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Gemeindliches Vorkaufsrecht trotz Bebauungsplan: Gilt das für Sozialquoten?

Die Stadt wollte mit dem gemeindlichen Vorkaufsrecht trotz Bebauungsplan eine Sozialwohnungsquote von 30 Prozent sichern und kaufte nur einen Teil des Areals. Das Gericht stellte die Gemeinde vor die Frage, ob soziale Ziele so nachträglich ohne formelle Planung durchgesetzt werden dürfen.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 1 K 2548/21 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Verwaltungsgericht Karlsruhe
  • Datum: 26.09.2022
  • Aktenzeichen: 1 K 2548/21
  • Verfahren: Klage gegen die Ausübung eines gemeindlichen Vorkaufsrechts
  • Rechtsbereiche: Baurecht, Verwaltungsrecht, Kommunalrecht

  • Das Problem: Eine Wohnbaugesellschaft kaufte drei Grundstücke. Die Stadt übte ihr Vorkaufsrecht nur für das größte Grundstück aus. Sie wollte dort geförderten, preisgünstigen Wohnraum schaffen.
  • Die Rechtsfrage: Darf eine Stadt ein Vorkaufsrecht ausüben, um soziale Ziele wie die Schaffung von preisgünstigem Wohnraum zu verfolgen, wenn diese Ziele nicht ausdrücklich im existierenden Bauplan stehen?
  • Die Antwort: Nein, die Ausübung des Vorkaufsrechts war rechtswidrig und wurde aufgehoben. Die Stadt nutzte das Vorkaufsrecht für Ziele, die nicht in den Festsetzungen des geltenden Bebauungsplans verankert waren. Zudem berücksichtigte der Gemeinderat die privaten Interessen der Käufer unzureichend.
  • Die Bedeutung: Kommunen dürfen das Vorkaufsrecht nicht nutzen, um rein sozialpolitische Ziele nachträglich durchzusetzen. Das Wohl der Allgemeinheit muss sich eng an den bestehenden städtebaulichen Festsetzungen orientieren.

Wann darf eine Stadt ihr Vorkaufsrecht für Sozialwohnungen ausüben, auch wenn der Bebauungsplan dazu schweigt?

Ein Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 26. September 2022 (Az.: 1 K 2548/21) beleuchtet einen zentralen Konflikt im modernen Städtebau: Auf der einen Seite steht das legitime Interesse von Kommunen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und die soziale Mischung in Quartieren zu steuern. Auf der anderen Seite stehen die Rechte von Grundstückseigentümern und Investoren, die auf die geltenden Bauvorschriften vertrauen. Der Fall wirft eine brisante Frage auf: Darf eine Stadt ihr Vorkaufsrecht nutzen, um sozialpolitische Ziele durchzusetzen, die im offiziellen Bebauungsplan gar nicht vorgesehen sind? Das Gericht lieferte eine bemerkenswert klare Antwort, die die Grenzen kommunaler Steuerungsmacht aufzeigt.

Was war der Auslöser des Rechtsstreits?

Die Hand eines Beamten drückt einen schweren, roten Amtsstempel entschieden auf die größte Parzelle einer Landkarte.
Gerichtsurteil begrenzt kommunales Vorkaufsrecht bei fehlender Bebauungsplan-Grundlage. | Symbolbild: KI

Die Geschichte beginnt mit einem alltäglichen Immobiliengeschäft. Eine Wohnbaugesellschaft erwarb im Dezember 2020 von einer Erbengemeinschaft drei unbebaute, nicht zusammenhängende Grundstücke. Alle drei lagen im Geltungsbereich eines bereits 1999 beschlossenen Bebauungsplans, der sie als allgemeines Wohngebiet auswies. Der Kaufvertrag umfasste die Grundstücke als Paket zu einem Gesamtpreis.

Doch die Stadt, in der die Grundstücke lagen, hatte andere Pläne. Sie sah den Verkauf als Chance, ihre wohnungspolitischen Ziele voranzutreiben, insbesondere die Schaffung von preisgünstigem Wohnraum. Im Januar 2021 informierte sie die Käuferin über ihre Absicht, ein Gemeindliches Vorkaufsrecht nach § 24 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 des Baugesetzbuches (BauGB) auszuüben. Dieses Recht erlaubt es Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen, in einen bestehenden Kaufvertrag einzutreten und ein Grundstück selbst zu erwerben.

Die Wohnbaugesellschaft versuchte, dies abzuwenden. Sie gab eine sogenannte Verpflichtungserklärung ab, in der sie zusicherte, die Grundstücke zügig gemäß den Vorgaben des Bebauungsplans zu bebauen. Sie bot sogar an, gegen eine Ausgleichszahlung für die geringeren Mieteinnahmen preisgünstigen Wohnraum zu schaffen, wie es die Stadt anstrebte.

Die Stadt ließ sich darauf nicht ein. Der Gemeinderat beschloss im Februar 2021, das Vorkaufsrecht auszuüben – allerdings mit einer entscheidenden Besonderheit: Sie wollte nicht alle drei Grundstücke, sondern nur das größte und attraktivste davon erwerben. Auf diesem, so die Begründung, ließen sich bis zu 22 Wohneinheiten realisieren, von denen 30 % als preisgünstiger Wohnraum mit einer um ein Drittel reduzierten Miete entstehen sollten. Die Angebote der Käuferin wies die Stadt als unzureichend zurück. Kurz darauf erging der offizielle Bescheid, mit dem die Stadt in den Kaufvertrag für dieses eine „Filetstück“ eintrat. Dagegen klagte die Wohnbaugesellschaft, nachdem ihr Widerspruch erfolglos geblieben war.

Welche rechtlichen Leitplanken bestimmen das gemeindliche Vorkaufsrecht?

Um die Entscheidung des Gerichts zu verstehen, muss man das Instrument des Vorkaufsrechts und seine rechtlichen Hürden kennen. Das Baugesetzbuch (BauGB) räumt Gemeinden dieses scharfe Schwert ein, um die städtebauliche Entwicklung zu steuern.

Die entscheidende Voraussetzung für die Ausübung ist in § 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB formuliert: Sie muss durch das Wohl der Allgemeinheit gerechtfertigt sein. Dieser Begriff meint nicht irgendein beliebiges öffentliches Interesse, sondern qualifizierte städtebauliche Gründe. Die Gemeinde muss also darlegen, warum der Erwerb des Grundstücks für die geordnete Entwicklung der Stadt notwendig ist.

Gleichzeitig schützt das Gesetz die Interessen des Käufers. Nach § 27 BauGB kann dieser das Vorkaufsrecht abwenden, indem er sich verpflichtet, das Grundstück innerhalb einer angemessenen Frist so zu nutzen, wie es die baurechtlichen Vorschriften oder die Ziele der städtebaulichen Maßnahme vorsehen.

Schließlich ist die Ausübung des Vorkaufsrechts eine Ermessensentscheidung. Die Gemeinde muss die öffentlichen Belange, die für den Kauf sprechen, sorgfältig gegen die privaten Interessen des Verkäufers und des ursprünglichen Käufers abwägen, insbesondere deren Eigentums- und Vertragsfreiheit.

Warum war die Ausübung des Vorkaufsrechts am Ende rechtswidrig?

Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hob den Bescheid der Stadt auf. Es erklärte die Ausübung des Vorkaufsrechts für rechtswidrig. Die Richter arbeiteten sich dabei sorgfältig durch die Argumente beider Seiten und kamen zu einem differenzierten Ergebnis. Interessanterweise scheiterten die formalen Einwände der Klägerin, während die materiellen, also inhaltlichen, Bedenken voll durchschlugen.

Formale Einwände der Klägerin scheiterten

Die Wohnbaugesellschaft hatte zunächst formale Fehler gerügt. So sei der Bescheid an die „Erbengemeinschaft“ als Verkäuferin adressiert worden, obwohl eine Erbengemeinschaft keine rechtsfähige Person ist und somit kein Adressat eines Verwaltungsaktes sein kann. Das Gericht wies dies zurück. Da der Bescheid den einzelnen Miterben mit dem Zusatz „c/o“ zugestellt wurde und diese im Bescheid namentlich als Verpflichtete aufgeführt waren, war für jeden klar erkennbar, wer gemeint war. Ein folgenschwerer Formfehler lag hier laut Gericht nicht vor (§ 41 Abs. 1 LVwVfG).

Auch der Vorwurf, die öffentliche Debatte im Gemeinderat sei durch eine vorangegangene nichtöffentliche Ausschusssitzung ausgehöhlt worden, verfing nicht. Das Gericht stellte fest, dass die Gemeindeordnung solche Vorberatungen in Ausschüssen ausdrücklich erlaubt (§ 39 Abs. 5 GemO), solange die endgültige Entscheidung im öffentlichen Gemeinderat getroffen wird.

Das „Rosinenpicken“ war grundsätzlich erlaubt

Ein zentrales Argument der Klägerin war, dass die Stadt nicht einfach ein einzelnes Grundstück aus einem Gesamtpaket herauslösen dürfe. Dies verletze den Grundsatz der Vertragsidentität (§ 464 Abs. 2 BGB), wonach der Vorkaufsberechtigte in den Vertrag so eintreten muss, wie er geschlossen wurde. Auch hier folgte das Gericht der Klägerin nicht. Es entschied, dass die Regelung des § 467 BGB, die eine Teilausübung des Vorkaufs bei mehreren Kaufgegenständen vorsieht, auf das gemeindliche Vorkaufsrecht entsprechend anwendbar ist. Die Stadt durfte sich also grundsätzlich auf das für sie interessanteste Grundstück beschränken.

Knackpunkt 1: Das Allgemeinwohl war nicht ausreichend begründet

Der entscheidende Fehler der Stadt lag in der Begründung für die Ausübung. Das Gericht stellte klar, dass das „Wohl der Allgemeinheit“ (§ 24 Abs. 3 Satz 1 BauGB) eng mit den Zielen verknüpft ist, die im geltenden Baurecht – hier im Bebauungsplan von 1999 – festgelegt sind. Die von der Stadt angeführten Ziele – die Schaffung von preisgünstigem Wohnraum und die Sicherstellung einer sozialen Durchmischung mit einer festen Quote – fanden sich in diesem Bebauungsplan jedoch nicht wieder.

Die Richter argumentierten, dass das Vorkaufsrecht kein Instrument sei, um quasi durch die Hintertür neue städtebauliche Ziele festzulegen. Wenn eine Gemeinde solche sozialen Vorgaben machen möchte, muss sie den dafür vorgesehenen, transparenten Weg gehen: das förmliche Verfahren zur Änderung des Bebauungsplans. Das Vorkaufsrecht dient der Sicherung und Umsetzung der bestehenden Planung, nicht der Schaffung einer neuen. Indem die Stadt versuchte, ihre wohnungspolitische Agenda über das Vorkaufsrecht durchzusetzen, unterlief sie die gesetzlich vorgesehenen Planungsverfahren und griff unverhältnismäßig in die Rechte der Eigentümer und der Käuferin ein.

Knackpunkt 2: Die Stadt hat ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt

Zusätzlich zu diesem fundamentalen Mangel stellte das Gericht einen schweren Ermessensfehler fest. Nach § 114 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) prüft ein Gericht, ob eine Behörde bei ihrer Ermessensentscheidung alle relevanten Aspekte berücksichtigt und sachgerecht abgewogen hat. Daran fehlte es hier.

Aus den Protokollen und Unterlagen des Gemeinderats ging nicht hervor, dass eine ernsthafte Auseinandersetzung mit den privaten Belangen der Vertragsparteien stattgefunden hatte. Die erheblichen wirtschaftlichen Folgen, die das Herauslösen des wertvollsten Grundstücks für die Wohnbaugesellschaft hatte, wurden ebenso wenig gewürdigt wie deren Bereitschaft, über eine vertragliche Lösung die Ziele der Stadt zu unterstützen. Die Entscheidung des Gemeinderats erschien dem Gericht daher als unausgewogen und nicht ausreichend begründet. Es fehlte die notwendige Abwägung zwischen dem (hier ohnehin fragwürdigen) öffentlichen Ziel und dem durch Artikel 14 des Grundgesetzes geschützten Eigentum.

Welche Lehren lassen sich aus diesem Urteil ziehen?

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe ist weit mehr als eine Einzelfallentscheidung. Es zieht klare Grenzen für die Anwendung des gemeindlichen Vorkaufsrechts und stärkt die Rechtssicherheit für alle, die Grundstücke erwerben und bebauen wollen. Zwei zentrale Erkenntnisse lassen sich daraus ableiten.

Erstens: Der Bebauungsplan ist die verbindliche Spielanleitung für die städtebauliche Entwicklung, keine bloße Empfehlung. Eine Gemeinde kann ihr Vorkaufsrecht nicht als Werkzeug benutzen, um politische Wünsche durchzusetzen, die nicht im formellen Planungsrecht verankert sind. Das Vorkaufsrecht soll die Umsetzung bestehender Pläne sichern, nicht aber das Planungsverfahren selbst ersetzen. Dies schützt Eigentümer und Investoren vor unvorhersehbaren Eingriffen und stellt sicher, dass städtebauliche Weichenstellungen in einem transparenten, öffentlichen Verfahren getroffen werden.

Zweitens: Eine Ermessensentscheidung erfordert eine echte und nachvollziehbare Abwägung, kein bloßes Behaupten öffentlicher Interessen. Ein Gemeinderat muss sich nachweislich mit den Konsequenzen seines Handelns für die Betroffenen auseinandersetzen. Dazu gehört die Prüfung von Alternativen, die Würdigung von Kompromissangeboten und die sorgfältige Abwägung der wirtschaftlichen Folgen. Ein pauschaler Verweis auf das „Wohl der Allgemeinheit“ reicht nicht aus, um einen so tiefgreifenden Eingriff in die Vertrags- und Eigentumsfreiheit zu rechtfertigen.

Die Urteilslogik

Kommunale Behörden dürfen das scharfe Schwert des Vorkaufsrechts nur zur Sicherung der bestehenden städtebaulichen Planung einsetzen, nicht um neue wohnungspolitische Ziele durchzusetzen.

  • Existierende Planung sichert das Allgemeinwohl: Eine Gemeinde darf ihr Vorkaufsrecht nur dann ausüben, wenn sie damit die Umsetzung der im Bebauungsplan festgelegten Ziele sichert; sie kann das Instrument nicht nutzen, um soziale Quoten einzuführen, die das förmliche, transparente Planungsverfahren umgehen.
  • Sorgfaltspflicht bei der Ermessensausübung: Bevor eine Gemeinde in Verträge eingreift, muss sie die privaten Belange der Vertragsparteien, einschließlich erheblicher wirtschaftlicher Folgen und alternativer Nutzungsangebote, transparent und nachweisbar abwägen; ein pauschaler Verweis auf das Allgemeinwohl genügt dieser Abwägungspflicht nicht.
  • Teilausübung ist grundsätzlich zulässig: Schließt ein Kaufvertrag mehrere Grundstücke ein, so darf die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht auf das für die städtebauliche Entwicklung relevanteste Grundstück beschränken, sofern die übrigen Voraussetzungen für die Ausübung erfüllt sind.

Die Legitimität kommunaler Steuerungsmacht endet dort, wo sie die Rechtssicherheit und die Bindung an formelle Planungsverfahren sowie die sorgfältige Abwägung privater Interessen missachtet.


Experten Kommentar

Wer ein Grundstück kauft, verlässt sich auf die gültigen Baupläne – die große Frage war, ob die Kommune diese Planungssicherheit einfach aushebeln darf, nur weil sie neue wohnungspolitische Ziele verfolgt. Das Gericht hat glasklar entschieden, dass das Vorkaufsrecht kein Joker ist, um soziale Quoten durch die Hintertür einzuführen, die nicht im Bebauungsplan verankert sind. Für Käufer und Investoren ist das entscheidend, denn sie können sich weiterhin auf die formelle Planung verlassen. Dieses Urteil zieht eine klare rote Linie: Bevor eine Gemeinde solch massive Eingriffe vornimmt, muss sie den transparenten Weg einer formalen Planänderung gehen.


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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Darf die Stadt das Vorkaufsrecht nutzen, um neue Sozialquoten durchzusetzen, die nicht im Bebauungsplan stehen?

Nein, die Gemeinde darf das Vorkaufsrecht nicht als Ersatzinstrument zur Schaffung neuer städtebaulicher Vorgaben verwenden. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe stellte klar, dass Sozialquoten oder Mietpreisbindungen, die nicht im geltenden Bebauungsplan verankert sind, nicht nachträglich erzwungen werden dürfen. Dieses scharfe Instrument dient nach dem Baugesetzbuch (BauGB) lediglich der Sicherung und Umsetzung der bestehenden städtebaulichen Planung.

Die Begründung für das „Wohl der Allgemeinheit“ muss eng an die bereits im Baurecht festgelegten Ziele geknüpft sein. Wenn die Kommune beispielsweise preisgünstigen Wohnraum fördern möchte, dies jedoch nicht im rechtskräftigen Bebauungsplan vorgesehen ist, fehlt die notwendige juristische Grundlage für den Vorkauf. Die Richter argumentierten, dass das Vorkaufsrecht kein Instrument sei, um quasi durch die Hintertür neue städtebauliche Ziele festzulegen und so das gesetzlich vorgesehene Planungsverfahren zu umgehen.

Möchte eine Gemeinde neue soziale oder wohnungspolitische Vorgaben etablieren, muss sie den transparenten Weg einer förmlichen Planänderung gehen. Erst nachdem Quoten oder Bindungen offiziell und öffentlich Teil des Baurechts geworden sind, kann das Vorkaufsrecht zu deren Umsetzung legitim genutzt werden. Sie können sich rechtlich gegen Forderungen wehren, die Ihre Investitionspläne durch nicht geltendes Recht blockieren.

Fordern Sie sofort eine schriftliche Begründung von der Stadt an, die präzise darlegt, in welchem Paragraphen des geltenden Bebauungsplans die angestrebte Sozialquote oder Mietpreisbindung verankert ist.


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Welche Möglichkeiten habe ich als Käufer, das gemeindliche Vorkaufsrecht abzuwenden?

Die wichtigste Möglichkeit zur Abwendung des Vorkaufsrechts ist die formelle Verpflichtungserklärung nach § 27 BauGB. Damit garantieren Sie der Gemeinde schriftlich, die Ziele der städtebaulichen Maßnahme oder die geltenden baurechtlichen Vorschriften einzuhalten. Wenn Sie sich verbindlich zur Nutzung verpflichten, entfällt in der Regel der Grund für den behördlichen Eingriff. Dieser rechtliche Ausweg schützt Ihre Vertragsfreiheit und ermöglicht es Ihnen, den ursprünglich geschlossenen Kaufvertrag zu erfüllen.

Der Gesetzgeber schuf diese Regelung, um Ihre Rechte zu schützen, solange die öffentlichen Planungsziele nicht gefährdet sind. Eine Kommune muss Ihre Erklärung annehmen, wenn diese die gleichen städtebaulichen Zwecke sichert, die sie selbst mit dem Vorkauf verfolgt. Ihre Zusage muss allerdings juristisch präzise sein und sich konkret auf die Festsetzungen des Bebauungsplans beziehen. Vage, mündliche Zusagen sind hierfür nicht ausreichend, da sie keinen rechtlich einklagbaren Anspruch schaffen.

Lassen Sie die Verpflichtungserklärung notariell aufsetzen und fügen Sie eine konkrete Frist für die Bebauung bei. Lehnt die Gemeinde diese detaillierte Zusage ohne triftigen Grund ab, verschafft Ihnen dies einen entscheidenden strategischen Vorteil. Die Ablehnung dient als starker Beweis dafür, dass die Gemeinde ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, da der Vorkauf nicht notwendig war.

Lassen Sie sofort eine notariell beglaubigte Verpflichtungserklärung aufsetzen, die explizit eine zügige, planungskonforme Bebauung zusichert.


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Wann gilt das Wohl der Allgemeinheit als ausreichender Grund für das Vorkaufsrecht nach BauGB?

Die Berufung der Gemeinde auf das „Wohl der Allgemeinheit“ ist oft die zentrale Begründung für die Ausübung des Vorkaufsrechts. Juristisch gelten hier allerdings hohe Hürden, die § 24 Abs. 3 BauGB festlegt. Das öffentliche Interesse muss durch qualifizierte städtebauliche Gründe gedeckt sein. Die Gemeinde muss nachweisen, dass ihr Erwerb notwendig ist, um die bereits geordnete städtebauliche Entwicklung zu sichern. Reine politische Wünsche oder allgemeine Attraktivitätssteigerungen reichen dafür nicht aus.

Das Vorkaufsrecht darf kein Ersatz für das reguläre Planungsverfahren sein. Kommunen können es nicht nutzen, um neue planerische Vorgaben oder nicht verankerte soziale Ziele zu etablieren. Versucht die Stadt beispielsweise, neue Sozialquoten durchzusetzen, die im geltenden Bebauungsplan nicht stehen, handelt sie rechtswidrig. Das Gesetz schützt das Vertrauen des Käufers in das bestehende BauGB und seine Festsetzungen. Die Begründung der Gemeinde muss sich immer präzise auf die Gefahr für die Umsetzung des spezifischen Bebauungsplans beziehen.

Eine praktische Konsequenz ergibt sich aus dem Abwendungsrecht nach § 27 BauGB. Wenn Sie als Käufer garantieren, die Nutzung des Grundstücks gemäß den Zielen des Bebauungsplans durchzuführen, entfällt in der Regel die Notwendigkeit des Vorkaufs. Die Gemeinde muss die Ausübung auch verneinen, wenn sie primär fiskalische oder finanzielle Interessen verfolgt. Der Eingriff ist nur gerechtfertigt, wenn keine milderen Mittel zur Sicherung der städtebaulichen Ziele verfügbar sind.

Verlangen Sie von der Stadt eine detaillierte Ausführung, wie der Kauf durch Sie die Umsetzung des spezifischen Bebauungsplans gefährden oder behindern würde.


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Was tue ich, wenn die Stadt nur das attraktivste Grundstück aus meinem Paketkauf per Vorkaufsrecht herauslösen will?

Der Schock über das sogenannte Rosinenpicken, also das Herauslösen des wertvollsten Grundstücks, ist verständlich. Die Regel: Die Teilausübung des Vorkaufsrechts ist der Gemeinde nach analoger Anwendung des § 467 BGB grundsätzlich gestattet. Ihr Angriffspunkt liegt jedoch nicht in der Form, sondern in der fehlerhaften Abwägung durch die Stadt. Konzentrieren Sie Ihren Einspruch auf den schweren Ermessensfehler der Behörde.

Viele Käufer versuchen zunächst, die gesamte Vorkaufserklärung mit dem Argument der Vertragsidentität anzufechten. Dieses formale Argument, dass ein Paketkauf nur ganz oder gar nicht übernommen werden darf, wurde von Gerichten jedoch oft zurückgewiesen. Entscheidend ist stattdessen, dass die Kommune bei der Ausübung ihres Vorkaufsrechts die gravierenden wirtschaftlichen Konsequenzen ihres Handelns berücksichtigen muss. Ein Fehlen dieser Abwägung verletzt Ihre Eigentumsrechte aus Artikel 14 des Grundgesetzes.

Die Stadt muss dokumentieren, dass sie die Zerstörung Ihres Investitionsmodells ernsthaft gewürdigt hat. Wenn das Filetstück herausgerissen wird, können die verbleibenden Grundstücke deutlich an Wert verlieren oder unentwickelbar werden. Ist diese Abwägung im Gemeinderatsprotokoll nicht nachweisbar, ist die Entscheidung unwirksam. Sie weisen damit nach, dass die Verwaltung die Verhältnismäßigkeit nicht beachtet hat.

Erstellen Sie umgehend eine detaillierte Kalkulation, die darlegt, wie sich der Wert der Restgrundstücke im Vergleich zum Gesamtpaket verändert, um die mangelnde Abwägung der Stadt zu beweisen.


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Wann liegt ein Ermessensfehler der Gemeinde vor, der die Ausübung des Vorkaufsrechts unwirksam macht?

Ein Ermessensfehler liegt gemäß § 114 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) vor, wenn der Gemeinderat die Grenzen seiner Entscheidungsbefugnis überschreitet. Die Ausübung des Vorkaufsrechts wird unwirksam, wenn die Gemeinde die privaten Belange, insbesondere die Eigentums- und Vertragsfreiheit, nicht ernsthaft und nachweislich in ihre Abwägung einbezogen hat. Die Entscheidung der Kommune muss auf einer echten Bewertung basieren und darf kein reines Machtwort darstellen.

Die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse und den privaten Rechten muss transparent und vollständig dokumentiert werden. Aus den Protokollen des Gemeinderats muss zwingend hervorgehen, dass eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Belangen der Käufer stattgefunden hat. Fehlt diese nachweisbare Würdigung, gilt die Entscheidung als unausgewogen. Der Ermessensfehler bezieht sich dabei ausschließlich auf den Abwägungsprozess zum Zeitpunkt des Gemeinderatsbeschlusses, nicht auf nachträgliche juristische Rechtfertigungen.

Weiterhin muss die Gemeinde die wirtschaftlichen Folgen ihres Handelns sorgfältig prüfen, etwa wenn sie nur das attraktivste Grundstück aus einem Paket herauslösen möchte. Sie muss schlüssig begründen, warum Alternativen, wie die Abwendung des Vorkaufsrechts durch eine Verpflichtungserklärung des Käufers, die angestrebten öffentlichen Ziele nicht gleichermaßen sichern. Missachtet die Entscheidung die notwendige Verhältnismäßigkeit, liegt ein schwerwiegender Fehler vor.

Beantragen Sie formell die Einsicht in alle Gemeinderats- und Ausschussprotokolle, die dem Vorkaufsrechtsbeschluss vorausgingen, um zu prüfen, ob die privaten Interessen dort diskutiert wurden.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Ermessensfehler

Ein Ermessensfehler liegt vor, wenn eine Behörde wie der Gemeinderat bei der Ausübung ihrer Entscheidungsbefugnis die gesetzlichen Grenzen überschreitet oder relevante private Interessen ignoriert (VwGO § 114). Juristen prüfen mittels dieses Konzepts, ob das Verwaltungshandeln verhältnismäßig war und ob alle notwendigen öffentlichen und privaten Aspekte sachgerecht gegeneinander abgewogen wurden. Die Verwaltungsgerichtsordnung schützt Bürger davor, dass Verwaltungsorgane willkürliche oder unausgewogene Entscheidungen treffen.

Beispiel: Im aktuellen Rechtsstreit beging die Stadt einen schweren Ermessensfehler, weil sie die erheblichen wirtschaftlichen Folgen für die Wohnbaugesellschaft beim Herauslösen des Filetstücks nicht ausreichend in den Protokollen würdigte.

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Gemeindliches Vorkaufsrecht

Das Gemeindliche Vorkaufsrecht ist ein scharfes Instrument des Baugesetzbuches (§ 24 BauGB), das Kommunen unter strengen Voraussetzungen erlaubt, in einen privaten Kaufvertrag einzutreten und ein Grundstück selbst zu erwerben. Das Gesetz räumt den Städten dieses Recht ein, um die geordnete städtebauliche Entwicklung zu sichern und die Umsetzung von bestehenden Bebauungsplänen nicht durch private Verkäufe zu gefährden. Der Eingriff in die Vertragsfreiheit des Käufers muss jedoch immer dem Wohl der Allgemeinheit dienen.

Beispiel: Die Stadt versuchte ihr gemeindliches Vorkaufsrecht auszuüben, um das größte der drei Grundstücke zu erwerben, auf dem sie später preisgünstigen Wohnraum realisieren wollte.

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Teilausübung

Juristen nennen es Teilausübung, wenn eine vorkaufsberechtigte Gemeinde nur einzelne Grundstücke aus einem zusammenhängenden Paketkauf herauslösen möchte. Nach analoger Anwendung des § 467 BGB ist diese Vorgehensweise zwar formal gestattet, die Kommune muss dabei aber die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit beachten. Der Gesetzgeber verlangt von der Gemeinde, dass sie die wirtschaftlichen Folgen der Aufteilung für den ursprünglichen Käufer ernsthaft abwägt.

Beispiel: Obwohl die Klägerin die formale Teilausübung des Vorkaufsrechts durch die Stadt als unzulässiges Rosinenpicken gerügt hatte, wies das Verwaltungsgericht Karlsruhe diesen Einwand als nicht tragend zurück.

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Verpflichtungserklärung

Die Verpflichtungserklärung nach § 27 BauGB ist die schriftliche, idealerweise notariell fixierte Zusage des Käufers an die Gemeinde, ein Grundstück zügig und gemäß den städtebaulichen Zielen des geltenden Bebauungsplans zu nutzen oder zu bebauen. Diese rechtliche Option dient dem Schutz der Vertragsfreiheit, denn wenn der Käufer garantiert, die öffentlichen Planungsziele zu erfüllen, entfällt die Notwendigkeit des behördlichen Eingriffs. Eine Gemeinde muss diesen rechtlichen Ausweg akzeptieren, wenn er die angestrebten Planungszwecke gleichermaßen sichert wie der Vorkauf selbst.

Beispiel: Die Wohnbaugesellschaft reichte eine Verpflichtungserklärung ein, in der sie zusicherte, die Grundstücke innerhalb einer angemessenen Frist planungskonform zu bebauen, doch die Stadt lehnte dieses Abwendungsangebot ab.

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Wohl der Allgemeinheit

Das Wohl der Allgemeinheit ist der zentrale rechtliche Rechtfertigungsgrund im BauGB (§ 24 Abs. 3), der die Ausübung des Vorkaufsrechts nur bei Vorliegen qualifizierter städtebaulicher Gründe erlaubt. Das Gesetz setzt hier hohe Hürden, da allgemeine politische Wünsche oder rein fiskalische Interessen nicht genügen. Die Gemeinde muss konkret nachweisen, dass ihr Erwerb notwendig ist, um eine bereits geordnete städtebauliche Entwicklung zu sichern und die Planungsziele umzusetzen.

Beispiel: Das Gericht stellte fest, dass das angestrebte Wohl der Allgemeinheit durch die Schaffung neuer Sozialquoten, die nicht im Bebauungsplan verankert waren, nicht als ausreichende Rechtsgrundlage für den Vorkauf dienen konnte.

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Das vorliegende Urteil


VG Karlsruhe – Az.: 1 K 2548/21 – Urteil vom 26.09.2022


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