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Erklärung über Gemeinschaftsverhältnis im Rahmen einer Zwangshypothekseintragung

OLG Frankfurt – Az.: 20 W 74/22 – Beschluss vom 26.04.2022

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Antrag vom 14.02.2022 nicht aus den Gründen des angefochtenen Beschlusses zurückzuweisen.

Gründe

I.

Im Grundbuch ist A (im Folgenden: Schuldner) als Eigentümer des Grundstücks Straße1 in Stadt1 eingetragen.

Die Beteiligten erwirkten am 13.12.2019 gegen den Schuldner einen Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hünfeld (Az. …; Bl. 126 d.A.) über 4.735,83 € Hauptforderung zuzüglich 411,15 € Verfahrenskosten, Nebenforderungen von insgesamt 376,34 €, ausgerechneten Zinsen von 248,77 € und laufenden Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 4.735,83 € ab 21.11.2019 und aus 10 € ab 12.08.2018. Die Beteiligten sind in dem Vollstreckungsbescheid ohne weitere Angabe ihres Verhältnisses zueinander als Antragsteller zu 1 und zu 2 angegeben. Als Prozessbevollmächtigte sind „Rechtsanwälte B und C“ in Stadt2 aufgeführt. Als Gegenstand der Hauptforderung wird „Ärztliche oder Zahnärztliche Leistung gem. Rechnung Re.-Nr.: … vom 12.07.18“ mitgeteilt. Der Vollstreckungsbescheid wurde dem Schuldner am 18.12.2019 zugestellt.

Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 14.02.2022 haben die Beteiligten beantragt, auf dem genannten Grundstück eine Zwangssicherungshypothek wegen einer Forderung von 6.231,46 € „einschließlich kapitalisierter Zinsen“ einzutragen (Bl. 121 ff. d.A.). Hierzu haben sie eine Forderungsaufstellung vorgelegt. Zu dem Gemeinschaftsverhältnis der Beteiligten wird in dem Antrag nichts mitgeteilt. Der originale Vollstreckungsbescheid soll vorgelegt worden sein.

Das Grundbuchamt hat mit Schreiben vom 17.02.2022 (Bl. 125 d.A.) darauf hingewiesen, dass die Gläubigerbezeichnung in dem Vollstreckungstitel den Anforderungen des § 750 Abs. 1 ZPO nicht genüge. Stehe ein Anspruch mehreren Gläubigern zu, müssten diese unter Angabe ihres Beteiligungsverhältnisses aufgeführt sein. Den Originaltitel hat das Grundbuchamt ausweislich der entsprechenden Verfügung zurückgesandt. In der Akte befinden sich nur noch unbeglaubigte Kopien.

Mit Beschluss vom 21.03.2022 (Bl. 134 d.A.) hat das Grundbuchamt den Antrag zurückgewiesen, da die Gläubigerbezeichnung den Anforderungen des § 750 Abs. 1 ZPO nicht genüge. Auch in den sonstigen Unterlagen werde das Gemeinschaftsverhältnis der Beteiligten nicht angegeben (§ 47 GBO).

Die Beteiligten haben mit anwaltlichem Schriftsatz vom 04.04.2022 (Bl. 140 ff. d.A.) Beschwerde eingelegt und weiter verlangt, die „beantragte Zwangssicherungshypothek“ einzutragen. Außerdem haben sie beantragt, das Grundbuchamt gemäß § 76 GBO anzuweisen, ihre „Rechte […] aus dem zurückgewiesenen Antrag“ durch Eintragung einer Vormerkung zu sichern. Zwar müsse ein Vollstreckungsbescheid, um ein für das Grundbuchverfahren tauglicher Titel zu sein, das Gemeinschaftsverhältnis mehrerer Gläubiger hinreichend bestimmt bezeichnen. Fehlten die erforderlichen Angaben im Titel, bestehe kein Eintragungshindernis, wenn sich das Gemeinschaftsverhältnis durch Auslegung unzweideutig ermitteln lasse. Werde der Titel von mehreren Gläubigern mithilfe eines gemeinsamen Rechtsanwalts gleichzeitig erwirkt und weise dieser nur einen einheitlichen Betrag aus, ohne nach unterschiedlichen Beteiligungen zu differenzieren, so sei dieser für das Vollstreckungsorgan so auszulegen, dass die Forderung in Gesamtgläubigerschaft geltend gemacht sei (Verweis auf BGH Rpfleger 1985, 321). Danach könne der vorliegende Vollstreckungsbescheid nur so verstanden werden, dass es sich um eine Gesamtgläubigerschaft handele.

Mit Beschluss vom 19.04.2022 hat das Grundbuchamt der Beschwerde nicht abgeholfen (Bl. 199 ff. d.A.). Der vorgelegte Vollstreckungsbescheid lasse sich auch unter Berücksichtigung des mit der Beschwerde Vorgetragenen nicht zweifelsfrei dahingehend auslegen, dass es sich bei den Beteiligten um Gesamtgläubiger gemäß § 428 BGB handele. Es sei fraglich, ob die zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs auf den vorliegenden Fall übertragbar sei, nachdem die Beteiligten durch zwei Rechtsanwälte vertreten worden seien. Darüber hinaus gehe die neuere Meinung bei der gegenständlichen Fallkonstellation von einer Berechtigung nach Kopfteilen aus (Verweis auf BGH NJWRR 2003, 1217). Der Vollständigkeit halber werde darauf hingewiesen, dass die teilweise vertretene Auffassung, die Angabe des Gemeinschaftsverhältnisses könne allein durch die Gläubigerseite außerhalb des Vollstreckungstitels erfolgen, nicht geteilt werde.

II.

Die Beschwerde hat insoweit Erfolg, als der angefochtene Beschluss mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben kann. Eine Eintragung kann jedoch derzeit nicht erfolgen. Über den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nicht mehr zu entscheiden.

1. Die Beschwerde ist gemäß § 71 Abs. 1 GBO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Die Grundbuchbeschwerde – und nicht die Erinnerung nach § 766 ZPO oder die sofortige Beschwerde nach § 793 ZPO – ist auch dann das statthafte Rechtsmittel, wenn, wie hier, das Grundbuchamt im Rahmen der Zwangsvollstreckung tätig geworden ist (OLG Stuttgart Rpfleger 2020, 138, 139; OLG Düsseldorf NJWRR 2020, 1093, 1094; allg.Ans.).

2. Das Grundbuchamt durfte den Antrag auf Eintragung der Zwangshypothek nicht mit der gegebenen Begründung zurückweisen. Fehlt in einem Vollstreckungstitel die Angabe des Gemeinschaftsverhältnisses der Gläubiger und ist dieses auch nicht durch Auslegung zu ermitteln, können die Gläubiger nachträglich eine Erklärung über das Gemeinschaftsverhältnis in der Form des § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO abgeben.

Gemäß § 47 Abs. 1 GBO sollen bei der Eintragung eines Rechts, das für mehrere gemeinschaftlich eingetragen werden soll, entweder die Anteile der Berechtigten in Bruchteilen angegeben werden oder das für die Gemeinschaft maßgebende Rechtsverhältnis bezeichnet werden.

a) Bei der Eintragung einer Zwangshypothek kann sich das maßgebende Gemeinschaftsverhältnis aus dem Vollstreckungstitel ergeben, notfalls durch Auslegung.

Im vorliegenden Fall weist der Vollstreckungsbescheid ein Gemeinschaftsverhältnis nicht ausdrücklich aus. Ein Gemeinschaftsverhältnis kann hier auch nicht durch Auslegung ermittelt werden. Der Vollstreckungsbescheid enthält weder Tatbestand noch Entscheidungsgründe, die als Grundlage einer Auslegung dienen könnten. Die von den Beteiligten zur Stützung ihrer Auffassung, aus dem Titel ergebe sich ihre Stellung als Gesamtgläubiger (§ 428 BGB), herangezogene Entscheidung BGH Rpfleger 1985, 321 betrifft nach ihrem Inhalt eindeutig nur Kostenfestsetzungsbeschlüsse (vgl. in diesem Sinn auch BGH NJW 2011, 3165 Rn. 10), um einen solchen geht es hier aber nicht.

b) Enthält der Vollstreckungstitel keine ausdrückliche Angabe des Gemeinschaftsverhältnisses und ist dieses auch nicht durch Auslegung zu ermitteln, so kann das Gemeinschaftsverhältnis im Grundbuch auch auf der Grundlage einer nachträglichen bloßen Erklärung der Berechtigten eingetragen werden (OLG Köln Rpfleger 1986, 91; Senat OLGZ 1989, 6, 8; KG FGPrax 2018, 50, 51; Flockenhaus, in: Musielak/Voit, ZPO, 19. Aufl. 2022, § 867 Rn. 6; Schneider MDR 1986, 817, 818; Schuschke/Göbel, in: Schuschke/Walker/Kessen/Thole, Vollstreckung, 7. Aufl. 2020, § 867 ZPO Rn. 7; Seibel, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 867 Rn. 3). Die durch das Grundbuchamt ohne Begründung vertretene gegenteilige Auffassung (ablehnend auch LG Essen Rpfleger 2001, 543; Demharter, GBO, 32. Aufl. 2021, § 47 Rn. 14; Dörndorfer, in: Münchener Kommentar ZPO, 6. Aufl. 2020, § 867 Rn. 23) trifft nicht zu.

Grund hierfür ist, dass das Innenverhältnis der Gläubiger für den Schuldner belanglos und von ihm auch nicht zu beeinflussen ist, so dass er durch die nachträgliche Bestimmung in seinen Rechten nicht berührt wird. Dass sich der Schuldner ergänzende Bestimmungen des oder der Gläubiger gefallen lassen muss, zeigt auch die Regelung des § 867 Abs. 2 ZPO (vgl. OLG Köln aaO.; Senat aaO.; KG aaO.).

3. Die begehrte Eintragung kann derzeit aus verschiedenen, nachstehend zu erläuternden Gründen nicht erfolgen. Da der Antrag der Beteiligten aber nachgebessert werden kann, sieht der Senat von einer Zurückweisung des Antrags im gegenwärtigen Zeitpunkt ab. Zur Beschleunigung des Verfahrens bleibt die weitere Bearbeitung dem Grundbuchamt überlassen.

a) Der Senat kann schon deshalb nicht selbst entscheiden, weil sich der Vollstreckungstitel nicht mehr bei der Akte befindet, sondern nur unbeglaubigte Kopien. Er kann deshalb die Ordnungsmäßigkeit des Titels nicht prüfen.

b) Es fehlt, wie oben ausgeführt, an der Bestimmung des Gemeinschaftsverhältnisses der Beteiligten. Ob in der von den Beteiligten geäußerten Ansicht, der Vollstreckungsbescheid sei so auszulegen, dass es sich um eine Gesamtgläubigerschaft handele, zugleich eine nachträgliche Erklärung der Gläubiger im oben ausgeführten Sinn liegt, kann dahinstehen. Eine solche Erklärung bedarf der Form des § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO, die hier nicht eingehalten ist.

Wie der Senat bereits entschieden hat (Beschluss v. 03.07.2014 – 20 W 189/14, unv.), gilt auch für die Gläubigererklärung als Eintragungsgrundlage die Formvorschrift des § 29 Abs. 1 Satz 1 GBO entsprechend, weil es sich bei der Einhaltung des § 47 Abs. 1 GBO um eine grundbuchrechtliche Voraussetzung der Eintragung der Zwangshypothek handelt, die durch den Vollstreckungstitel nicht ersetzt wird (so im Ergebnis auch Morvilius FPR 2013, 382, 385; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 2181; Stöber, ZVG, 22. Aufl. 2019, Einl Rz 297; tendenziell auch Reetz, in: BeckOK GBO, 45.Edit., Std. 01.03.2022, § 47 Rn. 65a). Hieran hält der Senat nach nochmaliger Prüfung fest.

Die Gegenmeinung, die eine formlose Erklärung für ausreichend hält, verweist darauf, dass es sich nur um eine Konkretisierung des Antrags handele, ebenso wie bei § 867 Abs. 2 ZPO, weiter darauf, dass der Inhalt der Erklärung für den Schuldner belanglos sei und schließlich auf „praktische Bedürfnisse“, da die Notwendigkeit der Einhaltung der Form das Verfahren verzögere (vgl. OLG Köln aaO.; KG aaO.; Flockenhaus aaO.; Schuschke/Göbel aaO.; Seibel aaO.; Wilsch, in: BeckOK GBO aaO., SB Zwangssicherungshypothek Rn. 137). Der Verweis auf § 867 Abs. 2 ZPO, wonach die Verteilung der Forderung auf mehrere Grundstücke des Schuldners durch schlichte Erklärung des Gläubigers erfolgt, geht jedoch fehl, weil dies durch gesetzliche Vorschrift geregelt ist, während für die Angabe des Beteiligungsverhältnisses eine derartige Norm fehlt. Eine nennenswerte Verzögerung des Verfahrens tritt durch die Beurkundung der Erklärung nicht ein. Im Übrigen liegt es in der Hand der Gläubiger, von vornherein auf einen zur Eintragung einer Zwangshypothek geeigneten Titel hinzuwirken. Versäumen sie dies, wie im vorliegenden Fall, müssen sie die Konsequenzen einer etwaigen Verzögerung hinnehmen.

c) Die Zwangshypothek kann auch nicht über einen Betrag von 6.231,46 € einschließlich kapitalisierter Zinsen eingetragen werden. Bei der Eintragung einer Zwangshypothek können Zinsen, die in dem Vollstreckungstitel als Nebenforderungen ausgewiesen sind, nicht in kapitalisierter Form der Hauptforderung hinzugerechnet und als Betrag der Hypothek eingetragen werden. Dies widerspräche dem im Grundbuchverfahren zu beachtenden Prinzip der Klarheit und Übersichtlichkeit, weil dann aus der Eintragung nicht mehr ersichtlich wäre, ob der Betrag der Hypothek allein eine Hauptforderung (das Hypothekenkapital) ausweist oder ob er auch Zinsen beinhaltet. Dies ist aber erforderlich, weil sowohl für die Voraussetzungen der Eintragung der Zwangshypothek als auch für das Zwangsversteigerungsverfahren von Bedeutung ist, ob und inwieweit wegen einer Hauptforderung oder einer Nebenforderung in Form von Zinsen vollstreckt wird (BGH WM 2022, 282 Rn. 13 ff.).

4. Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG entbehrlich. Es bedarf damit auch keiner Wertfestsetzung.

5. Die Rechtsbeschwerde ist nicht zuzulassen, weil die Beteiligten durch die vorliegende Entscheidung nicht beschwert sind.

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