eine praktikable und zeitnahe Bewertung (Bayer. Notarkasse Streifzug GNotKG, 12. Aufl., Rn. 2148). Das Gesetz verlangt für die Zwecke der Gebührenfestsetzung keine mit letzter Präzision vorzunehmende Wertfeststellung (vgl. BayObLGZ 1972, 297 (301)). Das zeigt schon das gesetzliche Verbot gemäß § 46 Abs. 4 GNotKG, zur Feststellung des Verkehrswerts förmlich Beweis zu erheben (OLG München Beschluss vom 12.09.2018, 34 Wx 283/18).
Dies zugrunde gelegt war die Festsetzung des Amtsgerichts grundsätzlich nicht zu beanstanden. Die Einholung eines Gutachtens war nicht erforderlich. Das Amtsgericht hat mit zutreffenden Erwägungen seine Festsetzung auf die Angaben des Gutachterausschusses gestützt.
Nachdem der Antragsteller im Beschwerdeverfahren ein Verkehrswertgutachten eingeholt und vorgelegt hat, hält der Senat es aber für angemessen, das Ergebnis dieses Gutachtens als Basis für die Festsetzung des Geschäftswertes zu verwerten. Es enthält im Vergleich zu den pauschaleren Angaben des Gutachterausschusses eine präzise Auskunft zum Verkehrswert des konkreten zum Nachlass gehörenden Grundstücks und kommt zu einem Wert von 520.000 €.
Das Gutachten ist plausibel und nachvollziehbar. Soweit der Beschwerdeführer nunmehr das Ergebnis des von ihm selbst eingereichten Gutachtens unter Berufung auf ein Gespräch mit dem Vorsitzenden des Gutachterausschusses in Zweifel zieht und meint, der Verkehrswert betrage lediglich 231.375,50 €, folgt der Senat dem nicht. Die Angaben hierzu im Schriftsatz vom 12.11.2021 sind pauschal und setzten sich nicht konkret mit dem Gutachten auseinander. Es ist nicht nachvollziehbar, wie der Beschwerdeführer zu einem Verkehrswert kommt, der unterhalb der Hälfte des von der Gutachterin ausgewiesenen Betrages kommt. Dieses stimmt im Übrigen mit der vom Beschwerdeführer selbst abgegebenen Einschätzung aus der Beschwerdeschrift überein, wonach der Verkehrswert voraussichtlich bei 500.000 € bis 550.000 € liege.
Der vom Beschwerdeführer nunmehr in den Raum gestellte Wert von lediglich 231.375,50 € ist darüber hinaus auch schon angesichts der unmittelbaren Wasserlage sowie der Größe des Grundstücks und des Gebäudes erkennbar unrealistisch niedrig angesetzt. Schon für einen Laien ist offensichtlich, dass der Marktwert wesentlich höher liegen muss.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.