Ein eingetragenes Bauverbot im Grundbuch sollte einen fünf Meter breiten Grenzstreifen seit 1967 schützen. Trotzdem baute der Nachbar. Obwohl die Grunddienstbarkeit festgeschrieben war, musste das Gericht klären, ob der ursprüngliche Sicherungszweck bereits vor Jahrzehnten entfallen war.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Die Urteilslogik
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Wann erlischt meine im Grundbuch eingetragene Grunddienstbarkeit automatisch?
- Wie kann ich ein veraltetes Bauverbot aus dem Grundbuch löschen lassen?
- Muss ich der Löschung der Grunddienstbarkeit zustimmen und wie läuft die Berichtigung ab?
- Was tun, wenn mein Nachbar auf Rückbau klagt, obwohl der Zweck des Bauverbots entfallen ist?
- Wann gilt der ursprüngliche Zweck einer Grunddienstbarkeit als dauerhaft weggefallen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 8 U 213/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt am Main
- Datum: 10.12.2024
- Aktenzeichen: 8 U 213/23
- Verfahren: Berufung
- Rechtsbereiche: Sachenrecht, Grunddienstbarkeit, Öffentliches Baurecht
- Das Problem: Nachbarn stritten darüber, ob ein eingetragenes Bauverbot auf einem Grenzstreifen noch galt. Die Klägerin forderte die Entfernung der neuen Bebauung durch die Beklagten. Die Beklagten forderten die Löschung des Bauverbots aus dem Grundbuch.
- Die Rechtsfrage: Erlischt ein privates Bauverbot im Grundbuch, wenn der ursprüngliche behördliche Sicherungszweck dafür (ein Bebauungsplan) nachträglich aufgehoben wird?
- Die Antwort: Ja, das Bauverbot erlischt in diesem Fall vollständig. Das Recht diente primär der Absicherung öffentlich-rechtlicher Abstandsvorschriften. Durch die Aufhebung des Bebauungsplans ist dieser ursprüngliche Zweck endgültig weggefallen.
- Die Bedeutung: Ein im Grundbuch eingetragenes privates Recht kann seine Wirksamkeit verlieren. Dies geschieht, wenn der damit verfolgte Vorteil oder Zweck objektiv entfällt. Die Beklagten dürfen das Grundstück nun trotz des alten Eintrags bebauen.
Der Fall vor Gericht
Worum genau ging der Streit zwischen den Nachbarn?

Ein Grundbucheintrag ist für die Ewigkeit – so denken viele. Er ist das steinerne Gedächtnis eines Grundstücks. Aber was passiert, wenn ein Recht, das dort schwarz auf weiß steht, seinen Sinn verliert? Wenn ein altes Bauverbot aus den 1960er Jahren zu einem juristischen Zombie wird: eingetragen, aber ohne Lebenskraft? Ein Nachbarschaftsstreit vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main drehte sich genau um diese Frage – und um ein fünf Meter breites Stück Land, das zum Schauplatz eines Kampfes zwischen totem Recht und moderner Bauplanung wurde.
Die Ausgangslage war klar umrissen. Die Eigentümerin eines Grundstücks hatte auf dem Papier ein starkes Recht. Im Grundbuch des Nachbargrundstücks war zu ihren Gunsten eine sogenannte Grunddienstbarkeit eingetragen. Diese sicherte ihr einen handfesten Vorteil: Ein fünf Meter breiter Streifen auf dem Nachbargrundstück durfte nicht bebaut werden. Dieses Bebauungsverbot stammte aus dem Jahr 1967.
Mehr als 50 Jahre später wechselten die Nachbarn. Die neuen Eigentümer erhielten 2022 eine Baugenehmigung für ein Mehrfamilienhaus. Sie bebauten das Grundstück – und auch den eigentlich geschützten Grenzstreifen. Dort entstanden Terrassen, Stellplätze für Autos und Fahrräder, Mülltonnenboxen und eine Treppe. Die Nachbarin sah ihr im Grundbuch verankertes Recht verletzt. Sie zog vor Gericht und verlangte auf Grundlage ihres Beseitigungsanspruchs aus § 1004 Abs. 1 BGB den vollständigen Rückbau. Die neuen Eigentümer wehrten sich. Sie forderten im Gegenzug mit einer Widerklage, das veraltete Bauverbot endgültig aus dem Grundbuch zu löschen.
Warum war das alte Bauverbot plötzlich wertlos?
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main bestätigte die Sicht der bauenden Nachbarn. Es erklärte das eingetragene Bauverbot für erloschen. Der entscheidende Grund lag tief in der Vergangenheit verborgen – im ursprünglichen Zweck der Eintragung.
Ein Recht wie eine Grunddienstbarkeit muss laut Gesetz dem begünstigten Grundstück einen Vorteil bieten (§ 1019 BGB). Fällt dieser Vorteil dauerhaft und objektiv weg, erlischt das Recht automatisch. Genau das war hier geschehen. Die Richter rollten die Geschichte des Bauverbots auf. Es war 1967 nicht aus einer reinen Laune der damaligen Nachbarn entstanden. Es war die Bedingung der Baubehörde, um ein bestimmtes Bauvorhaben zu genehmigen, das von den Vorgaben des damals gültigen Bebauungsplans abwich. Das Bauverbot diente also ausschließlich dazu, öffentlich-rechtliche Abstandsvorschriften zu sichern. Sein Zweck war an diesen spezifischen Bebauungsplan gekoppelt.
Dieser Bebauungsplan wurde Jahre später aufgehoben. Damit fiel die rechtliche Grundlage weg, für die das Bauverbot einst geschaffen wurde. Der Vorteil für das Grundstück der Klägerin – die Sicherung eines öffentlich-rechtlich motivierten Abstands – existierte nicht mehr. Das Gericht stellte fest: Der Zweck der Grunddienstbarkeit war endgültig entfallen. Das Recht war damit von selbst erloschen, lange bevor die neuen Nachbarn zu bauen begannen. Es war nur noch eine leere Hülle im Grundbuch. Die Bauaufsichtsbehörde selbst hatte diesem Gedanken bereits zugestimmt und 2021 grünes Licht für eine Löschung gegeben. Das zementierte die Einschätzung des Gerichts.
Spielte die alte Garage aus dem Jahr 1969 keine Rolle?
Die Klägerin hatte ein weiteres Argument im Köcher. Auf dem verbotenen Streifen hatten die Rechtsvorgänger der Beklagten bereits 1969 eine Garage errichtet. Diese stand dort über Jahrzehnte – bis sie 2021 abgerissen wurde. Die Klägerin argumentierte, selbst wenn der Anspruch auf Beseitigung der Garage verjährt war, so hätte dies nach neuerer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur zu einem teilweisen Erlöschen des Bauverbots geführt. Konkret wäre nur der Teil des Rechts erloschen, der durch die Garage blockiert war. Der Rest des Streifens müsse frei bleiben.
Das Gericht stimmte dieser juristischen Überlegung im Grundsatz zu. Die Verjährung eines Beseitigungsanspruchs kann tatsächlich dazu führen, dass eine Grunddienstbarkeit teilweise erlischt (§ 1028 Abs. 1 Satz 2 BGB). Der Berechtigte kann dann eine Bebauung im Ausmaß des alten, verjährten Baus nicht mehr verhindern.
Dieser Punkt durchkreuzte die Pläne der Klägerin aber nicht, er half ihr nur nicht. Das Argument der Verjährung war für die finale Entscheidung schlicht irrelevant. Der Grund für das Scheitern ihrer Klage war fundamentaler. Das Gericht stützte sein Urteil nicht auf die teilweise Verjährung durch die alte Garage. Es stützte die Entscheidung auf den vollständigen Wegfall des Vorteils der Grunddienstbarkeit. Da der ursprüngliche Zweck – die Sicherung des alten Bebauungsplans – komplett verschwunden war, war das gesamte Recht erloschen. Nicht nur ein Teil davon.
Was bedeutet die Entscheidung für das Grundbuch?
Mit dem Erlöschen der Grunddienstbarkeit war der Grundbucheintrag falsch geworden. Das Grundbuch spiegelte nicht mehr die wahre Rechtslage wider. In einem solchen Fall gibt das Gesetz dem Eigentümer des betroffenen Grundstücks einen Anspruch auf Berichtigung (§ 894 BGB).
Die beklagten Nachbarn hatten also Recht mit ihrer Widerklage. Das Gericht verurteilte die Klägerin dazu, der Löschung des Bauverbots im Grundbuch zuzustimmen. Die Klägerin muss nicht nur die neue Bebauung dulden, sie muss auch aktiv daran mitwirken, dass der juristische Zombie aus dem Grundbuch verschwindet. Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden ihr ebenfalls auferlegt.
Die Urteilslogik
Ein im Grundbuch verankertes Recht verliert seine Bindungskraft, wenn der ursprüngliche Sicherungszweck dauerhaft entfällt.
- Der Zweck bestimmt den Fortbestand: Eine Grunddienstbarkeit erlischt automatisch und vollständig, sobald der ursprüngliche Vorteil für das berechtigte Grundstück objektiv und dauerhaft entfällt.
- Ablösung durch neues Planungsrecht: Dient ein privates Bauverbot lediglich der Sicherung öffentlich-rechtlicher Vorgaben, verliert es seine Gültigkeit und seinen Inhalt, wenn der zugrundeliegende Bebauungsplan aufgehoben oder grundlegend geändert wird.
- Berichtigung erzwingen: Spiegelt das Grundbuch aufgrund des materiellen Erlöschens eines Rechts nicht mehr die wahre Rechtslage wider, muss der belastete Eigentümer die Zustimmung zur Löschung des falschen Eintrags verlangen.
Juristische Formalien im Grundbuch können die tatsächliche materielle Rechtslage nicht ersetzen, wenn die Grundlage der Rechte wegfällt.
Experten Kommentar
Viele verlassen sich darauf: Was einmal im Grundbuch steht, ist in Stein gemeißelt. Dieses Urteil erinnert Eigentümer aber daran, dass ein altes Bauverbot seine juristische Lebenskraft verliert, wenn der ursprüngliche, objektive Sicherungszweck entfällt – hier die Einhaltung eines längst aufgehobenen Bebauungsplans. Für Eigentümer bedeutet das: Wer ein altes, einschränkendes Recht loswerden will, muss tief in die Baugeschichte des Gebiets eintauchen und den Wegfall des Vorteils beweisen. Ist das Recht einmal erloschen, muss der Begünstigte sogar aktiv an der Grundbuchberichtigung mitwirken, denn der juristische Zombie muss konsequent aus den Akten verschwinden.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wann erlischt meine im Grundbuch eingetragene Grunddienstbarkeit automatisch?
Obwohl eine Grunddienstbarkeit physisch im Grundbuch eingetragen ist, kann sie rechtlich erlöschen, wenn ihr ursprünglicher Zweck dauerhaft wegfällt. Das Bürgerliche Gesetzbuch regelt in § 1019 BGB, dass ein solches Recht von Gesetzes wegen automatisch ungültig wird. Entscheidend ist der objektive Vorteil, den die Dienstbarkeit dem berechtigten Grundstück einst verschaffen sollte. Die Löschung des Eintrags im Grundbuch ist in diesem Fall nur noch eine formelle Berichtigung.
Ein Recht verliert seine Gültigkeit, sobald der ursprüngliche, objektiver Vorteil für das begünstigte Grundstück unwiderruflich entfällt. Die Dienstbarkeit wurde meist geschaffen, um den Wert oder die Nutzbarkeit des Grundstücks zu sichern, beispielsweise durch die Einhaltung von Abstandsflächen. War das Bauverbot an einen damals gültigen Bebauungsplan gekoppelt, der später aufgehoben wurde, entfällt die juristische Grundlage. Der Zweck der Dienstbarkeit ist damit nicht mehr gegeben, da die zugrundeliegende öffentlich-rechtliche Pflicht weggefallen ist.
Der Eintrag im Grundbuch wird dadurch zur sogenannten „leeren Hülle“ und spiegelt die wahre Rechtslage nicht mehr wider. Die physische Existenz des Eintrags schützt Sie dann nicht mehr vor modernen Bauvorhaben des Nachbarn. Konkret urteilte das OLG Frankfurt in einem Fall, dass das Recht erloschen war, weil es ausschließlich der Sicherung alter öffentlich-rechtlicher Abstandsvorschriften diente, die längst außer Kraft gesetzt waren.
Prüfen Sie sofort die historische Zwecksetzung der Grunddienstbarkeit: Wurde sie damals als zwingende Auflage einer Baubehörde eingetragen?
Wie kann ich ein veraltetes Bauverbot aus dem Grundbuch löschen lassen?
Wenn ein Bauverbot im Grundbuch seinen ursprünglichen Zweck verloren hat, können Sie als belasteter Eigentümer dessen Löschung aktiv durchsetzen. Der juristisch sicherste Weg ist der Berichtigungsanspruch nach § 894 BGB. Zuerst müssen Sie gerichtsfest beweisen, dass der Vorteil für das begünstigte Nachbargrundstück objektiv und dauerhaft weggefallen ist. Dies gibt Ihnen das Recht, die Entfernung des Eintrags zu verlangen.
Beginnen Sie damit, die Beweise für den Wegfall der Zweckbindung zu sammeln. Hilfreich ist beispielsweise eine offizielle Bestätigung der Bauaufsichtsbehörde oder historische Bauakten über die Aufhebung alter Bebauungspläne, die dem Bauverbot ursprünglich zugrunde lagen. Haben Sie diese Dokumente gesichert, fordern Sie den Berechtigten (Ihren Nachbarn) schriftlich und gerichtsfest zur Zustimmung zur Löschung auf. Dokumentieren Sie diesen Schritt sorgfältig für ein mögliches Gerichtsverfahren.
Verweigert Ihr Nachbar die Zustimmung, müssen Sie den Berichtigungsanspruch gerichtlich geltend machen. Sie klagen dann auf Verurteilung zur Abgabe dieser Zustimmungserklärung. Wichtig: Bauen Sie nicht einfach ohne diese juristische Klärung. Andernfalls setzen Sie sich der Gefahr einer teuren Klage auf Beseitigung (§ 1004 BGB) aus. Reicht der Nachbar eine Rückbauklage ein, sollten Sie unbedingt mit einer Widerklage reagieren, um das Recht endgültig für erloschen zu erklären.
Beauftragen Sie sofort einen Spezialisten, der prüft, ob die Bauaufsichtsbehörde bereits eine positive Stellungnahme zur Löschung des Eintrags abgegeben hat.
Muss ich der Löschung der Grunddienstbarkeit zustimmen und wie läuft die Berichtigung ab?
Wenn der ursprüngliche Zweck Ihrer Grunddienstbarkeit objektiv und dauerhaft entfallen ist, sind Sie zur aktiven Zustimmung der Löschung verpflichtet. Diese Mitwirkungspflicht ergibt sich aus dem Anspruch Ihres Nachbarn auf Grundbuchberichtigung. Verweigern Sie diesen Schritt, obwohl die wahre Rechtslage eindeutig ist, wird die Löschung durch eine gerichtliche Klage erzwungen. Der juristische Prozess der Berichtigung läuft nur dann schnell ab, wenn Sie kooperieren.
Die Notwendigkeit Ihrer aktiven Zustimmung beruht auf dem Berichtigungsanspruch des Eigentümers des belasteten Grundstücks, der in § 894 BGB festgelegt ist. Sobald das Recht – wie etwa ein altes Bauverbot – automatisch erlischt, weil der ursprüngliche Vorteil wegfällt, ist das Grundbuch formal unrichtig geworden. Sie müssen in diesem Fall aktiv mitwirken, um die wahre Rechtslage wiederherzustellen und zu bestätigen, dass das Recht nicht mehr besteht. Die Zustimmungserklärung muss notariell beurkundet werden, damit das Grundbuchamt die Berichtigung vornehmen kann.
Weigern Sie sich, dem Nachbarn die Zustimmung zu erteilen, wird er Sie auf diese Erklärung verklagen. Eine gerichtliche Verurteilung macht Ihre Zustimmung zwar juristisch entbehrlich und erlaubt dem Grundbuchamt die Löschung. Allerdings verlieren Sie in diesem Fall zusätzlich die Kosten des gesamten Gerichtsverfahrens. Ein Beispiel: Das OLG Frankfurt verurteilte die Klägerin nach Verlust des Verfahrens, der Löschung zuzustimmen und die teuren Verfahrenskosten zu tragen.
Lassen Sie die Urteilsgründe oder die Beweislage sorgfältig prüfen: Ist die Feststellung des Wegfalls des Zwecks objektiv richtig, handeln Sie schnell und erklären Sie die Zustimmung zur Löschung, um unnötige Gerichtskosten zu vermeiden.
Was tun, wenn mein Nachbar auf Rückbau klagt, obwohl der Zweck des Bauverbots entfallen ist?
Wenn Ihr Nachbar den Abriss (Rückbau) Ihrer Neubauten fordert, müssen Sie strategisch reagieren, statt nur in die Verteidigung zu gehen. Reichen Sie gegen die Beseitigungsklage (§ 1004 BGB) unbedingt eine Widerklage ein. Diese zielt darauf ab, das vollständige Erlöschen der Grunddienstbarkeit gerichtlich festzustellen.
Konkret muss die Widerklage beweisen, dass der ursprüngliche Zweck des Bauverbots dauerhaft weggefallen ist. Dies ist oft der Fall, wenn das Recht nur dazu diente, alte öffentlich-rechtliche Abstandsvorschriften zu sichern. Das entscheidende Argument ist hierbei, dass die juristische Grundlage (etwa ein alter Bebauungsplan) aufgehoben wurde. Der Fokus auf den kompletten Wegfall des ursprünglichen Vorteils ist juristisch stärker, als sich nur auf die mögliche Verjährung einzelner alter Bebauungsteile zu stützen.
Legen Sie dem Gericht dar, dass die Baubehörde Ihrem Bauvorhaben bereits zugestimmt hat, beispielsweise durch eine moderne Baugenehmigung. Die Baubehörde hat mit ihrer Zustimmung implizit den Wegfall des alten, öffentlich-rechtlich motivierten Bauverbots anerkannt. Fordern Sie zudem im Rahmen der Widerklage die Verurteilung des Nachbarn zur Zustimmung der Löschung aus dem Grundbuch (§ 894 BGB).
Durch die Feststellung des Erlöschens entziehen Sie dem Rückbauanspruch des Nachbarn die gesamte Rechtsgrundlage und beenden den Streit damit endgültig.
Wann gilt der ursprüngliche Zweck einer Grunddienstbarkeit als dauerhaft weggefallen?
Der ursprüngliche Zweck einer Grunddienstbarkeit gilt als dauerhaft weggefallen, wenn der objektive Vorteil für das begünstigte Grundstück unumkehrbar entfällt. Entscheidend ist hierfür, dass die zugesagte Nutzungsmöglichkeit oder Absicherung für den Berechtigten keinen objektiven Mehrwert mehr bietet. Dies liegt vor, wenn die ursprüngliche Motivation für das Recht durch eine Änderung der Rechtslage oder der Verhältnisse hinfällig wird.
Die Regel, dass ein Recht von Gesetzes wegen erlischt, sobald sein Sinn entfällt, ist in § 1019 des Bürgerlichen Gesetzbuches verankert. Subjektive Gründe des Berechtigten, wie der fehlende Wunsch zur Nutzung, reichen dafür nicht aus. Gerichte müssen feststellen, dass der ursprüngliche Vorteil objektiv nicht mehr erreichbar oder notwendig ist. Die Richter müssen deshalb zwingend auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Eintragung zurückblicken, um den genauen „Geburtszweck“ des Rechts zu verstehen.
Ein klarer Indikator für den Wegfall ist die Koppelung der Grunddienstbarkeit an öffentlich-rechtliche Vorgaben. Konkret: Ein Bauverbot wurde einst in das Grundbuch eingetragen, weil es eine zwingende Bedingung der Baubehörde zur Sicherung alter Abstandsflächen war. Wurde der spezifische Bebauungsplan, der diese Abstände regelte, Jahre später von der Gemeinde aufgehoben, entfällt die öffentlich-rechtliche Zweckbindung der Dienstbarkeit. Sie wird dann zur leeren Hülle im Grundbuch, da die Absicherung nicht mehr notwendig ist.
Prüfen Sie zwingend die historischen Bauakten und Genehmigungen, um nachzuweisen, dass die Dienstbarkeit eine zwingende Auflage der Baubehörde war.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Beseitigungsanspruch
Der Beseitigungsanspruch ist das mächtigste Werkzeug des Eigentümers (§ 1004 BGB), um Störungen, die von einem Nachbargrundstück ausgehen, wie beispielsweise unrechtmäßige Bebauungen oder Lärm, gerichtlich zu beenden. Dieses Recht schützt das Eigentum in seiner Substanz und ermöglicht es dem Berechtigten, den Zustand wiederherzustellen, der vor der Störung herrschte.
Beispiel: Aufgrund ihrer im Grundbuch verankerten Grunddienstbarkeit verlangte die Klägerin auf Grundlage ihres Beseitigungsanspruchs den vollständigen Rückbau der auf dem geschützten Streifen errichteten Terrassen und Stellplätze.
Berichtigungsanspruch
Ein Berichtigungsanspruch nach § 894 BGB gibt dem Eigentümer das Recht, vomjenigen, dessen Recht unrichtig im Grundbuch eingetragen ist, die formelle Zustimmung zur Löschung dieses Eintrags zu verlangen. Das Gesetz verfolgt damit das Ziel, dass das Grundbuch stets die wahre und aktuelle Rechtslage widerspiegelt, da es als öffentliches Register höchste Beweiskraft besitzt.
Beispiel: Weil das Bauverbot durch den Wegfall des Zwecks automatisch erloschen war, hatten die bauenden Nachbarn einen Berichtigungsanspruch gegen die Klägerin, um den falschen Eintrag endgültig aus dem Grundbuch entfernen zu lassen.
Grunddienstbarkeit
Juristen nennen eine Grunddienstbarkeit ein dingliches Recht, das auf einem belasteten Grundstück eingetragen wird, um dem Eigentümer eines anderen, begünstigten Grundstücks einen konkreten Vorteil zu verschaffen (zum Beispiel ein Gehrecht oder ein Bauverbot). Dieses Recht ist fest mit dem jeweiligen Grundstück verbunden, nicht mit dem Eigentümer, und sichert dessen Nutzung oder Wertsteigerung dauerhaft gegenüber wechselnden Nachbarn ab.
Beispiel: Im vorliegenden Fall sicherte die Grunddienstbarkeit der Klägerin einen fünf Meter breiten Grenzstreifen, der laut Grundbucheintrag nicht bebaut werden durfte, um öffentlich-rechtliche Abstände zu gewährleisten.
Objektiver Vorteil
Der Objektive Vorteil ist die zwingende Voraussetzung für die Existenz einer Grunddienstbarkeit nach § 1019 BGB, denn dieses Recht muss dem berechtigten Grundstück einen tatsächlichen und nachweisbaren Nutzen bieten. Das Gesetz verhindert damit die Eintragung von Rechten, die lediglich auf subjektiven Befindlichkeiten oder Launen der Nachbarn beruhen, und stellt sicher, dass nur zweckdienliche Lasten bestehen.
Beispiel: Das Oberlandesgericht Frankfurt prüfte, ob der ursprüngliche Zweck des Bauverbots – die Sicherung des alten Bebauungsplans – noch einen Objektiven Vorteil für das Grundstück der Klägerin darstellte, was es in der Urteilsbegründung verneinte.
Widerklage
Eine Widerklage ist ein eigenständiger, von den Beklagten erhobener Gegenangriff innerhalb desselben Prozesses, der ein eigenes, dem ursprünglichen Klageziel entgegengesetztes Recht verfolgt. Dieses prozessuale Werkzeug ermöglicht es den Parteien, eine Angelegenheit umfassend und endgültig in einem einzigen Verfahren klären zu lassen, was die Justiz entlastet und Rechtssicherheit schafft.
Beispiel: Die neuen Eigentümer reichten eine Widerklage ein, in der sie die Feststellung des vollständigen Erlöschens der Grunddienstbarkeit und die Zustimmung zur Löschung des Eintrags im Grundbuch verlangten.
Zweckwegfall
Der Zweckwegfall beschreibt den juristischen Zustand, bei dem der ursprüngliche Sinn und die objektive Notwendigkeit eines eingetragenen Rechts (wie einer Grunddienstbarkeit) dauerhaft und unwiderruflich entfallen sind. Sobald der ursprüngliche Grund für die Existenz des Rechts entfällt, erlischt das Recht automatisch von Gesetzes wegen (§ 1019 BGB), um das Grundbuch von juristischen „Zombies“ zu befreien und die Belastung des Grundstücks zu beenden.
Beispiel: Die Richter erklärten das Bauverbot für erloschen, da der Zweckwegfall eingetreten war, weil die ursprüngliche Bindung an den spezifischen Bebauungsplan durch dessen Aufhebung wegfiel.
Das vorliegende Urteil
OLG Frankfurt – Az.: 8 U 213/23 – Urteil vom 10.12.2024
* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.


