Der Todesfall eines geliebten Menschen liegt Jahre zurück, und nun soll endlich eine scheinbar banale Formalität im Grundbuch geklärt werden. Doch ausgerechnet ein uraltes Dokument, tief vergraben in alten Akten, wird plötzlich zum entscheidenden Schlüssel: Denn das Grundbuchamt will wissen, ob das, was dort steht, auch wirklich der Wahrheit entspricht – oder ob ein längst vergessener Vertrag die gesamte Erbfolge auf den Kopf stellt.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Warum wurde aus einer einfachen Grundbuchänderung ein juristischer Grundsatzstreit?
- Was wollten die Erbin und der verbliebene Gesellschafter ursprünglich erreichen?
- Warum legte das Grundbuchamt sein Veto ein und forderte einen alten Vertrag?
- Wie verteidigten die Antragsteller ihre Position gegen das Amt?
- Welche Kernfrage musste das Oberlandesgericht München klären?
- Warum ist die reine „Buchposition“ im Grundbuch nicht entscheidend?
- Wie entschied das Gericht und warum ist der Gesellschaftsvertrag der Schlüssel?
- Wichtigste Erkenntnisse
- Das Urteil in der Praxis
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Rolle spielt die materielle Rechtslage im Gegensatz zur reinen ‚Buchposition‘ bei der Aktualisierung von Grundbucheinträgen?
- Welche Bedeutung hat ein Gesellschaftsvertrag für die Rechtsnachfolge bei einer Personengesellschaft, die Immobilien besitzt?
- Welche Nachweise sind für das Grundbuchamt entscheidend, wenn Änderungen der Eigentumsverhältnisse bei Personengesellschaften beantragt werden?
- Was sollten Erben beachten, wenn sie Anteile an einer Immobilien besitzenden Personengesellschaft erben?
- Warum ist die sorgfältige Aufbewahrung alter Verträge und Dokumente, insbesondere bei Immobilien- und Gesellschaftsbesitz, unerlässlich?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 34 Wx 93/25 e | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht München
- Datum: 05.05.2025
- Aktenzeichen: 34 Wx 93/25 e
- Verfahren: Beschwerdeverfahren
- Rechtsbereiche: Grundbuchrecht (Änderungen im Grundbuch), Gesellschaftsrecht (insbesondere GbR), Erbrecht (Vererbung von Gesellschaftsanteilen)
Beteiligte Parteien:
- Kläger: H. B. und S. B., die Erbin des verstorbenen Mitgesellschafters. Sie wollten die Bezeichnung ihrer Gesellschaft im Grundbuch ändern lassen und legten Beschwerde gegen die Forderung des Grundbuchamts ein.
- Beklagte: Das Grundbuchamt Laufen. Es forderte die Vorlage des ursprünglichen Gesellschaftsvertrages der GbR, um die Berechtigung der Antragsteller zu prüfen.
Worum ging es genau?
- Sachverhalt: Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) wollte ihre Bezeichnung im Grundbuch ändern und gleichzeitig eine erfolgte Erbfolge eintragen lassen. Das Grundbuchamt forderte dafür den ursprünglichen GbR-Vertrag, weil einer der Gesellschafter bereits 2009 verstorben war.
Welche Rechtsfrage war entscheidend?
- Kernfrage: Muss der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag einer GbR vorgelegt werden, damit das Grundbuchamt prüfen kann, ob die Erbin eines verstorbenen Gesellschafters die nötige Berechtigung hat, eine Grundbuchänderung zu bewilligen?
Entscheidung des Gerichts:
- Urteil im Ergebnis: Die Beschwerde wurde zurückgewiesen; das Grundbuchamt durfte die Vorlage des ursprünglichen GbR-Vertrages verlangen.
- Zentrale Begründung: Das Gericht entschied, dass der ursprüngliche GbR-Vertrag unbedingt notwendig ist, um nachzuweisen, wer nach dem Tod des Gesellschafters tatsächlich berechtigt ist, Änderungen im Grundbuch zu bewilligen, da die formale Eintragung im Grundbuch allein keine vererbbare Rechtsposition darstellt.
- Konsequenzen für die Parteien: Die Antragsteller müssen den ursprünglichen GbR-Vertrag vorlegen, andernfalls kann die gewünschte Grundbuchänderung nicht vorgenommen werden.
Der Fall vor Gericht
Warum wurde aus einer einfachen Grundbuchänderung ein juristischer Grundsatzstreit?

Ein Todesfall, der über ein Jahrzehnt zurückliegt, trifft auf eine brandneue Gesetzesreform. Was als routinemäßige Aktualisierung eines Grundbucheintrags beginnt, entwickelt sich zu einer Auseinandersetzung von grundsätzlicher Bedeutung. Im Zentrum steht eine scheinbar simple Frage, die das Oberlandesgericht München zu klären hatte: Wie beweist man, wer nach dem Tod eines Partners noch die Zügel einer Gesellschaft in der Hand hält? Die Antwort des Gerichts offenbart, dass das, was im Grundbuch steht, nicht immer die ganze Geschichte erzählt und ein alter Vertrag plötzlich zum wichtigsten Dokument der Gegenwart werden kann.
Was wollten die Erbin und der verbliebene Gesellschafter ursprünglich erreichen?
Die Geschichte beginnt mit einem Grundstück, das zwei Geschäftspartnern gemeinsam gehörte: H. B. und G. B. Sie waren als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, kurz GbR, im Grundbuch eingetragen. Eine GbR ist ein einfacher Zusammenschluss von mindestens zwei Personen, um einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen, in diesem Fall das Halten einer Immobilie.
Im Jahr 2009 verstarb G. B. Seine alleinige Erbin wurde seine Ehefrau, S. B. Damit trat sie rechtlich in die Fußstapfen ihres Mannes. Viele Jahre später, Ende 2024, wollten der verbliebene Partner H. B. und die Erbin S. B. die Verhältnisse neu ordnen. Ein neues Gesetz, das zum 1. Januar 2024 in Kraft trat, schuf das sogenannte Gesellschaftsregister. Die alte GbR sollte nun als „eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts“ (eGbR) in diesem Register geführt werden, was ihr eine klarere rechtliche Stellung verleiht.
Um dies auch im Grundbuch nachzuvollziehen, gingen sie zu einem Notar. In einer notariell beglaubigten Erklärung bestätigten H. B. und S. B., dass die alte, im Grundbuch stehende GbR und die neue, zur Eintragung angemeldete eGbR identisch sind. Sie beantragten gemeinsam, die Eigentümerbezeichnung im Grundbuch entsprechend zu berichtigen und die Erbfolge von G. B. auf S. B. offiziell zu vermerken. Für sie schien es ein reiner Formalakt zu sein, um die Bücher auf den neuesten Stand zu bringen. Der Notar reichte die Unterlagen beim zuständigen Grundbuchamt ein.
Warum legte das Grundbuchamt sein Veto ein und forderte einen alten Vertrag?
Das Grundbuchamt, die für die Führung des Grundbuchs zuständige Abteilung des Amtsgerichts, spielte jedoch nicht mit. Statt die Änderung einfach einzutragen, schickte es eine Anfrage zurück: Bitte legen Sie den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag der GbR vor.
Der Notar und seine Mandanten waren irritiert. Wozu sollte ein Jahrzehnte alter Vertrag nötig sein? Das Grundbuchamt hatte eine klare Begründung. Der Knackpunkt war der Tod des Gesellschafters G. B. im Jahr 2009. Nach dem damals geltenden Recht war der Tod eines Gesellschafters ein gravierender Einschnitt. Das Gesetz sah als Regelfall vor, dass sich die Gesellschaft dadurch auflöst. Falls die Gesellschaft nicht fortbestehen sollte, wäre der Anteil des Verstorbenen dem verbliebenen Gesellschafter H. B. „angewachsen“. Das bedeutet, H. B. wäre automatisch zum Alleineigentümer des Grundstücks geworden.
Ob dieser Regelfall eintrat oder nicht, hing einzig und allein vom Inhalt des Gesellschaftsvertrags ab. Nur wenn die Partner dort eine sogenannte Nachfolgeklausel vereinbart hatten, konnte die Erbin S. B. tatsächlich den Platz ihres verstorbenen Mannes in der Gesellschaft einnehmen. Ohne eine solche Klausel war sie zwar Erbin seines Vermögens, aber nicht automatisch seine Nachfolgerin als Gesellschafterin. Das Grundbuchamt argumentierte daher, es müsse prüfen, wer im Jahr 2009 rechtlich das Sagen hatte. War die Gesellschaft mit der Erbin fortgesetzt worden oder war H. B. Alleineigentümer geworden? Nur mit dem Vertrag sei diese Frage zu beantworten. Ohne diese Klärung könne man nicht sicher sein, ob S. B. heute überhaupt berechtigt ist, der Änderung im Grundbuch zuzustimmen.
Wie verteidigten die Antragsteller ihre Position gegen das Amt?
Der Notar widersprach entschieden. Er war der Ansicht, das Amt überschreite seine Kompetenzen. Seine Argumentation stützte sich auf eine sehr formale Sichtweise, die durch die neuen Gesetzesregelungen bestärkt schien. Das neue Recht, so der Notar, solle die Dinge vereinfachen. Es komme nur darauf an, wer im Grundbuch eingetragen ist – also auf die sogenannte Buchposition. Diese formale Position sei wie ein eigenständiges Recht zu behandeln, das auf die Erben übergeht. Demnach wäre S. B. als Erbin von G. B. automatisch in dessen formale Stellung als eingetragener Gesellschafter gerückt und damit befugt, die Berichtigung zu bewilligen.
Stellen Sie sich das wie einen reservierten Platz im Theater vor. Der Notar argumentierte, dass die Eintrittskarte (die Buchposition) auf den Namen des Erben umgeschrieben wird, unabhängig davon, ob der Erbe die Rolle des verstorbenen Schauspielers auf der Bühne (den Gesellschaftsanteil) tatsächlich übernehmen darf.
Zur Untermauerung legte er das Gutachten eines renommierten juristischen Instituts vor. Dieses vertrat die Auffassung, dass die Zustimmung aller Erben der eingetragenen Person ausreicht, um die Identität der Gesellschaft zu bestätigen. Ein tieferer Blick in alte Verträge sei vom Gesetzgeber nicht gewollt gewesen. Doch das Grundbuchamt blieb hartnäckig. Es erließ eine formelle Anordnung, eine sogenannte Zwischenverfügung. Das ist ein gerichtlicher Bescheid, der ein behebbares Hindernis für eine Eintragung feststellt und eine Frist zur Behebung setzt. Das Hindernis war hier das Fehlen des GbR-Vertrags. Dagegen legte der Notar im Namen seiner Mandanten Beschwerde beim Oberlandesgericht München ein.
Welche Kernfrage musste das Oberlandesgericht München klären?
Der Fall lag nun eine Instanz höher. Das Oberlandesgericht musste eine zentrale Frage von grundsätzlicher Bedeutung beantworten: Reicht für die Änderung eines Grundbucheintrags die formale Legitimation durch die Eintragung und die Erbfolge aus, oder muss das Grundbuchamt die materielle, also die tatsächliche Rechtslage, bis ins Detail prüfen? Konkret: Ist die Bewilligungsbefugnis der Erbin S. B. – also ihr Recht, der Änderung zuzustimmen – allein durch ihre Stellung als Erbin des eingetragenen Gesellschafters gegeben? Oder hängt diese Befugnis davon ab, ob sie nach dem Gesellschaftsvertrag tatsächlich Gesellschafterin geworden ist?
Die Beschwerdeführer argumentierten für die formale Sicht: Die neue Übergangsvorschrift (Art. 229 § 21 Abs. 3 EGBGB) knüpfe an die Buchposition an, um Nachweisprobleme zu vermeiden. Das Grundbuchamt entgegnete: Genau diese Vereinfachung sei gefährlich. Man könne nicht einfach die Identität der alten und neuen Gesellschaft unterstellen, man müsse sie beweisen. Und der Beweis dafür, wer heute Gesellschafter ist, stecke im alten Vertrag.
Warum ist die reine „Buchposition“ im Grundbuch nicht entscheidend?
Das Oberlandesgericht schloss sich der sorgfältigen Prüfung des Grundbuchamtes an und wies die Beschwerde zurück. Die Richter stellten klar, dass die Argumentation des Notars und des von ihm zitierten Gutachtens einem entscheidenden Grundsatz des Bundesgerichtshofs widerspricht.
Der oberste deutsche Zivilgerichtshof hatte bereits entschieden, dass die Eintragung eines Gesellschafters im Grundbuch – die „Buchposition“ – keine eigenständige, vererbbare Rechtsposition ist. Sie ist lediglich ein Abbild der tatsächlichen gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse. Vererbt wird nicht der Eintrag im Grundbuch, sondern der Gesellschaftsanteil selbst. Und wie dieser Anteil übergeht – ob auf einen Erben, einen anderen Gesellschafter oder einen Dritten – regelt allein der Gesellschaftsvertrag.
Das Gericht verwarf die Analogie des reservierten Theaterplatzes. Es geht nicht nur darum, wer auf dem Ticket steht, sondern wer laut Drehbuch auf der Bühne stehen darf. Das Grundbuchamt hat die Pflicht, die Bewilligungsbefugnis zu prüfen. Es muss also sicherstellen, dass die Person, die einer Änderung zustimmt, dazu auch wirklich berechtigt ist. Diese Berechtigung leitet sich nicht aus der formalen Erbenstellung ab, sondern aus der materiellen Gesellschafterstellung. Und diese wiederum ergibt sich aus dem Vertrag.
Wie entschied das Gericht und warum ist der Gesellschaftsvertrag der Schlüssel?
Das Gericht bestätigte die Entscheidung des Grundbuchamts. Die Vorlage des Gesellschaftsvertrags, der im Todesjahr 2009 gültig war, ist zwingend erforderlich. Nur dieses Dokument kann die entscheidende Frage beantworten: Was passierte mit dem Anteil von G. B. nach dessen Tod?
Die Logik des Gerichts lässt sich in drei zentralen Schritten zusammenfassen:
- Der Tod verändert alles: Der Tod eines Gesellschafters im Jahr 2009 löste nach damaligem Recht eine Kette von Rechtsfolgen aus. Die gesetzliche Standardlösung war die Anwachsung des Anteils an den verbliebenen Partner, H. B. Nur eine abweichende Regelung im Vertrag konnte dies verhindern.
- Die Bewilligungsbefugnis muss bewiesen werden: S. B. kann der Grundbuchänderung nur dann wirksam zustimmen, wenn sie durch eine Nachfolgeklausel im Vertrag tatsächlich Gesellschafterin geworden ist. Fehlt eine solche Klausel, wäre H. B. Alleineigentümer geworden. Dann müsste er als alleiniger Eigentümer das Grundstück formal an die neu zu gründende eGbR übertragen – ein völlig anderer rechtlicher Vorgang. Die Bewilligung von S. B. wäre in diesem Fall wertlos.
- Keine Vereinfachung auf Kosten der Richtigkeit: Auch die neuen Gesetze zur eGbR ändern nichts an diesem Grundsatz. Der Gesetzgeber wollte zwar Verfahren vereinfachen, aber nicht die Notwendigkeit abschaffen, die tatsächliche Rechtslage zu prüfen. Die Richtigkeit des Grundbuchs hat oberste Priorität.
Das Gericht stellte somit klar: Die formale Kette – G. B. war eingetragen, S. B. ist seine Erbin – reicht nicht aus. Das Grundbuchamt muss wissen, wer der wahre Rechtsnachfolger im Gesellschaftsanteil ist. Und dieser Nachweis kann nur durch den ursprünglichen Gesellschaftsvertrag erbracht werden. Der Versuch, einen schnellen und formalen Weg zu gehen, scheiterte an der unumgänglichen Notwendigkeit, die wahren Eigentums- und Gesellschaftsverhältnisse lückenlos nachzuweisen.
Wichtigste Erkenntnisse
Grundbuchämter müssen bei Gesellschafterwechseln die materielle Rechtslage prüfen und dürfen sich nicht auf formale Einträge verlassen.
- Buchpositionen schaffen keine eigenständigen Rechte: Die Eintragung eines Gesellschafters im Grundbuch bildet lediglich die tatsächlichen gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse ab und begründet keine selbständige, vererbbare Rechtsposition.
- Bewilligungsbefugnis folgt dem Gesellschaftsvertrag: Erben können Grundbuchänderungen nur dann wirksam zustimmen, wenn sie nach dem ursprünglichen Gesellschaftsvertrag tatsächlich als Rechtsnachfolger in die Gesellschafterstellung eingetreten sind.
- Der Tod eines Gesellschafters löst Prüfungspflichten aus: Grundbuchämter müssen bei Todesfällen vor 2024 anhand des Gesellschaftsvertrags klären, ob eine Nachfolgeklausel bestand oder der Anteil an die verbliebenen Gesellschafter angewachsen ist.
Auch moderne Vereinfachungsgesetze heben nicht die Verpflichtung auf, die wahren Rechtsverhältnisse zu ermitteln – die Richtigkeit des Grundbuchs bleibt oberste Priorität.
Das Urteil in der Praxis
Was auf den ersten Blick wie ein kleiner Fall von nebenan wirkt, ist in Wahrheit ein Lehrstück über die unerbittliche Macht alter Verträge und die Pflicht zur lückenlosen Beweisführung. Das OLG München zerschlägt hier die Illusion, dass neue Gesetze oder eine formale Erbenstellung alte gesellschaftsrechtliche Bindungen und deren Beweislast einfach wegfegen. Es ist eine knallharte Bestätigung: Die materielle Rechtslage, die sich aus dem Ursprungsvertrag ergibt, entscheidet über die wahre Gesellschafterstellung und damit über die Bewilligungsbefugnis im Grundbuch. Dieses Urteil ist ein Weckruf für alle, die glauben, die Aktualisierung eines Grundbucheintrags sei eine reine Formsache – ohne den Blick in die Historie und die dort verankerten Rechtsfolgen wird nichts gehen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Rolle spielt die materielle Rechtslage im Gegensatz zur reinen ‚Buchposition‘ bei der Aktualisierung von Grundbucheinträgen?
Bei der Aktualisierung von Grundbucheinträgen hat die tatsächliche Rechtslage, die sogenannte materielle Rechtslage, stets Vorrang vor der reinen „Buchposition“ im Grundbuch. Das Grundbuch spiegelt lediglich die Realität wider und schafft kein eigenständiges Recht.
Man kann es sich wie ein Theaterstück vorstellen: Es geht nicht nur darum, wer auf der Eintrittskarte steht (die Buchposition), sondern wer laut Drehbuch tatsächlich auf der Bühne stehen darf (die materielle Rechtslage).
Die „Buchposition“ ist das, was formal im Grundbuch eingetragen ist. Die materielle Rechtslage hingegen beschreibt die tatsächliche, rechtlich gültige Situation außerhalb des Grundbuchs. Das Grundbuchamt ist gesetzlich verpflichtet, die Richtigkeit des Grundbuchs zu gewährleisten. Es muss deshalb genau prüfen, ob eine Person, die einer Grundbuchänderung zustimmt oder diese beantragt, dazu auch wirklich berechtigt ist. Diese Berechtigung leitet sich nicht allein aus der formalen Erbenstellung oder der bestehenden Eintragung ab, sondern aus der wahren, zugrundeliegenden rechtlichen Beziehung, wie beispielsweise einem Gesellschaftsvertrag. Daher kann es sein, dass für Grundbuchänderungen zusätzliche Dokumente und Nachweise erforderlich sind, die über die bloße Erbfolge oder die aktuelle Eintragung hinausgehen.
Diese strenge Prüfung dient dazu, das Vertrauen in die Genauigkeit und Verlässlichkeit des Grundbuchs als wichtiges Register der Eigentumsverhältnisse zu schützen.
Welche Bedeutung hat ein Gesellschaftsvertrag für die Rechtsnachfolge bei einer Personengesellschaft, die Immobilien besitzt?
Der Gesellschaftsvertrag ist die entscheidende Grundlage dafür, wie eine Personengesellschaft, die Immobilien besitzt, nach dem Tod eines Gesellschafters fortgeführt wird. Nur er kann die gesetzliche Auflösung der Gesellschaft verhindern und die Rechtsnachfolge am Immobilienbesitz regeln.
Man kann es sich wie die Regeln eines Clubs vorstellen: Nur die Satzung legt fest, ob die Familie eines verstorbenen Mitglieds dessen Anteile am Clubhaus übernehmen kann oder ob diese Anteile den verbleibenden Mitgliedern zufallen.
Das Gesetz sieht für den Todesfall eines Gesellschafters in einer Personengesellschaft wie der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) grundsätzlich deren Auflösung vor. Der Anteil des Verstorbenen würde dann den verbleibenden Gesellschaftern anwachsen, die somit Alleineigentümer der Immobilien würden. Nur der Gesellschaftsvertrag kann hiervon abweichen und durch spezifische Nachfolge- oder Fortsetzungsklauseln das Fortbestehen der Gesellschaft mit den Erben oder den verbleibenden Gesellschaftern ermöglichen.
Gerade bei Immobilienbesitz ist diese vertragliche Regelung entscheidend. Sie stellt sicher, wer nach einem Todesfall die Eigentumsverhältnisse an den Immobilien innehat und ob ein Erbe berechtigt ist, grundbuchliche Änderungen zu bewilligen. Ohne diese klaren vertraglichen Grundlagen können sich Anpassungen im Grundbuch als komplex erweisen, da die Berechtigung der Beteiligten nicht zweifelsfrei nachweisbar ist.
Eine vorausschauende Gestaltung des Gesellschaftsvertrags ist somit unerlässlich, um Klarheit über die Rechtsnachfolge zu schaffen und unerwünschte rechtliche Komplikationen, insbesondere bei Immobilienbesitz, zu vermeiden.
Welche Nachweise sind für das Grundbuchamt entscheidend, wenn Änderungen der Eigentumsverhältnisse bei Personengesellschaften beantragt werden?
Für das Grundbuchamt ist es entscheidend, dass die Personen, die eine Änderung der Eigentumsverhältnisse bei Personengesellschaften beantragen, auch tatsächlich dazu berechtigt sind, was als Bewilligungsbefugnis bezeichnet wird. Insbesondere bei Todesfällen innerhalb der Gesellschaft ist der Gesellschaftsvertrag ein zentrales Dokument, um die komplexen Eigentumsverhältnisse nachzuvollziehen.
Stellen Sie sich das Grundbuchamt wie einen strengen Schiedsrichter vor, der vor jedem Eintrag genau prüft, ob die Spieler auf dem Feld – hier die Gesellschafter – auch wirklich zum Anpfiff berechtigt sind.
Bei Personengesellschaften wie einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) sind nicht die Gesellschaft selbst, sondern die einzelnen Gesellschafter als Gemeinschaft im Grundbuch eingetragen. Stirbt ein Gesellschafter, kann sich die Gesellschaft nach alter Rechtslage auflösen, oder der Anteil des Verstorbenen wächst den verbliebenen Gesellschaftern an. Nur wenn der Gesellschaftsvertrag eine spezielle Nachfolgeklausel enthält, kann der Erbe des Verstorbenen dessen Platz in der Gesellschaft einnehmen. Ein einfacher Erbschein beweist zwar die Erbenstellung, nicht aber die Fortführung der Gesellschaft. Daher fordert das Grundbuchamt den Gesellschaftsvertrag, um genau zu prüfen, wer nach dem Ableben eines Gesellschafters tatsächlich berechtigt ist, eine Zustimmung zur Grundbuchänderung zu erteilen.
Ohne diese lückenlosen Nachweise kann das Grundbuchamt die gewünschte Eintragung verweigern, um die notwendige Richtigkeit und Verlässlichkeit des Grundbuchs zu gewährleisten.
Was sollten Erben beachten, wenn sie Anteile an einer Immobilien besitzenden Personengesellschaft erben?
Wenn Sie Anteile an einer Immobilien besitzenden Personengesellschaft erben, sollten Sie als Erbe unverzüglich den Gesellschaftsvertrag des Verstorbenen sorgfältig prüfen. Dieser Vertrag ist entscheidend, um Ihre tatsächliche Position in der Gesellschaft zu klären. Man kann es sich wie die Besetzung einer Theaterrolle vorstellen: Es reicht nicht aus, nur eine Eintrittskarte (die Erbenstellung oder ein Grundbucheintrag) zu besitzen. Entscheidend ist, ob das Drehbuch (der Gesellschaftsvertrag) vorsieht, dass man die Rolle (den Gesellschaftsanteil) tatsächlich übernimmt.
Ohne eine spezielle „Nachfolgeklausel“ im Gesellschaftsvertrag löste sich die Gesellschaft mit dem Tod eines Gesellschafters nach alter Rechtslage in der Regel auf. Der Anteil des Verstorbenen konnte dann den verbliebenen Gesellschaftern anwachsen, wodurch diese zu Alleineigentümern wurden. Nur wenn der Vertrag eine solche Klausel enthält, tritt der Erbe tatsächlich in die Gesellschafterstellung ein.
Ein Erbschein allein genügt daher oft nicht, um die Gesellschafterstellung nachzuweisen, denn er belegt lediglich die Erbfolge im Allgemeinen, nicht aber die spezifische Nachfolge in der Gesellschaft. Die tatsächliche Berechtigung, als Gesellschafter zu handeln, hängt vom Inhalt des Gesellschaftsvertrags ab. Es empfiehlt sich dringend, einen Notar oder Anwalt zu konsultieren. Diese Fachleute können die genaue Rechtslage klären und die notwendigen Schritte für Grundbuchberichtigungen oder die Anmeldung im Gesellschaftsregister einleiten. Diese genaue Prüfung stellt sicher, dass die im Grundbuch eingetragenen Verhältnisse die tatsächliche Rechtslage korrekt widerspiegeln und das Vertrauen in die Immobilieneigentumsverhältnisse geschützt wird.
Warum ist die sorgfältige Aufbewahrung alter Verträge und Dokumente, insbesondere bei Immobilien- und Gesellschaftsbesitz, unerlässlich?
Die sorgfältige Aufbewahrung alter Verträge und Dokumente, insbesondere bei Immobilien- und Gesellschaftsbesitz, ist unerlässlich, weil sie den einzigen sicheren Nachweis für bestehende Rechtsverhältnisse darstellen. Dies gilt auch für Dokumente, die viele Jahre alt sind und scheinbar keine Bedeutung mehr haben.
Man kann es sich vorstellen wie bei einer Theateraufführung: Es geht nicht nur darum, wer eine Eintrittskarte für einen Platz besitzt (die formale Eintragung), sondern vielmehr darum, wer laut Drehbuch tatsächlich auf der Bühne stehen und die Rolle spielen darf (die tatsächliche Berechtigung durch den Vertrag).
In Deutschland basieren Eigentumsverhältnisse und Gesellschaftsanteile fast immer auf schriftlichen Nachweisen. Selbst Jahrzehnte alte Gesellschaftsverträge können entscheidend sein, um die korrekten Rechtsverhältnisse lückenlos nachzuweisen, beispielsweise nach einem Todesfall oder bei Änderungen gesetzlicher Bestimmungen. Ohne diese Dokumente ist nicht ersichtlich, wer tatsächlich berechtigt ist, wichtige Entscheidungen zu treffen oder Änderungen in Registern wie dem Grundbuch zu veranlassen.
Behörden wie das Grundbuchamt bestehen auf der Vorlage dieser Dokumente. Sie prüfen nicht nur formale Einträge, sondern müssen auch die materielle, also die tatsächliche Rechtslage, genau nachvollziehen, um die Richtigkeit ihrer Register sicherzustellen. Nur der ursprüngliche Vertrag kann zum Beispiel klären, ob ein Erbe tatsächlich Gesellschafter wurde oder ob Gesellschaftsanteile an andere Partner angewachsen sind.
Diese Notwendigkeit schützt das Vertrauen in die Rechtssicherheit und die korrekte Abbildung von Eigentums- und Beteiligungsverhältnissen in wichtigen öffentlichen Registern.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Bewilligungsbefugnis
Die Bewilligungsbefugnis ist das Recht einer Person, einer Änderung im Grundbuch zuzustimmen. Diese Berechtigung muss das Grundbuchamt vor jeder Eintragung sorgfältig prüfen. Das Amt darf nicht einfach darauf vertrauen, dass jemand berechtigt ist – es muss sich davon überzeugen, dass die Person auch tatsächlich über das betreffende Recht verfügen kann.
Beispiel: Im vorliegenden Fall bezweifelte das Grundbuchamt, dass die Erbin S. B. berechtigt war, der Grundbuchänderung zuzustimmen. Nur wenn sie durch eine Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag tatsächlich Gesellschafterin geworden war, besaß sie die nötige Bewilligungsbefugnis.
Buchposition
Die Buchposition bezeichnet den formalen Eintrag einer Person im Grundbuch, unabhängig davon, ob diese Person auch tatsächlich berechtigt ist. Sie ist lediglich ein Abbild der vermuteten Rechtsverhältnisse, schafft aber kein eigenständiges Recht. Das Gericht stellte klar, dass die Buchposition nicht vererbt wird – vererbt wird nur der tatsächliche Gesellschaftsanteil.
Beispiel: Der Notar argumentierte, S. B. sei durch die Buchposition ihres verstorbenen Mannes automatisch legitimiert. Das Gericht widersprach: Entscheidend sei nicht der formale Eintrag, sondern ob sie nach dem Gesellschaftsvertrag wirklich Gesellschafterin geworden war.
Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
Eine GbR ist ein einfacher Zusammenschluss von mindestens zwei Personen, um einen gemeinsamen Zweck zu verfolgen. Sie entsteht bereits durch mündliche Vereinbarung und ist die unkomplizierteste Form einer Personengesellschaft. Bei Immobilienbesitz werden die einzelnen Gesellschafter als Gemeinschaft im Grundbuch eingetragen, nicht die Gesellschaft selbst.
Beispiel: H. B. und G. B. gründeten eine GbR, um gemeinsam das Grundstück zu halten. Nach G. B.s Tod im Jahr 2009 stellte sich die Frage, ob die Gesellschaft fortbestand oder sich auflöste – eine Antwort, die nur der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag geben konnte.
Nachfolgeklausel
Eine Nachfolgeklausel ist eine Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag, die regelt, was mit dem Anteil eines Gesellschafters nach dessen Tod passiert. Ohne eine solche Klausel löst sich die Gesellschaft normalerweise auf und der Anteil des Verstorbenen wächst den überlebenden Gesellschaftern an. Die Klausel kann aber vorsehen, dass die Erben in die Gesellschaft eintreten.
Beispiel: Das Grundbuchamt forderte den alten Gesellschaftsvertrag, um zu prüfen, ob eine Nachfolgeklausel existierte. Nur wenn eine solche vorhanden war, konnte S. B. als Erbin tatsächlich Gesellschafterin werden und der Grundbuchänderung berechtigt zustim
Zwischenverfügung
Eine Zwischenverfügung ist ein gerichtlicher Bescheid, der ein behebbares Hindernis für eine Grundbucheintragung feststellt und eine Frist zur Behebung setzt. Das Grundbuchamt nutzt dieses Instrument, wenn wichtige Unterlagen fehlen oder Zweifel an der Berechtigung der Antragsteller bestehen. Die Eintragung wird solange blockiert, bis das Problem gelöst ist.
Beispiel: Das Grundbuchamt erließ eine Zwischenverfügung, weil der ursprüngliche GbR-Vertrag fehlte. Ohne dieses Dokument konnte nicht geklärt werden, ob S. B. berechtigt war, der Grundbuchänderung zuzustimmen. Gegen diese Verfügung legten die Antragsteller erfolglos Beschwerde ein.
Wichtige Rechtsgrundlagen
Bewilligungsbefugnis und Materielle Richtigkeit des Grundbuchs (§ 19 Grundbuchordnung), § 29 Grundbuchordnung
Das Grundbuchamt muss prüfen, ob die Person, die eine Grundbuchänderung beantragt oder genehmigt, dazu auch tatsächlich rechtlich befugt ist und ob die Änderung die wahren Rechtsverhältnisse abbildet.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht stellte klar, dass das Grundbuchamt sicherstellen muss, dass S. B. als Erbin von G. B. tatsächlich zur Zustimmung der Grundbuchänderung berechtigt war, was nicht allein aus der formalen Eintragung im Grundbuch abzuleiten ist, sondern die tatsächliche Gesellschafterstellung voraussetzt.
Tod eines Gesellschafters in der GbR vor 2024 (§ 727 Bürgerliches Gesetzbuch), § 736 Bürgerliches Gesetzbuch
Starb vor der Gesetzesreform ein Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), führte dies nach dem alten Gesetz in der Regel zur Auflösung der Gesellschaft, wobei der Anteil des Verstorbenen den verbliebenen Gesellschaftern anwuchs.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Da G. B. im Jahr 2009 verstarb, war es entscheidend zu klären, ob die GbR fortbestand oder ob H. B. Alleineigentümer des Grundstücks wurde, was nur durch eine entsprechende Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag verhindert werden konnte.
Gesellschaftsvertrag als Nachweis der Gesellschafterstellung
Der Gesellschaftsvertrag ist das maßgebliche Dokument, das regelt, wie Anteile an einer Gesellschaft übertragen werden und welche Personen nach einem Todesfall Gesellschafter bleiben oder werden.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht entschied, dass der ursprüngliche Gesellschaftsvertrag vorgelegt werden muss, um zu beweisen, ob S. B. durch eine Nachfolgeklausel tatsächlich Gesellschafterin wurde und somit berechtigt war, die Grundbuchänderung zu bewilligen.
Zwischenverfügung im Grundbuchverfahren (§ 18 Grundbuchordnung)
Eine Zwischenverfügung ist ein gerichtlicher Bescheid des Grundbuchamtes, der auf ein behebbares Hindernis für eine beantragte Eintragung hinweist und eine Frist zur Beseitigung setzt.
→ Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Grundbuchamt nutzte eine Zwischenverfügung, um die Vorlage des Gesellschaftsvertrags formal einzufordern, da ohne diesen ein Nachweis über die tatsächliche Berechtigung von S. B. für die Grundbuchänderung fehlte.
Das vorliegende Urteil
OLG München – Az.: 34 Wx 93/25 e – Beschluss vom 05.05.2025
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