Der Bescheid der Beklagten vom 12.02.2021 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 24.06.2021 werden aufgehoben.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Klage gegen die Ausübung eines Vorkaufsrechts durch die Beklagte an einem von ihr erworbenen Grundstück.
Die Klägerin erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 11.12.2020 von den Beigeladenen die drei unbebauten Grundstücke …, Flst.-Nr. … (Gebäude- und Freifläche mit 660 qm), …, Flst.-Nr. … (Gebäude- und Freifläche mit 1.364 qm) und …, FIst.-Nr. … (Gebäude- und Freifläche mit 866 qm) in … zu einem Gesamtpreis von … EUR. Die Grundstücke liegen jeweils nicht aneinander angrenzend im Bebauungsplangebiet „…“. Der Bebauungsplan setzt ein allgemeines Wohngebiet fest und ist am 23.03.1999 von der Beklagten beschlossen und am 26.03.1999 ortsüblich bekanntgemacht worden.
Mit Schreiben vom 14.01.2021 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 BauGB beabsichtige, für die drei Kaufgrundstücke ein preislimitiertes Vorkaufsrecht gemäß § 28 Abs. 3 Satz 1 BauGB auszuüben.
Mit Schreiben vom 25.01.2021 gab die Klägerin folgende Erklärung ab:
„… Sollten Sie gleichwohl eine Vorkaufsrechtsausübung allein zum Zwecke der Errichtung einer Wohnungsbebauung gemäß den bauplanungsrechtlichen Festsetzungen beabsichtigen, erklären wir bereits hiermit fürsorglich die Abwendung einer solchen Vorkaufsrechtsausübung, indem wir uns verpflichten, die drei Kaufgrundstücke innerhalb angemessener Frist gemäß den bauplanungsrechtlichen Festsetzungen und unter Beachtung eines angemessenen Mix an unterschiedlichen Wohnungsgrößen mit Wohngebäuden zu bebauen.
Soweit dagegen eine Vorkaufsrechtsausübung nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB zu Zwecken der Durchsetzung eines zwingenden Anteils an geförderten Wohnraum beabsichtigt ist, fehlt es an einer solchen Vorkaufsrechtsausübung aus den dargelegten Gründen bereits an der Rechtfertigung. Abgesehen davon, dass eine solche Vorkaufsrechtsausübung mithin rechtswidrig wäre, können wir auch nicht erkennen, dass die drei einzelnen Restbauplätze nach ihrer Lage und den Bebauungsmöglichkeiten für die Verwirklichung geförderten Wohnraums geeignet wären, geschweige denn eine solche Bebauung wirtschaftlich darstellbar ist.“
Der Ausschuss für Umwelt und Technik des Gemeinderates der Beklagten beriet im Termin vom 28.01.2021 in nichtöffentlicher Sitzung über die Ausübung des Vorkaufsrechts an dem unbebauten Grundstück … zur Schaffung von preisbegünstigtem Wohnraum. Zur öffentlichen Gemeinderatssitzung am 02.02.2021 fertigte die Verwaltung der Beklagten die Beschlussvorlage V052/2021 mit Sachverhaltsdarstellung nebst Lageplan als Anlage an. Mit den Stimmen der SPD, Grüne und Linke wurde die Ausübung des Vorkaufsrechtes bezogen auf das Kaufgrundstück … mehrheitlich vom Stadtrat beschlossen.
Ihre Stellungnahme vom 25.01.2021 ergänzte die Klägerin mit Schreiben vom 11.02.2021 wie folgt:
„… Diese Abwendungserklärung gilt unverändert fort. Nachdem der Gemeinderat die Vorkaufsrechtsausübung zur Durchsetzung einer von den bebauungsplanrechtlichen Festsetzungen abweichenden Nutzungsbeschränkungen zwecks Schaffung preisgünstigen Wohnraums beschlossen hat, ergänzen wir hiermit fürsorglich unsere Abwendungserklärung dahingehend, dass wir uns zur Schaffung von preisgünstigem Wohnraum auf dem Vorkaufsgrundstück nach Maßgabe des Gemeinderatsbeschlusses nebst zugrundeliegender Beschlussvorlage V052/2021 und damit gegen Ausgleichszahlung der Stadt … gemäß der von der Stadt selbst geschätzten Differenz des Ankaufswertes mit und ohne Mietpreisbindung von ca. € 255.000 (ca. 15% des Ankaufswert ohne Mietpreisbindung) verpflichten.“
Mit Bescheid vom 12.02.2021 erklärte die Beklagte die Ausübung eines Vorkaufsrechts nach § 28 Abs. 2 BauGB hinsichtlich des Grundstücks …, Flst. Nr. … zu einem noch zu ermittelnden Teilkaufpreis.
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: In …, und insbesondere im Stadtteil …, sei ein Bedarf an preisgünstigem Wohnungen vorhanden. Eine soziale Durchmischung der Bevölkerungsstruktur in den einzelnen Stadtteilen diene der Vermeidung einer einkommensbedingten Ghettobildung und sei wesentliche Voraussetzung einer geordneten und funktionierenden bürgerlichen Gesellschaft. Die Ausübung des Vorkaufsrechtes verfolge dieses Ziel und diene somit dem Wohl der Allgemeinheit, da ein angemessener Anteil des geschaffenen Wohnraums zu preisgünstigen Konditionen vermietet werden könne. Angesichts der Eigenschaft der Klägerin als Wohnbaugesellschaft und der Gepflogenheiten am Immobilienmarkt sei davon auszugehen, dass sie Mehrfamilienhäuser errichten und die Wohneinheiten zu marktgerechten Preisen veräußern werde. Einkommensschwachen Bevölkerungsschichten werde der Erwerb von Wohneinheiten daher nicht möglich sein und sie würden folglich auch nicht Teil der Bewohner der entstehenden Gebäude sein. Eine soziale Durchmischung sei aber Ziel der kommunalen Grundstücks- und Wohnungsstrategie. Die angestrebte soziale Durchmischung der Bevölkerungsstruktur erscheine gewährleistet, sofern ein Anteil von 30 % der geschaffenen Wohneinheiten, mindestens jedoch 20 % der geschaffenen Wohnfläche zu einer 33 % unterhalb der aktuellen Vergleichsmiete im Neubau liegenden Miete vermarktet werde. Im Sinne eines geringstmöglichen Eingriffs werde das Vorkaufsrecht daher lediglich gegenüber demjenigen Grundstück ausgeübt, auf dem mehr als 10 Wohneinheiten geschaffen werden könnten. Da in … kaum mehr Baulücken vorhanden seien, müsse die Stadt … in den seltenen Fällen von Transaktionen mit unbebauten Grundstücken gestaltend einwirken, zumal nur relativ große Grundstücke dazu geeignet seien, eine Bebauung zu ermöglichen, die die Wirtschaftlichkeit für den Bauherrn trotz der Umsetzung der Anforderungen an die Schaffung preisgünstigen Wohnraums zu garantieren vermöge. Das Grundstück, Flst. Nr. … mit einer Größe von 1.364 qm und einer Geschossflächenzahl von 1,1 sei dazu geeignet, mit bis zu 22 Wohneinheiten bebaut zu werden. Es würden somit mindestens 6 Wohnungen im Bereich des bezahlbaren Wohnraums für breite Bevölkerungsschichten entstehen. Der Eingriff in die Rechte der Verkäufer und der Klägerin sei vor dem Hintergrund der beschriebenen Ziele verhältnismäßig. Auf die ursprünglich beabsichtige Kaufpreislimitierung werde verzichtet, da eine Art Bieterverfahren zur Kaufpreisfindung geführt habe. Die Abgabe einer Abwendungsvereinbarung als weniger eingriffsintensive Maßnahme sei nicht gleich geeignet, die angestrebten Ziele zu verwirklichen, da die Klägerin nicht bereit gewesen sei, die Schaffung bezahlbaren Wohnraums ohne finanzielle Gegenleistung seitens der Beklagten selbst zu realisieren. Insbesondere stelle die Erklärung der Klägerin vom 11.02.2021 keine wirksame Abwendungserklärung nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB dar, da sie nicht hinreichend bestimmt sei. Die Erklärung sei nur „fürsorglich“ abgegeben worden. Es fehle an einem konkreten zeitlichen Rahmen sowie der rechtssicheren Ausgestaltung der Verpflichtungen. Es sei daher zu befürchten, dass die Klägerin bei einem Absehen der Ausübung des Vorkaufsrechts nach Ablauf der Frist des § 28 Abs. 2 S. 1 BauGB eine für sie günstigere Verhandlungsposition schaffen wolle und die Umsetzung der notwendigen rechtlichen Absicherungsmaßnahmen vereiteln werde. Darüber hinaus habe die Klägerin die Bereitschaft zur Schaffung preisgünstigen Wohnraums nur gegen Zahlung einer erheblichen Ausgleichzahlung in Höhe der von der Beklagten geschätzten Differenz des Ankaufswertes mit und ohne Mietpreisbindung von „ca. € 255.000,00 (ca. 15% des Ankaufswertes ohne Mietpreisbindung)“ erklärt.
Der im Adressfeld an die „Erbengemeinschaft …“ adressierte Bescheid wurde den Beigeladenen sowie deren anwaltlichen Vertreter jeweils „c/o“ per Einschreiben mit Rückschein und der Klägerin am 12.02.2021 vorab per E-Mail und in der Folge auch auf dem Postweg übermittelt.
Die Klägerin hat hiergegen am 15.02.2021 Widerspruch erhoben. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei nicht durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt. Denn mit dem Bebauungsplan „…“ habe die Beklagte ihre städtebaulichen Ziele bereits konkretisiert. Dabei habe sie bewusst darauf verzichtet, Festsetzungen für die Schaffung sozialen Wohnraums zu treffen. Das Vorkaufsrecht sei ein streng planakzessorisches Instrument, das nur mit dem Ziel ausgeübt werden könne, eine Wohnbebauung nach Maßgabe der bauplanungsrechtlichen Festsetzungen zu schaffen. Die Schaffung preisgünstigen Wohnraums sei daher hier nicht von § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB erfasst. Zudem sei eine Vorkaufsrechtsausübung an lediglich einem der drei durch den Kaufvertrag veräußerten Grundstücke rechtswidrig. Er verstoße gegen den Grundsatz der Vertragsidentität nach § 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB in Verbindung mit § 464 Abs. 2 BGB. Jedenfalls sei die Ausübung des Vorkaufsrechts aber durch die Erklärungen vom 25.01.2021 und vom 11.02.2021 wirksam abgewendet worden.
Die Beigeladenen haben anwaltlich vertreten am 03.03.2021 Widerspruch erhoben.
Die Beklagte wies die Widersprüche der Klägerin und der Beigeladenen mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.2021 zurück und trug zur Begründung im Wesentlichen vor: Die Ausübung des Vorkaufsrechts diene in Anbetracht des Anstiegs der Bevölkerungszahl und des steigenden Wohnflächenbedarfs pro Person sowie des daraus resultierenden erhöhten Wohnraumbedarfs dem Wohl der Allgemeinheit. Entsprechend habe der Gesetzgeber die Förderung sozialen Wohnraums in § 9 Abs. 1 Nr. 7 BauGB als Festsetzungen des Bebauungsplanes zugelassen und eine Berücksichtigung der Wohnbedürfnisse der Bevölkerung, insbesondere auch von Familien mit mehreren Kindern sowie die Schaffung und Erhaltung sozial stabiler Bewohnerstrukturen in § 1 Abs. 6 Nr. 2 BauGB bei der Aufstellung von Bauleitplänen als besonders zu berücksichtigen eingestuft. Daraus folge allerdings keine strenge Planakzessorietät für die Ausübung des Vorkaufsrechts. Vielmehr habe der Gesetzgeber den Ausschluss des Vorkaufsrechts bei einer Nutzung des Grundstücks nach den Festsetzungen des Bebauungsplans nur für bereits bebaute Grundstücke verwirklichen wollen, was sich aus § 26 Nr. 4 BauGB ergebe. Für unbebaute Grundstücke hingegen folge kein genereller Ausschluss des Vorkaufsrechts, „nur“ weil diese nach den Festsetzungen des Bebauungsplans genutzt werden sollten. Die Ausübung des Vorkaufsrechts an nur einem der drei Grundstücke sei in entsprechender Anwendung des § 467 BGB rechtmäßig. Die Beklagte habe auch das ihr nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt. Insbesondere führe das nur hinsichtlich eines der drei Grundstücke ausgeübte Vorkaufsrecht dazu, dass die Klägerin einen erheblichen Teil des geplanten Grundstücksgeschäftes und der damit verbundenen Gewinnerzielungsabsicht realisieren und gleichzeitig zur Versorgung der finanziell zumindest durchschnittlich finanzstarken Bevölkerungsschicht mit Wohnraum beitragen könne. Die übrigen beiden Grundstücke eigneten sich zudem aufgrund ihrer Größe nicht in besonderem Maße, um preisgünstigen Wohnraum in einer relevanten Größenordnung zu schaffen. An der Wirksamkeit des Vorkaufsrechts könne auch die Abwendungserklärung bzw. die darin zugesagten Bebauungen nichts ändern. Diese seien nicht als kongruente Erklärungen zu dem mit dem Vorkaufsrecht verfolgten Ziel der Schaffung von Wohnraum bei Sicherstellung einer sozial durchmischten Bevölkerungsstruktur anzusehen. Diesbezüglich habe die Erklärung keinerlei Zusagen enthalten.
Die Klägerin hat am 15.07.2021 Klage erhoben. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend: Die Ausübung des Vorkaufsrechts sei bereits mangels ordnungsgemäßer Bekanntgabe an die Verkäufer unwirksam. Der Bescheid sei nämlich allein der „Erbengemeinschaft …“ bekanntgegeben worden. Die Erbengemeinschaft sei jedoch nicht rechtsfähig. Über das Vorkaufsrecht sei darüber hinaus in nichtöffentlicher Beratung des beschließenden Ausschusses für Umwelt und Technik am 28.01.2021 beraten worden. Es habe sich ausweislich des Wortlauts der Beschlussvorlage dabei auch nicht lediglich um eine Vorberatung im Sinne des § 39 Abs. 5 Satz 2 GemO gehandelt. Dies stelle unter Beachtung der ständigen obergerichtlichen Rechtsprechung einen Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz dar, der erfordere, dass die gesamte Beratung über die Ausübung des Vorkaufsrechts in öffentlicher Sitzung erfolgen müsse. Das gemeindliche Vorkaufsrecht könne zudem nur einheitlich für den vertraglich bestimmten Kaufgegenstand ausgeübt werden. Das Gesetz sehe den Eintritt in den gesamten Vertrag vor. Das „Herausreißen“ eines Grundstücks aus dem Kaufvertrag verletze daher den Grundsatz der Vertragsidentität. Das Allgemeinwohl, konkretisiert durch den Bebauungsplan „…“ rechtfertige die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht. Insbesondere sei es nicht zulässig, das Vorkaufsrecht als Instrument für eine gezielte gemeindliche Bodenbevorratungspolitik, wie sie die Beklagte mit ihrem „12-Punkte-Programm“ zur Umsetzung des … Bodenfonds und der neuen Grundstücksvermarktungsstrategie verfolge, zu nutzen. Es müsse vielmehr gerade den in § 24 Abs. 1 BauGB gebilligten Zielen dienen. Das Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB sei ein zweckgebundenes Innenbereichsvorkaufsrecht, mit dem unbebaute Flächen für den Wohnungsbau verfügbar gemacht werden sollten. In der durch die Beklagte beabsichtigten Verwendung des Vorkaufsgrundstücks zum sozialen Wohnungsbau liege somit bereits kein tauglicher Allgemeinwohlbelang i.S.v. § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB, sondern sie verfolge damit lediglich kommunalpolitische Ziele, die keinen Bezug zum bestehenden Bebauungsplan „…“ aufwiesen. Das städtebauliche Wohl der Allgemeinheit werde aber durch diesen Bebauungsplan abschließend konkretisiert. Das von der Beklagten in Anspruch genommene Ziel, eine Durchmischung der Bevölkerungsschichten zu schaffen, laufe aber diametral zu dem im Bebauungsplan genannten Ziel „ausgeglichene Bewohner- und Sozialstrukturen“ zu schaffen. Die Kopplung des allgemeinen Wohls an die bestehenden städtebaulichen Festsetzungen ergebe sich aus dem Zusammenspiel von § 24 Abs. 3 BauGB und § 27 Abs. 1 BauGB, wonach der Käufer die Ausübung des Vorkaufsrechts abwenden könne, indem er sich selbst verpflichtet, eine den Festsetzungen des Bebauungsplans entsprechende Bebauung zu errichten, so dass das Vorkaufsrecht nicht mehr zur Erfüllung des allgemeinen Wohls erforderlich ist. Daraus folge, dass sich das maßgebliche Allgemeininteresse im Sinne von § 24 Abs. 3 BauGB genau auf diese bauliche Nutzung entsprechend den selbst im Rahmen der Planungshoheit aufgestellten bauplanungsrechtlichen Festsetzungen beziehen müsse. Über die städtebaulichen Festsetzungen hinausgehende allgemeinpolitische Ziele könnten nicht zum Gegenstand der Abwendungserklärung gemacht werden. Der durch Baulandmobilisierungsgesetz vom 14.06.2021 neu eingeführte § 24 Abs. 3 Satz 2 BauGB finde dagegen keine Anwendung, da das Gesetz erst nach Ausübung des streitgegenständlichen Vorkaufsrechts in Kraft getreten sei. Selbst wenn man aber den Verwendungszweck, das Grundstück für eine Bebauung mit 30 % gefördertem Wohnungsbau zu vermarkten, für einen tauglichen Allgemeinwohlbelang hielte, so handele es sich jedoch bei diesem Ziel nicht um ein in Abwägung mit den widerstreitenden Interessen der Klägerin überwiegendes Ziel. Denn die Beklagte habe diesen Belang in ihrer Eigenschaft als Satzungsgeber bereits im Rahmen des qualifizierten Bebauungsplans „…“ abgewogen mit dem Ergebnis, dass man von Festsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 7 BauGB ausdrücklich abgesehen habe. Eine solche Festsetzung würde nun faktisch durch die Ausübung des Vorkaufsrechts nachträglich geschaffen, ohne dass das formal erforderliche Änderungsbebauungsplanverfahren durchgeführt worden sei. Zudem sollten von den 22 Wohnungen, die auf dem Grundstück errichtet würden, gerade einmal fünf bis sechs Wohnungen dem sozialen Wohnungsbau zugeführt werden. Faktisch beziehe sich das öffentliche Interesse an der Ausübung des Vorkaufsrechts also nur auf diese fünf bis sechs förderfähigen Wohnungen. Mit dem Rest der zulässigen Baufläche, welche zum Marktpreis veräußert oder vermietet werden solle, betreibe die Beklagte dagegen unzulässige Bodenspekulation und einen Flächenerwerb im Rahmen ihres „Bodenfonds“. Schließlich sei die Entscheidung auch ermessensfehlerhaft, da allgemeinpolitische Motive für die Ausübung des Vorkaufsrechts maßgeblich gewesen seien und durch eine derart kleinteilige Maßnahme wie die Herstellung der angestrebten 5 bis 6 dem sozialen Wohnungsbau zuzuordnende Wohnungen das Ziel der Sicherstellung einer sozial durchmischten Bevölkerungsstruktur von vornherein nicht erreicht werden könne. Ungeachtet dessen sei die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 27 Abs. 1 BauGB durch die Abwendungserklärungen vom 25.01.2021 und 11.02.2021 ausgeschlossen.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 12.02.2021 und den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 24.06.2021 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus: Der streitgegenständliche Bescheid sei den Beigeladenen als Mitgliedern der Erbengemeinschaft über deren im Verwaltungsverfahren bevollmächtigten anwaltlichen Vertreter nach § 41 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG ordnungsgemäß bekanntgegeben worden. Er bezeichne auch die Adressaten hinreichend bestimmt und erfülle daher die Voraussetzungen des § 37 Abs. 1 LVwVfG, da eine Auslegung des Bescheids auf die einzelnen Mitglieder der Erbengemeinschaft als Adressaten führe. Der streitgegenständliche Bescheid sei auch nicht aufgrund der nichtöffentlichen Vorberatung im hier beratend tätig gewordenen Ausschuss für Umwelt und Technik am 28.01.2021 rechtswidrig. Denn es habe sich allein um eine Vorberatung gehandelt. Der Gemeinderat habe in der öffentlichen Sitzung vom 02.02.2021 ordnungsgemäß beraten und beschlossen, dass das Vorkaufsrecht ausgeübt werde. Auch die Ausübung des Vorkaufsrechts an nur einem der im Kaufvertrag enthaltenen Grundstücke sei rechtmäßig. In Anwendung des § 467 BGB könne der Vorkaufsberechtigte sein Vorkaufsrecht auch auf ein Grundstück beschränken, wenn mehrere mit einem Vorkaufsrecht belastete Grundstücke zu einem Gesamtpreis verkauft werden. Der in § 464 Abs. 2 BGB festgelegte Grundsatz der Vertragsidentität trete dabei im Interesse des Vorkaufsberechtigten wegen der Wertung des § 467 BGB zurück. Schließlich genüge das ausgeübte Vorkaufsrecht auch dem Gemeinwohlerfordernis des § 24 Abs. 3 BauGB. Ein strenges Akzessorietätserfordernis hinsichtlich der Ziele der Ausübung des Vorkaufsrechts mit der formellen städtebaulichen Planung bestehe nicht. Vielmehr könne der Erwerb von Wohnbauflächen zur Weiterveräußerung die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigen, wenn dies – wie hier – im Rahmen der sozialen Wohnraumförderung geschehe, um einkommensschwächere Personen der örtlichen Bevölkerung mit preiswertem Wohnraum zu versorgen. Die Schaffung von Wohnraum, der für alle Teile der Bevölkerung bezahlbar ist, sei ein zu berücksichtigender, städtebaulich relevanter Belang, der auch nicht zwangsläufig im Bebauungsplan selbst enthalten sein müsse, sondern die Voraussetzungen des § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB ohne eine formelle Verfestigung in den bauplanungsrechtlichen Regelungen erfülle. Schließlich sei die Ausübung des Vorkaufsrechts auch verhältnismäßig, insbesondere geeignet, das angestrebte Ziel zu fördern. Das von der Klägerin vorgenommene In-Verhältnis-Setzen zwischen der Anzahl von vergünstigten Wohnungen und der Gesamtbevölkerung in dem fraglichen Stadtteil sei kein taugliches Maß zur Bewertung der Verhältnismäßigkeit. Die Durchmischung verschiedener sozialer Strukturen werde gerade durch die anteilige Schaffung eines solchen Wohnraums in einem Gebäude neben der regulären Vermarktung begründet und verstärkt.
Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt.
Der Kammer lagen die Akten der Beklagten sowie die Protokolle über die Sitzung des Gemeinderates vom 02.02.2021 und über die Sitzung des Ausschusses für Umwelt und Technik vom 28.01.2021 vor. Hierauf sowie auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten verwiesen.
Entscheidungsgründe
I. Die Klage hat Erfolg.
1. Sie ist statthaft als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Klägerin gemäß § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Denn die Ausübung eines allgemeinen Vorkaufsrechts durch eine Gemeinde ist ein privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt, der sowohl den Verkäufer als auch den Käufer des von der Ausübung des Vorkaufsrechts erfassten Grundstücks betrifft (vgl. BVerwG, Beschluss vom 30.11.2009 – 4 B 52/09 –, juris Rn. 5).
2. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 12.02.2021 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 24.06.2021 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Zwar ist die Ausübung des Vorkaufsrechts wirksam erfolgt (dazu unter a.) und es bestehen keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken hinsichtlich deren formeller Rechtmäßigkeit (dazu unter b.). Die Ausübung des Vorkaufsrechts auf Grundlage des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB durch die Beklagte ist jedoch materiell rechtswidrig, weil die materiellen Voraussetzungen der Norm nicht erfüllt sind (dazu unter c.) und die Vorkaufsrechtsausübung darüber hinaus ermessensfehlerhaft erfolgt ist (dazu unter d.).
Der maßgebliche Zeitpunkt für Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Vorkaufsrechtsausübung richtet sich nach dem materiellen Recht. Dieses fordert, nachdem die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB fristgebunden ist, zwar, dass die rechtlichen Voraussetzungen bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Verfügung vorliegen. Allerdings steht die Ausübung des Vorkaufsrechts gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB im Ermessen der Gemeinde. Nachträglich, also im Widerspruchsbescheid begründete Ermessenserwägungen sind daher miteinzubeziehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 20.07.2022 – 3 S 3915/21 –, juris Rn. 32 und vom 30.09.2021 – 3 S 2595/20 –, juris Rn. 24; OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 29.01.2009 – 1 LA 117/08 –, juris Rn. 16; a. A.: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.06.2015 – 8 S 1386/14 –, juris Rn. 38 m. w. N.).
a. Die Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber den Beigeladenen durch Bescheid der Beklagten vom 12.02.2021 ist nicht mangels ordnungsgemäßer Bekanntgabe unwirksam.
Der Verwaltungsakt, mit dem das Vorkaufsrecht ausgeübt wird, muss gegenüber dem Verkäufer erlassen werden (§ 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB), bei einer Mehrheit von Verkäufern ist der Verwaltungsakt jedem von ihnen gegenüber zu erlassen. Das Wirksamwerden der Verfügung setzt dabei gemäß § 43 Abs. 1 Landesverwaltungsverfahrensgesetz Baden-Württemberg [im Folgenden: LVwVfG] deren Bekanntgabe voraus, wobei sie stets demjenigen Beteiligten bekannt zu geben ist, für den sie bestimmt ist oder der von ihr betroffen wird (§ 41 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG). Der Adressat muss aufgrund des Bestimmtheitsgebotes des § 37 Abs. 1 LVwVfG in einem schriftlich erlassenen Verwaltungsakt so genau angegeben werden, dass eine Verwechslung mit anderen Personen ausgeschlossen ist. Es reicht jedoch aus, wenn sich der Adressat durch Auslegung bestimmen lässt; maßgeblich ist der objektive Empfängerhorizont. Entscheidend ist damit, wie der Inhaltsadressat selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste. Verbleiben hiernach noch Unklarheiten, geht dies grundsätzlich zu Lasten der Verwaltung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 16.09.2013 – 2 S 889/13 –, juris Rn. 21 m. w. N.).
Gemessen daran wurde der streitgegenständliche Ausübungsbescheid, der an die „Erbengemeinschaft …“ andressiert und den Beigeladenen jeweils „c/o“ per Einschreiben mit Rückschein zugestellt worden ist, den Beigeladenen ordnungsgemäß bekanntgegeben und ist damit rechtlich wirksam geworden.
Da eine Erbengemeinschaft nicht rechtsfähig ist, weil sie kraft Gesetzes entstanden und auf Auflösung gerichtet ist (vgl. §§ 2032 ff. BGB), kann sie zwar selbst nicht Träger von Rechten und Pflichten sein. Das Vorkaufsrecht war daher jeweils gegenüber den Beigeladenen als Mitgliedern der nicht rechtsfähigen Erbengemeinschaft auszuüben. Hier ergibt sich aus dem Adressfeld insofern lediglich der Erlass der Verfügung gegenüber der „Erbengemeinschaft …“, ohne dass die dahinterstehenden eigentlichen Adressaten, nämlich die Beigeladenen, im Einzelnen bezeichnet wurden. Der Bescheid wurde jedoch den Beigeladenen als Miterben jeweils mit dem Zusatz „c/o“ per Einschreiben mit Rückschein übermittelt. Dabei hat die Beklagte die Verwendung der Zustellanweisung „c/o“ (für „care of“ = sinngemäß „wohnhaft bei“) offensichtlich nicht im eigentlichen Sinne verwendet. Dass eine Zustellung an die Erbengemeinschaft „wohnhaft bei“ den jeweiligen Miterben nicht gewollt war, liegt auf der Hand. Für einen verständigen Adressaten ist aber ohne weiteres ersichtlich, dass damit jeweils die einzelnen Mitglieder der Erbengemeinschaft als Adressaten der Verfügung bezeichnet werden sollten. Entsprechend heißt es auf Seite 2 der Verfügung, der Teilkaufpreis sei zwischen der Stadt Mannheim als Vorkaufsberechtigten und der Erbengemeinschaft zwischen …, …, … und … als Vorkaufsverpflichteten ausgehend vom Gesamtkaufpreis frei zu verhandeln und notfalls durch ein Zivilgericht festzulegen. Aus Sicht eines objektiven Empfängerhorizontes wird jedenfalls hierdurch eine hinreichende Bestimmtheit des Adressatenkreises gewährleistet.
b. Die Verfügung der Beklagten vom 12.02.2021 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 24.06.2021 sind im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung auch formell rechtmäßig. Die Ausübung des Vorkaufsrechtes ist insbesondere nicht aufgrund der Vollziehung eines wegen Verstoßes gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz nach § 37 Abs. 1 Satz 1 der Gemeindeordnung für Baden-Württemberg [im Folgenden: GemO] rechtswidrigen Gemeinderatsbeschlusses der Beklagten fehlerhaft.
Nach § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB ist das Vorkaufsrecht durch Verwaltungsakt gegenüber dem Verkäufer auszuüben. Da die Entscheidung hierüber eine Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung betrifft, ist eine Entscheidung des zuständigen Gemeindeorgans hier nach § 24 Abs. 1 Satz 2 GemO des Gemeinderats der Beklagten erforderlich.
Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 GemO kann der Gemeinderat nur in einer ordnungsmäßig einberufenen und geleiteten Sitzung beraten und beschließen. Die ordnungsgemäße Leitung setzt u.a. die Wahrung des Öffentlichkeitsgrundsatzes voraus. Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO sind Sitzungen des Gemeinderats öffentlich. Nichtöffentlich darf nur verhandelt werden, wenn es das öffentliche Wohl oder berechtigte Interessen Einzelner erfordern. Dabei reicht es nicht aus, dass eine Beschlussfassung in öffentlicher Sitzung erfolgt, sondern es muss über die Frage der Ausübung des Vorkaufsrechts auch öffentlich beraten werden. Eine nichtöffentliche Vorberatung durch den Gemeinderat, in der die Sachdiskussion vorweggenommen wird, widerspricht der klaren Regelung des § 35 GemO. Allein die öffentliche Beschlussfassung nach öffentlicher Beratung trägt dem Zweck der Transparenz und der öffentlichen Kontrolle von Entscheidungen demokratisch gewählter Organe ausreichend Rechnung (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteile vom 08.08.1990 – 3 S 132/90 –, juris Rn. 26 und vom 23.06.2015 – 8 S 1386/14 –, juris Rn. 45; VG Sigmaringen, Urteil vom 10.03.2020 – 3 K 3574/19 –, juris Rn. 45).
Der Öffentlichkeitsgrundsatz wurde gemessen daran bei der Gemeinderatssitzung am 02.02.2021 gewahrt. Insbesondere ist keine unzulässige Vorwegnahme der Sachdiskussion erfolgt. Zwar fand eine nichtöffentliche (Vor-)Beratung im Ausschuss für Umwelt und Technik [AUT] am 28.01.2021 statt. Ausweislich des der Kammer vorliegenden Protokolls wurde über den damaligen Sachstand berichtet und hat der Bürgermeister darauf hingewiesen, dass es sich um eine Vorberatung mit einer Empfehlung in der abgeänderten Form des Vorkaufsrechts zum Marktpreis handele. Verschiedene Mitglieder des Ausschusses signalisierten die Zustimmung oder Ablehnung ihrer Fraktionen und es wurde eine Beschlussempfehlung beschlossen. Ausweislich der Niederschrift über die Sitzung des Gemeinderates vom 02.02.2021 wurde dort jedoch nach einer die tatsächlichen und rechtlichen Fragen umfassenden Einführung in den Tagesordnungspunkt über die Ausübung des Vorkaufsrechts diskutiert und Beschluss gefasst. Auf die (Vor-)Beratung des AUT wurde dabei an keiner Stelle verwiesen, sodass nichts für eine unzulässige Verlagerung der Beratung des Gemeinderates spricht.
Eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes ist auch nicht aufgrund der Verwendung des Begriffs „Beratung“ statt „Vorberatung“ durch den Ausschuss für Umwelt und Technik in der Beschlussvorlage anzunehmen. Die falsche Bezeichnung hat – wie dargelegt – inhaltlich nicht zu einer Verlagerung der Entscheidungsfindung in den AUT geführt.
Soweit die Klägerin meint, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtswidrig sei, weil auch die Vorberatung im AUT angesichts der Transparenz-, Kontroll- und Willensbildungsfunktion des Öffentlichkeitsgrundsatzes öffentlich hätte erfolgen müssen, dringt sie damit nicht durch.
Ein solches Erfordernis ergibt sich aus den gesetzlichen Bestimmungen nicht. Im Gegenteil sollen gemäß § 39 Abs. 4 Satz 1 GemO Angelegenheiten, deren Entscheidung – wie hier – dem Gemeinderat vorbehalten ist, den beschließenden Ausschüssen innerhalb ihres Aufgabengebiets zur Vorberatung zugewiesen werden. Solche Vorberatungen können nach § 39 Abs. 5 Satz 2 GemO in öffentlicher oder nichtöffentlicher Sitzung erfolgen; bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 Absatz 1 Satz 2 GemO muss nichtöffentlich verhandelt werden. Hieraus folgt sowohl dem Wortlaut als auch der Systematik nach, dass in den Ausschüssen zwingend nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 Satz 2 GemO, fakultativ aber auch darüber hinaus nichtöffentlich verhandelt werden kann. Dies gilt auch hinsichtlich solcher Beratungsgegenständen, die nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GemO in öffentlicher Sitzung zu beschließen sind (so i.E. auch: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23.06.2015 – 8 S 1386/14 –, juris Rn. 51). Für ein solches Verständnis sprechen sowohl historische Gesichtspunkte, als auch und die Gesetzesbegründung (vgl. LT-Drs. 15/7265, S. 40). Danach ist es den Gemeinden freigestellt, ob die Vorberatung in öffentlicher oder nichtöffentlicher Sitzung erfolgt. Der Öffentlichkeitsgrundsatz findet insoweit keine Anwendung. Bis zur Novelle der Gemeindeordnung im Jahr 2015 regelte § 39 Abs. 5 S. 2 GemO a.F., dass Vorberatungen zugunsten einer freien Aussprache der Gemeinderäte im Regelfall nichtöffentlich sind. Um eine Verlagerung des eigentlichen Meinungsaustauschs zu verhindern, sah der Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen zunächst vor, das Regel-Ausnahme-Verhältnis umzukehren und für die vorberatenden Ausschusssitzungen eine generelle Öffentlichkeit vorzuschreiben. Einwände der kommunalen Spitzenverbände (vgl. LT-Drs. 15/7265, 61, 72 und 79) führten zu der nun geltenden Kompromissregelung, die den Kommunen ein Wahlrecht einräumt (vgl. Brenndörfer, in: BeckOK KommunalR BW, 17. Ed. 01.04.2022, § 39 GemO Rn. 51.1).
c. Die angegriffene Verfügung ist jedoch materiell rechtswidrig. Zwar begegnet die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB an nur einem der drei veräußerten Grundstücke keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken (dazu unter aa.), es fehlt jedoch an der Rechtfertigung durch das Wohl der Allgemeinheit (dazu unter bb.). Ungeachtet dessen ist die Ausübung des Vorkaufsrechts durch den Gemeinderat der Beklagten ermessensfehlerhaft erfolgt (dazu unter d.).
Rechtsgrundlage für die Ausübung des Vorkaufsrechts ist hier § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB. Danach steht der Gemeinde – soweit hier relevant – ein Vorkaufsrecht zu beim Kauf von Grundstücken in Gebieten, die nach § 30 BauGB vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden können, soweit die Grundstücke unbebaut sind. Nach § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB darf das Vorkaufsrecht nur ausgeübt werden, wenn das Wohl der Allgemeinheit dies rechtfertigt.
Das streitgegenständliche Grundstück …, FIst.-Nr. …, ist unbebaut und liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans „…“, der ein Allgemeines Wohngebiet festsetzt. Es kann somit vorwiegend mit Wohngebäuden bebaut werden.
aa.) Die Ausübung des Vorkaufsrechts an nur einem der drei mit Kaufvertrag vom 11.12.2020 veräußerten Grundstücke durch die Beklagte ist gemäß § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB i.V.m. § 467 Satz 1 BGB in entsprechender Anwendung dem Grunde nach zulässig.
Grundsätzlich kommt der Kauf zwischen dem Vorkaufsberechtigten und dem Vorkaufsverpflichteten gemäß § 28 Abs. 2 Satz 2 BauGB i. V. m. § 464 Abs. 2 BGB unter den Bestimmungen zustande, welche der Verpflichtete mit dem Dritten, also dem ursprünglichen Käufer, vereinbart hat (Grundsatz der Vertragsidentität; Maßgeblichkeitsgrundsatz). Für den Inhalt des neuen Kaufvertrages sind daher zunächst die im Erstkaufvertrag getroffenen Bestimmungen maßgeblich, sodass der Vorkaufsberechtigte all diejenigen Leistungen zu erbringen hat, die dem ursprünglichen Käufer nach dem Vertrag oblegen hätten (Daum, in: BeckOGK, Stand 01.04.2022, § 464 BGB Rn. 16 m. w. N.; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 143. EL August 2021, § 28 Rn. 35 ff., 38). Allerdings sind gesetzliche Ausnahmen hiervon in den §§ 465 bis 468 BGB, die über § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB Anwendung finden, vorgesehen.
Nach § 467 BGB hat der Vorkaufsberechtigte einen verhältnismäßigen Teil des Gesamtpreises zu entrichten, wenn der Dritte den Gegenstand, auf den sich das Vorkaufsrecht bezieht, mit anderen Gegenständen zu einem Gesamtpreis gekauft hat (Satz 1). Der Verpflichtete kann verlangen, dass der Vorkauf auf alle Sachen erstreckt wird, die nicht ohne Nachteil für ihn getrennt werden können (Satz 2).
Die Norm ist in Fällen wie dem vorliegenden nicht direkt anwendbar, da hier mehrere Grundstücke („Gegenstände“), auf die sich jeweils ein Vorkaufsrecht bezieht, verkauft werden. Die Vorschrift gilt jedoch nach gefestigter Rechtsprechung bei der privatrechtlichen Ausübung eines Vorkaufsrechts entsprechend, wenn mehrere Gegenstände, an denen jeweils Vorkaufsrechte bestehen, zu einem Gesamtpreis verkauft werden. In solchen Fällen ist der Vorkaufsberechtigte grundsätzlich nicht verpflichtet, die Vorkaufsrechte einheitlich für alle Gegenstände auszuüben, sondern er kann die Ausübung des Vorkaufsrechts auf einen oder einzelne Gegenstände beschränken (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2006 – V ZR 17/06 –, juris Rn. 19 ff.; Daum, in: BeckOGK, Stand 01.04.2022, § 467 BGB Rn. 8). In diesen Fällen tritt der Grundsatz der Vertragsidentität hinter dem Interesse des Vorkaufsberechtigten, der durch den „Mengenkauf“ nicht an der Ausübung seines Vorkaufsrechts gehindert werden soll, zurück. Dies folgt aus der gesetzgeberischen, dem § 467 BGB zugrundeliegenden Wertung. Danach bestimmt das Vorkaufsrecht, und nicht der den Vorkaufsfall auslösende Kaufvertrag, welche Gegenstände der Berechtigte in der Ausübung seines Rechtes erwerben kann (vgl. BGH, Urteil vom 23.06.2006 – V ZR 17/06 –, juris Rn. 22 ff.). Aus Billigkeitsgründen kann im Gegenzug der Vorkaufsverpflichtete die Übernahme sämtlicher Gegenstände nach § 467 Satz 2 BGB verlangen.
Diese Rechtsprechung ist auch auf die gemeindlichen Vorkaufsrechte nach § 24 Abs. 1 BauGB zu übertragen.Soweit die Klägerin sinngemäß geltend macht, der Beklagten stehe nur ein „einheitliches“ Vorkaufsrecht zu und die Interessenlage der Beteiligten rechtfertige – anders als im Privatrecht – aufgrund des bestehenden Subordinationsverhältnisses keine entsprechende Anwendung des § 467 BGB (vgl. so im Ergebnis auch: OLG Celle, Urteil vom 16.03.2011 – 4 U 146/10 –, juris Rn. 23 f.; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzenberger, BauGB, 143. EL August 2021, § 28 Rn. 39a), so ist dem nicht zu folgen. Die Vorschrift des § 467 BGB findet über § 28 Abs. 2 Satz 1 BauGB ausdrücklich Anwendung auf das gemeindliche Vorkaufsrecht. Die Interessenlage bei dem Verkauf mehrerer Grundstücke, an denen nur zum Teil ein Vorkaufsrecht besteht und diejenige bei der Ausübung des Vorkaufsrechts an nur einem Teil der Grundstücke ist auch im Fall des gemeindlichen Vorkaufsrechts vergleichbar. Ein Interessenausgleich betreffend die Verkäufer kann auch bei dem gemeindlichen Vorkaufsrecht in sachgerechter Weise nach dem Rechtsgedanken des § 467 Satz 2 BGB stattfinden (so auch: VG München, Urteil vom 07.12.2020 – M 8 K 19.5422 –, juris Rn. 42; Grziwotz, in: BeckOK BauGB, 54. Ed. 01.01.2022, § 24 Rn. 9). Insbesondere folgt aus Sinn und Zweck des gemeindlichen Vorkaufsrechts bzw. aus dem in diesem Fall bestehenden Subordinationsverhältnis keine geringere Schutzbedürftigkeit der Gemeinde oder eine besondere Interessenlage von Veräußerer oder Erwerber, die zu einem Vorrang der Vertragsidentität führen würde. Hinsichtlich der Position der Veräußerer ist keine andere, für ein gemeindliches Vorkaufsrecht zu ihren Gunsten schutzwürdigere, Interessenlage ersichtlich. Insoweit greift insbesondere die Argumentation nicht, dass im Falle eines privatrechtlichen Vorkaufsrechts dieses durch Vertrag – und damit freiwillig – eingeräumt werde, wohingegen das gemeindliche Vorkaufsrecht gesetzlich entstehe. Denn auch im Privatrecht existieren gesetzliche Vorkaufsrechte (vgl. § 577 Abs. 1 Satz 1 BGB; § 2034 Abs. 1 BGB). Andererseits kann insbesondere die (auch bzw. gerade teilweise) Ausübung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts dem Wohl der Allgemeinheit – und damit einem privaten Interesse möglicherweise sogar übergeordneten öffentlichen Interesse – in besonderem Maße dienen.
bb. Die Ausübung des Vorkaufsrechtes zur Schaffung preisgünstigen Wohnraums bei Sicherstellung einer sozial durchmischten Bevölkerungsstruktur gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB ist hier jedoch nicht durch das Wohl der Allgemeinheit im Sinne des § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB gerechtfertigt.
Der Begriff des Wohls der Allgemeinheit ist nicht gesetzlich definiert. Er ist nicht mit dem Begriff des öffentlichen Interesses gleichzusetzen. Erst ein qualifiziertes, sachlich objektiv öffentliches Interesse als Ergebnis einer Abwägung der im Einzelfall miteinander in Widerstreit stehenden privaten und öffentlichen Interessen kann mit dem Wohl der Allgemeinheit identifiziert werden. An die Ausübung des Vorkaufsrechts werden jedoch gegenüber einer Enteignung, die nur zulässig ist, wenn das Wohl der Allgemeinheit diese erfordert, qualitativ geringere Anforderungen gestellt. Es genügt, wenn der Erwerb des Grundstücks im Rahmen der tatbestandlichen Voraussetzungen zu den vom Gesetzgeber gebilligten bodenpolitischen, eigentumspolitischen und städtebaulichen Zwecken erfolgt und dabei überwiegende Vorteile für die Allgemeinheit angestrebt werden. Das Vorliegen dieser Voraussetzung unterliegt im vollen Umfang der gerichtlichen Nachprüfung und richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.09.2021 – 3 S 2595/20 –, juris Rn. 32).
Ob das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigt, hat sich damit zunächst an den Zielen zu orientieren, die mit den einzelnen Tatbeständen des § 24 Abs. 1 BauGB verfolgt werden. Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist nur dann durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt, wenn damit im Einzelfall dem jeweils angegebenen, sich im gesetzlichen Zulässigkeitsrahmen bewegenden Verwendungszweck entsprochen wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.01.2010 – 4 B 53/09 –, juris Rn. 5 m. w. N.; Stock, in: EZBK, BauGB 143. EL August 2021, § 24 Rn. 63). Dieser unbestimmte Rechtsbegriff wird normativ begrenzt im Sinne einer negativen Tatbestandsvoraussetzung durch die Ausübungsausschlussgründe nach § 26 BauGB. Der dortige Katalog konkretisiert Beispielsfälle, in denen das Allgemeinwohl die Ausübung des Vorkaufsrechts typischerweise nicht rechtfertigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 09.11.2021 – 4 C 1/20 –, juris Rn. 13 m. w. N.).
Mit § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB wird das städtebauliche Ziel verfolgt, Flächen für den Wohnungsbau verfügbar zu machen. Daher rechtfertigt das Wohl der Allgemeinheit die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB nur, wenn damit Flächen für die Errichtung von Wohngebäuden oder für deren infrastrukturelle Ausstattung erworben werden sollen. Dagegen steht das Vorkaufsrecht der Gemeinde beispielsweise nicht als Instrument einer allgemeinen Bodenbevorratung („zur Vergrößerung ihres Eigentumsanteils“) zur Verfügung (vgl. zu § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und 6 BauGB: BVerwG, Beschluss vom 25.01.2010 – 4 B 53/09 –, juris Rn. 5 m. w. N.).
Ausweislich der angegriffenen Verfügung beabsichtigte die Beklagte die Errichtung von Wohngebäuden auf dem streitgegenständlichen Grundstück, die Ausübung des Vorkaufsrechts diente also zunächst dem konkret in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB niedergelegten städtebaulichen Zweck. Insoweit dringt die Klägerin auch mit ihrem Einwand nicht durch, die Beklagte wolle das Vorkaufsrecht allein aus politischen Gründen zur Bodenbevorratung ausüben bzw. das Grundstück als Spekulationsobjekt erwerben.
Mit Beschluss des Gemeinderats vom 27.06.2017 führte die Beklagte zwar ein „12-Punkte-Programm zum Wohnen in …“ ein. Zentraler Gegenstand des Beschlusses war neben der Aktivierung schon vorhandener bebaubarer Flächen und dem Ankauf von Immobilien durch die städtische Wohnbaugesellschaft GBG, die Einführung einer Sozialquote beim Verkauf städtischer Grundstücke, um 30% der Neubauwohnungen ab zehn Wohneinheiten zum Preis von 7,50 EUR pro Quadratmeter zu vermieten. Mit Beschluss des Gemeinderates vom 28.07.2020 zur „Umsetzung des … Bodenfonds und der neuen Grundstücksvermarktungsstrategie“ richtete die Stadt Mannheim einen Bodenfonds ein und führt auf ihrer Webseite aus: „Mit dem städtischen Bodenfonds wird die städtische Aktivität auf dem Grundstücksmarkt erheblich gesteigert. Durch eine deutliche Verstärkung der Ankaufsaktivitäten wird mittel- und langfristig eine angemessene städtische Einflussnahme auf die Entwicklungen des Grundstücksmarktes gewährleistet und ausgebaut. Es wird ein Paradigmenwechsel von bisher anlassbezogen erfolgten Grundstückskäufen zu einer an räumlichen Entwicklungszielen ausgerichteten, langfristig angelegten Ankaufsstrategie vollzogen.“ Das hier streitgegenständliche Vorkaufsrecht hat die Beklagte jedoch nicht unter allgemeiner Bezugnahme auf die genannten Gemeinderatsbeschlüsse bzw. die zugrundeliegenden politischen Ziele ausgeübt und damit in unzulässiger Weise nur zum Zwecke einer „Bodenbevorratung“ bzw. als Spekulationsobjekt. Eine solche Absicht, ist auch aus den der Kammer vorliegenden Verwaltungsvorgängen nicht ersichtlich. Vielmehr hat die Beklagte in der angegriffenen Verfügung nachvollziehbar dargelegt, dass sie auf dem Grundstück konkret eine Bebauung mit einem Mehrfamilienhaus mit bis zu 22 Wohneinheiten beabsichtigt, wovon mindestens 6 Wohnungen (30%) als preisgünstiger Wohnraum gestaltet werden sollen. Die Vermarktung solle zeitnah nach den Regelungen der Konzeptvergabe unter Berücksichtigung des städtischen Stufenkonzepts und unter Sicherstellung der 30%-Quote erfolgen. Dass das Vorgehen insoweit in Übereinstimmung mit dem politisch formulierten Ziel der Schaffung von Wohnraum unter Beachtung sozialer Belange erfolgt, das durch das „12-Punkte-Programm“ und den … Bodenfonds umgesetzt wird, steht der Annahme nicht entgegen, dass das Grundstück tatsächlich zum gesetzlich vorgesehenen Zweck der (zeitnahen) Wohnbebauung erworben werden sollte.
Die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB ist hier allerdings nicht durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt, weil die Beklagte mit dem Ziel der sozialen Durchmischung der Bevölkerungsstruktur und der Schaffung preisgünstigen Wohnraums zwar sonstige, dem Wohl der Allgemeinheit dienende und durch den Gesetzgeber gebilligte Zwecke verfolgt hat, diese aber keinen Niederschlag in den Festsetzungen des geltenden Bebauungsplans gefunden haben.
Zwar lässt der Wortlaut des § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB auf ein einschränkendes Verständnis nicht schließen. Vielmehr ist der dort verwendete Begriff des „Wohls der Allgemeinheit“ weit und lässt grundsätzlich die Berücksichtigung aller vom Gesetzgeber gebilligten bodenpolitischen, eigentumspolitischen und städtebaulichen Zwecke zu, die Vorteile für die Allgemeinheit bringen. Die Norm ist jedoch vor dem Hintergrund des gesetzgeberischen Willens sowie aufgrund systematischer Erwägungen auszulegen.
Gegen die Berücksichtigung jeglicher vom Gesetzgeber gebilligten bodenpolitischen, eigentumspolitischen und städtebaulichen Zwecke spricht zunächst der gesetzgeberische Wille unter Berücksichtigung der Entstehungsgeschichte des gemeindlichen Vorkaufsrechts. Das Vorkaufsrecht für Wohnzwecke wurde erst in der Fassung des Baugesetzbuches vom 27.08.1997 dorthin integriert. Zuvor wurde es erstmals durch das Gesetz zur Erleichterung des Wohnungsbaus im Planungs- und Baurecht sowie zur Änderung mietrechtlicher Vorschriften [Wohnungsbau-Erleichterungsgesetz – WoBauErlG vom 17.05.1990] und das Gesetz zur Erleichterung von Investitionen und der Ausweisung und Bereitstellung von Wohnbauland [Investitionserleichterungs- und Wohnbaulandgesetz – WoBauLG vom 22.04.1993] begründet. Das Wohnungsbau-Erleichterungsgesetz war ein zeitlich befristetes Maßnahmengesetz zum Baugesetzbuch, in dem baurechtliche Erleichterungen geschaffen und die Änderung mietrechtlicher Vorschriften für die Wohnraumversorgung angestrebt wurden. § 3 des Gesetzes regelte ein Vorkaufsrecht zum Zwecke der Schaffung von Wohnraum, das die gesetzlichen Vorkaufsrechte der Gemeinde nach dem BauGB unberührt ließ (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 WoBauErlG). Ab 01.01.1998 übernahm das Bau- und Raumordnungsgesetz [BauROG] diese Vorkaufsrechte in das BauGB (vgl. ausführlich bereits: VG Karlsruhe, Urteil vom 24.01.2008 – 2 K 2600/07 –, juris Rn. 19 ff.).
Die Gesetzesbegründung des Wohnungsbau-Erleichterungsgesetzes zu § 3b BauGB-MaßnahmenG, wonach „mit Hilfe dieses Vorkaufsrechts, der Abwendungsmöglichkeit des Käufers nach § 27 BauGB durch Begründung vertraglicher Baupflichten und der Veräußerungspflicht der Gemeinde nach § 89 BauGB an Bauwillige […] verstärkt sichergestellt werden [soll], daß unbebaute Grundstücke auch tatsächlich einer baulichen Nutzung zugeführt werden“ (vgl. BT-Drucks. 12/3944, S. 40), lässt den Sinn und Zweck des Vorkaufsrechts, nämlich die Schaffung – irgendwelchen – Wohnraums und damit zugleich die Verhinderung privater Bodenbevorratung, deutlich werden. Diese mit der ursprünglichen Regelung verfolgten Ziele bezogen sich zunächst nur auf die befristete Geltung des Maßnahmengesetzes. Sie sind aber durch die Übernahme der Vorschriften in das BauGB nicht entfallen, sondern wurden im Regierungsentwurf zum BauROG wiederholt, wonach das Ziel der Regelung weiterhin eine beschleunigte Bereitstellung von Bauland sei (vgl. BT-Drucks. 13/63/92 S. 33). Damit sollte dem Anliegen einer verstärkten Ausweisung und beschleunigten Bereitstellung von Bauland vor allem für Wohnbauzwecke Rechnung getragen werden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 25.06.2009 – 5 S 574/08 –, juris Rn. 30 m. w. N.; VG Karlsruhe, Urteil vom 24.01.2008 – 2 K 2600/07 –, juris Rn. 20).
Vor diesem Hintergrund hat sich der Begriff des Wohls der Allgemeinheit in § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB konkret an den jeweiligen städtebaulichen Zielen des in § 24 Abs. 1 Satz 1 BauGB enthaltenen Katalogs zu orientieren und die Ausübung eines Vorkaufsrechts ist nicht durch einen hiervon losgelösten („beliebigen“) Gemeinwohlbelang zu rechtfertigen (vgl. allgemein: BVerwG, Beschluss vom 25.01.2010 – 4 B 53/09 –, juris Rn. 5; für ein entsprechendes Verständnis im Fall des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB: VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 30.09.2021 – 3 S 2595/20 –, juris Rn. 33; Bay. VGH, Urteil vom 06.02.2014 – 2 B 13.2570 –, juris Rn. 17 m. w. N.; VG München, Urteil vom 12.11.2019 – M 1 K 17.2222 –, juris Rn. 64 m. w. N.; a.A. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 143. EL August 2021, § 24 Rn. 64).
Im Fall des Bestehens eines Bebauungsplans schließt das Wohl der Allgemeinheit allerdings die im Bebauungsplan formulierten (sonstigen) Gemeinwohlbelange mit ein.
Dass sich die Befugnis der Gemeinde zur Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB nicht abschließend auf die generelle Schaffung von Wohnraum bezieht, zeigen systematische Erwägungen. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB kann der Käufer die Ausübung des Vorkaufsrechts abwenden, wenn die Verwendung des Grundstücks nach den baurechtlichen Vorschriften oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme bestimmt oder mit ausreichender Sicherheit bestimmbar ist, der Käufer in der Lage ist, das Grundstück binnen angemessener Frist dementsprechend zu nutzen, und er sich vor Ablauf der Frist nach § 28 Absatz 2 Satz 1 BauGB hierzu verpflichtet. Durch diese normative Verknüpfung des Vorkaufsrechts mit der Abwendungsbefugnis wird zugleich das städtebauliche Ziel konkretisiert. Die Verwendung des Grundstücks entsprechend den maßgebenden Bestimmungen soll gesichert werden, Ziel der Regelung ist es dagegen nicht, den – durch die Bauleitplanung – gegebenen Zulässigkeitsrahmen einzuschränken (vgl. Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 145. EL Februar 2022, § 27 Rn. 38). Durch die Erklärung, das Grundstück entsprechend den Festsetzungen des Bebauungsplans zu nutzen, entzieht der Käufer dem Vorkaufsrecht seine Grundlage. Hieraus und aus dem Wortlaut des § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB, der die Abwendungsbefugnis bei „Verwendung des Grundstücks nach den baurechtlichen Vorschriften oder den Zielen und Zwecken der städtebaulichen Maßnahme“ vorsieht, folgt, dass weitere städtebauliche und dem Allgemeinwohl dienende Ziele mit der Vorkaufsrechtsausübung dann verknüpft werden können, wenn diese Ziele in (hier nicht vorhandenen) Festsetzungen des jeweiligen Bebauungsplans Niederschlag gefunden haben. Insoweit ergibt sich aus § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB nicht lediglich die Möglichkeit der Abwendung der Vorkaufsrechtsausübung, sondern werden damit zugleich konkretisierte Anforderungen an die Allgemeinwohlrechtfertigung aufgestellt (a.A. zu § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5: VG Freiburg, Urteil vom 14.07.2022 – 4 K 2423/21 –, juris Rn. 37 f.). Denn es besteht keine Rechtfertigung dafür, von der Befugnis der Vorkaufsrechtsausübung Gebrauch zu machen, wenn das städtebauliche Ziel – im Fall des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB die Bereitstellung von Wohnraum entsprechend den baurechtlichen Vorschriften (hier: Bebauungsplan) – auch unter Mitwirkung eines bauwilligen Grundstückseigentümers erreicht werden kann (vgl. zu § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BauGB: BVerwG, Beschluss vom 25.01.2010 – 4 B 53.09 –, juris Rn. 7 m.w.N.). Bei einer geplanten Nutzung des Grundstückseigentümers entsprechend den vorhandenen baurechtlichen Vorschriften fehlt es vielmehr an einer Rechtfertigung für die in die Eigentums- und Vertragsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 GG eingreifende Ausübung des Vorkaufsrechts, da die Entwicklung der städtebaulichen Situation im Sinne der gemeindlichen Planung bereits als gesichert zu betrachten ist. Ein solches Verständnis ist auch vor dem Hintergrund sachgerecht, dass der vorkaufsberechtigten Gemeinde ansonsten die Möglichkeit gegeben wäre, durch die Ausübung des Vorkaufsrechts eine gemeindliche Bauleitplanung zu ersetzen. Dies ist ersichtlich nicht mit dem beschriebenen Sinn und Zweck des gemeindlichen Vorkaufsrechts vereinbar.
Unter Berücksichtigung der Erklärungen der Klägerin vom 25.01.2021 und vom 11.02.2021 spricht einiges dafür, dass die Umsetzung der städtebaulichen Ziele hier auch unter Mitwirkung der Klägerin als bauwilliger Grundstückseigentümerin hätten erreicht werden können. Es erscheint somit auch unter diesem Gesichtspunkt zweifelhaft, ob die streitgegenständliche Ausübung des Vorkaufsrechts durch Gründe des Allgemeinwohls im Sinne von § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB gerechtfertigt war, ohne dass es darauf ankommt, dass der Bebauungsplan „…“ vom 26.03.1999 keine weiteren Festsetzungen hinsichtlich der Struktur der Wohnbebauung (etwa nach § 9 Abs. 1 Nr. 7 BauGB) enthält.
d. Die Verfügung der Beklagten vom 12.02.2021 und der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 24.06.2021 sind ungeachtet dessen auch deshalb materiell rechtswidrig, weil die Beklagte das ihr bei der Ausübung des Vorkaufsrechts eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat.
Nach § 114 Satz 1 VwGO prüft das Gericht insoweit allein, ob der Verwaltungsakt deswegen rechtwidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.
Die im Ermessen der Gemeinde liegende Ausübung des Vorkaufsrechts muss nicht nur dem Wohl der Allgemeinheit dienen, sondern auch den gewichtigen Belangen der Betroffenen Rechnung tragen. Eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung bei Ausübung eines Vorkaufsrechts setzt daher voraus, dass die maßgeblichen Aspekte ermittelt und im Rahmen einer Betrachtung des „Für und Wider“ der sich gegenüberstehenden öffentlichen und privaten Belange gegeneinander abgewogen werden (Bay. VGH, Beschluss vom 22.01.2016 – 9 ZB 15.2027 –, juris Rn. 13; VG Freiburg, Urteil vom 14.07.2022 – 4 K 2423/21 –, juris Rn. 43; Stock, in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 145. EL Februar 2022, § 24 Rn. 66). Die die Ermessensentscheidung tragenden Gesichtspunkte sollen in der Begründung des Verwaltungsakts, hier also in der Begründung des Ausübungsbescheids, dargelegt werden (vgl. § 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG). Ist aber für die Entscheidung über die Ausübung des Vorkaufsrechts – wie hier – der Gemeinderat zuständig, so hat dieser das der Gemeinde eingeräumte Ermessen auszuüben. Die Ermessensausübung durch den Gemeinderat ist dann auch Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle gemäß § 114 Satz 1 VwGO. Die Ermessenserwägungen in dem von der Gemeindeverwaltung in Vollzug des Gemeinderatsbeschlusses erlassenen Ausübungsbescheid sind hingegen nicht von ausschlaggebender Bedeutung; sie sind lediglich ein Indiz dafür, dass der Gemeinderat entsprechende Ermessenserwägungen angestellt hat (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20.07.2022 – 3 S 3915/21 –, juris Rn. 53 f.).
Den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensausübung wird die Entscheidung des Gemeinderates der Beklagten vom 02.02.2021 nicht gerecht, weil – unterstellt, die Schaffung preisgünstigen Wohnraums und einer durchmischten Bewohnerstruktur wäre hier als ein die Vorkaufsrechtsausübung rechtfertigender öffentlicher Belang anzuerkennen – jedenfalls den gewichtigen Interessen der Beigeladenen und der Klägerin nicht ausreichend Rechnung getragen ist.
Zwar sind im Ausübungsbescheid der Beklagten vom 12.02.2021 und dem Widerspruchsbescheid vom 24.06.2021 Ermessenserwägungen niedergelegt worden. In diesem Rahmen wurden auch Belange der Beigeladenen und der Klägerin gewürdigt und dem öffentlichen Interesse an der Schaffung preisgünstigen Wohnraums und einer sozial durchmischten Bevölkerungsstruktur gegenübergestellt. Es bedarf hier insoweit keiner abschließenden Überprüfung dahingehend, ob die in den Bescheiden angestellten Ermessenserwägungen einer rechtlichen Überprüfung standhalten würden, woran insbesondere deshalb Zweifel bestehen, weil keine sachgerechten Feststellungen hinsichtlich der (wirtschaftlichen) Folgen des „Herausgreifens“ nur eines (und zwar des größten) Grundstücks für die Klägerin und die Beigeladenen getroffen wurden. In diesem Zusammenhang erscheint insbesondere die Feststellung, dass die Ausübung des Vorkaufsrechts für die Beigeladenen keinerlei finanzielle Auswirkungen habe, zweifelhaft. Denn dabei hat die Beklagte nicht in Rechnung gestellt, dass den Beigeladenen durch das Herausgreifen des größten der drei veräußerten Grundstücke – ungeachtet deren Rechte nach § 467 Satz 2 BGB – durchaus wirtschaftliche Einbußen erwachsen können. Nach § 467 Satz 2 BGB kann zwar der Vorkaufsverpflichtete verlangen, dass der Vorkauf auf alle Sachen erstreckt wird, die nicht ohne Nachteil für ihn getrennt werden können. Diese Ausnahmeregelung greift jedoch nicht bei nur „geringen“ wirtschaftlichen Nachteilen, die der Einzelverkauf mit sich bringt (vgl. Daum, in: BeckOGK BGB, Stand 01.07.2022, § 467 Rn. 12 m. w. N.). Nach der Rechtsprechung wird insbesondere ein – hier durchaus naheliegender und gemäß der Angabe der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung im Kaufvertrag auch eingepreister – „Paketzuschlag“ nicht als Nachteil im Sinne der Norm anerkannt (vgl. BGH, Urteil vom 27.01.2012 – V ZR 272/10 –, juris Rn. 18). Weiter wurde in den angegriffenen Verfügungen unterstellt, durch die Ausübung des Vorkaufsrechts an nur einem der drei Grundstücke werde dem Interesse der Klägerin Rechnung getragen, die anderen beiden Grundstücke zu erwerben und zu bebauen. Ob ein solches Interesse überhaupt angenommen werden kann, nachdem der Kauf für die Klägerin – wie deren Vertreter ebenfalls in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt haben – allein im Paket mit dem größten Grundstück aufgrund der räumlichen Nähe und der daraus folgenden Einrichtung nur einer Baustelle in der Bauphase wirtschaftlich attraktiv war, oder ob die Teilausübung an dem „Filetgrundstück“ gleichermaßen einen Fortfall der Interessen der Klägerin an einem Festhalten am Kaufvertrag mit sich brachte und welche Auswirkungen all diese Erwägungen auf die Verhältnismäßigkeit der Vorkaufsrechtausübung im Hinblick auf den mit der Ausübung des Vorkaufsrechts verbundenen tiefgreifenden Eingriffs in die Eigentums- und Vertragsfreiheit nach Art. 14 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG hätten, kann hier aber dahinstehen. Denn jedenfalls ist nicht ersichtlich, dass eine (ordnungsgemäße) Ermessensausübung durch den Gemeinderat stattgefunden hat.
Dem Gemeinderat wurde die Beschlussvorlage V052/2021 mit Vorlagedatum vom 29.01.2021, die eine Kurzfassung des Sachverhalts sowie eine längere Sachverhaltsdarstellung und einen Lageplan als Anlage enthält, vorgelegt. Hiervon geht die Kammer nach den Darlegungen der Beklagten zu den Details der behördlichen elektronischen Aktenführung in der mündlichen Verhandlung aus, obwohl sich ein Ausdruck der Beschlussvorlage in der ausgedruckten und der Kammer vorgelegten Akte des Gemeinderates nicht befindet. Im Sachverhalt wird dargelegt, weshalb nunmehr kein preislimitiertes Vorkaufsrecht mehr ausgeübt werden solle, dass die Vermarktung des für eine Bebauung mit mehr als 10 Wohneinheiten geeignete Grundstück … mit einer 30%-Quote für bezahlbaren Wohnraum beabsichtigt sei, was zu einer Differenz des Verkaufspreises von ca. 255.000 EUR führen würde und dass die Ausübung des Vorkaufsrechts die Umsetzung der wohnungspolitischen Ziele der Stadt fördern werde. Weiter wurde darauf hingewiesen, dass bislang in der Rechtsprechung ungeklärt sei, ob die Schaffung bezahlbaren Wohnraums als Allgemeinwohlbelang die Ausübung des Vorkaufsrechts rechtfertigen könne und dass die Verwaltung ggf. auch an einer gerichtlichen Klärung interessiert sei. Dieser Sachverhalt wurde ausweislich des Protokolls zur Gemeinderatssitzung am 02.02.2021 im Wesentlichen auch bei der Einführung in den Tagesordnungspunkt durch den Oberbürgermeister der Beklagten erläutert. Daraufhin erfolgten diverse Wortmeldungen einzelner Gemeinderäte, bei denen beispielsweise darauf hingewiesen wurde, dass das geplante Vorgehen in Zukunft Investoren abschrecken könne, dass der Quadratmeterpreis als zu hoch angesehen werde und auch, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht gewahrt sei, weil die Käuferin im Falle der Vorkaufsrechtsausübung voraussichtlich vom Vertrag zurücktreten werde. Teils wurde andererseits sogar die Ausübung des Vorkaufsrechts auch an einem weiteren der drei verkauften Grundstücke befürwortet.
Die Ausübung des dem Gemeinderat zustehenden Ermessens in Form einer Gewichtung und Abwägung der öffentlichen mit den privaten Belangen der Klägerin sowie der Beigeladenen und einer Diskussion von Handlungsalternativen – etwa hinsichtlich der von der Klägerin gegen Ausgleichszahlung angebotene Verwirklichung der baulichen Vorstellungen der Beklagten – ist dagegen nicht ersichtlich. Vielmehr hat der Gemeinderat allein die aus Sicht der Beklagten bestehenden Vor- und Nachteile (insbesondere in Form des Prozessrisikos) festgestellt. Abgesehen von dem Wortbeitrag eines einzelnen Gemeinderatsmitglieds, der eine Ermessensausübung des Gemeinderates im Ganzen nicht zu ersetzen vermag (vgl. Bay. VGH, Beschluss vom 22.01.2016 – 9 ZB 15.2027 –, juris Rn. 13), wurde die Verhältnismäßigkeit der Vorkaufsrechtsausübung unter Berücksichtigung der entgegenstehenden privaten Interessen weder diskutiert, noch hierüber Beschluss gefasst. Eine Befassung des Gemeinderates mit den Belangen der Beteiligten lässt sich weder der Vorlage, noch dem Protokoll der Gemeinderatssitzung oder dem gefassten Beschluss entnehmen. Auch eine Einbeziehung der durch die Verwaltung angestellten und später im Ausübungsbescheid niedergelegten Ermessenserwägungen – etwa in Form einer Bezugnahme auf einen Ermessenserwägungen enthaltenden Entwurf dieser Verfügung in der Beschlussfassung – erfolgte nicht.
Die Entscheidung wäre in Anbetracht der Besonderheiten des Einzelfalls – hier: Herausgreifen des „Filetstücks“ und Bereitschaft der Klägerin zur Umsetzung der städtebaulichen Vorstellungen der Beklagten gegen Ausgleichszahlung bzw. fehlende Würdigung dieser Belange durch den Gemeinderat – selbst dann ermessensfehlerhaft, wenn es sich beim Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BauGB um eine intendierte Entscheidung zugunsten einer Vorkaufsrechtsausübung handeln würde und deshalb im Regelfall von dem Erfordernis vertiefter Ermessenserwägungen abgesehen werden könnte (in diesem Sinne zu § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB: Bay. VGH, Beschluss vom 03.04.2018 – 15 ZB 17.318 –, juris Rn. 31 m.w.N.; VG Freiburg, Urteil vom 14.07.2022 – 4 K 2423/21 –, juris Rn. 43).
Die Frage, ob die Klägerin mit ihren Schreiben vom 25.01.2021 und vom 11.02.2021 wirksam von ihrer Abwendungsbefugnis gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BauGB Gebrauch gemacht hat, bedarf vor diesem Hintergrund keiner Entscheidung mehr.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladenen ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen, nachdem sie keinen Antrag gestellt und sich damit ihrerseits keinem Kostenrisiko ausgesetzt haben (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
III. Die Kammer macht von dem ihr insoweit zustehenden Ermessen Gebrauch und sieht gemäß § 167 Abs. 2 VwGO von einer Entscheidung hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kosten ab.
IV. Die Berufung ist nicht zuzulassen, weil – nachdem die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Beklagte jedenfalls ermessensfehlerhaft erfolgt ist – keine der Voraussetzungen des § 124a Abs. 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 VwGO vorliegen.
BESCHLUSS
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 1 GKG in Anlehnung an Ziffer 9.6.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung der zuletzt am 18.07.2013 beschlossenen Änderungen auf 425.000 EUR festgesetzt. Die Kammer legt dabei in Ermangelung genauerer Anhaltspunkte für das Grundstück Ernst-Barlach-Allee 38, 40 den von der Beklagten geschätzten Wert von 1.700.000 EUR zugrunde.