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Geschäftswert bei Dienstbarkeit berechnen: 20× 5%-Wert der genutzten Fläche

Die Kosten für die Eintragung einer Ferngasleitung im Grundbuch hingen vom korrekten Geschäftswert bei Dienstbarkeit ab, den das Energieunternehmen anders berechnet hatte als das Gericht. Die Richter lehnten die bereits gezahlte einmalige Entschädigung ab und setzten den Wert über eine völlig neue Formel fest, die nun als Maßstab gilt.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 2 Wx 5/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Sachsen‑Anhalt, Sitz Naumburg
  • Datum: 18.09.2024
  • Aktenzeichen: 2 Wx 5/24
  • Verfahren: Beschlussverfahren des Senats
  • Rechtsbereiche: Gebührenrecht, Grundstücksrecht, Sachenrecht

  • Das Problem: Ein Unternehmen musste die Gebühr für die Eintragung einer Gasleitungs-Dienstbarkeit in das Grundbuch bezahlen. Das Unternehmen hielt die festgesetzte Gebühr für zu hoch und wollte, dass sie drastisch gesenkt wird.
  • Die Rechtsfrage: Wie muss der Wert einer zeitlich unbegrenzten Leitungs-Dienstbarkeit berechnet werden, um die korrekten Gebühren für die Grundbucheintragung festzusetzen?
  • Die Antwort: Die Beschwerde war erfolgreich. Die Gebühren müssen auf Basis des niedrigeren Werts von 3.015,30 € neu berechnet werden. Der Wert richtet sich nach einem jährlichen Ersatzwert von fünf Prozent des nur tatsächlich genutzten Grundstückstreifens, multipliziert mit dem Faktor 20.
  • Die Bedeutung: Bei der Berechnung von Grundbuchgebühren für dauerhafte Leitungsrechte zählt in der Regel nicht die einmalige Entschädigung. Maßgeblich ist nur der Wert des Grundstücksteils, der direkt vom Leitungsrecht beansprucht wird.

Gebühren für Leitungsrecht im Grundbuch: Wie ein Streit um 64 Euro die richtige Berechnungsmethode klärt

Wenn ein Energieunternehmen eine Ferngasleitung unter einem privaten Grundstück verlegt, ist das mehr als nur ein Bauprojekt. Es ist ein juristischer Akt, der im Grundbuch verewigt werden muss. Doch was kostet dieser Eintrag? Diese scheinbar einfache Frage führte zu einem Rechtsstreit, der die Systematik der Gebührenberechnung für solche Leitungsrechte bis ins Detail ausleuchtete. In seinem Beschluss vom 18. September 2024 (Az. 2 Wx 5/24) musste das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt klären, welcher Wert als Grundlage für die Gebührenrechnung des Grundbuchamts heranzuziehen ist – ein Fall, der die präzise Logik des Gerichts- und Notarkostengesetzes offenlegt.

Was genau war passiert?

Zwei Hände tauschen formell über einen Schalter ein amtliches Dokument mit hoher Gebührenforderung.
Streit um Leitungsrecht: OLG klärt Geschäftswertberechnung für Grundbuchgebühren. | Symbolbild: KI

Ein Energieunternehmen sicherte sich das Recht, eine unterirdische Ferngasleitung durch ein Grundstück zu betreiben und den dafür nötigen, sechs Meter breiten Schutzstreifen dauerhaft zu nutzen. Dieses Recht, juristisch als Beschränkt persönliche Dienstbarkeit nach § 1090 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) bezeichnet, wurde am 4. Oktober 2023 ordnungsgemäß im Grundbuch eingetragen. Eine solche Dienstbarkeit gewährt einer bestimmten Person oder Firma – hier dem Energieunternehmen – ein Nutzungsrecht an einem fremden Grundstück, das nicht an den Besitz eines anderen Grundstücks gekoppelt ist.

Kurz darauf erhielt das Unternehmen vom Grundbuchamt Oschersleben die Rechnung: 83,00 Euro. Das Amt hatte für die Berechnung der Gebühr einen sogenannten Geschäftswert von 12.061,20 Euro angesetzt. Der Geschäftswert ist die finanzielle Bemessungsgrundlage für Notar- und Gerichtskosten; je höher der Wert, desto höher die Gebühr. Das Unternehmen zahlte zwar, legte aber umgehend Widerspruch ein. Es war der Ansicht, die Berechnung sei fundamental falsch und die geforderte Gebühr massiv überhöht.

Der Streit entzündete sich an der Frage, wie dieser Geschäftswert korrekt zu ermitteln sei. Drei völlig unterschiedliche Berechnungsansätze standen im Raum:

  1. Das Unternehmen (Hauptargument): Maßgeblich sei allein die einmalige Entschädigungssumme, die für das Leitungsrecht gezahlt wurde. Diese betrug exakt 603,06 Euro. Daraus ergebe sich eine Gebühr von nur 19,00 Euro.
  2. Das Grundbuchamt: Das Amt nahm ebenfalls die Entschädigungssumme von 603,06 Euro, interpretierte diese aber als Jahreswert des Rechts. Da das Leitungsrecht auf unbestimmte Zeit angelegt ist, müsse dieser Jahreswert mit dem Faktor 20 multipliziert werden. Das Ergebnis: ein Geschäftswert von 12.061,20 Euro und die geforderte Gebühr von 83,00 Euro.
  3. Das Unternehmen (Hilfsargument): Sollte die Multiplikation mit 20 korrekt sein, so sei der Jahreswert anders zu bestimmen. Mangels konkreter Vereinbarungen müsse man auf einen gesetzlichen Ersatzwert zurückgreifen: 5 % des Wertes des betroffenen Grundstücksteils. Das Unternehmen legte eine detaillierte Berechnung vor, die auf amtlichen Bodenrichtwerten für den 1.058 Quadratmeter großen Schutzstreifen basierte. Demnach ergebe sich ein Jahreswert von 150,76 Euro und – multipliziert mit 20 – ein Geschäftswert von 3.015,30 Euro. Die korrekte Gebühr läge dann bei 33,00 Euro.

Das Grundbuchamt wies den Widerspruch zurück, ließ aber wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Falls die Beschwerde zum Oberlandesgericht zu. Damit lag der Ball bei der nächsthöheren Instanz.

Welche Gesetze spielten hier die entscheidende Rolle?

Den Schlüssel zur Lösung dieses Falls hält eine einzige Vorschrift in der Hand: § 52 des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG). Dieses Gesetz regelt, wie der Wert für wiederkehrende Nutzungen und Leistungen – wie eben eine dauerhafte Dienstbarkeit – zu bestimmen ist. Die Logik des § 52 GNotKG ist hierarchisch aufgebaut und lässt sich wie eine Prüfungsanleitung lesen.

Zunächst stellt § 52 Abs. 3 GNotKG klar: Handelt es sich um ein Recht von unbeschränkter Dauer, ist der Wert des Rechts mit dem 20-fachen des Jahreswertes anzusetzen. Ein Leitungsrecht, dessen Ende nicht absehbar ist, fällt genau unter diese Regel.

Die entscheidende Frage ist damit: Wie ermittelt man den korrekten Jahreswert? Hierfür gibt § 52 Abs. 5 GNotKG eine dreistufige Rangfolge vor:

  1. Stufe 1 (Vorrang): Haben die Parteien einen konkreten Jahreswert vereinbart, zum Beispiel eine jährliche Pacht, dann ist dieser Wert maßgeblich.
  2. Stufe 2: Gibt es keine solche Vereinbarung, muss geprüft werden, ob sich der Jahreswert auf andere Weise leicht beziffern lässt.
  3. Stufe 3 (Auffangwert): Ist beides nicht der Fall, greift ein gesetzlicher Ersatzwert: Der Jahreswert beträgt dann 5 % des Werts des Gegenstandes, der die Nutzung ermöglicht.

Genau entlang dieser gesetzlichen Stufen musste das Oberlandesgericht nun den vorliegenden Fall prüfen, um zu entscheiden, welcher der drei Berechnungsansätze der richtige war.

Warum entschied das Gericht so – und nicht anders?

Das Oberlandesgericht gab dem Energieunternehmen recht und wies das Grundbuchamt an, eine neue Rechnung auf Basis des hilfsweise beantragten Geschäftswerts von 3.015,30 Euro zu erstellen. Die Richter arbeiteten sich dabei akribisch an der Logik des § 52 GNotKG entlang und begründeten ihre Entscheidung in mehreren Schritten.

Die Weichenstellung: Ein Recht von unbeschränkter Dauer

Zuerst bestätigte das Gericht die Einschätzung des Grundbuchamts in einem grundlegenden Punkt: Das eingetragene Leitungsrecht ist zweifellos ein Recht von unbeschränkter Dauer im Sinne des § 52 Abs. 3 GNotKG. Da nicht absehbar ist, wann die Gasleitung außer Betrieb genommen wird, muss der Jahreswert des Rechts mit dem Faktor 20 multipliziert werden. Damit war das Hauptargument des Unternehmens, das allein auf die einmalige Entschädigungssumme abstellen wollte, bereits vom Tisch.

Warum die einmalige Entschädigung nicht der Jahreswert ist

Das Gericht verwarf jedoch die Argumentation des Grundbuchamts, die einmalige Entschädigung von 603,06 Euro einfach als Jahreswert zu behandeln. Die Richter stellten klar, dass das seit 2013 geltende GNotKG hier eine entscheidende Änderung gegenüber der alten Kostenordnung gebracht hat. Die frühere Rechtsprechung, die teilweise auf einmalige Entschädigungen abstellte, ist überholt. Nach der neuen Gesetzeslage kommt es allein auf den Wert des Rechts für den Berechtigten an (§ 52 Abs. 1 GNotKG).

Eine einmalige Entschädigung kann nur dann als Grundlage dienen, wenn sie nachweislich ein im Voraus bezahltes, auf Jahre umgelegtes Nutzungsentgelt darstellt. Dafür gab es hier keinerlei Anhaltspunkte. Der Betrag von 603,06 Euro war eine Entschädigung, aber kein kapitalisiertes jährliches Nutzungsentgelt. Ihn als Jahreswert anzusetzen, war daher willkürlich und rechtlich nicht haltbar.

Die Suche nach dem Jahreswert: Eine dreistufige Prüfung

Da der Ansatz des Grundbuchamts fehlerhaft war, folgte das Gericht der strengen Prüfungsreihenfolge des § 52 Abs. 5 GNotKG:

  • Stufe 1: Einen zwischen den Parteien vereinbarten Jahreswert gab es nicht. Die Vereinbarung über die Dienstbarkeit enthielt keine Regelung über eine jährliche Zahlung. Diese Stufe war also nicht anwendbar.
  • Stufe 2: Auch ein auf andere Weise leicht bezifferbarer Jahreswert war nicht ersichtlich. Es gab keine Anhaltspunkte, aus denen sich ein jährlicher Nutzen oder Ertrag für das Energieunternehmen hätte ableiten lassen.
  • Stufe 3: Da die ersten beiden Stufen ins Leere liefen, musste das Gericht zwingend auf den gesetzlichen Auffangwert zurückgreifen: 5 % des Werts des nutzbringenden Gegenstands.

Worauf beziehen sich die 5 Prozent? Der entscheidende Unterschied zwischen Grundstück und Schutzstreifen

Nun stand die letzte entscheidende Frage im Raum: Was ist der „nutzbringende Gegenstand“? Ist es das gesamte Grundstück, über das die Leitung verläuft, oder nur der schmale Streifen, der tatsächlich für die Leitung und ihre Wartung genutzt wird?

Hier schloss sich das Gericht der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur an: Maßgeblich ist allein der Wert des Grundstücksteils, der dem Berechtigten den konkreten Nutzen gewährt. Im Fall eines Leitungsrechts ist dies der unmittelbare Ausübungsbereich der Dienstbarkeit – also der sechs Meter breite Schutzstreifen mit einer Fläche von 1.058 Quadratmetern. Alles andere würde zu einer unverhältnismäßigen und sachfremden Aufblähung des Geschäftswerts führen.

Das Gericht befand die vom Energieunternehmen vorgelegte Berechnung auf Basis der amtlichen Bodenrichtwerte für diesen Schutzstreifen als sachgerecht und nachvollziehbar. Die so ermittelte Summe ergab einen Jahreswert von 150,76 Euro.

Die finale Berechnung: Vom Jahreswert zum endgültigen Geschäftswert

Mit diesem korrekt ermittelten Jahreswert war der letzte Schritt nur noch reine Formsache. Das Gericht multiplizierte den Jahreswert mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Faktor 20 und kam so auf den finalen Geschäftswert:

150,76 Euro (Jahreswert) × 20 = 3.015,30 Euro (Geschäftswert)

Dieser Wert, den das Unternehmen in seinem Hilfsantrag selbst errechnet hatte, wurde vom Gericht bestätigt. Die ursprüngliche Kostenrechnung wurde aufgehoben, und das Grundbuchamt muss nun eine neue, deutlich niedrigere Rechnung ausstellen.

Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?

Auch wenn es in diesem Fall nur um eine Differenz von 64 Euro ging, hat die Entscheidung des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt grundsätzliche Bedeutung und liefert wichtige Erkenntnisse für die Praxis.

Die wichtigste Lehre ist, dass die Bewertung von dauerhaften Rechten wie Leitungs- oder Wegerechten im Grundbuch einer klaren und unumstößlichen Hierarchie folgt. Eine einmalig gezahlte Entschädigung ist dabei fast nie die direkte Grundlage für die Gebührenberechnung. Das Gesetz zwingt die Gerichte und Ämter dazu, primär nach einem vereinbarten oder leicht ermittelbaren Jahreswert zu suchen. Nur wenn diese Suche erfolglos bleibt, kommt der gesetzliche Auffangwert von 5 % zur Anwendung.

Zudem bekräftigt das Urteil ein zentrales Prinzip der Verhältnismäßigkeit: Bei der Anwendung der 5-%-Regel ist nicht der Wert des gesamten belasteten Grundstücks entscheidend, sondern nur der Wert des konkret genutzten Teils. Ob Schutzstreifen für eine Pipeline, Fahrspur für ein Wegerecht oder Überhang für eine Dachrinne – für die Gebührenberechnung zählt nur der Bereich, in dem das Recht tatsächlich ausgeübt wird. Dies schützt Eigentümer und Rechteinhaber vor überzogenen Gebühren, die in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Wert der Nutzung stehen.

Die Urteilslogik

Die Bewertung dauerhafter Rechte im Grundbuch folgt einer klaren gesetzlichen Hierarchie, die den Geschäftswert methodisch und unwillkürlich festlegt.

  • Dauerhafte Rechte kapitalisieren: Rechte von unbeschränkter Dauer, deren Ende nicht absehbar ist, müssen für die Gebührenbemessung zwingend mit dem Faktor 20 multipliziert werden, um den finalen Geschäftswert zu bestimmen.
  • Einmalige Entschädigung ignorieren: Eine einmalig gezahlte Entschädigungssumme für ein Leitungsrecht ersetzt nicht den gesetzlich geforderten Jahreswert, solange die Parteien sie nicht explizit als kapitalisiertes, im Voraus gezahltes Nutzungsentgelt vereinbart haben.
  • Begrenzung auf den Nutzungsbereich: Wenn der Jahreswert mangels konkreter Vereinbarung über den gesetzlichen Auffangwert von fünf Prozent ermittelt wird, darf dieser nur auf den Wert jenes Grundstücksteils bezogen werden, der dem Berechtigten den tatsächlichen Nutzen gewährt, nicht auf den Wert des gesamten Flurstücks.

Die Verhältnismäßigkeit der Gebühren verlangt die präzise Einhaltung dieser gesetzlichen Prüfschritte, um Rechteinhaber vor sachfremden Kostenansätzen zu schützen.


Experten Kommentar

Viele glauben, wenn einmal eine Entschädigung für eine Gasleitung geflossen ist, dass dieser Betrag automatisch die Grundlage für die Grundbuchgebühren bildet. Das OLG macht hier einen dicken Strich durch die Rechnung: Eine einmalige Zahlung ist fast nie der maßgebliche Jahreswert nach dem Kostenrecht. Für die Praxis liefert dieses Urteil eine klare Anleitung, wie Energieversorger oder Eigentümer mit dem 5-Prozent-Auffangwert arbeiten müssen. Entscheidend ist, dass bei der Berechnung des Geschäftswertes nicht der gesamte Grundstückswert herangezogen wird, sondern konsequent nur der Wert des konkret betroffenen sechs Meter breiten Schutzstreifens. Wer Gebühren für Leitungsrechte prüfen lässt, vermeidet so unnötig hohe Kosten.


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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wie berechnet das Grundbuchamt die Gebühren für mein Leitungsrecht im Grundbuch?

Die Kosten für die Eintragung eines Leitungsrechts in das Grundbuch basieren auf dem sogenannten Geschäftswert. Grundbuchämter verwenden bei unbefristeten Dienstbarkeiten fast immer den Faktor 20, weil diese Rechte als von unbeschränkter Dauer gelten. Die Multiplikation des Jahreswertes mit diesem Faktor 20 ist zwingend vorgeschrieben. Der Schlüssel zur korrekten Rechnung liegt somit in der Ermittlung des korrekten Jahreswerts.

Die Ermittlung des Jahreswerts muss streng der dreistufigen Rangfolge des § 52 Abs. 5 des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG) folgen. Zuerst prüfen die Ämter, ob ein Jahreswert vertraglich zwischen den Parteien vereinbart wurde, etwa durch eine jährliche Pachtzahlung. Läuft dieser erste Schritt ins Leere, wird untersucht, ob sich der jährliche Nutzen des Rechts auf andere Weise leicht beziffern lässt.

Erst wenn beide Prüfungen negativ verlaufen, greift die gesetzliche Auffangregelung, die sogenannte 5-%-Regel. Diese besagt, dass der Jahreswert 5 % des Werts des betroffenen Grundstücksteils beträgt. Das Grundbuchamt darf eine einmalige Entschädigungssumme nicht willkürlich als Jahreswert interpretieren, um diese dann mit 20 zu multiplizieren. Das Landgericht OLG Sachsen-Anhalt stellte klar, dass eine Einmalzahlung in der Regel keine Vorauszahlung für die jährliche Nutzung darstellt.

Fordern Sie vom Grundbuchamt die genaue Angabe der Berechnungsgrundlage (Geschäftswert) an und prüfen Sie, welche der drei Stufen des § 52 Abs. 5 GNotKG zur Ermittlung des Jahreswerts tatsächlich angewendet wurde.


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Zählt meine einmalige Entschädigung zur Berechnung des Geschäftswerts einer Dienstbarkeit?

Die einmalige Entschädigung, die Sie für die Eintragung einer Dienstbarkeit erhalten haben, dient in der Regel nicht als direkter Jahreswert für die Gebührenberechnung. Viele Grundbuchämter behandeln diese Summe fälschlicherweise als Basis, was zu einer massiv überhöhten Rechnung führt. Eine einmalige Zahlung ist nach dem seit 2013 geltenden Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) keine automatische Bemessungsgrundlage für den Geschäftswert.

Der Betrag, den Sie einmalig erhalten, stellt typischerweise eine Entschädigung für die Wertminderung Ihres Grundstücks dar und bildet nicht den wiederkehrenden Wert des Rechts ab. Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt stellte fest, dass die frühere Rechtsprechung, die teilweise auf einmalige Entschädigungen abstellte, durch die neuen Regelungen des GNotKG überholt ist. Grundbuchämter dürfen diese veraltete Methodik daher nicht mehr anwenden, um den Jahreswert zu bestimmen.

Nehmen wir an, Sie erhielten 600 Euro als Entschädigung für ein Leitungsrecht. Das Amt darf diese 600 Euro nicht als Jahreswert interpretieren, um darauf aufbauend den Geschäftswert mit dem Faktor 20 zu multiplizieren. Die einmalige Zahlung kann nur dann als Jahreswert dienen, wenn sie vertraglich nachweislich als im Voraus bezahltes, auf Jahre umgelegtes Nutzungsentgelt deklariert wurde. Fehlt dieser Nachweis, muss die Berechnung dem dreistufigen Prüfschema des GNotKG folgen.

Prüfen Sie Ihre Dienstbarkeitsvereinbarung und legen Sie Widerspruch ein, falls das Grundbuchamt Ihre einmalige Entschädigung unzulässig als Jahreswert für die Berechnung der Gebühren verwendet hat.


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Wird bei der 5-%-Regel der Wert meines gesamten Grundstücks zur Berechnung herangezogen?

Nein, die 5-%-Auffangregel bezieht sich nicht auf den Wert Ihres gesamten Flurstücks. Entscheidend ist allein das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Gerichte haben klargestellt, dass nur der Wert des sogenannten nutzbringenden Gegenstands zur Ermittlung des Jahreswerts herangezogen werden darf, nicht die Gesamtfläche Ihres Eigentums.

Diese strenge Auslegung verhindert, dass der Geschäftswert der Dienstbarkeit unverhältnismäßig aufgebläht wird. Wenn ein Versorgungsunternehmen lediglich einen sechs Meter breiten Schutzstreifen für eine Pipeline nutzt, darf der Rest des Grundstücks, den Sie weiterhin normal bewirtschaften, nicht in die Kostenbasis einfließen. Das bedeutet: Im Falle eines Leitungsrechts zählt nur der Wert des unmittelbaren Ausübungsbereichs.

Nehmen wir an, Sie besitzen ein großes Flurstück von 80.000 Quadratmetern, aber das Wegerecht oder Leitungsrecht erstreckt sich nur über 1.200 Quadratmeter. Nur der Wert dieser 1.200 Quadratmeter dient als Basis für die 5-%-Berechnung. Die Berechnung dieses Teilwerts muss sachgerecht und nachvollziehbar erfolgen. Das Grundbuchamt muss die aktuellen, amtlichen Bodenrichtwerte verwenden, die spezifisch für diesen genutzten Streifen gelten.

Messen Sie die genaue Fläche des Schutzstreifens oder Ausübungsbereichs auf Ihrem Grundstück nach und beschaffen Sie die amtlichen Bodenrichtwerte, um die Basis für die 5-%-Regel zu prüfen.


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Was kann ich tun, wenn das Grundbuchamt meine Rechnung für die Dienstbarkeits-Eintragung falsch ausgestellt hat?

Reagieren Sie sofort mit einem formalen Widerspruch gegen die Kostenrechnung direkt beim Grundbuchamt. Gerichte stellen fest, dass Ämter die Wertberechnung nach dem seit 2013 geltenden Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) oft fehlerhaft handhaben. Sie müssen Ihre Ablehnung präzise juristisch begründen, um eine Korrektur und mögliche Rückzahlung zu erzwingen. Der Fehler des Amtes liegt in der Regel in der falschen Ermittlung des Jahreswerts.

Der zentrale Fehler liegt meist darin, die einmalige Entschädigungssumme willkürlich als Jahreswert zu interpretieren und diesen Wert dann mit dem Faktor 20 zu multiplizieren. Stattdessen müssen Sie die korrekte, dreistufige gesetzliche Hierarchie des § 52 GNotKG anwenden. Stellen Sie daher zusätzlich zum Widerspruch einen detaillierten Hilfsantrag. Dieser Antrag sollte den korrekten Geschäftswert basierend auf der gesetzlichen 5-%-Regel berechnen.

Dabei müssen Sie belegen, dass die 5-%-Regel nur auf den Wert des tatsächlich genutzten Schutzstreifens und nicht auf das gesamte Grundstück angewendet wird. Diese Berechnung führt zu einem deutlich niedrigeren Geschäftswert, der ebenfalls mit 20 multipliziert wird. Weist das Grundbuchamt Ihren Widerspruch dennoch zurück, muss es die Beschwerde zum Oberlandesgericht zulassen. Dies gilt insbesondere, wenn die Berechnungsgrundlage grundsätzliche Bedeutung hat, wie die Gerichte in jüngsten Entscheidungen (Az. 2 Wx 5/24) bekräftigten.

Formulieren Sie den Widerspruch schriftlich, adressieren Sie ihn an das Grundbuchamt und fügen Sie Ihre eigene, korrekte Berechnung des Geschäftswerts als Beleg bei.


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Wie wird der Jahreswert einer unbefristeten Dienstbarkeit nach GNotKG korrekt ermittelt?

Die Ermittlung des Jahreswerts ist entscheidend für die Höhe der Grundbuchgebühren, da dieser Wert mit dem Faktor 20 multipliziert wird. Das Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG) schreibt in § 52 Abs. 5 eine zwingende, dreistufige Rangfolge vor, die Ämter und Gerichte strikt einhalten müssen. Diese Systematik gewährleistet eine präzise und nicht willkürliche Bemessungsgrundlage.

An erster Stelle steht die vertragliche Vereinbarung der Parteien. Existiert ein zwischen Ihnen und dem Rechteinhaber festgesetzter Jahreswert – beispielsweise eine jährliche Pachtzahlung – muss dieser zwingend verwendet werden (Stufe 1). Ist keine solche jährliche Vereinbarung vorhanden, prüfen Gerichte und Grundbuchämter, ob sich der jährliche Nutzen oder Ertrag für den Berechtigten auf andere Weise leicht beziffern lässt (Stufe 2).

Nur wenn die ersten beiden Prüfschritte ins Leere laufen, ist der gesetzliche Auffangwert anzuwenden (Stufe 3). Dieser Ersatzwert beträgt pauschal 5 % des Werts des nutzbringenden Gegenstands. Bei einem Leitungsrecht ist dies nicht der Wert des gesamten Grundstücks, sondern nur der Wert des konkreten Grundstücksteils, der die Nutzung ermöglicht, wie etwa der sechs Meter breite Schutzstreifen.

Dokumentieren Sie anhand Ihrer Verträge, dass keine jährliche Zahlung existiert, um die Anwendung des günstigeren 5-%-Auffangwerts rechtlich zu erzwingen.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Auffangwert (5-%-Regel)

Der Auffangwert ist die gesetzlich festgelegte Ersatzgröße im Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG), die zur Berechnung des Jahreswerts herangezogen wird, wenn keine vertragliche oder leicht ermittelbare Grundlage existiert.
Diese Regelung, oft als 5-%-Regel bezeichnet, sichert, dass selbst bei fehlender vertraglicher Vereinbarung stets eine klare, verhältnismäßige Bemessungsgrundlage für die Kosten einer Dienstbarkeit verfügbar ist.

Beispiel: Da das Energieunternehmen und der Grundstückseigentümer keinen jährlichen Mietzins vereinbart hatten, musste das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt zwingend auf den gesetzlichen Auffangwert von 5 % zurückgreifen.

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Beschränkt persönliche Dienstbarkeit

Eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit (§ 1090 BGB) ist ein spezielles Nutzungsrecht an einem fremden Grundstück, das nur einer bestimmten juristischen oder natürlichen Person zusteht, typischerweise Versorgungsunternehmen für Leitungen.
Juristen nutzen dieses Instrument, um einem Berechtigten ein dauerhaftes, im Grundbuch gesichertes Recht zur Nutzung eines Teils des fremden Grundstücks zu gewähren, ohne dass dieser selbst Eigentümer sein muss.

Beispiel: Die Eintragung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit im Grundbuch sicherte dem Energieunternehmen das Recht, die unterirdische Ferngasleitung dauerhaft unter dem privaten Grundstück zu betreiben.

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Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG)

Das Gerichts- und Notarkostengesetz, kurz GNotKG, ist die maßgebliche Rechtsquelle, die bundesweit detailliert vorschreibt, wie Gerichte und Notare ihre Gebühren und Auslagen für ihre Tätigkeit zu berechnen haben.
Dieses Gesetz stellt sicher, dass die Kosten für gerichtliche Verfahren, Grundbucheintragungen oder notarielle Beurkundungen transparent, einheitlich und nachvollziehbar anhand des Geschäftswerts ermittelt werden.

Beispiel: Der gesamte Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht drehte sich darum, die hierarchische Prüflogik des § 52 GNotKG zur Bestimmung des korrekten Geschäftswerts für das Leitungsrecht anzuwenden.

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Geschäftswert

Juristen verstehen unter dem Geschäftswert die zentrale finanzielle Bemessungsgrundlage, auf deren Höhe sich die Kosten und Gebühren für gerichtliche Verfahren oder die Eintragung im Grundbuch gründen.
Die Ermittlung des Geschäftswerts ist der erste und wichtigste Schritt der Kostenberechnung, denn er legt den Rahmen fest, innerhalb dessen die konkrete Gebühr (z.B. nach der Gebührentabelle des GNotKG) festgelegt wird.

Beispiel: Das Grundbuchamt musste den ursprünglich angesetzten Geschäftswert von 12.061,20 Euro korrigieren, da die zugrundeliegende Berechnung des Jahreswerts nach § 52 GNotKG fehlerhaft war.

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Jahreswert

Der Jahreswert ist der Betrag, den Juristen ansetzen, um den wiederkehrenden, jährlichen Nutzen eines zeitlich unbefristeten Rechts, wie einer Dienstbarkeit, finanziell abzubilden.
Gemäß § 52 GNotKG dient der Jahreswert als Basis: Er wird bei dauerhaften Rechten zwingend mit dem Faktor 20 multipliziert, um den endgültigen, einmaligen Geschäftswert für die Gebührenrechnung zu erhalten.

Beispiel: Hätte das Energieunternehmen jährlich Pacht gezahlt, wäre dieser Betrag sofort als Jahreswert heranzuziehen gewesen, was die Berechnung der Grundbuchgebühren stark vereinfacht hätte.

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Nutzbringender Gegenstand

Der nutzbringende Gegenstand bezeichnet im Kontext der 5-%-Regel exakt den Teil des Grundstücks, der dem Rechteinhaber den konkreten Nutzen der Dienstbarkeit gewährt.
Das Gesetz verfolgt damit das Prinzip der Verhältnismäßigkeit und verhindert, dass der Wert des gesamten Flurstücks – auch der nicht genutzte Teil – in die teure Kostenbasis für die Grundbucheintragung einfließt.

Beispiel: Bei der korrekten Anwendung der 5-%-Regel berücksichtigte das Gericht nur den sechs Meter breiten Schutzstreifen von 1.058 Quadratmetern als nutzbringenden Gegenstand, nicht das gesamte, belastete Grundstück.

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Das vorliegende Urteil


Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 2 Wx 5/24 – Beschluss vom 18.09.2024


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