OLG Köln – Az.: II-14 UF 20/19 – Beschluss vom 21.03.2019
Auf die Beschwerde der Annehmenden wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Siegburg vom 20. Dezember 2018 abgeändert.
Die Anzunehmende wird durch die Annehmende als Kind angenommen.
Der Geburtsname der Anzunehmenden lautet künftig A.
Die Gerichtskosten des Verfahrens beider Instanzen tragen die Anzunehmende und die Annehmende je zur Hälfte; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Der Wert des Verfahrens beider Instanzen wird auf 100.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde hat Erfolg. Das Amtsgericht hat es zu Unrecht abgelehnt, die von den Beteiligten beantragte Annahme als Kind auszusprechen.
Es ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass ein Volljähriger als Kind angenommen werden kann, wenn die Annahme sittlich gerechtfertigt ist; dies ist insbesondere anzunehmen, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Anzunehmenden ein Eltern-Kind-Verhältnis bereits entstanden ist (§ 1767 Abs. 1 BGB). Für die sittliche Rechtfertigung der Adoption kommt es danach vorwiegend auf die Herstellung eines echten Eltern-Kind-Verhältnisses, also eines sozialen Familienbandes an, das seinem ganzen Inhalt nach dem durch die natürliche Abstammung geschaffenen Band ähnelt, das unter Erwachsenen wesentlich durch eine auf Dauer angelegte Bereitschaft zu gegenseitigem Beistand geprägt ist. Andere, nicht familienbezogene, vor allem wirtschaftliche Motive dürfen nicht ausschlaggebender Hauptzweck der Adoption sein (vgl. Senatsbeschluss vom 13.12.2018 – 14 UF 145/18, n.v.; OLG Hamburg, Beschluss vom 18.4.2018 – 2 UF 144/17, juris Rn. 20; OLG München, Beschluss vom 10.2.2017 – 33 UF 1304/16, FamRZ 2017, 1238, 1239; OLG Nürnberg, Beschluss vom 12.6.2015 – 10 UF 272/15, FamRZ 2016, 315; OLG Köln, Beschluss vom 29.7.2011 – 4 UF 108/11, FGPrax 2011, 297; BayObLG, Beschluss vom 24.7.2002 – 1Z BR 54/02, FamRZ 2002, 1651, 1652).
Soweit das Amtsgericht das Bestehen eines solchen Eltern-Kind-Verhältnisses zwischen den Beteiligten nicht positiv hat feststellen können und dabei insbesondere darauf abgestellt hat, dass die Annehmende die Schwiegermutter der Anzunehmenden ist, folgt der Senat dem nicht. Ein Eltern-Kind-Verhältnis kann auch zu einem Schwiegerkind entstehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Schwägerschaftsbeziehung die Ehe überdauert hat und infolgedessen eine vom Kind des Annehmenden unabhängige Beziehung zwischen den Beteiligten entstanden ist (vgl. MüKoBGB/Maurer, 7. Aufl.; § 1767 Rn. 30; BeckOK-BGB/Pöcker, 48. Edition, § 1767 Rn. 5.1; DNotI-Report 2009, 75, 76; a.A. Bosch, FamRZ 1984, 829, 836).
Dies ist vorliegend der Fall. Nach dem Ergebnis der persönlichen Anhörung der Beteiligten ist der Senat davon überzeugt, dass beide ein enges, durch familiäre Verbundenheit geprägtes Verhältnis haben und dass sie unbedingt und dauerhaft bereit sind, der jeweils anderen beizustehen. Diese enge Verbindung hat den Tod des Ehemannes der Anzunehmenden und Sohnes der Annehmenden überdauert und hat sich in der Folgezeit eher noch intensiviert. Die Beteiligten haben glaubhaft erklärt, dass die Anzunehmende, nachdem sie im Jahr 2008 gemeinsam mit ihrem Ehemann in die Nähe der Annehmenden gezogen ist, diesen Wohnsitz auch nach dem Tod ihres Ehemannes behalten hat, obwohl sie in B arbeitet. In der folgenden Trauerzeit haben sich die Beteiligten gegenseitig gestützt. Nach einem Einbruch in die Wohnung der Annehmenden im Jahr 2015 hat diese für mehrere Wochen bei der Anzunehmenden gewohnt, da sie nicht alleine in ihrem Haus sein wollte. Heute besucht die Anzunehmende die 84jährige Annehmende häufig und erledigt für diese sämtliche „Formalitäten“. Darüber hinaus nehmen beide Beteiligte regelmäßig gemeinsame Mahlzeiten ein und fahren zusammen in Urlaub.
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Beteiligten mit der beabsichtigten Adoption vornehmlich finanzielle Motive verfolgen, sieht der Senat nicht. Dass die Adoption im Erbfall zu einer erheblichen Steuerersparnis führen könnte, ist ihnen zwar bewusst. Die Annehmende hat auf Befragen des Senats angegeben, neben ihrem Wohnhaus Eigentümerin eines Mehrfamilienhauses mit sechs vermieteten Wohnungen zu sein. Unter Berücksichtigung der oben erörterten Umstände hält es der Senat aber für glaubhaft, dass eine mögliche Steuerersparnis nicht der eigentliche Beweggrund für den Adoptionsantrag ist.
Dass die Anzunehmende durch die Adoption rechtlich dieselbe Mutter bekäme wie ihr verstorbener Ehemann, steht der sittlichen Rechtfertigung der Adoption nach Auffassung des Senats nicht entgegen (vgl. dazu Staudinger/Frank, BGB, Neubearb. 2007, § 1767 Rn. 17 einerseits und Erman/Saar, BGB, 15. Aufl., § 1767 Rn. 6a andererseits). Denn da die Wirkungen der Annahme eines Volljährigen sich nach § 1770 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht auf die Verwandten des Annehmenden erstrecken, wird die Anzunehmende durch die begehrte Adoption rechtlich nicht zur Schwester ihres verstorbenen Ehemannes. Wäre die Adoption vor der Eheschließung erfolgt, hätte sie ihn deshalb ohne Befreiung gemäß § 1308 Abs. 2 BGB heiraten dürfen (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 12.3.2015 – 2 Wx 45/14, MDR 2015, 1012, 1013).
Nach § 1767 Abs. 2 Satz 1, § 1757 Abs. 1 Satz 1 BGB erhält die Anzunehmende den gemeinsamen Familiennamen der Beteiligten auch als Geburtsnamen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG. Die Wertfestsetzung
folgt aus § 42 Abs. 2 FamGKG. Zu berücksichtigen ist insoweit das Vermögen der Annehmenden, dessen Wert der Senat nach Abzug der Verbindlichkeiten auf mindestens rund 400.000 EUR schätzt; der festgesetzte Wert entspricht einem Viertel dieses Betrags (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 25.6.2018 – 4 WF 117/18, FamRZ 2019, 304 mwN).