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Ersatzerbe gleich Schlusserbe im Erbvertrag: Alleinerbin nach Tod beider Eltern

Nach dem Tod der Eltern entbrannte ein Geschwisterstreit, weil der notarielle Erbvertrag zwar einen Ersatzerben nannte, aber die Schlusserben-Klausel fehlte. Diese vermeintliche Lücke sollte die gesetzliche Erbfolge in Kraft setzen, doch das Gericht musste entscheiden, ob Ersatzerbe gleich Schlusserbe im Erbvertrag bedeutet.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 33 Wx 164/23 e | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht München
  • Datum: 27.09.2023
  • Aktenzeichen: 33 Wx 164/23 e
  • Verfahren: Beschwerde in Nachlasssachen
  • Rechtsbereiche: Erbrecht, Testamentsauslegung

  • Das Problem: Zwei Geschwister stritten sich um das Erbe ihrer verstorbenen Mutter. Der Bruder forderte die Gesetzliche Erbfolge, also eine hälftige Teilung des Vermögens. Die Schwester sah sich laut notariellem Erbvertrag als Alleinerbin.
  • Die Rechtsfrage: Regelt die im Erbvertrag verwendete Bezeichnung „Ersatzerbin“ die Alleinerbschaft der Tochter, auch wenn die Eltern den Begriff „Schlusserbe“ nicht benutzt haben?
  • Die Antwort: Ja. Die Tochter ist Alleinerbin der Mutter. Die Ersatzerben-Regelung greift, weil der Vater bereits vor der Mutter verstorben war und deshalb nicht Erbe werden konnte.
  • Die Bedeutung: Bei notariellen Erbverträgen hat die fachlich korrekte Formulierung Vorrang vor umgangssprachlichen Begriffen. Die Bezeichnung „Ersatzerbe“ kann die gesamte Erbfolge nach dem Tod beider Ehepartner klar regeln.

Ersatzerbe statt Schlusserbe: Wann ein Wort im Erbvertrag über das gesamte Erbe entscheidet

Die Auslegung des Erbvertrags entscheidet: Ein notarieller Stempel klärt, ob der "Ersatzerbe" tatsächlich der "Schlusserbe" ist.
Ein Wort im Erbvertrag entschied über das gesamte Erbe zweier Kinder. | Symbolbild: KI

Ein Wort kann den Unterschied zwischen einem geteilten Erbe und einem Alleinerbe ausmachen. Ein notarieller Erbvertrag, geschlossen zwischen zwei Eheleuten, sollte den letzten Willen klar und unmissverständlich festhalten. Doch nach dem Tod beider Elternteile entbrannte zwischen ihren Kindern ein erbitterter Streit über die Auslegung genau dieses Dokuments. Der Grund: Das Testament sprach von einem „Ersatzerben“, aber nicht von einem „Schlusserben“. Für den Sohn war der Fall klar – eine Lücke im Vertrag, die zur gesetzlichen Erbfolge führen müsse. Seine Schwester sah das anders. Das Oberlandesgericht München musste in seiner Entscheidung vom 27. September 2023 (Az. 33 Wx 164/23 e) klären, ob juristische Präzision über umgangssprachliche Gewohnheit siegt und was die Eltern wirklich gewollt hatten.

Was genau stand im Erbvertrag der Eltern?

Die Ausgangslage war eine typische Familiensituation. Ein Ehepaar mit zwei Kindern, einem Sohn und einer Tochter, wollte für den Todesfall vorsorgen. Am 30. Dezember 2015 schlossen die beiden einen notariellen Erbvertrag, um ihre Nachfolge zu regeln. Die Kernpunkte dieses Vertrages waren klar formuliert:

  1. Gegenseitige Einsetzung als Alleinerben: Die Ehegatten setzten sich gegenseitig zu alleinigen und uneingeschränkten Vollerben ein. Das bedeutet, der überlebende Partner sollte das gesamte Vermögen des zuerst Verstorbenen erhalten.
  2. Die „Ersatzerbenberufung“: Für den Fall, dass der andere Ehepartner das Erbe „nicht sein kann oder will“, sollte die gemeinsame Tochter zur alleinigen Ersatzerbin bestimmt werden.
  3. Änderungsbefugnis für den Überlebenden: Der länger lebende Ehepartner erhielt ausdrücklich das Recht, die Erbfolge nach dem Tod des ersten Partners neu zu regeln. Diese Freiheit war jedoch beschränkt: Neue Verfügungen durften nur zugunsten der gemeinsamen Kinder oder deren Nachkommen getroffen werden.

Im Jahr 2020 verstarb der Ehemann. Seine Frau wurde, wie im Vertrag vorgesehen, seine Alleinerbin. Ein Jahr später, 2021, verstarb auch sie. Nun trat der zweite Erbfall ein, und der Konflikt zwischen den Geschwistern begann.

Die Tochter beantragte beim Nachlassgericht einen Erbschein, der sie als alleinige Erbin auswies. Sie stützte sich auf die Klausel zur „Ersatzerbenberufung“. Ihr Vater habe das Erbe seiner Frau nicht mehr antreten können, da er bereits verstorben war. Daher trete sie, wie im Vertrag festgelegt, an seine Stelle.

Ihr Bruder, der Beschwerdeführer in diesem Verfahren, sah das fundamental anders. Er beantragte ebenfalls einen Erbschein, der ihn und seine Schwester zu Erben je zur Hälfte erklärte – entsprechend der gesetzlichen Erbfolge. Sein zentrales Argument: Der Erbvertrag regle zwar den ersten Todesfall, aber nicht den zweiten. Insbesondere fehle der juristisch übliche Begriff des „Schlusserben“, der denjenigen bezeichnet, der nach dem Tod des längerlebenden Ehepartners erben soll. Die Klausel zum „Ersatzerben“ beziehe sich nur auf den ersten Erbfall. Für den zweiten Erbfall gebe es eine Regelungslücke, weshalb das Gesetz greifen müsse. Das Nachlassgericht folgte dieser Argumentation nicht und kündigte an, den Erbschein zugunsten der Tochter auszustellen. Dagegen legte der Sohn Beschwerde ein, die das Verfahren vor das Oberlandesgericht München brachte.

Welche juristischen Prinzipien steuern die Auslegung eines Testaments?

Um die Entscheidung des Gerichts nachzuvollziehen, müssen Sie zwei zentrale Pfeiler des deutschen Erbrechts verstehen, die bei der Auslegung von Testamenten und Erbverträgen eine entscheidende Rolle spielen.

Der erste Pfeiler ist die besondere Bedeutung notarieller Urkunden. Ein notariell beurkundeter Erbvertrag ist mehr als nur ein aufgeschriebener Wille. Ein Notar ist gesetzlich dazu verpflichtet, den Willen der Beteiligten zu erforschen und unzweideutig in die juristisch korrekte Form zu gießen (§ 17 BeurkG). Er muss die Beteiligten über die rechtliche Tragweite ihrer Erklärungen belehren. Aus dieser Pflicht ergibt sich eine starke juristische Vermutung: Man geht davon aus, dass das, was im Vertrag steht, auch exakt dem Willen der Erblasser entspricht. Wer etwas anderes behaupten will, muss sehr überzeugende Gründe vorbringen, um diese Vermutung zu widerlegen.

Der zweite Pfeiler ist der Begriff des Ersatzerben selbst. Das Gesetz definiert in § 2096 BGB, was ein Ersatzerbe ist: Eine Person, die vom Erblasser für den Fall eingesetzt wird, dass ein ursprünglich vorgesehener Erbe „vor oder nach dem Erbfall wegfällt“. Ein klassischer Fall für den „Wegfall“ ist der Vorversterben des eigentlichen Erben. Kann der Ehemann die Ehefrau nicht beerben, weil er bereits tot ist, greift die Ersatzerbenregelung – sofern eine getroffen wurde.

Der Sohn argumentierte nun, dass der Begriff „Schlusserbe“ für die Regelung des zweiten Erbfalls notwendig gewesen wäre. Das Gericht musste also prüfen, ob das Fehlen dieses Wortes tatsächlich eine Lücke erzeugt oder ob der verwendete Begriff „Ersatzerbe“ die Situation rechtlich vollständig abdeckt.

Warum sah das Gericht die Tochter als alleinige Erbin an?

Der Senat des Oberlandesgerichts München wies die Beschwerde des Sohnes zurück und bestätigte die Rechtsauffassung des Nachlassgerichts. Die Tochter ist die alleinige Erbin. Die Richter stützten ihre Entscheidung auf eine klare und logische Auslegung des Erbvertrags, ohne dass sie auf eine ergänzende Interpretation zurückgreifen mussten.

Das Wort „Ersatzerbe“: Juristisch präzise, nicht fehlerhaft

Das Kernargument des Sohnes, das Fehlen des Begriffs „Schlusserbe“ belege eine Regelungslücke, verfing beim Gericht nicht. Die Richter stellten klar, dass der Begriff „Schlusserbe“ zwar in der Praxis häufig verwendet wird, im Bürgerlichen Gesetzbuch selbst aber gar nicht vorkommt. Es ist ein umgangssprachlicher Begriff für eine bestimmte erbrechtliche Konstellation.

Der Begriff „Ersatzerbe“ hingegen ist in § 2096 BGB legaldefiniert und juristisch exakt. Die Formulierung im Vertrag – „für den Fall, dass der jeweils andere von uns nicht Erbe sein kann oder will“ – beschreibt genau die Situation, die nach dem Tod der Mutter eintrat. Ihr Ehemann konnte ihr Erbe nicht mehr antreten, weil er bereits verstorben war. Damit war der im Vertrag definierte Bedingungsfall für die Ersatzerbfolge eingetreten, und die Tochter trat an die Stelle des weggefallenen Vaters. Das Gericht sah in der Wortwahl des Notars also keinen Fehler oder ein Versehen, sondern die Anwendung des fachlich korrekten Begriffs. Es betonte, dass es keine stichhaltigen Anhaltspunkte dafür gebe, von der starken Vermutung abzuweichen, dass der notariell beurkundete Text dem wahren Willen der Eltern entsprach.

Die Änderungsklausel: Ein starkes Indiz für eine umfassende Regelung

Ein zweites, entscheidendes Argument fand das Gericht in der Systematik des Vertrags selbst. Die Eltern hatten dem längerlebenden Partner ausdrücklich das Recht eingeräumt, die Erbfolge nach dem ersten Todesfall noch zu ändern, wenn auch nur im Kreis der Kinder. Diese Klausel, so die Richter, wäre vollkommen sinnlos, wenn es für den zweiten Erbfall gar keine verbindliche Ausgangsregelung gegeben hätte. Man kann nur etwas ändern, das bereits existiert.

Die Existenz dieser Änderungsbefugnis war für das Gericht ein starkes Indiz dafür, dass die Eltern sehr wohl beide Erbfälle durchdacht und geregelt hatten. Die Ausgangsregelung für den zweiten Todesfall war eben jene Ersatzerbenklausel zugunsten der Tochter. Der überlebende Elternteil hätte diese Regelung ändern und beispielsweise beide Kinder zu gleichen Teilen einsetzen können – hat es aber nicht getan.

Die Argumente des Sohnes: Warum sie das Gericht nicht überzeugte

Das Gericht setzte sich auch explizit mit den Gegenargumenten des Sohnes auseinander. Sein Versuch, aus angeblich ungleichen Zuwendungen zu Lebzeiten einen Willen der Eltern zur Gleichbehandlung im Todesfall abzuleiten, scheiterte. Die Richter stellten fest, dass solche Umstände außerhalb des Testaments nicht ausreichen, um den klaren Wortlaut einer notariellen Urkunde zu erschüttern.

Selbst wenn die Tochter zu Lebzeiten mehr erhalten haben sollte, beweist das nicht, dass die Eltern sie nicht trotzdem zur Alleinerbin machen wollten. Das Gericht merkte zudem an, dass die Tochter laut Vertrag mit einem umfangreichen Vermächtnis zugunsten ihres eigenen Sohnes (des Enkels der Erblasser) belastet war. Dies schwächte das Bild einer einseitigen Begünstigung der Tochter zusätzlich ab. Der zentrale Einwand des Sohnes, die Begriffe Ersatzerbe und Schlusserbe seien unterschiedliche Rechtsinstitute, wurde ebenfalls zurückgewiesen. Das Gericht stellte klar, dass die Ersatzerbenberufung nach § 2096 BGB genau den hier vorliegenden Fall des Wegfalls eines Erben abdeckt und somit die Funktion einer Schlusserbeneinsetzung erfüllt.

Was bedeutet dieses Urteil für Ihren eigenen Erbvertrag?

Die Entscheidung des OLG München ist eine wichtige Lektion für jeden, der seinen Nachlass durch einen Erbvertrag oder ein gemeinschaftliches Testament regeln möchte. Sie unterstreicht, wie entscheidend juristische Präzision ist und wie stark sich Gerichte am Wortlaut orientieren, insbesondere wenn ein Notar beteiligt war.

Checkliste für Ihren Erbvertrag:

  • Klarheit vor Umgangssprache: Verlassen Sie sich nicht auf Begriffe, die Ihnen geläufig erscheinen. Begriffe wie „Schlusserbe“ sind zwar verbreitet, aber nicht gesetzlich definiert. Verwenden Sie stattdessen die präzisen Begriffe des Gesetzes wie „Ersatzerbe“ (§ 2096 BGB) oder regeln Sie die Erbfolge für den zweiten Erbfall explizit und unmissverständlich.
  • Regeln Sie beide Erbfälle zweifelsfrei: Formulieren Sie klar und getrennt, wer Erbe des Erstversterbenden wird und wer das Vermögen nach dem Tod des längerlebenden Partners erhalten soll. Eine Formulierung wie „Nach dem Tod des Letztversterbenden von uns soll unser beider Vermögen an XY fallen“ lässt keinen Raum für Zweifel.
  • Denken Sie über die Bindungswirkung nach: Legen Sie genau fest, ob der überlebende Ehepartner nach dem ersten Todesfall an die gemeinsamen Verfügungen gebunden ist oder ob er, wie im entschiedenen Fall, die Erbfolge noch ändern darf. Eine solche Änderungsklausel kann, wie das Urteil zeigt, auch als wichtiges Auslegungsargument dienen.
  • Vertrauen Sie auf notarielle Expertise (und hinterfragen Sie sie): Die notarielle Beurkundung gibt Ihrem letzten Willen ein enormes rechtliches Gewicht. Nutzen Sie die Beratungspflicht des Notars, um sicherzustellen, dass Ihre Wünsche juristisch wasserdicht formuliert sind. Fragen Sie nach, wenn Sie die Bedeutung eines Fachbegriffs nicht vollständig verstehen.
  • Dokumentieren Sie Ihre Motive: Wenn Sie von der gesetzlichen Erbfolge abweichen und beispielsweise ein Kind zum Alleinerben einsetzen, kann es hilfreich sein, die Gründe dafür (z.B. in einem Begleitschreiben oder in den Erwägungen des Testaments selbst) kurz zu erläutern. Dies kann späteren Streitigkeiten vorbeugen, auch wenn es, wie dieser Fall zeigt, den klaren Wortlaut nicht aushebeln kann.

Die Urteilslogik

Gerichte legen Erbverträge konsequent nach dem juristisch präzisen Wortsinn aus, um den wahren Willen der Erblasser zu sichern.

  • [Ersatzfunktion des Erben]: Der gesetzlich definierte Begriff des Ersatzerben erfasst umfassend jene Fälle, in denen ein eingesetzter Erbe vor oder nach dem Erbfall wegfällt, und erfüllt somit die Funktion einer Schlusserbenklausel auch für den zweiten Todesfall.
  • [Gewicht der notariellen Urkunde]: Die notarielle Beurkundung etabliert die starke Vermutung, dass die gewählte Formulierung dem Willen der Erblasser exakt entspricht, weshalb unklare Umstände außerhalb des Vertrages den klaren Wortlaut nicht aushebeln.
  • [Systematik der Verfügungen]: Gerichte interpretieren einzelne Klauseln im Kontext des gesamten Vertragsinhalts: Bestehende Änderungsbefugnisse indizieren, dass die Erblasser eine lückenlose Regelung für beide Erbfälle schaffen wollten.

Die juristische Fachsprache dient als Bollwerk gegen Auslegungsstreitigkeiten und garantiert die Durchsetzung des dokumentierten Testierwillens.

Experten Kommentar

Wenn im Erbvertrag ein oft genutzter Begriff wie „Schlusserbe“ fehlt, wittern Erben schnell eine Lücke, um die gesetzliche Erbfolge durchzusetzen. Das OLG München zieht hier eine klare rote Linie: Der juristisch exakte Begriff „Ersatzerbe“ nach dem BGB erfüllt die Funktion des Schlusserben, sobald der zuerst Verstorbene das Erbe des länger lebenden Partners nicht mehr antreten kann. Das Gericht bestätigt damit das hohe Gewicht des notariellen Fachvokabulars und zeigt, dass juristische Präzision die umgangssprachliche Gewohnheit konsequent schlägt. Wer Streit vermeiden will, muss dem Wortlaut des Notars vertrauen und ihn nicht versuchen, später durch Spekulationen über den Willen der Eltern auszuhebeln.


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Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Wer erbt nach dem überlebenden Ehepartner, wenn der Erbvertrag nur „Ersatzerben“ benennt?

Obwohl der umgangssprachliche Begriff „Schlusserbe“ im Vertrag fehlt, wird der benannte Ersatzerbe in der Regel zum Alleinerben nach dem Tod des länger lebenden Partners. Juristisch ist die Formulierung „Ersatzerbe“ präziser als „Schlusserbe“ und wird durch das Bürgerliche Gesetzbuch definiert. Ein Notarieller Erbvertrag genießt zudem eine sehr starke Beweisvermutung für den Willen der Erblasser. Diese rechtliche Konstruktion schließt eine vermeintliche Regelungslücke wirksam aus.

Die juristische Grundlage für diese Auslegung bildet § 2096 BGB, welcher festlegt, dass der Ersatzerbe eintritt, wenn der ursprünglich Bedachte das Erbe „wegfällt“. Im Szenario des zweiten Todesfalls konnte der zuerst verstorbene Partner das Erbe des länger lebenden logischerweise nicht mehr antreten, da er bereits tot war. Gerichte interpretieren diese Ersatzerbenregelung daher als vollständige und fachlich korrekte Abdeckung des gesamten Nachlassplans, einschließlich des Schlusserbfalls.

Die Beweisvermutung einer notariellen Urkunde erschwert die Anfechtung durch andere Erben erheblich. Der Notar ist gesetzlich verpflichtet, den Willen der Erblasser unmissverständlich in die juristisch korrekte Form zu gießen. Deshalb wies das OLG München im zugrundeliegenden Fall das Argument zurück, das Fehlen eines umgangssprachlichen Wortes führe zu einer gesetzlichen Erbfolge.

Prüfen Sie die Ersatzerbenklausel auf die genaue Formulierung, die den Eintritt des Ersatzerben bei Wegfall des zunächst Bedachten regelt.


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Gilt die Ersatzerbenberufung nach dem BGB automatisch auch für den Schlusserben beim zweiten Todesfall?

Die Anwendung der Ersatzerbenberufung auf den zweiten Todesfall ist in der Regel wahrscheinlich, jedoch nicht automatisch garantiert. Gerichte legen die gesetzliche Definition des Ersatzerben sehr weit aus. Sie gehen davon aus, dass Ehegatten mit dieser Klausel die gesamte Erbfolge umfassend regeln wollten. Hierbei ersetzt der Ersatzerbe den vorverstorbenen Alleinerben, der das Erbe nicht mehr antreten kann.

Die Regel dafür findet sich in § 2096 BGB. Dort wird festgelegt, dass ein Ersatzerbe eintritt, wenn der ursprünglich eingesetzte Erbe vor oder nach dem Erbfall wegfällt. Der umgangssprachliche Begriff „Schlusserbe“ existiert im Gesetzbuch gar nicht, während die Ersatzerbenberufung juristisch präzise definiert ist. Stirbt der überlebende Ehepartner, kann der zuerst Verstorbene das ihm zugedachte Erbe des Längerlebenden nicht mehr annehmen. Diese Konstellation erfüllt exakt die Bedingung des gesetzlichen „Wegfalls“.

Um die wahre Absicht der Erblasser festzustellen, betrachten Gerichte oft die gesamte Systematik des Vertrages. Ein starkes Indiz für eine umfassende Regelung ist die Existenz einer Änderungsklausel. Wenn der überlebende Partner die Erbfolge nachträglich ändern durfte, beweist dies, dass eine verbindliche Ausgangsregelung für den zweiten Erbfall bereits existierte. Die Notwendigkeit einer Änderungsmöglichkeit setzt voraus, dass die Ersatzerbenklausel auch für den Schlusserbfall galt und somit beide Szenarien abgedeckt wurden.

Prüfen Sie Ihren Erbvertrag genau auf eine Änderungsbefugnis, da diese die beabsichtigte, weitreichende Anwendung der Ersatzerbenklausel stark untermauert.


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Wie überprüfe ich, ob mein notarieller Erbvertrag beide Erbfälle juristisch präzise abdeckt?

Um künftige Auslegungsstreitigkeiten zu verhindern, müssen Sie Ihren notariellen Erbvertrag proaktiv auf die Klarheit der Schlusserbenregelung prüfen. Identifizieren Sie zunächst, ob der Vertrag die Erbfolge nach dem Tod des Letztversterbenden explizit benennt und nicht nur implizit regelt. Zusätzlich müssen Sie die Regelungen zur Bindungswirkung und zur Änderungsbefugnis klar identifizieren.

Die sicherste Methode ist die Suche nach einer Formulierung, welche die Schlusserbfolge explizit regelt. Suchen Sie nach Passagen wie „Nach dem Tod des Letztversterbenden von uns soll das gesamte Vermögen an [Name] fallen“. Solche direkten Aussagen minimieren Interpretationsspielräume, da sie den Schlusserben ohne Umwege über Auslegungsregeln benennen. Verlassen Sie sich nicht nur auf das notarielle Siegel, sondern gleichen Sie den Wortlaut mit Ihren ursprünglichen Wünschen ab.

Ein zweiter wichtiger Prüfpunkt ist die Änderungsklausel im Erbvertrag. Wenn dem länger lebenden Partner das Recht eingeräumt wurde, die Erbfolge noch nachträglich zu ändern, ist dies ein starkes Indiz für eine umfassende Ausgangsregelung. Die Gerichte sehen in der Existenz dieser Klausel einen Beweis dafür, dass die Erblasser beide Erbfälle bedacht und geregelt hatten. Achten Sie darauf, dass juristisch präzise Begriffe verwendet werden, beispielsweise Ersatzerbe nach § 2096 BGB, statt vager, umgangssprachlicher Begriffe.

Nehmen Sie den Erbvertrag zur Hand und erstellen Sie eine Gliederung, die zeigt, ob „erster Tod“ und „zweiter Tod“ in getrennten, klaren Abschnitten adressiert werden.


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Was bedeutet das Fehlen des Schlusserben für die Anfechtung des Testaments durch Geschwister?

Das Fehlen des Begriffs „Schlusserbe“ im Erbvertrag bietet enterbten Geschwistern keinen tragfähigen Anfechtungsgrund. Gerichte betrachten „Schlusserbe“ lediglich als umgangssprachliche Bezeichnung ohne eigene gesetzliche Relevanz. Die juristisch korrekte Ersatzerbenberufung in notariellen Urkunden erfüllt die Funktion der Schlusserbeneinsetzung vollständig, sofern keine explizite Beschränkung vorliegt. Solche Versuche, eine Regelungslücke zu konstruieren, werden regelmäßig zurückgewiesen.

Ein notarieller Erbvertrag genießt eine sehr starke Beweisvermutung für den wahren Willen der Erblasser. Wer den klaren Wortlaut anfechten will, muss stichhaltige, formelle Beweise für einen Notarfehler vorlegen. Das Oberlandesgericht München bestätigte, dass die Ersatzerbenklausel (§ 2096 BGB) den zweiten Erbfall (den Wegfall des zuerst verstorbenen Partners) juristisch präzise abdeckt. Die Behauptung einer fehlenden Regelung oder eines formalen Mangels scheitert daher fast immer.

Argumente des Anfechtenden, die sich auf ungleiche Zuwendungen oder angebliche Benachteiligungen zu Lebzeiten stützen, reichen nicht aus, um die klare notarielle Urkunde auszuhebeln. Das Gericht stellte klar, dass Umstände außerhalb des Vertrages den dokumentierten Willen nicht erschüttern können. Die juristische Konsequenz ist, dass Anfechtungen, die primär auf diese externen Argumente abzielen, hohe Prozesskosten verursachen, ohne die gewünschte Wiederherstellung der gesetzlichen Erbfolge zu erreichen.

Wollen Sie als Geschwisterteil erfolgreich anfechten, suchen Sie nach Beweisen, die den tatsächlichen Willen der Eltern zur Gleichbehandlung dokumentieren, wie ergänzende Begleitschreiben oder Willenserklärungen beim Notar.


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Welche Formulierung sichert dem überlebenden Partner die Möglichkeit zur nachträglichen Änderung des Testaments?

Ein Erbvertrag schafft eine starke, beidseitige Verbindlichkeit, weshalb er nach dem ersten Todesfall eine massive Bindungswirkung entfaltet. Um dem länger lebenden Partner dennoch Flexibilität zu sichern, muss das Dokument zwingend eine ausdrückliche Änderungsbefugnis enthalten. Ohne diesen Abänderungsvorbehalt sind die gemeinsamen Verfügungen unveränderbar, selbst wenn sich die familiären oder finanziellen Umstände gravierend ändern.

Die Klausel muss äußerst präzise formuliert sein und genau festlegen, welche Verfügungen angepasst werden dürfen. Der Grund dafür liegt in der gesetzlich gewollten Stabilität des Erbvertrages. Eine zu vage oder allgemeine Formulierung birgt das Risiko, dass sie juristisch unwirksam ist. Achten Sie darauf, dass der Passus klar die Absicht der Erblasser zur nachträglichen Korrektur dokumentiert.

Konkret sollte die Formulierung die Freiheit des überlebenden Partners zwar zulassen, sie aber gleichzeitig beschränken. Die Änderung darf oft nur zugunsten eines definierten Kreises von Begünstigten, meist den gemeinsamen Kindern oder deren Nachkommen, erfolgen. Gerichte sehen in solch einer beschränkten Änderungsklausel ein starkes Indiz dafür, dass die Erblasser die Bindungswirkung bewusst bedacht und den zweiten Erbfall umfassend geregelt hatten.

Lassen Sie sich bei der Erstellung des Erbvertrages vom Notar exakt darlegen, welche Verfügungen bindend sind und wie die Formulierung der Änderungsbefugnis Ihre individuellen Wünsche nach Flexibilität abdeckt.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


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Änderungsbefugnis

Eine Änderungsbefugnis ist eine vertraglich vereinbarte Klausel, die einem Partner in einem Erbvertrag ausdrücklich das Recht einräumt, Verfügungen nach dem Tod des zuerst Verstorbenen nachträglich zu korrigieren.
Das Gesetz erkennt an, dass sich Lebensumstände ändern können. Diese Klausel mildert die strikte Bindungswirkung eines Erbvertrages ab und sorgt für die notwendige Flexibilität beim länger lebenden Ehepartner.

Beispiel: Die Existenz der Änderungsbefugnis im Erbvertrag diente dem Oberlandesgericht München als starkes Indiz dafür, dass die Eltern beide Erbfälle bewusst und umfassend geregelt hatten.

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Bindungswirkung

Die Bindungswirkung beschreibt die juristische Konsequenz eines gemeinschaftlichen Testaments oder Erbvertrages, wonach die einmal getroffenen Verfügungen nach dem Tod des ersten Partners für den Überlebenden unveränderbar werden.
Dieses Prinzip stellt sicher, dass der erklärte gemeinsame Wille der Erblasser nicht einseitig untergraben werden kann, und garantiert dadurch maximale Rechtssicherheit für die Begünstigten.

Beispiel: Wäre im vorliegenden Fall keine spezielle Änderungsbefugnis vereinbart worden, wäre die Bindungswirkung eingetreten und die Mutter hätte die Alleinerbeneinsetzung ihrer Tochter nicht mehr ändern können.

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Ersatzerbe

Ein Ersatzerbe ist die Person, die der Erblasser gemäß der Legaldefinition des § 2096 BGB für den Fall benennt, dass der ursprünglich eingesetzte Erbe wegfällt (zum Beispiel, weil er vor dem Erbfall verstirbt).
Mit der Ersatzerbenregelung verhindert der Erblasser juristische Lücken und stellt sicher, dass der Nachlass auch dann in die gewünschten Hände gelangt, wenn die primäre Erbeneinsetzung scheitert.

Beispiel: Da der Ehemann das Erbe seiner Frau nicht mehr antreten konnte, weil er bereits vor ihr verstorben war, trat die Tochter wirksam als Ersatzerbin an seine Stelle.

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Erbvertrag

Ein Erbvertrag ist eine notariell beurkundete Vereinbarung zwischen mindestens zwei Personen, die verbindlich die Nachfolge und Vermögensverteilung im Todesfall regelt.
Im Gegensatz zu einem gewöhnlichen Testament erzeugt der Erbvertrag eine starke Bindungswirkung, die später nicht einseitig widerrufen werden kann, was für maximale Planungs- und Rechtssicherheit sorgt.

Beispiel: Der im Jahr 2015 zwischen den Eheleuten geschlossene Erbvertrag war die Grundlage des späteren Geschwisterstreits um die korrekte Auslegung des Begriffs Ersatzerbe.

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Gesetzliche Erbfolge

Die gesetzliche Erbfolge regelt die Verteilung des Nachlasses nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch, wenn der Verstorbene kein wirksames Testament oder keinen Erbvertrag hinterlassen hat.
Das Gesetz bestimmt eine feste Rangordnung, meist basierend auf Verwandtschaftsgraden und dem Ehepartnerstatus, um sicherzustellen, dass jeder Nachlass einen rechtmäßigen Erben findet.

Beispiel: Der Sohn argumentierte, das Fehlen des Begriffs Schlusserbe erzeuge eine Regelungslücke, die zwingend die gesetzliche Erbfolge auslösen und ihn zum Miterben machen müsse.

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Notarielle Urkunde

Eine Notarielle Urkunde ist ein Dokument, das von einem Notar aufgrund seiner Belehrungs- und Prüfungspflicht erstellt wurde und daher eine besonders hohe Beweisvermutung für die Richtigkeit des dokumentierten Willens genießt.
Durch die Einschaltung eines Notars wird der Wille der Beteiligten juristisch präzise und unzweideutig festgehalten, wodurch spätere Auslegungsstreitigkeiten stark reduziert werden.

Beispiel: Die Richter stellten klar, dass der klare Wortlaut der Notariellen Urkunde nicht durch Umstände außerhalb des Vertrages, wie beispielsweise angebliche ungleiche Zuwendungen, ausgehebelt werden kann.

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Das vorliegende Urteil


OLG München – Az.: 33 Wx 164/23 e – Beschluss vom 27.9.2023


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