Paradigmenwechsel bei Immobiliengeschäften: Gemeindliches Vorkaufsrecht und Anforderungen an Negativzeugnisse
Gemeinden haben gemäß deutschem Recht oftmals ein Vorkaufsrecht bei der Übertragung von Grundstücken, wobei die Anforderungen und Bedingungen je nach Situation variieren können. Ein jüngst ergangenes Urteil des Oberlandesgerichts Sachsen-Anhalt – Az.: 12 Wx 34/22 – hat diese Tatsache und die zugehörigen rechtlichen Herausforderungen mit hoher Bedeutung für praktische Umsetzungen in den Fokus gerückt.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt hat entschieden, dass in bestimmten Fällen bei der Übertragung von Grundstücken kein Negativzeugnis erforderlich ist, insbesondere wenn kein Verkauf oder vergleichbares Geschäft vorliegt.
- Gemeindliches Vorkaufsrecht: Gemeinden in Deutschland haben oft ein Vorkaufsrecht bei der Übertragung von Grundstücken.
- Negativzeugnis: Ein Dokument, das bestätigt, dass die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht nicht ausübt oder dass kein solches Recht besteht.
- Kernproblem des Falles: Übertragung von Grundstücken einer GbR an eine GmbH und die Rolle des gemeindlichen Vorkaufsrechts und des Negativzeugnisses.
- Gerichtliche Entscheidung: Das Gericht stellte fest, dass in diesem Fall kein Negativzeugnis erforderlich war, da kein Verkauf oder vergleichbares Geschäft stattfand.
- Relevanz des Urteils: Das Urteil könnte die Praxis von Immobilientransaktionen in Deutschland beeinflussen.
- Komplexität von Immobiliengeschäften: Der Fall zeigt, wie kompliziert Immobiliengeschäfte sein können und wie rechtliche Vorschriften interpretiert werden können.
- Bedeutung für Rechtspraktiker und Investoren: Das Urteil sollte Anlass sein, bestehende Praktiken und Annahmen kritisch zu hinterfragen.
Übersicht
- Paradigmenwechsel bei Immobiliengeschäften: Gemeindliches Vorkaufsrecht und Anforderungen an Negativzeugnisse
- ✔ Das Wichtigste in Kürze
- Ein komplexer Fall mit erheblichen rechtlichen Implikationen
- Die Rolle des Gemeindlichen Vorkaufsrechts und des Negativzeugnisses
- Die gerichtliche Entscheidung und ihre Auswirkungen
- Schlussfolgerungen und zukünftige Überlegungen
- ✔ Negativzeugnis bei Grundstücksübertragung – kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Ein komplexer Fall mit erheblichen rechtlichen Implikationen
Im Zentrum des Falles stand die Übertragung von mehreren Grundstücken. Frühere Eigentümer waren die Mitglieder einer GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts), doch nach der Auflösung der Gesellschaft fielen die Grundstücke an einen der Gesellschafter. Dieser übertrug die Grundstücke später im Rahmen einer Unternehmensumstrukturierung auf eine GmbH, in der er für sich als alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer und Alleingesellschafter fungierte.
Die Rolle des Gemeindlichen Vorkaufsrechts und des Negativzeugnisses
Das Kernproblem in diesem Fall betraf das von der Gemeinde geltend gemachte Vorkaufsrecht und das vom Grundbuchamt geforderte Negativzeugnis. Ein Negativzeugnis ist ein Dokument, das von der zuständigen Behörde ausgestellt wird und bestätigt, dass die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht nicht ausübt. In diesem Fall ist es besonders bemerkenswert, dass das Gericht die Notwendigkeit eines solchen Zeugnisses in Frage stellte.
Die gerichtliche Entscheidung und ihre Auswirkungen
Letztendlich entschied das Gericht, dass die Anforderung eines Negativzeugnisses durch das Grundbuchamt in dieser Situation unberechtigt war. Die Begründung: Es fand kein Verkauf oder vergleichbares Geschäft statt, welches das Vorkaufsrecht der Gemeinde ausgelöst hätte. Erfolgte die Übertragung der Grundstücke gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG – einer Vorschrift für die Übertragung von Vermögen im Rahmen von Umstrukturierungen – wäre diese nicht unter die Regelungen des gemeindlichen Vorkaufsrechts gefallen.
Diese Entscheidung könnte die Landschaft der Immobilientransaktionen grundlegend verändern und stellt einen bemerkenswerten Präzedenzfall dar. Insbesondere das oft übersehene Negativzeugnis und dessen Anwendung bei der Grundstückübertragung wird durch dieses Urteil unter neues Licht gestellt.
Schlussfolgerungen und zukünftige Überlegungen
Auch wenn es noch zu früh ist, die vollständigen Auswirkungen dieses Urteils auf ähnliche Fälle zu bewerten, birgt die Entscheidung mehrere bedeutsame Einsichten. Insbesondere zeigt der Fall, wie komplex Immobiliengeschäfte sein können und wie rechtliche Vorschriften wie das gemeindliche Vorkaufsrecht und die Notwendigkeit eines Negativzeugnisses in solchen Kontexten wirken und ausgelegt werden können. Dieses Urteil sollte sowohl für Rechtspraktiker als auch für Investoren Anlass sein, bestehende Praktiken und Annahmen kritisch zu hinterfragen und ggf. neu zu bewerten.
Das endgültige Fazit dieses Urteils ist jedoch klar: Der Fall unterstreicht die Bedeutung einer genauen Kenntnis der relevanten Rechtsvorschriften und einer sorgfältigen rechtlichen Bewertung bei Immobilientransaktionen. Das Gerichtsurteil wirkt dabei als wichtige Erinnerung daran, dass die Abwicklung von Immobiliengeschäften selten ein einfacher, geradliniger Prozess ist – wa sich hierin als wichtige Lektion für Investoren und Rechtsprofis gleichermaßen manifestiert.
✔ Negativzeugnis bei Grundstücksübertragung – kurz erklärt
Ein Negativzeugnis ist eine Bescheinigung, die bestätigt, dass eine Gemeinde kein Vorkaufsrecht zum Kauf eines Grundstücks besitzt oder dass sie das Vorkaufsrecht nicht ausübenmöchte. Die Negativbescheinigung oder das Negativzeugnis ist die schriftliche Erklärung, in der eine Stadt oder Gemeinde auf ihr gesetzliches Vorkaufsrecht an einer Immobilie verzichtet. Alternativ kann mit einer solchen Bescheinigung auch bestätigt werden, dass ein solches Vorkaufsrecht nicht existiert. In der Regel wird das beurkundende Notariat beauftragt, schriftlich die Ausstellung des Negativzeugnisses bei der Gemeinde, in der das Grundstück liegt, zu beantragen. Wenn kein Vorkaufsrecht besteht oder dieses nicht ausgeübt wird, stellt die Gemeinde ein Negativzeugnis aus. Mit der Vorlage des Negativzeugnisses kann die Eintragung im Grundbuch vollzogen werden.
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Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt – Az.: 12 Wx 34/22 – Beschluss vom 12.12.2022
Auf die inhaltlich beschränkte Beschwerde der Beteiligten wird die Zwischenverfügung des Grundbuchamtes vom 20. Oktober 2021 insoweit aufgehoben als dort das Grundbuchamt die Vorlage eines Negativzeugnisses gemäß § 28 Abs. 1 S. 2 BauGB verlangt.
Von einer Kostenentscheidung wird abgesehen.
Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 23.505 € festgesetzt.
Gründe
A.
Im oben genannten Grundbuch ist als Eigentümerin der Grundstücke Flur 6, Flurstück 421, 422, 423 und Flur 3 Flurstück 342 die „S. GbR Dr. E. B. und C. B. “, bestehend aus den Gesellschaftern Dr. E. B. (geboren am 27. August 1960) und C. B. (geboren am 13. April 1991), eingetragen.
Im Handelsregister des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) wurde unter HRA … am 13. November 2020 unter der Firma „Dr. E. B. e.K.“ ein von dem Beteiligten zu 1) betriebenes Einzelunternehmen eingetragen.
Darüber hinaus ist der Beteiligte zu 1) Alleingesellschafter der Beteiligten zu 2) und zugleich deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer.
Mit notarieller Urkunde vom 20. August 2021 – Urkundenrolle Nr. 733/2021 – verhandelt vor dem Verfahrensbevollmächtigten, gliederte der Beteiligte zu 1) das von ihm betriebene Einzelunternehmen „Dr. E. B. e.K.“ gemäß §§ 152 ff. UmwG auf die Beteiligte zu 2) aus. Dafür vereinbarten die Beteiligten unter § 2 des Vertrages:
„1. Das übertragene Vermögen (Aktiva und Passiva) ergibt sich aus der Bilanz des Einzelunternehmens zum 31. Januar 2021 als Schlussbilanz nebst Inventarverzeichnis. Sie ist in beglaubigter Abschrift dieser Niederschrift als Anlage 1 beigefügt (…). Alle auf den Bilanzstichtag bis zur Eintragung der Ausgliederung vom Einzelkaufmann hinzuerworbenen/eingegangenen Aktiva und Passiva werden mit übertragen. (…)
2. Im Zuge der Vermögensübertragung überträgt Herr Dr. E. B. die Grundstücke
a. Grundbuchamt Quedlinburg, Grundbuch von N., Blatt …, Gemarkung N.,
BV lfd. Nr. 1 Flur 006, Flurstück 421,
BV lfd. Nr. 2 Flur 006, Flurstück 422,
BV lfd. Nr. 6 Flur 006, Flurstück 423,
BV lfd. Nr. 8 Flur 003, Flurstück 242,
(…)
c. … nach den Angaben der Beteiligten ist Frau C. B. mit Ablauf des 31. Dezember 2020 aus der GbR ausgeschieden, das Gesellschaftsvermögen auf Herrn Dr. B. übergegangen.“
Der Punkt § 3 „Gegenleistung“ ist gestrichen.
Am 1. September 2021 wurde die Firma des Unternehmens „Dr. E. B. e.K.“ im Handelsregister gelöscht, weil das Unternehmen gemäß Ausgliederungsplan vom 20. August 2021 als Gesamtheit aus dem Vermögen des Inhabers auf die Beteiligte zu 2) ausgegliedert worden war.
Mit notarieller Urkunde – Urkunderolle Nr. 338/2021 – des Verfahrensbevollmächtigten vom 3. September 2021 teilte C. B. dem Grundbuchamt mit, dass sie aus der S. GbR ausgeschieden sei.
Am 21. September 2021 erklärte der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten gegenüber dem Grundbuchamt die Auflassung:
„Für den von mir vertretenen Dr. E. B., geboren am 27. August 1960 (…) und der I. (…) bin ich darüber einig, dass das Eigentum an den im Grundbuch von N. Blatt … verzeichneten Grundstücken (…) auf die I. (…) übergeht.“
Zugleich beantragte er gemäß seiner Urkunde 338/2021 die Grundbuchberichtigung und bewilligte und beantragte die Eigentumsumschreibung gemäß der Urkunde 733/2021 auf die Beteiligte zu 2).
Mit Zwischenverfügung vom 20. Oktober 2021 wies das Grundbuchamt darauf hin, dass der beantragten Berichtigung und Umschreibung folgende Hindernisse entgegenstünden und setzte zugleich eine Frist zur Beseitigung von sechs Wochen:
Durch das Ausscheiden der Mitgesellschafterin aus der GbR sei deren Anteil an dem Grundstück dem Mitgesellschafter angewachsen, damit habe zugleich ein Rechtsträgerwechsel stattgefunden, was gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG ein grunderwerbssteuerbarer Vorgang sei, weshalb für die Grundbuchberichtigung die Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung gemäß § 22 GrEStG vorzulegen sei.
Gleiches gelte für die Auflassung des Grundstückes durch den Beteiligten zu 1) an die Beteiligte zu 2. Darüber hinaus fehle für diesen Übertragungsakt eine Genehmigung bzw. Negativbescheinigung gemäß §§ 24 ff. BauGB.
Mit Schreiben vom 15. November 2021 teilte der Verfahrensbevollmächtigte mit, dass die Unbedenklichkeitsbescheinigungen beim Finanzamt angefordert seien. Er halte allerdings die Vorlage eines Negativzeugnisses nicht für erforderlich und lege deshalb gegen diese Auflage Beschwerde ein. Es läge kein Kauf oder einem Kauf gleichstehendes Rechtsgeschäft vor. Die Grundstücke seien Betriebsvermögen der S. GbR gewesen. Diese sei aufgelöst worden. Damit seien die Grundstücke dem Beteiligten zu 1) angewachsen und dadurch dem Einzelunternehmen „Dr. B. e.K.“ zuzuordnen. Dies sei auch aus dem Inventarverzeichnis des (Einbringungs-) Abschlusses des Einzelunternehmens „Dr. B. e.K.“ per 31. Januar 2021 erkennbar. Dort seien die Grundstücke unter der Inventarnummer 85001 aufgeführt. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2021 übersandte der Verfahrensbevollmächtigte dem Grundbuchamt als Anlage 1 zu seiner Urkunde 733/2021 die Bilanz „Dr. E. B. e.K.“ zum Stichtag 31. Januar 2021 in einfacher Kopie.
Dort findet sich keine Inventarnummer 85001, sondern unter dem Punkt AKTIVA, I. Sachanlagen 1. ist verzeichnet:
„Grundstück, grundstücksgleiche Rechte und Bauten einschließlich der Bauten auf fremden Grundstücken – wirtschaftliches Eigentum, Eigentümer Grundbuch W. Straße 11a privat“
Das Grundbuchamt teilte dem Verfahrensbevollmächtigten daraufhin am 4. Januar 2022 mit, dass diese Unterlagen zum einen nicht der Form des § 29 GBO entsprächen und zum anderen auch nicht geeignet seien, um den Rechtsübergang eines Grundstückes im Wege der Ausgliederung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG nachzuweisen, weil die ausgegliederten Grundstücke in der vorgelegten Anlage nicht gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 S. 2 UmwG bezeichnet worden seien. Das Grundbuchamt gehe deshalb davon aus, dass der Beteiligte zu 1) erst mit Auflassung vom 21. September 2021 die Grundstücke auf die Beteiligte zu 2) übertragen habe. Für diesen Übertragungsakt fehle weiterhin das angeforderte Negativzeugnis.
In seinem Schreiben vom 1. Februar 2022 widersprach der Verfahrensbevollmächtigte dieser Auffassung. Der Beteiligte zu 1) sei identisch mit dem „Dr. E. B. e.K.“ und habe als solcher sein Vermögen, insbesondere die verfahrensgegenständlichen Grundstücke auf die Beteiligte zu 2) im Wege der Ausgliederung übertragen.
Mit Beschluss vom 6. Juli 2022 half das Grundbuchamt der Beschwerde nicht ab, teilte jedoch gleichzeitig mit, dass die Vorlage eines Negativzeugnisses nur solange erforderlich sei, bis der Verfahrensbevollmächtigte die Auflassung zurücknehme. Im Übrigen seien die Grundstücke im notariell beurkundeten Ausgliederungsvertrag gemäß § 28 GBO ausreichend bezeichnet worden, so dass dieses Formerfordernis kein Hindernis mehr darstelle. Der Verfahrensbevollmächtigte reagierte darauf bisher nicht.
B.
Die nach § 71 Abs. 1 GBO statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Beschwerde ist begründet. Das vom Verfahrensbevollmächtigten gerügte Hindernis besteht nicht.
I. Das Grundbuchamt darf nach § 28 Abs. 1 Satz 2 BauGB zwar bei Kaufverträgen den Käufer als Eigentümer nur dann in das Grundbuch eintragen, wenn ihm die Nichtausübung oder das Nichtbestehen des Vorkaufsrechts durch ein Negativzeugnis in der Form des § 29 GBO nachgewiesen ist. Allerdings kann das Grundbuchamt die Vorlage eines Zeugnisses nicht verlangen, wenn der Gemeinde überhaupt kein Vorkaufsrecht zustehen kann. Dies hat das Grundbuchamt selbständig und eigenverantwortlich zu prüfen (vgl. Demharter, Grundbuchordnung, 32. Aufl., § 20 Rn. 52).
II. Nach dieser Maßgabe hat das Grundbuchamt zu Unrecht die Vorlage eines Negativzeugnisses im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 2 BauGB verlangt.
1. Der Umstand, dass vorliegend der Gemeinde nach § 24 BauGB oder ggf. § 25 BauGB kein Vorkaufsrecht zusteht, ergibt sich bereits aus den seitens des Verfahrensbevollmächtigten eingereichten Unterlagen. Die Vorlage eines Negativattestes gemäß § 28 BauGB ist nicht erforderlich. Es liegt keine Veräußerung des Grundstücks vor, die ein Vorkaufsrecht der Gemeinde auslösen würde. Der Verfahrensbevollmächtigte hat den Nachweis für einen Rechtsübergang im Wege des § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG in der Form des § 29 GBO erbracht, dem weder ein Kauf noch ein kaufähnliches Geschäft im Sinne des § 24 Abs. 1 BauGB zugrunde liegt.
a. Eigentümer der o.g. Grundstücke war durch die gemäß § 29 GBO nachgewiesene Auflösung der S. GbR unbeschadet der Ausübung eines eingetragenen einzelkaufmännischen Unternehmens und unabhängig davon, ob sie dem Privatvermögen des Beteiligten zu 1) – oder dem Betriebsvermögen des unter HRA … unter der Firma „Dr. E. B. e.K.“ Einzelunternehmens zuzuordnen ist, ein und dieselbe natürliche Person, der Beteiligte zu 1).
b. Fraglich kann daher nur sein, ob eine Ausgliederung aus dem Vermögen eines Einzelkaufmanns auch dann möglich ist, wenn der fragliche Vermögensgegenstand dessen Privatvermögen zuzuordnen ist, und – daran ggf. anschließend – weiter, ob die Voraussetzungen einer Ausgliederung und der Aufnahme durch die Beteiligte zu 2) in Bezug auf das Eigentum vorliegen. Beides ist zu bejahen:
aa. Gemäß § 152 Satz 1 UmwG kann die Ausgliederung des von einem Kaufmann betriebenen Unternehmens, dessen Firma im Handelsregister eingetragen ist, oder von Teilen desselben aus dem Vermögen dieses Kaufmanns unter anderem zur Aufnahme dieses Unternehmens oder von Teilen dieses Unternehmens durch Kapitalgesellschaften erfolgen. Obwohl die Vorschrift als Ausgliederungsgegenstand nur das Unternehmen oder Teile desselben benennt, besteht Einigkeit darüber, dass der Kaufmann auch Teile seines Privatvermögens auf die Kapitalgesellschaft ausgliedern kann (Semler/Stengel/Leonard/ Seulen, 5. Aufl. 2021, UmwG § 152 Rn. 67 m.N.). Die Einbeziehung in die Ausgliederung erfolgt in diesem Fall durch Umwidmung des Privatvermögens in das Unternehmensvermögen (Semler/Stengel/Leonard/Seulen a. a. O.), die sich hier aus der ausdrücklichen Benennung der Grundstücke gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 9, Abs. 2 S. 2 UmwG in Verbindung mit § 28 GBO in dem notariell beurkundeten (§§ 6, 125 Abs. 1 Satz 1 UmwG, § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO) Ausgliederungsvertrag – Urkundenrolle 733/21 – vom 20.August 2021 ergibt.
bb. Die am 1. September 2021 erfolgte Eintragung der Ausgliederung in das Handelsregisterblatt des Einzelunternehmens „Dr. E. B. e.K.“ hat gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG hat bewirkt, dass dessen Vermögen in seiner Gesamtheit auf die Beteiligte zu 2) übergegangen ist. Da diese Universalsukzession nach dem Vorgesagten auch das Eigentum an den verfahrensgegenständlichen Grundstücken umfasste, bedarf es keiner gesonderten Verfügung zum Nachweis des Inhaberwechsels (so auch Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 8. August 2013 – 5 W 84/13 –, juris).
cc) Bei der hier gegenständlichen Übertragung des Grundstücks im Wege der Universalsukzession handelt es sich auch nicht um einen Erwerbsvorgang, der ein Vorkaufsrecht der Gemeinde gemäß § 24 BauGB begründet, so dass auch die Vorlage eines Negativzeugnisses gemäß § 28 Abs. 1 S. 2 BauGB nicht erforderlich ist:
(1) Gemäß § 24 Abs. 1 BauGB steht der Gemeinde ein Vorkaufsrecht beim Kauf von Grundstücken zu. Ein Grundstückskauf wird maßgeblich durch die Verkäuferpflicht der Besitz- und Eigentumsverschaffung an einem Grundstück und die Pflicht des Käufers zur Kaufpreiszahlung bestimmt (vgl. § 433 BGB). Dies ist hier nicht der Fall. Die Ausgliederung erfolgte ohne Gegenleistung.
(2) Bei der hier erfolgten Ausgliederung handelt es sich aus diesem Grund auch nicht um ein kaufähnliches Umgehungsgeschäft, das ebenfalls ein gemeindliches Vorkaufrecht im Sinne der §§ 24 ff. BauGB auslösen kann. Dies ist dann der Fall, wenn der jeweilige Vertrag in seiner Gesamtbetrachtung einem Kaufvertrag nahezu gleichkommt und in den deshalb die Gemeinde zur Wahrung ihrer Erwerbs- und Abwehrinteressen „eintreten“ kann, ohne die vom vorkaufsrechtsverpflichteten Eigentümer ausgehandelten Konditionen der Veräußerung zu beeinträchtigen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Oktober 1991 – V ZR 127/90 – NJW 1992, 236, 237). Maßgeblich für die Bewertung als kaufähnliches Geschäft ist, ob ein interessengerechtes Verständnis der gewählten Vertragsgestaltung zu dem Ergebnis führt, dass allen formellen Vereinbarungen zum Trotz der Wille der Vertragsschließenden auf eine Eigentumsübertragung (auch) der vorkaufsbelasteten Sache gegen Zahlung eines bestimmten Preises gerichtet war (BGH, Versäumnisurteil vom 27. Januar 2012 – V ZR 272/10 – NJW 2012, 1354, 1355). Auch das ist hier nicht der Fall. Unabhängig davon, ob der Beteiligte zu 1) sein Privatvermögen, wie hier angenommen, umgewidmet und seinem Einzelunternehmen zukommen gelassen hat, dessen Betriebsvermögen ausweislich der vorgelegten Bilanz maßgeblich aus dem Grundstück mit der aufstehenden Photovoltaikanlage bestand als es in die Beteiligte zu 2) ausgegliedert wurde, oder ob der Beteiligte zu 1) das Grundstück erst mit der durch seinen Verfahrensbevollmächtigten erklärten Auflassung direkt an die Beteiligte zu 2) übertragen wollte, war die damit verbundene Grundstücksübertragung nicht auf die Zahlung eines bestimmten Preises gerichtet, sondern erfolgte ausweislich der vorgelegten Vertragsunterlagen, in denen der Punkt der „Gegenleistung“ ausdrücklich gestrichen worden war, unentgeltlich.
2. Da das Grundstück bereits im Wege der Universalsukzession auf die Beteiligte zu 2) übergegangen ist, ging die zeitlich danach, am 21. September 2021, erklärte Auflassung des Beteiligten zu 1) ins Leere und stellt damit ebenfalls kein Hindernis dar, das der Eigentumsumschreibung entgegensteht. Denn zu diesem Zeitpunkt war das Eigentum an den Grundstücken bereits gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG an die Beteiligte zu 2) übergegangen. Ein Widerruf der Auflassungserklärung hätte zwar klarstellende Wirkung, ist allerdings kein Hindernis für die beantragte Umschreibung.
C.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81, 84 FamFG. Die Festsetzung des Werts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 46 Abs. 1 GNotKG.
? FAQ zum Urteil
- Was ist das gemeindliche Vorkaufsrecht? Das gemeindliche Vorkaufsrecht ist ein Recht, das der Gemeinde nach dem Baugesetzbuch (BauGB) zusteht, bei Verkauf eines Grundstücks anstelle des Käufers zum vereinbarten Kaufpreis das Grundstück zu erwerben. Das Vorkaufsrecht kann von der Gemeinde ausgeübt werden, um städtebauliche Maßnahmen umzusetzen.
- Was ist ein Negativzeugnis? Ein Negativzeugnis ist ein Dokument, welches von der Gemeinde ausgestellt wird. Es bestätigt, dass die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht nicht in Anspruch nimmt. Bei der Übertragung von Immobilien ist dieses Zeugnis oft erforderlich, um den reibungslosen Ablauf der Transaktion zu gewährleisten.
- Warum wurde in dem Fall des Oberlandesgerichtes Sachsen-Anhalt ein Negativzeugnis eingefordert? Der Fall, den das Oberlandesgericht Sachsen-Anhalt entschied, betraf die Übertragung eines Grundstücks im Rahmen der Umstrukturierung eines Einzelunternehmens. Das Grundbuchamt verlangte ursprünglich von den Beteiligten die Vorlage eines Negativzeugnisses. Allerdings stellte das Gericht fest, dass ein solches Zeugnis in diesem Fall tatsächlich nicht erforderlich war, da die Übergabe des Grundstücks nicht im Rahmen eines Kaufvertrags, sondern durch einen Vermögensübertrag erfolgte.
- Welche Lehren können aus dem Fall des Oberlandesgerichtes Sachsen-Anhalt gezogen werden? Der Fall unterstreicht die Wichtigkeit, die rechtlichen Aspekte bei der Durchführung von Immobiliengeschäften gründlich zu prüfen. Es zeigt, dass bei der Übertragung von Immobilien innerhalb von Unternehmen möglicherweise andere Regeln gelten und dass ein Negativzeugnis in solchen Fällen nicht immer erforderlich ist.
- Welche Rolle spielt ein Notar in solchen Fällen? Ein Notar spielt eine entscheidende Rolle bei der Übertragung von Immobilien. Er muss rechtskonforme Urkunden erstellen und dafür Sorge tragen, dass alle rechtlichen Anforderungen erfüllt sind. Darüber hinaus berät der Notar die Parteien über ihre Rechte und Pflichten und trägt zur Lösung etwaiger rechtlicher Probleme bei.
* Alles ohne Gewähr – Lassen Sie sich zu Ihrem individuellen Fall beraten