OLG Düsseldorf – Az.: I-3 Wx 12/19 – Beschluss vom 28.02.2020
Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben.
Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren: bis 500 €.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sind in Erbengemeinschaft Eigentümer des eingangs genannten Grundbesitzes.
Der Grundbesitz ist u.a. belastet mit einer Sicherungshypothek in Höhe von 22.817,60 € für Sophie W. (Abt. III Nr. 3). Sie ist am 18. Okt. 2006 gestorben und nach dem Erbschein des Nachlassgerichtes Duisburg-Ruhrort vom 27. Nov. 2012 – 130 VI 170/07 – von F. beerbt worden. Dieser ist am 19. Jan. 2008 verstorben. Für seinen Nachlass hat das Nachlassgericht Duisburg-Ruhrort mit Beschluss vom 19. Sept. 2014 – 130 VI 296/12 – festgestellt, dass ein anderer Erbe als der Beteiligte zu 3 nicht vorhanden ist.
Die Beteiligten zu 1 und 2 haben den Grundbesitz mit notariellem Kaufvertrag vom 19. Juni 2018 verkauft und die Parteien des Kaufvertrages haben die Löschung der in Abteilung III eingetragenen Grundpfandrechte bewilligt und beantragt.
Der Notar hat dem Grundbuchamt am 9. Nov. 2018 die Löschungsbewilligung des Beteiligten zu 3 (ohne Datum) überreicht und die Löschung der Sicherungshypothek beantragt.
Das Grundbuchamt hat daraufhin am 15. Nov. 2018 darum gebeten, die Erbnachweise nach der eingetragenen Gläubigerin jeweils in Ausfertigung einzureichen. Dem hat der Notar entgegnet, es sei als Nachweis der Erbfolge ausreichend, dass der Beteiligte zu 3 in amtlicher Eigenschaft die Rechtsnachfolge nach der als Gläubigerin eingetragenen Erblasserin bestätigt habe.
Mit der angefochtenen Zwischenverfügung hat das Grundbuchamt den Beteiligten zu 1 und 2 aufgegeben, die Erbfolge der eingetragenen Gläubigerin sowie ihres eventuellen, ebenfalls bereits verstorbenen Erben in der Form des § 35 GBO nachzuweisen. Die Erbscheine seien in Ausfertigung vorzulegen. Auch zum Nachweis des Fiskus-Erbrechtes bedürfe es eines Erbscheins, der Feststellungsbeschluss des Nachlassgerichts nach § 1964 BGB allein genüge nicht.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2. Es gehe nicht um die Eintragung des Fiskus als gesetzlicher Erbe, sondern nur um die Bewilligung der Löschung eines Grundpfandrechtes. Sollte der Fiskus hier rechtswidrig die Löschung bewilligen, könnten Berechtigte ihn in Anspruch nehmen. Ein Schutzbedürfnis bestehe nach ihrer Auffassung nicht.
Das Grundbuchamt hat der Beschwerde durch weiteren Beschluss vom 9. Jan. 2019 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Nach der zwischenzeitlich eingegangenen Nachlassakte sei die eingetragene Gläubigerin von F. beerbt und die Erbfolge durch den dort nunmehr eingesehenen Erbschein ordnungsgemäß nachgewiesen. Da auch der Erbe bereits verstorben sei, sei auch die Erbfolge nach ihm in geeigneter Form nach §§ 29, 35 GBO nachzuweisen. Ein Erbschein liege nicht vor. Aus der ihn betreffenden ebenfalls eingegangenen Nachlassakte ergebe sich lediglich, dass das Fiskus-Erbrecht festgestellt worden sei. Diese Feststellung begründe jedoch nur die Vermutung, dass der Fiskus gesetzlicher Erbe sei und ersetze im Grundbuchverfahren nicht den Erbschein.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Grundbuchakten und der beigezogenen Nachlassakten Bezug genommen.
II.
Die gemäß §§ 18 Abs. 1, 71 Abs. 1, 72, 73 GBO zulässige Beschwerde ist dem Senat nach der vom Amtsgericht erklärten Nichtabhilfe zur Entscheidung angefallen, § 75 GBO.
Die Beschwerde hat in der Sache deshalb – allerdings nur vorläufigen – Erfolg, weil die Zwischenverfügung nicht hätte ergehen dürfen.
Die Zwischenverfügung ist schon deshalb inhaltlich unzulässig, weil die Beteiligten zu 1 und 2 durch ihre Antwort auf die Bitte des Grundbuchamtes vom 15. Nov. 2018 ernsthaft und endgültig zu erkennen gegeben haben, dass sie nicht gewillt waren, die vom Grundbuchamt erbetenen Erbnachweise beizubringen. Schon aus diesem Grunde hätte das Grundbuchamt – auf Basis seiner eigenen Rechtsauffassung – nicht erneut durch Zwischenverfügung vom 4. Dez. 2018 entscheiden dürfen, sondern über den Löschungsantrag entscheiden müssen (ständige Rechtsprechung des Senates, zuletzt FGPrax 2019, 102 m.N.)
Vorsorglich sei – ohne Bindungswirkung – bemerkt:
In der Sache erachtet der Senat die angefochtene Entscheidung für zutreffend und danach hätte die Beschwerde keine Aussicht auf Erfolg.
Nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GBO kann – grundbuchrechtlich – der Nachweis der Erbfolge nur durch einen Erbschein oder (seit dem 17. Aug. 2015) ein europäisches Nachlasszeugnis geführt werden, es sei denn die Erbfolge beruht auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist (Satz 2 der Vorschrift). Daher kann bei einem vererblichen Grundpfandrecht eine Registeränderung nach dem Tod des eingetragenen Berechtigten nur unter Vorlage eines Erbnachweises im Sinne von § 35 GBO erfolgen (Hügel in BeckOK GBO, Stand 15. Dez. 2019, § 35, RdNr. 23). Aus § 35 GBO resultiert ein Nachweistypenzwang, so dass andere Beweismittel zum Nachweis der Erbfolge ausgeschlossen sind (ders., a.a.O., RdNr. 24).
Der Erbschein bekundet, wer Erbe ist und welchen Verfügungsbeschränkungen er unterliegt. Er dient dem Rechtsverkehr als Zeugnis über die erbrechtlichen Verhältnisse, damit Dritte bei Rechtsgeschäften mit der als Erbe auftretenden Person Sicherheit über dessen Rechtsstellung haben. Mit dem Erbschein wird also dem Erben ein Ausweis für seine Verfügungen über die zur Erbschaft gehörenden Gegenstände und Rechte an die Hand gegeben, der Legitimations- und Schutzwirkung entfaltet und mit besonderer Beweiskraft und öffentlichem Glauben ausgestattet ist. Seine Funktion ist damit der Art nach die gleiche wie eine Eintragung im Grundbuch: Er begründet die widerlegbare Rechtsvermutung der Richtigkeit und Vollständigkeit seines Inhalts für und gegen den darin ausgewiesenen Erben, § 2365 BGB, und schützt durch öffentlichen Glauben den gutgläubigen Dritten beim Erwerb vom Erben oder bei Leistungen an diesen, §§ 2366, 2367 BGB (Palandt/Weidlich, BGB, 79. Aufl., § 2353, 2).
Diese Wirkungen kommen einem Feststellungsbeschluss über das Fiskus-Erbrecht gem. § 1964 BGB nicht zu. Wegen der materiell-rechtlichen Subsidiarität des Staatserbrechts nach § 1936 BGB einerseits und der praktikablen Verwirklichung des Vonselbsterwerbs-Prinzips andererseits sehen die §§ 1964 f. BGB ein besonderes Verfahren zur Feststellung des Erbrechts des Fiskus vor. Verfahrensrechtlich bestimmt § 1964 Abs. 1 BGB, dass – wenn der Erbe nicht innerhalb einer den Umständen entsprechenden Frist ermittelt wird – das Nachlassgericht festzustellen hat, dass ein anderer Erbe als der Fiskus nicht vorhanden ist. Diese Feststellung begründet die Vermutung, dass der Fiskus gesetzlicher Erbe ist, § 1964 Abs. 2 BGB. Im Hinblick darauf, dass die Erbfolgeordnungen der gesetzlichen Erbfolge nicht beschränkt sind (vgl. § 1929 BGB), ist das festgestellte Erbrecht des Fiskus fast immer nur ein vermutetes Erbrecht, denn es existiert fast immer ein Verwandter, der den Fiskus ausschließen würde, denn bei entsprechend intensiver Suche nach Verwandten des Verstorbenen könnte nahezu immer eine natürliche Person als Erbe ermittelt werden (Mayer, ZEV 2010, 445, 449 m.N.).
Der Feststellungsbeschluss hat keine rechtsgestaltende Wirkung dahingehend, dass nun der Fiskus mit Wirkung für alle Zeiten gegenüber jedermann Erbe ist. Etwaige unbekannte Erben verlieren dadurch nicht ihre Rechte. Der Feststellungsbeschluss begründet vielmehr nur eine Vermutung, dass der Fiskus Erbe ist, § 1964 Abs. 2 BGB. Der Beweis des Gegenteils ist zulässig, § 292 ZPO, und kann sowohl im normalen Zivilprozess als auch im Erbscheinsverfahren erbracht werden. Daher wird der wirkliche Erbe durch den Beschluss nicht gehindert, seine Rechte geltend zu machen. Deshalb darf auch das Nachlassgericht einen entsprechenden Erbscheinsantrag nicht im Hinblick auf diesen Feststellungsbeschlusses ablehnen, sondern muss ein entsprechendes Verfahren einleiten und u. U. aufgrund neuer Nachweise dem Erben den beantragten Erbschein erteilen. Dann ist der Feststellungsbeschlusses nach § 48 Abs. 1 FamFG wegen Unrichtigkeit aufzuheben. Der Feststellungsbeschlusses hat jedoch nicht die Publizitätswirkungen eines Erbscheins, §§ 2365 ff. BGB. Er entfaltet keinen den §§ BGB § 2366 f. entsprechenden Gutglaubensschutz. Hierzu bedarf es der zusätzlichen Erteilung eines Erbscheins oder eines europäischen Nachlasszeugnisses. (Heinemann in BeckOGK, Stand 1. Juli 2019, BGB, § 1964, RdNr. 77).
Der Feststellungsbeschluss stellt nach herrschender Meinung auch keinen tauglichen Nachweis der Erbfolge für das Grundbuchregisterverfahren dar. Diese kann nach § 35 Abs. 1 GBO nur durch Vorlage eines Erbscheins bewiesen werden (Heinemann in BeckOGK, Stand 1. Juli 2019, BGB, § 1964, 75 m.N.). Das ist zwingende Folge der das Grundbuchverfahren beherrschenden Formenstrenge (OLG Frankfurt, Beschluss vom 5. Sept. 1983, 20 W 515/83, BeckRS 1983, 01857).
Dies hat das Oberlandesgericht Köln ausführlich und eingehend dargelegt (Beschluss vom 6. Aug. 1965, 2 Wx 117/65, MDR 1965, 993), das OLG Frankfurt (a.a.O.) hat dem weitere Argumente hinzugefügt und das Bayerische Oberste Landesgericht hat sich beiden Entscheidungen in vollem Umfang angeschlossen (Beschluss vom 1. April 1987, BReg 2 Z 28/87, BeckRS 1987, 30883815). Dem folgt die heute herrschende Meinung in der Literatur (vgl. nur Hügel, a.a.O., § 35 GBO, RdNr. 42; MüKo/Leipold, BGB, 7. Aufl., § 1964, RdNr. 9; Palandt/Weidlich, a.a.O., § 1964, 3; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., RdNr. 781; Mayer, a.a.O., 453).
Der Senat schließt sich dem aufgrund eigener Prüfung an. Die hierfür maßgebenden Gründe sind bereits in den genannten Entscheidungen (vor allem OLG Frankfurt, a.a.O.) herausgearbeitet und seien hier nur kurz angerissen:
Dem Feststellungsbeschluss nach § 1964 BGB kommen nicht die Verkehrsschutzwirkungen des Erbscheines zu. Auch wenn dieser Gesichtspunkt im Grundbuchverfahren keine unmittelbare Bedeutung hat, belegt er das besondere Gewicht, das der Gesetzgeber dem Erbschein beimisst. Der Feststellungsbeschluss mag zwar eine öffentliche Urkunde im Sinne von § 29 GBO darstellen, allerdings wird diese Vorschrift durch die §§ 32 ff. GBO ergänzt und enthält § 35 GBO für den Fall des Nachweises der Erbfolge eine vorrangige Sonderregelung. Dass der Gesetzgeber bei Abfassung des § 35 GBO den Fall übersehen habe, dass die Erbfolge bereits gem. § 1964 BGB festgestellt worden sei, und diese Lücke so geschlossen werden müsse, wie ein optimaler Gesetzgeber entschieden hätte (AG Lüneburg, RPfleger 1971, 23), kann bereits deshalb nicht angenommen werden, weil der Feststellungsbeschluss nach § 1964 BGB bei Schaffung des § 35 GBO bereits bekannt war.
Eine Kostenentscheidung durch den Senat ist nicht veranlasst, §§ 22 Abs. 1, 25 Abs. 1 GNotKG. Die Wertfestsetzung berücksichtigt die voraussichtlichen Kosten des vom Grundbuchamt verlangten Nachweises.