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Erbscheinverfahren – Wertfestsetzung beim Eintritt des Nacherbfalls

Ein komplexer Erbfall mit Vor- und Nacherbschaft führt zu einer Neubewertung des Nachlasses durch das OLG Hamm. Das Gericht stellt klar: Beim Eintritt der Nacherbfolge scheidet der ursprüngliche Nachlass aus dem Vermögen des Vorerben aus. Die korrekte Berechnung des Nachlasswertes ist entscheidend für die Ausstellung neuer Erbscheine und die anfallenden Gebühren.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Das Urteil behandelt die Festsetzung des Geschäftswerts im Erbscheinsverfahren nach dem Tod eines Ehepaares und den daraus resultierenden Erbscheinen für die Kinder.
  • Der Kontext der Entscheidung bezieht sich auf die Anwendung eines Ehegattentestaments, das sowohl Vorerben als auch Nacherben benennt.
  • Es gab rechtliche Unsicherheiten bezüglich der Wertfestsetzung und der Erteilung von Erbscheinen nach dem Tod beider Ehepartner.
  • Das Gericht wies die Beschwerde gegen die Wertfestsetzung für den Erbschein nach dem Vater als unzulässig zurück und änderte die Festsetzung für den Erbschein nach der Mutter.
  • Die Entscheidung des Gerichts gründet auf der Prüfung der Wertfestsetzungen und der Relevanz der ursprünglichen Angaben über den Nachlasswert.
  • Die Auswirkungen des Urteils betreffen insbesondere die Klarheit der erbrechtlichen Ansprüche und die Zuständigkeit des Nachlassgerichts bei Wertfestsetzungen.
  • Der Beschluss wurde gerichtsgebührenfrei erlassen, wodurch die Beteiligten von zusätzlichen Kosten befreit wurden.
  • Es wurde festgelegt, dass der Wert des Nachlasses für die Erbscheine verbindlich ist und in der Folge die Vermögensverhältnisse der Erben beeinflusst.
  • Der Verkauf des Grundstücks in der Erbengemeinschaft führte zu einem änderten Geschäftswert, was die Praxis zur Anpassung von Erbscheinswerten an den tatsächlichen Verkaufswert unterstreicht.
  • Die Entscheidung fördert die Rechtssicherheit im Erbscheinverfahren und das Verständnis der Erben über ihre Ansprüche und Rechte bei Nachlassbewertungen.

Erbscheinverfahren im Nacherbfall: Herausforderungen und rechtliche Aspekte

Das Erbscheinverfahren ist ein zentraler Bestandteil des Erbrechts in Deutschland, das regelt, wie das Vermögen eines Verstorbenen unter den Erben verteilt wird. Ein Erbschein dient als offizielles Dokument, das die Berechtigung der Erben nachweist und es ihnen ermöglicht, auf den Nachlass zuzugreifen. Besonders komplex wird es, wenn es um den Nacherbfall geht, bei dem nach dem Tod des ersten Erben ein zweiter Erbe, der Nacherbe, die Erbschaft antritt. Hier stellen sich zahlreiche Fragen, vor allem hinsichtlich der Wertfestsetzung des Nachlasses und der Ansprüche, die sich nach dem Tod des Erblassers ergeben.

Die Wertfestsetzung im Rahmen des Erbscheinverfahrens ist entscheidend, um die Rechte und Pflichten aller beteiligten Erben fair und rechtskonform zu klären. Dies betrifft nicht nur die Höhe des Nachlasses, sondern auch die mögliche Einschränkung der Ansprüche des Nacherben gegenüber dem Vorerben. Um die damit verbundenen Herausforderungen besser verstehen zu können, ist es wichtig, die juristischen Rahmenbedingungen und die relevanten Aspekte dieser besonderen Erbschaftsform zu beleuchten. Im Folgenden wird ein spezifischer Fall betrachtet, der aufzeigt, wie das Erbscheinverfahren im Kontext des Nacherbfalls konkret angewendet wird.

Der Fall vor Gericht


Nacherbfolge im Fokus: OLG Hamm entscheidet über Wertfestsetzung in komplexem Erbfall

Das Oberlandesgericht Hamm befasste sich in einem Beschluss vom 25. Juni 2015 mit einem vielschichtigen Erbschaftsfall, der die rechtlichen Feinheiten der Nacherbfolge und die damit verbundenen Herausforderungen bei der Wertfestsetzung des Nachlasses beleuchtet. Im Zentrum des Verfahrens stand eine Familie, deren Eltern ein gemeinschaftliches Testament errichtet hatten, das den überlebenden Ehegatten zum Vorerben und die gemeinsamen Kinder zu Nacherben bestimmte.

Von der Vorerbschaft zur Nacherbfolge

Die Eheleute X hatten am 1. Dezember 1980 ein privatschriftliches Testament verfasst, in dem sie sich gegenseitig zu befreiten Vorerben und ihre sechs Kinder zu Nacherben einsetzten. Nach dem Tod des Ehemanns am 21. Februar 1981 trat zunächst seine Frau die Vorerbschaft an. Der Kernbestandteil des Nachlasses war ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück in Münster, das den Eheleuten zu gleichen Teilen gehört hatte. Mit dem Ableben der Ehefrau am 17. Dezember 2013 trat der Fall der Nacherbfolge ein, was eine Neubewertung des Nachlasses und die Ausstellung neuer Erbscheine erforderlich machte.

Komplexität der Wertfestsetzung

Die rechtliche Komplexität des Falls offenbarte sich in der Wertfestsetzung des Nachlasses. Das Nachlassgericht hatte zunächst den Geschäftswert für das Erbscheinsverfahren nach dem Vater auf 39.738,12 € und für das Verfahren nach der Mutter auf 334.472,20 € festgesetzt. Diese Festsetzungen wurden jedoch vom OLG Hamm korrigiert. Das Gericht stellte klar, dass mit dem Eintritt des Nacherbfalls der von dem Vater stammende Nachlass aus dem Vermögen der Vorerbin ausgeschieden war. Dies bedeutete, dass die Kinder in Bezug auf den Nachlass des Vaters nicht Rechtsnachfolger der Vorerbin, sondern direkt des Erblassers geworden waren.

Präzise Berechnung des Nachlasswerts

Das OLG Hamm legte dar, dass für die Wertfestsetzung der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls maßgeblich sei. Bei der Nacherbfolge ist jedoch nicht der ursprüngliche Erbfall, sondern der Zeitpunkt des Anfalls der Nacherbschaft entscheidend. Das Gericht berechnete den Nachlasswert neu, indem es den hälftigen Wert des Grundstücks (146.809 €), das Bankguthaben (41.572 €) und offene Forderungen (5.174 €) addierte und davon die Verbindlichkeiten (5.894 €) abzog. Der korrekte Nachlasswert wurde somit auf 187.661 € festgesetzt.

Rechtliche Implikationen und Gebührenfragen

Das OLG Hamm wies darauf hin, dass der ursprünglich 1981 ausgestellte Erbschein, der die Mutter als befreite Vorerbin auswies, mit ihrem Tod unrichtig geworden war und eingezogen werden musste. Die Ausstellung eines neuen Erbscheins, der die durch den Eintritt des Nacherbfalls veränderte Erbfolge nach dem Vater auswies, war notwendig und löste neue Gebühren aus. Diese Entscheidung unterstreicht die Bedeutung einer präzisen rechtlichen Einordnung und Wertermittlung in komplexen Erbfällen, insbesondere wenn es um die Nacherbfolge geht.

Der Fall verdeutlicht die Notwendigkeit einer sorgfältigen Betrachtung aller Umstände bei der Festsetzung von Nachlasswerten, insbesondere wenn Vor- und Nacherbschaft involviert sind. Er zeigt auch, wie wichtig es ist, dass Gerichte bei der Bewertung von Nachlässen die spezifischen rechtlichen Konstruktionen wie die Nacherbfolge berücksichtigen, um zu einer gerechten und rechtlich korrekten Bewertung zu gelangen.

Die Schlüsselerkenntnisse


Das OLG Hamm verdeutlicht in dieser Entscheidung die rechtlichen Besonderheiten der Nacherbfolge bei der Wertfestsetzung des Nachlasses. Zentral ist die Erkenntnis, dass bei Eintritt des Nacherbfalls der vom Erstverstorbenen stammende Nachlass aus dem Vermögen des Vorerben ausscheidet und die Nacherben direkt Rechtsnachfolger des Erstverstorbenen werden. Für die Wertermittlung ist der Zeitpunkt des Anfalls der Nacherbschaft maßgeblich, nicht der ursprüngliche Erbfall. Dies unterstreicht die Notwendigkeit einer präzisen rechtlichen Einordnung und sorgfältigen Wertermittlung in komplexen Erbfällen mit Vor- und Nacherbschaft.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie in einem Erbfall mit Vor- und Nacherbschaft involviert sind, hat dieses Urteil wichtige Auswirkungen für Sie. Es zeigt, dass bei Eintritt des Nacherbfalls – also wenn der Vorerbe stirbt – der Nachlass direkt vom ursprünglichen Erblasser auf Sie als Nacherben übergeht. Für die Berechnung des Nachlasswertes ist der Zeitpunkt dieses Übergangs entscheidend, nicht der ursprüngliche Todeszeitpunkt des Erblassers. Dies kann erhebliche Auswirkungen auf den Wert des Nachlasses und damit auf Ihre Erbschaft haben. Zudem müssen neue Erbscheine beantragt werden, was mit zusätzlichen Gebühren verbunden ist. Es ist daher ratsam, sich in solchen komplexen Erbfällen frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen, um Ihre Rechte zu wahren und finanzielle Überraschungen zu vermeiden.


FAQ – Häufige Fragen

In dieser FAQ-Rubrik finden Sie wichtige Informationen rund um das Thema Erbscheinverfahren und die Nacherbfolge. Wir beantworten häufige Fragen und geben Ihnen wertvolle Einblicke in die rechtlichen Aspekte, die mit diesen Prozessen verbunden sind. Unser Ziel ist es, Ihnen ein besseres Verständnis zu vermitteln und Sie durch die Komplexität des Erbrechtssystems zu navigieren.


Was bedeutet der Eintritt der Nacherbfolge und welche Konsequenzen hat er für die Erben?

Der Eintritt der Nacherbfolge, auch Nacherbfall genannt, bezeichnet den Zeitpunkt, an dem die Erbschaft vom Vorerben auf den Nacherben übergeht. Dies hat weitreichende Konsequenzen für beide Erben:

Zeitpunkt des Nacherbfalls

Der Nacherbfall tritt ein, wenn das vom Erblasser festgelegte Ereignis eintritt. Wenn Sie als Erblasser nichts anderes bestimmt haben, ist dies der Tod des Vorerben. Sie können aber auch andere Ereignisse festlegen, wie beispielsweise die Wiederheirat des Vorerben oder das Erreichen eines bestimmten Alters des Nacherben.

Konsequenzen für den Vorerben

Mit Eintritt des Nacherbfalls verliert der Vorerbe automatisch seine Stellung als Erbe. Stellen Sie sich vor, Sie sind Vorerbe: In diesem Moment endet Ihr Recht, über den Nachlass zu verfügen. Alle Beschränkungen, denen Sie als Vorerbe unterlagen, fallen weg. Sie müssen den Nachlass an den Nacherben herausgeben.

Konsequenzen für den Nacherben

Der Nacherbe wird mit Eintritt des Nacherbfalls zum vollwertigen Erben des ursprünglichen Erblassers. Wenn Sie Nacherbe sind, bedeutet dies, dass Sie ab diesem Zeitpunkt die volle Verfügungsgewalt über den Nachlass erhalten. Ihr bisher bestehendes Anwartschaftsrecht wandelt sich in volles Eigentum um.

Rechtliche Auswirkungen

Der Nacherbfall hat erhebliche rechtliche Auswirkungen:

  1. Eigentumsübergang: Das Eigentum am Nachlass geht automatisch auf den Nacherben über.
  2. Erbschein: Der Erbschein des Vorerben wird ungültig. Als Nacherbe können Sie einen neuen, unbeschränkten Erbschein beantragen.
  3. Grundbucheintragungen: Bei geerbten Immobilien muss das Grundbuch berichtigt werden. Der Nacherbenvermerk wird gelöscht und Sie als Nacherbe werden als neuer Eigentümer eingetragen.
  4. Haftung: Als Nacherbe haften Sie für Nachlassverbindlichkeiten, die der Vorerbe eingegangen ist, nur beschränkt.

Praktische Konsequenzen

In der Praxis bedeutet der Eintritt des Nacherbfalls oft eine komplexe Auseinandersetzung zwischen Vor- und Nacherben. Wenn Sie als Nacherbe Ihr Erbe antreten, müssen Sie möglicherweise:

  • Eine Bestandsaufnahme des Nachlasses vornehmen
  • Ansprüche gegen den Vorerben oder dessen Erben geltend machen, falls der Nachlass nicht ordnungsgemäß verwaltet wurde
  • Sich mit eventuellen Wertveränderungen des Nachlasses auseinandersetzen

Beachten Sie, dass der Eintritt der Nacherbfolge auch steuerliche Konsequenzen haben kann. Es empfiehlt sich daher, frühzeitig fachkundigen Rat einzuholen, um Ihre Rechte und Pflichten als Vor- oder Nacherbe vollständig zu verstehen und wahrzunehmen.

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Wie wird der Wert des Nachlasses beim Eintritt des Nacherbfalls ermittelt?

Beim Eintritt des Nacherbfalls wird der Wert des Nachlasses grundsätzlich zum Zeitpunkt des Nacherbfalls ermittelt. Dies ist in der Regel der Todeszeitpunkt des Vorerben. Der Nachlasswert umfasst alle Vermögenswerte, die zu diesem Zeitpunkt noch zum Nachlass gehören, abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten.

Bewertung der Nachlassgegenstände

Für die Bewertung der einzelnen Nachlassgegenstände gelten folgende Grundsätze:

  • Immobilien: Der Verkehrswert (Marktwert) zum Zeitpunkt des Nacherbfalls ist maßgeblich. Dieser kann durch ein Gutachten oder anhand von Vergleichswerten ermittelt werden.
  • Bargeld und Bankguthaben: Diese werden mit ihrem Nennwert angesetzt.
  • Wertpapiere: Bei börsennotierten Wertpapieren wird der Kurswert am Stichtag herangezogen.
  • Unternehmensbeteiligungen: Hier ist eine Unternehmensbewertung erforderlich, die den Wert zum Stichtag des Nacherbfalls ermittelt.
  • Hausrat und persönliche Gegenstände: Diese werden mit ihrem Verkehrswert angesetzt, sofern sie nicht von untergeordneter Bedeutung sind.

Berücksichtigung von Wertveränderungen

Wichtig ist, dass Wertveränderungen während der Vorerbschaft berücksichtigt werden. Wenn Sie als Nacherbe eingesetzt sind, sollten Sie beachten:

  • Wertsteigerungen kommen Ihnen als Nacherbe zugute.
  • Wertverluste müssen Sie hinnehmen, sofern sie nicht auf ein Verschulden des Vorerben zurückzuführen sind.

Abzug von Verbindlichkeiten

Vom ermittelten Bruttonachlasswert werden die Nachlassverbindlichkeiten abgezogen. Dazu gehören:

  • Noch offene Schulden des Erblassers
  • Beerdigungskosten
  • Kosten der Nachlassabwicklung

Beachten Sie, dass Verbindlichkeiten, die der Vorerbe während der Vorerbschaft eingegangen ist, grundsätzlich nicht abzugsfähig sind.

Besonderheiten bei der Erbschaftsteuer

Für die erbschaftsteuerliche Bewertung gelten teilweise besondere Regeln:

  • Der Nacherbe versteuert den Erwerb, als ob er ihn vom Vorerben erhalten hätte.
  • Maßgeblich sind die persönlichen Verhältnisse zwischen Nacherbe und Vorerbe (z.B. für Freibeträge und Steuersätze).
  • Der Nacherbe kann unter bestimmten Voraussetzungen beantragen, so besteuert zu werden, als hätte er direkt vom ursprünglichen Erblasser geerbt.

Wenn Sie als Nacherbe mit der Ermittlung des Nachlasswertes konfrontiert sind, ist es ratsam, sich fachkundige Unterstützung zu holen. Ein Fachanwalt für Erbrecht oder ein Steuerberater kann Ihnen helfen, den korrekten Wert zu ermitteln und mögliche steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten zu nutzen.

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Welche Rolle spielt ein Erbschein im Zusammenhang mit der Nacherbfolge?

Ein Erbschein hat bei der Nacherbfolge eine besondere Bedeutung, da er die komplexe Erbsituation dokumentiert und den Übergang des Erbes vom Vorerben auf den Nacherben rechtlich absichert.

Dokumentation der Erbfolge

Wenn Sie als Vorerbe eingesetzt sind, weist der Erbschein Sie zunächst als vorläufigen Erben aus. Er enthält dabei wichtige Informationen:

  • Ihre Stellung als Vorerbe
  • Die Identität des oder der Nacherben
  • Den Zeitpunkt oder das Ereignis, das die Nacherbfolge auslöst

Diese Angaben sind entscheidend, damit Sie als Vorerbe Ihre Rechte wahrnehmen und gleichzeitig die Interessen der Nacherben berücksichtigen können.

Änderung bei Eintritt des Nacherbfalls

Tritt der Nacherbfall ein – beispielsweise durch Ihren Tod als Vorerbe – muss ein neuer Erbschein beantragt werden. Dieser neue Erbschein dokumentiert dann:

  • Den Übergang des Erbes auf den oder die Nacherben
  • Die genauen Erbteile der Nacherben
  • Eventuelle Beschränkungen oder Auflagen

Wichtig für Sie zu wissen: Der neue Erbschein ist notwendig, damit die Nacherben ihre Rechte geltend machen und über das Erbe verfügen können.

Praktische Bedeutung

In der Praxis benötigen Sie den Erbschein, um sich gegenüber Banken, Behörden oder dem Grundbuchamt als berechtigter Erbe auszuweisen. Stellen Sie sich vor, Sie möchten als Vorerbe eine geerbte Immobilie verkaufen. In diesem Fall müssen Sie dem Käufer und dem Notar durch den Erbschein nachweisen, dass Sie zwar Erbe sind, aber möglicherweise Beschränkungen durch die Nacherbfolge unterliegen.

Wertfestsetzung und Nachlassermittlung

Bei der Beantragung des Erbscheins spielt auch die Wertfestsetzung des Nachlasses eine Rolle. Dies ist besonders relevant, wenn der Nacherbfall eintritt und ein neuer Erbschein ausgestellt werden muss. Die genaue Ermittlung des Nachlasswertes ist wichtig für:

  • Die Berechnung der Erbscheinkosten
  • Die Festlegung der Erbteile der Nacherben
  • Eventuelle steuerliche Bewertungen

Beachten Sie, dass die Wertermittlung komplex sein kann, insbesondere wenn sich der Wert des Nachlasses seit dem ursprünglichen Erbfall verändert hat.

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Was sind die häufigsten Herausforderungen bei der Beantragung eines neuen Erbscheins nach Eintritt der Nacherbfolge?

Bei der Beantragung eines neuen Erbscheins nach Eintritt der Nacherbfolge können Sie auf verschiedene Herausforderungen stoßen. Diese ergeben sich aus der Komplexität der Rechtslage und den besonderen Anforderungen an die Dokumentation und Nachweisführung.

Nachweis des Eintritts der Nacherbfolge

Eine der ersten Hürden ist der Nachweis des Eintritts der Nacherbfolge. Wenn Sie als Nacherbe einen Erbschein beantragen, müssen Sie dem Nachlassgericht belegen, dass der im Testament festgelegte Nacherbfall tatsächlich eingetreten ist. Dies erfordert in der Regel die Vorlage der Sterbeurkunde des Vorerben.

Korrekte Darstellung der Erbquoten

Eine weitere Herausforderung liegt in der korrekten Darstellung der Erbquoten. Wenn der Vorerbe beispielsweise ein Vorausvermächtnis erhalten hat, muss dies im neuen Erbschein berücksichtigt werden. Die genaue Formulierung kann komplex sein, da sie sowohl die Rechte des Vorerben als auch die der Nacherben korrekt abbilden muss.

Ermittlung des Nachlasswerts

Die Ermittlung des aktuellen Nachlasswerts kann ebenfalls Schwierigkeiten bereiten. Der Wert des Nachlasses kann sich seit dem Tod des ursprünglichen Erblassers verändert haben. Dies ist besonders relevant, wenn der Nachlass Immobilien oder Unternehmensbeteiligungen umfasst, deren Wert schwanken kann.

Umgang mit Veränderungen im Nachlass

Eine besondere Herausforderung stellt der Umgang mit Veränderungen im Nachlass dar. Wenn der Vorerbe Teile des Nachlasses veräußert oder neue Vermögenswerte erworben hat, muss geklärt werden, wie dies im neuen Erbschein zu berücksichtigen ist. Dies kann komplexe rechtliche Fragen aufwerfen, insbesondere wenn es um die Abgrenzung zwischen dem ursprünglichen Nachlass und dem Eigenvermögen des Vorerben geht.

Kosten des Verfahrens

Nicht zu unterschätzen sind auch die Kosten des Verfahrens. Die Gebühren für den Erbschein richten sich nach dem Wert des Nachlasses. Bei einem hohen Nachlasswert können erhebliche Kosten entstehen. Zudem fallen möglicherweise zusätzliche Gebühren an, wenn das Gericht zur Klärung der Rechtslage Zeugen vernehmen oder andere aufwändige Ermittlungen durchführen muss.

Zeitlicher Aufwand

Der zeitliche Aufwand für die Beantragung eines neuen Erbscheins nach Eintritt der Nacherbfolge kann beträchtlich sein. Das Nachlassgericht muss alle relevanten Unterlagen prüfen und gegebenenfalls weitere Ermittlungen anstellen. Dies kann zu längeren Bearbeitungszeiten führen, insbesondere wenn die Rechtslage komplex ist oder Unstimmigkeiten zwischen den Beteiligten bestehen.

Wenn Sie sich mit der Beantragung eines neuen Erbscheins nach Eintritt der Nacherbfolge konfrontiert sehen, ist es ratsam, sich gründlich vorzubereiten. Sammeln Sie alle relevanten Dokumente, wie das ursprüngliche Testament, den bisherigen Erbschein und Nachweise über den Eintritt des Nacherbfalls. Eine sorgfältige Vorbereitung kann dazu beitragen, den Prozess zu beschleunigen und mögliche Komplikationen zu vermeiden.

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Welche Gebühren können beim Erbscheinverfahren bei Nacherbfolge entstehen und wer muss sie tragen?

Bei einem Erbscheinverfahren mit Nacherbfolge können verschiedene Gebühren anfallen, die sich nach dem Geschäftswert des Nachlasses richten. Grundsätzlich trägt der Antragsteller, also in der Regel der Erbe, die Kosten des Verfahrens. Dies gilt sowohl für den Vorerben als auch für den Nacherben, wenn dieser einen eigenen Erbschein beantragt.

Gebührenarten und -höhe

Die Kosten für einen Erbschein setzen sich aus mehreren Komponenten zusammen:

  1. Gebühr für die Erteilung des Erbscheins: Diese richtet sich nach der Tabelle B des Gerichts- und Notarkostengesetzes (GNotKG) und ist abhängig vom Nachlasswert.
  2. Gebühr für die eidesstattliche Versicherung: Hierfür fällt eine weitere volle Gebühr an.
  3. Auslagen des Gerichts: Zusätzlich können Kosten für Kopien, Porto oder andere Auslagen hinzukommen.

Wenn Sie beispielsweise einen Nachlass im Wert von 100.000 Euro erben, könnten die Gebühren für den Erbschein etwa 550 Euro betragen, zuzüglich der Kosten für die eidesstattliche Versicherung und etwaige Auslagen.

Besonderheiten bei Nacherbfolge

Bei der Nacherbfolge ist zu beachten, dass sowohl für den Vorerben als auch für den Nacherben separate Erbscheine ausgestellt werden können. Dies bedeutet, dass möglicherweise zweimal Gebühren anfallen:

  1. Beim Eintritt des Vorerbfalls für den Erbschein des Vorerben.
  2. Beim Eintritt des Nacherbfalls für den Erbschein des Nacherben.

Kostentragung

Grundsätzlich trägt derjenige die Kosten, der den Erbschein beantragt hat. Das Gericht kann jedoch nach billigem Ermessen die Kosten auch auf andere Beteiligte verteilen. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn mehrere Erben von der Erteilung des Erbscheins profitieren.

In der Praxis ist es häufig so, dass die Kosten für den Erbschein aus dem Nachlass beglichen werden, bevor dieser unter den Erben aufgeteilt wird. Sollten Sie als Erbe in einer Nacherbfolge stehen, ist es ratsam, sich frühzeitig über die möglichen Kosten zu informieren und diese in Ihre finanzielle Planung einzubeziehen.

Möglichkeiten zur Kostenreduzierung

Um Kosten zu sparen, sollten Sie prüfen, ob ein Erbschein in Ihrem Fall überhaupt notwendig ist. Banken und andere Institutionen akzeptieren unter Umständen auch alternative Nachweise, wie ein notarielles Testament mit Eröffnungsprotokoll. Zudem kann es sinnvoll sein, nur einen gemeinschaftlichen Erbschein für alle Erben zu beantragen, anstatt für jeden Erben einen separaten Erbschein ausstellen zu lassen.

Bedenken Sie, dass die genauen Kosten von den Umständen des Einzelfalls abhängen. Bei komplexen Erbfällen oder hohen Nachlasswerten kann es ratsam sein, sich von einem Fachanwalt für Erbrecht beraten zu lassen, um die finanziellen Auswirkungen genau einschätzen zu können.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Nacherbfolge: Die Nacherbfolge ist eine besondere Form der Erbfolge, bei der ein Erblasser bestimmt, dass das Erbe zunächst an einen Vorerben und später an einen Nacherben übergehen soll. Sie tritt ein, wenn der Vorerbe stirbt oder ein anderes festgelegtes Ereignis eintritt. Im vorliegenden Fall wurde sie durch den Tod der Ehefrau (Vorerbin) ausgelöst. Die Nacherbfolge kann komplex sein, da sie die Rechte des Vorerben einschränken und zu Bewertungsfragen führen kann. Sie wird oft genutzt, um Vermögen über Generationen hinweg zu sichern oder um bestimmte Personen zeitlich begrenzt zu begünstigen.
  • Vorerbe: Der Vorerbe ist derjenige, der das Erbe zunächst erhält, bevor es an den Nacherben übergeht. Er hat ein zeitlich begrenztes Erbrecht und ist in seinen Verfügungsmöglichkeiten über den Nachlass oft eingeschränkt, es sei denn, er ist als befreiter Vorerbe eingesetzt. Im beschriebenen Fall war die Ehefrau Vorerbin des Nachlasses ihres verstorbenen Mannes. Die Stellung als Vorerbe kann zu Herausforderungen führen, da der Vorerbe einerseits das Erbe nutzen kann, andererseits aber auch verpflichtet ist, es für den Nacherben zu erhalten.
  • Nacherbe: Der Nacherbe ist derjenige, der das Erbe nach dem Vorerben erhält. Sein Erbrecht ist aufschiebend bedingt durch den Eintritt des Nacherbfalls, meist den Tod des Vorerben. Im vorliegenden Fall wurden die Kinder des Ehepaares zu Nacherben. Die Stellung als Nacherbe kann komplex sein, da der Nacherbe einerseits ein Anwartschaftsrecht auf das Erbe hat, andererseits aber bis zum Eintritt des Nacherbfalls keinen direkten Zugriff auf das Erbe hat. Nacherben haben oft ein Interesse daran, dass der Vorerbe den Nachlass nicht schmälert.
  • Erbschein: Der Erbschein ist ein amtliches Dokument, das die Erbenstellung einer Person nachweist. Er wird vom Nachlassgericht ausgestellt und ist wichtig für die Abwicklung des Nachlasses, z.B. bei Bankgeschäften oder Grundbucheintragungen. Im Fall der Nacherbfolge können mehrere Erbscheine notwendig werden: zunächst für den Vorerben und später für den Nacherben. Die Beantragung und Ausstellung von Erbscheinen kann mit erheblichen Kosten verbunden sein, die sich nach dem Nachlasswert richten.
  • Geschäftswert: Der Geschäftswert im Erbrecht bezieht sich auf den Wert des Nachlasses, der für die Berechnung von Gebühren im Erbscheinsverfahren maßgeblich ist. Er wird nach § 40 GNotKG ermittelt und basiert auf dem Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Erbfalls oder, bei Nacherbfolge, zum Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbschaft. Die korrekte Ermittlung des Geschäftswerts ist wichtig, da sie direkte Auswirkungen auf die Höhe der Gebühren hat, die für die Erteilung eines Erbscheins anfallen.
  • Wertfestsetzung: Die Wertfestsetzung im Erbrecht bezeichnet den Prozess der Ermittlung des Wertes des Nachlasses. Sie ist besonders bei der Nacherbfolge komplex, da hier der Wert zu verschiedenen Zeitpunkten relevant sein kann. Im vorliegenden Fall musste das Gericht den Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Eintritts der Nacherbschaft (Tod der Vorerbin) neu berechnen. Die korrekte Wertfestsetzung ist entscheidend für die Berechnung von Gebühren, aber auch für die Ermittlung von Pflichtteilsansprüchen und die Erbschaftsteuer.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 331 BGB (Anfall der Nacherbschaft): Dieser Paragraph regelt den Zeitpunkt, zu dem die Nacherbschaft an den Nacherben fällt. In der Regel geschieht dies mit dem Tod des Vorerben. Im vorliegenden Fall trat der Nacherbfall mit dem Tod der Ehefrau (Vorerbin) ein, wodurch die Kinder zu Nacherben wurden.
  • § 2311 BGB (Inhalt der Nacherbschaft): Dieser Paragraph definiert, was zur Nacherbschaft gehört. Grundsätzlich umfasst sie den Nachlass des Erblassers, soweit er im Zeitpunkt des Anfalls der Nacherbschaft noch vorhanden ist. Im konkreten Fall bestand der Nachlass im Wesentlichen aus einem Grundstück, das zum Zeitpunkt des Todes der Ehefrau (und damit des Anfalls der Nacherbschaft) noch vorhanden war.
  • § 40 GNotKG (Geschäftswert bei der Nacherbfolge): Dieser Paragraph bestimmt, wie der Geschäftswert im Falle der Nacherbfolge zu berechnen ist. Maßgeblich ist der Wert des Nachlasses zum Zeitpunkt des Anfalls der Nacherbschaft. Im vorliegenden Fall wurde der Wert des Grundstücks, sowie Bankguthaben und Forderungen zum Zeitpunkt des Todes der Ehefrau berücksichtigt.
  • § 2364 BGB (Befreite Vorerbschaft): Dieser Paragraph beschreibt die befreite Vorerbschaft, bei der der Vorerbe den Nachlass grundsätzlich frei verwalten und auch darüber verfügen kann. Im vorliegenden Fall war die Ehefrau befreite Vorerbin, was bedeutet, dass sie grundsätzlich frei über den Nachlass verfügen konnte.
  • § 35 GNotKG (Geschäftswert im Erbscheinsverfahren): Dieser Paragraph legt fest, wie der Geschäftswert im Erbscheinsverfahren zu berechnen ist. Er richtet sich nach dem Wert des Nachlasses, für den der Erbschein beantragt wird. Im vorliegenden Fall war der Geschäftswert für das Erbscheinsverfahren nach der Mutter höher, da ihr Nachlass aufgrund des Verkaufs des Grundstücks einen höheren Wert hatte.

Das vorliegende Urteil

OLG Hamm – Az.: I-15 W 212 + 274/15 – Beschluss vom 25.06.2015


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

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1. Die Beschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung und zur Erteilung des Erbscheins in dem Erbscheinsverfahren nach dem Vater der Beteiligten) wird als unzulässig verworfen.

2. Auf die Beschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswerts für das Verfahren zur Abnahme der eidesstattlichen Versicherung und zur Erteilung des Erbscheins in dem Erbscheinsverfahren nach der Mutter der Beteiligten wird der angefochtene Beschluss des Nachlassgerichts vom 02.04.2015 dahin abgeändert, dass der Geschäftswert auf 187.661 € festgesetzt wird.

3. Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet, § 81 Abs. 8 GNotKG.

Gründe

I.

Frau X war verheiratet mit Herrn X. Aus ihrer Ehe gingen die sechs beteiligten Kinder hervor. Am 01.12.1980 errichteten die Eheleute X gemeinsam ein privatschriftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu befreiten Vorerben des Erstversterbenden und die Kinder zu dessen Nacherben einsetzten sowie die Kinder als Erben des Letztversterbenden bestimmten.

Nach dem Tod des Herrn X am 21.02.1981 stellte das Nachlassgericht einen Erbschein aus, nach dem dieser allein von seiner Ehefrau als Vorerbin beerbt worden ist. In diesem Verfahren gab Frau X am 10.04.1981 den Wert des Nachlasses mit 77.721,00 DM an.

Zum Zeitpunkt der Erstellung des am 01.12.1980 errichteten gemeinsamen privatschriftlichen Ehegattentestaments wie auch im Zeitpunkt des Todes sowohl des Herrn X als auch der Frau X (17.12.2013) bestand der Nachlass jeweils im Wesentlichen aus dem mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstück Z-Weg in Münster, das den Eheleuten zu je ½ Anteil gehörte.

Am 14.03.2014 und 09.09.2014 beantragte der Beteiligte zu 1) auf der Grundlage des von seinen Eltern errichteten Ehegattentestaments zwei Erbscheine, und zwar

einen Erbschein nach seinem Vater mit dem Inhalt, dass nach dem Tod der als Vorerbin eingesetzten Ehefrau Nacherbfolge eingetreten ist und dessen Nacherben die sechs Beteiligten zu je 1/6 Anteil sind (68 VI 116/14),

und einen Erbschein nach seiner Mutter mit dem Inhalt, dass diese von den Beteiligten zu je 1/6 Anteil beerbt worden ist (68 VI 115/14).

In dem Erbscheinsverfahren 68 VI 116/14 erließ das Nachlassgericht am 05.06.2014 einen Feststellungsbeschluss und erteilte am selben Tag antragsgemäß den Erbschein nach dem Vater der Beteiligten. Feststellungsbeschluss und Erbschein sind nach dem Vermerk der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts am 11.07.2014 versandt worden. Den Geschäftswert setzte das Nachlassgericht mit Beschluss vom 27.10.2014 auf 39.738,12 € fest.

In dem Erbscheinsverfahren 68 VI 115/14 erließ das Nachlassgericht am 13.10.2014 einen Feststellungsbeschluss und erteilte am selben Tag antragsgemäß den Erbschein nach der Mutter der Beteiligten. Mit Beschluss vom gleichen Tag setzte es den Geschäftswert auf 195.247,25 € fest. Feststellungsbeschluss, Erbschein und der Wertfestsetzungsbeschluss sind dem Beteiligten zu 1) am 24.10.2014 zugestellt worden. Nachdem das Grundstück von der Erbengemeinschaft für 365.000,00 € verkauft worden war, hob das Nachlassgericht den Wertfestsetzungsbeschluss vom 13.10.2014 mit Beschluss vom 02.04.2015 auf und setzte den Geschäftswert auf 334.472,20 € fest.

Gegen die Wertfestsetzungen in den Beschlüssen vom 27.10.2014 (68 VI 116/14) und vom 02.04.2015 (68 VI 115/14) richten sich die Beschwerden der Beteiligten zu 5) vom 20.04.2015.

II.

Das Schreiben der Beteiligten zu 5) vom 20.04.2015 ist als Beschwerde nicht nur gegen die nach § 79 GNotKG ergangene Wertfestsetzung in dem Verfahren 68 VI 115/14, sondern auch als Beschwerde gegen die in dem Verfahren 68 VI 116/14 ergangene Wertfestsetzung auszulegen. Über sie entscheidet der Einzelrichter, §§ 83 Abs. 1 S. 5, 81 Abs. 6 S. 1 GNotKG.

1. Die Beschwerde gegen die Wertfestsetzung vom 27.10.2014 in dem Erbscheinsverfahren nach dem Vater der Beteiligten (68 VI 116/14) ist unzulässig, weil sie nicht fristgerecht eingelegt worden ist. Nach § 83 Abs. 1 S. 3 GNotKG ist die Beschwerde nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 79 Abs. 2 S. 2 GNotKG bestimmten Frist eingelegt wird; danach sie ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung wegen des Hauptgegenstands Rechtskraft erlangt. Diese Frist ist eine Ausschlussfrist (Korintenberg, GNotKG, 19. Aufl., § 79 Rn. 32). „Hauptgegenstand“ ist hier die Entscheidung über die Erteilung des Erbscheins. Diese ist mit Beschluss vom 05.06.2014 ergangen, am selben Tag ist der Erbschein ausgestellt worden. Da der Feststellungsbeschluss formlos bekannt gemacht worden ist, gilt er nach § 83 Abs. 1 S. 4 GNotKG mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. Nach dem Vermerk der Geschäftsstelle des Nachlassgerichts sind der Beschluss und der Erbschein am 11.07.2014 von dort weitergeleitet worden. Nach § 63 Abs. 1 FamFG hätte der Feststellungsbeschluss binnen einer Frist von einem Monat mit der Beschwerde angefochten werden können, was hier nicht geschehen ist. Der Feststellungsbeschluss war damit jedenfalls Ende August 2014 rechtskräftig geworden. Dies zugrundegelegt hätte die Beschwerde gegen die Wertfestsetzung vom 27.10.2014 bis Ende Februar 2015 fristwahrend eingelegt werden können. Diese Frist ist mit der Beschwerde vom 20.04.2015 nicht eingehalten.

2. Die Beschwerde vom 20.04.2015 gegen die Wertfestsetzung vom 02.04.2015 in dem Erbscheinsverfahren nach der Mutter der Beteiligten (68 VI 115/14) ist nach § 83 GNotKG zulässig und führt zur Abänderung der Wertfestsetzung.

Für die Wertfestsetzung gilt die Vorschrift des § 40 GNotKG, weil das gerichtliche Verfahren nach Inkrafttreten des GNotKG anhängig geworden ist. Maßgeblich ist daher der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des Erbfalls. Nach § 40 Abs. 1 S. 2 GNotKG werden vom Erblasser herrührende Verbindlichkeiten abgezogen; abzugsfähig sind daher nur Erblasserschulden, d.h. bereits dem Erblasser gegenüber bestandene Verbindlichkeiten, nicht jedoch Erbfallschulden wie Vermächtnisse, Pflichtteile, Auflagen oder Erbschaftsteuer (OLG Köln ZEV 2014, 608; OLG Schleswig FGPrax 2015, 93; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27. Mai 2015 – 11 Wx 123/14 -, Rn. 32, juris; Korintenberg/Sikora, GNotKG 19. Aufl. § 40 Rn. 3).

a) Das Nachlassgericht hat bei der Wertfestsetzung nach Frau X nicht berücksichtigt, dass mit dem Eintritt des Nacherbfalls die Erbschaft nach Herrn X von Gesetzes wegen als Ganzes auf die Beteiligten als Nacherben übergegangen ist und damit der von Herrn X stammende Nachlass mit dem Nacherbfall aus dem Vermögen der Vorerbin Frau X ausgeschieden ist. Damit sind also die Beteiligten in Bezug auf den Nachlass des Herrn X Rechtsnachfolger nicht der Vorerbin, sondern des Erblassers geworden (Staudinger/Martin Avenarius BGB, Bearbeitung 2013, § 2139, Rn. 1).

Weil die Rechtswirkungen des Voranfalls an den Vorerben mit dem Eintritt des Nacherbfalls aufhören und die Erbschaft nun vom Erblasser dem Nacherben anfällt, hat dies hier zur Folge, dass die Beteiligten das noch im Nachlass befindliche Hausgrundstück Z-Weg in Münster jeweils unmittelbar zur Hälfte von ihrem Vater und zur anderen Hälfte von ihrer Mutter geerbt haben. Es hätte daher insoweit in den beiden Erbscheinsverfahren jeweils der halbe Wert des Grundstücks in Ansatz gebracht werden müssen.

b) Der Nachlasswert im Zeitpunkt des Todes der Mutter der Beteiligten setzte sich somit aus dem hälftigen Wert des Grundstücks in Münster, dem Bankguthaben und offenen Forderungen der Erblasserin gegenüber Dritten zusammen, wovon die Verbindlichkeiten der Erblasserin abzuziehen sind:

– Der hälftige Wert des Grundstücks. Das Amtsgericht hat als Grundstückswert

293.619 € angesetzt.

… Die Hälfte von 293.619 € sind:m146.809 €

Der Wert des Nachlasses erhöht sich um das Barvermögen der Erblasserin

im Zeitpunkt ihres Todes. …

Das Bankguthaben wies nach den Angaben des Beteiligten zu 1) vom

17.12.2013 am Todestag ein Guthaben in Höhe von 41.572,47 € aus.

Hinzu kommen offenstehende Forderungen gegen Dritte in Höhe von 5.174 €.

+ 41.572 €

+ 5.174 €

Von dem sich danach ergebenden Vermögen in Höhe von

sind die Verbindlichkeiten abzuziehen, die nach den Angaben

des Beteiligten zu 1) 5.894 € betragen:

Die Differenz ergibt den Nachlasswert:

193.555 €

– 5.894 €

187.661 €

 

III.

Ergänzend wird auf folgendes hingewiesen:

1. Das Nachlassgericht hat bei der Wertfestsetzung nach Herrn X in seinem Beschluss vom 27.10.2014 (68 VI 116/14) zu Unrecht auf den Wert des Nachlasses im Jahr 1981 abgestellt. Für die Wertfestsetzung gilt die Vorschrift des § 40 GNotKG, weil das gerichtliche Verfahren nach Inkrafttreten des GNotKG anhängig geworden ist. Maßgeblich ist danach der Wert des Nachlasses im Zeitpunkt des „Erbfalls“. Wird nach Eintritt der Nacherbfolge für den Nacherben ein Erbschein erteilt, so ist für die Berechnung des Geschäftswerts aber nicht der Zeitpunkt des Erbfalls (§ 1922 Abs. 1 BGB), sondern des Anfalls der Nacherbschaft (§§ 1942, 2106 Abs. 1 BGB), d.h. der Tod des Vorerben maßgebend. Das GNotKG enthält insoweit keine Änderung zur KostO, so dass auf die zu § 107 Abs. 2 S. 1 KostO ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden kann, nach der auf das Vermögen abzustellen ist, das im Zeitpunkt des Eintritts des Nacherbfalls vorhanden ist (KG 1938, 51; BayObLG FamRZ 1995, 1370; MittBayNot 1997, 383; Assenmacher, KostO 16. Aufl. Stichwort „Erbschein“ S. 344; Korintenberg/Lappe/Bengel/Reimann, KostO 18. Aufl. § 107 Rn. 39; Rohs/Wedewer/Waldner, KostO, § 107, Rn. 37).

Die Beteiligten sind durch die unrichtige Wertfestsetzung im Verfahren auf Erteilung eines Erbscheins nach ihrem Vater nicht belastet worden. Denn nach den obigen Ausführungen hätte der Nachlasswert auf den halben Wert der allein noch im Nachlass des Vaters befindlichen Immobilie festgesetzt werden müssen, d.h. auf 146.809 €.

2. Im Hinblick auf das weitere Beschwerdevorbringen der Beteiligten zu 5) wird noch ergänzend angefügt, dass der im Jahr 1981 ausgestellte Erbschein nach dem Vater der Beteiligten, der die Mutter der Beteiligten als befreite Vorerbin auswies, mit Eintritt des Nacherbfalls, d.h. mit dem Tod der Mutter, unrichtig geworden war und deshalb eingezogen werden musste. Auf den Antrag des Beteiligten zu 1) musste das Nachlassgericht einen neuen Erbschein ausstellen, der die infolge des Eintritts des Nacherbfalls eingetretene Erbfolge nach dem Vater ausweist. Dieser Erbschein ist ein neuer Erbschein im Verhältnis zum Erbschein der Vorerbin und löste daher neue Gebühren aus.


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