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Erbbaurechtsübertragung – fehlende Zustimmung Grundstückseigentümer

AG Menden – Az.: 3 C 82/16 – Urteil vom 12.10.2016

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung abzuwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 120% des jeweils beizutreibenden Betrages, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des insgesamt zu vollstreckenden Betrages leisten.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Mit der Klage verfolgt die Klägerin restlichen Erbbauzins für das Grundstück A-Straße …, … O1 für die Kalenderjahr 2013, 2014 und 2015 in Höhe von jeweils 26,93 EUR, insgesamt 80,79 EUR.

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks, die Beklagte zu 2) ist als Erbbauberechtigte eingetragen. Grundlage des Erbbaurechts ist zum einen der notarielle Vertrag des Notars P1 vom 06.03.1964 (UR Nr. 162/1964, Anlage K1). Das Erbbaurecht wurde am 15.05.1964 in das Grundbuch eingetragen. Der Erbbauzins betrug 187,08 DM.

Der Vertrag enthielt in § 11 eine Regelung des Erbbauzinses, wonach sich der jährliche Erbbauzins am Verkehrswert des Grundstücks orientieren sollte.

Der Vertrag wurde dann mit notariellem Vertrag des Notars P1 vom 06.11.1975 (UR Nr. 647/1975) geändert, und enthält nunmehr die folgenden Regelungen:

… sind sich darüber einig, dass seitens der Beteiligten zu 1) eine Änderung des Erbbauzinses verlangt werden kann. Der Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses entspricht unter Berücksichtigung aller Umstände der Billigkeit. Die Erhöhung geht nicht über die seit Vertragsabschluss eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse hinaus. Der Anspruch auf Erhöhung des Erbbauzinses wird erstmals geltend gemacht, nachdem seit Vertragsschluss mehr als 3 Jahre vergangen sind.

Demgemäß sind sich die Vertragsschließenden darüber einig, dass nach Ablauf der im Erbbaurechtsvertrag in § 11 vereinbarten Frist von 10 Jahren – vom Tage der Eintragung des Erbbaurechts an gerechnet – der jährliche Erbbauzins -,62 DM pro qm, insgesamt also 448,88 Deutsche Mark beträgt.

Die Vertragsschließenden ändern ferner die Vereinbarung über den Erbbauzins dahin, dass der Erbbauzins nicht mehr dem steigenden oder fallenden Wert des Grundstücks entsprechen, sondern für die Zukunft dem Lebenshaltungskostenindex angeglichen werden soll. Auch diese Änderung dürfte den Bestimmungen des Gesetzes zur Änderung der Verordnung über das Erbbaurecht vom 8. Januar 1974 entsprechen.

Die Bestimmungen des § 11 über den Erbbauzins enthalten gemäß mit Wirkung vom 16.6.1974 folgende Fassung:

„Der jährliche Erbbauzins beträgt -,62 DM pro qm, also 448,88 Deutsche Mark für die ganze Fläche. Der Erbbauzins ist als Reallast im Grundbuch einzutragen. Er ist jährlich nachträglich am 2. Januar eines jeden Jahres zu entrichten.

Ändert sich der vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden für die gesamte Bundesrepublik amtlich festgestellte Lebenshaltungskostenindex für die mittlere Verbrauchergruppe (Verbrauchsschema 1970 = 100, Stand Dez. 1972 = 113,7) künftig um mehr als 10% nach oben oder unten, so ändert sich jeweils auch der Erbbauzins in dem gleichen prozentualen Verhältnis, und zwar vom Beginn des nächsten Kalenderjahres an, jedoch mit der Maßgabe, dass die Änderung gem. den Bestimmungen des Gesetzes vom 8. Januar 1974 erst gefordert werden kann, nachdem 3 Jahre seit der zuletzt durchgeführten Erhöhung vergangen sind.

Wenn aufgrund der vorstehenden Wertsicherungsklausel eine Anpassung des Erbbauzinses durchgeführt worden ist, wird die Klausel gemäß den Bestimmungen des vorangehenden Absatzes erneut anwendbar und ist der Erbbauzins demgemäß – jedoch nicht vor Ablauf von 3 Jahren – erneut anzupassen, sobald sich der Lebenshaltungskostenindex (Stand 1971 = 100) gegenüber seinem Stand im Zeitpunkt der vorangegangenen Anpassung des Erbbauzinses erneut um mehr als 10% nach oben oder unten verändert hat…“

(Hervorhebungen durch die Unterzeichnerin)

Das letzte Erhöhungsverlangen erfolgte zum 02.01.2011.

Die Beklagte zu 2) zahlte in den Jahren 2013, 2014 und 2015 jeweils 558,09 EUR.

Die Beklage zu 2) hat ihr Erbbaurecht mit notariellem Vertrag vom 11.11.2014 an die Beklagte zu 1) übertragen im Wege vorweggenommener Erbfolge, wobei eine Zustimmung der Klägerin zu diesem Vertrag nicht erfolgt ist. Der Vertrag vom 06.03.1964 enthält in § 9 eine Regelung, wonach zur Veräußerung des Erbbaurechts eine Zustimmung der Grundstückseigentümerin erforderlich ist.

Die Klägerin meint, die Passivlegitimation der Beklagten zu 1) ergebe sich aus dem notariellen Übertragungsvertrag. Der Erbbauzins in den Jahren 2013, 2014 und 2015 habe 585,02 EUR betragen, wozu sie in der Klageschrift Berechnungen anstellt (Blatt 32/33 der Akte). Nach diesen Berechnungen soll im Dezember 1975 statt der bisherigen 448,88 DM ein Zins von 539,55 DM zu zahlen sein. Ausgangspunkt der Berechnungen sei der Monat Dezember 1972, denn hierauf werde im Vertrag ausdrücklich Bezug genommen. Sie verweist darauf, dass die mit der alten Klausel verbundenen wirtschaftlichen Einschränkungen gewichtiger als die Neufestsetzung des Erbbauzinses gewesen seien. Sie differenziert zwischen dinglichem und schuldrechtlichen Erbbauzins. Neben dem dinglichen Erbbauzins könne zusätzlich eine schuldrechtliche Verpflichtung vereinbart werden. Man müsse unterscheiden zwischen dem fest bestimmten dinglich wirkenden Erbbauzinsanspruch und die der obligatorischen Verpflichtung zur Anpassung des Erbbauzinses an die wirtschaftlichen Verhältnisse. Die Erhöhungen nach der Wertsicherungsklausel träten automatisch in Kraft.

Die Klägerin beantragt, die Beklagten zu verurteilen, gesamtschuldnerisch an die Klägerin 80,79 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.02.2016 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten bestreiten die Richtigkeit der Berechnung der Klägerin. Sie monieren, dass die erste Erhöhung bereits einen Monat nach Beurkundung des Vertrags vom 06.11.1975 eintreten soll von 448,88 DM auf 539,55 DM. Sie verweisen darauf, dass es nach dem Vertrag vom 06.03.1964 10 Jahre dauern sollte, bis erstmalig erhöht wird. Diese Frist sei nicht eingehalten. Zudem sei der Erbbauzins schon im Rahmen des Vertrags vom 06.11.1975 deutlich erhöht worden.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird verwiesen auf die gewechselten Schriftsätze sowie den weiteren Inhalt der Akte.

Entscheidungsgründe

I.

Die Klage gegen die Beklagten zu 1) war abzuweisen, da die Beklagte zu 1) nicht Erbbauberechtigte ist.

Der notarielle Vertrag vom 11.11.2014 zwischen der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) begründet ein relatives Schuldverhältnis, ihm kommt keine dingliche Wirkung zu.

Zudem ist der Vertrag schwebend unwirksam. Vertraglich ist in Übereinstimmung mit § 5 Abs. 1 ErbbauRG geregelt, dass die Übertragung des Erbbaurechts einer Zustimmung der Klägerin bedarf. Eine Zustimmung liegt nicht vor.

Auch die Erhebung der Klage gegen die Beklagte zu 1) ist nicht gem. §§ 133, 157, 242 BGB als Zustimmung auszulegen, auch wenn eine Zustimmung gem. § 182 BGB grundsätzlich nicht der Form bedarf, denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin der Beklagtenseite entgegenkommen wollte. Zwar verhält sich die Klägerin widersprüchlich, wenn sie sich einerseits auf die Wirksamkeit des Vertrags ihr gegenüber beruft und andererseits die Zustimmung nicht erteilt, dieser Widerspruch muss allerdings nicht über § 242 BGB aufgelöst werden, da es im Rahmen der Zahlungsklage an einer schlechthin untragbaren Situation für die Beklagte zu 1) fehlt, da lediglich die Klage insoweit abzuweisen ist mit Kostenfolge zu Lasten der Klägerin.

II.

Auch die Klage gegen die Beklagte zu 2) war abzuweisen, da der Erbbauzins nicht die von Klägerseite vorgestellte Höhe erreicht.

1. Den Berechnungen ist der Preisindex für die Lebenshaltungskosten von Vier-Personen-Haushalten von Arbeitern und Angestellten mit mittlerem Einkommen, später dann der Verbraucherpreisindex für Deutschland zugrunde zu legen (nachfolgend: „Lebenshaltungskostenindex“).

2. Ausgangspunkt der Berechnungen ist der 16.06.1974. Zu diesem Zeitpunkt ist der Erbbauzins mit Vertrag vom 06.11.1975 erhöht worden von 187,08 DM auf 448,88 DM.

Das Gericht geht hier davon aus, dass die Änderung mit Wirkung zu diesem Zeitpunkt vorgenommen werden sollte, da zu diesem Zeitpunkt 10 Jahre seit Eintragung des Erbbaurechts verstrichen waren, war doch das Erbbaurecht am 15.05.1964 in das Grundbuch eingetragen worden. Die Parteien haben hier sodann ausdrücklich ein ganz konkretes Wirksamkeitsdatum in der notariellen Urkunde benannt. Es gibt auch keinerlei Anhaltspunkte, dass dieses Datum nicht gewollt gewesen sein könnte.

Die Parteien haben zudem vereinbart, dass eine Änderung des Erbbauzinses erfolgen soll, wenn sich der Lebenshaltungskostenindex künftig um mehr als 10% ändert. Auch diese Formulierung schließt aus, dass Ausgangspunkt der Berechnungen ein Datum vor dem 16.06.1974 sein könnte. Sodann heißt es weiter in der Präambel zu der neuen Regelung, dass der Erbbauzins für die Zukunft dem Lebenshaltungskostenindex angeglichen werden soll.

Darüber würde ist die von der Klägerin vorgenommene Auslegung des Vertrags dazu führen, dass die Erhöhung unbillig wäre, denn in § 9 ErbbauRG i.d.F. vom 23.01.1974 heißt es, dass ein Erhöhungsanspruch als unbillig anzusehen ist, wenn und soweit die nach der vereinbarten Bemessungsgrundlage zu errechnende Erhöhung über die seit Vertragsabschluss eingetretene Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse hinausgeht (wobei Änderungen des Grundstückswerts – außer in Sonderfällen, zu denen klägerseits nichts vorgetragen ist – außer Betracht bleiben). Die Unbilligkeit bedeutet aber gem. § 9a ErbbauRG i.d.F. v. 23.01.1974 und in der aktuellen Fassung, dass eine Änderung des Erbbauzinses insoweit nicht verlangt werden kann.

Zudem geht das Gericht davon aus, dass sich die Parteien auch an dem ursprünglichen Vertrag festhalten lassen wollten. Eine Änderung vor Ablauf der 10Jahresfrist war ursprünglich nicht beabsichtigt. Die Änderung zum 16.06.1974 respektiert die ursprünglich vereinbarte 10Jahresfrist.

Soweit die Klägerseite ausführt, die Klägerin habe schließlich auf die Erhöhung des Erbbauzinses auf 4% vom Grundstückswert verzichtet, geht diese Argumentation fehlt. Wenn tatsächlich ein Verzicht stattgefunden hätte, hätte dies bedeutet, dass eine Erhöhung über den Lebenshaltungskostenindex hinaus stattgefunden hätte. Diese aber hätte die Klägerin wegen Unbilligkeit ohnehin nicht verlangen können.

Soweit die Klägerin aus der Erwähnung des Dez. 1972 im Vertrag schließen möchte, dass dieser Monat auch Bezugspunkt der Berechnungen ist, folgt das Gericht dem nicht. Es geht hier um die folgende Klausel:

Ändert sich der vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden für die gesamte Bundesrepublik amtlich festgestellte Lebenshaltungskostenindex für die mittlere Verbrauchergruppe (Verbrauchsschema 1970 = 100, Stand Dez. 1972 = 113,7) künftig um mehr als 10% nach oben oder unten,…

Es geht um künftige Änderungen. Die Parteien wiederholen an mehreren Stellen des Änderungsvertrages, dass es stets um künftige Änderungen geht. Künftig kann sich bei redlichem Verständnis immer nur auf den vertraglichen Anpassungszeitpunkt 16.06.1974 beziehen.

Im Übrigen wäre eine Erhöhung ab 1972 unbillig, denn es würde bedeuten, dass die Erhöhungen seit dem 16.06.1974 über den Erhöhungen des Lebenshaltungskostenindex liegen, da ja schon ab 1972 gerechnet wird. Sie wären schon aus diesem Grunde zu kürzen.

Für die Vertragsauslegung ist aus der klägerseits betonten Differenzierung zwischen dinglichem und schuldrechtlichen Erbbauzins nichts herzuleiten.

3.

Es kommt darauf an, welche Erhöhungen nach der vertraglichen Regelung „durchgeführt“ worden sind. Denn die Parteien formulieren in der Vertragsänderung vom 06.11.1975 wie folgt:

Wenn aufgrund der vorstehenden Wertsicherungsklausel eine Anpassung des Erbbauzinses durchgeführt worden ist, wird die Klausel gemäß den Bestimmungen des vorangehenden Absatzes erneut anwendbar und ist der Erbbauzins demgemäß – jedoch nicht vor Ablauf von 3 Jahren – erneut anzupassen.

Eine automatische Erhöhung tritt danach nicht ein, die Klägerin muss die Erhöhung geltend machen.

Das letzte Erhöhungsverlangen erfolgte zum 02.01.2011 auf 558,99 EUR. Das entspricht dem Indexstand von März 2011 ausgehend von 448,88 DM im Juni 1974.

Frühestens kann danach wegen der vereinbarten 3Jahresfrist wieder erhöht werden zum 02.01.2014, – also für das Kalenderjahr 2013.

Die 10%-Grenze ist allerdings noch nicht überschritten, und zwar weder 2013, noch 2014, noch 2015, noch zum Zeitpunkt des Urteilsspruchs, weshalb eine Anpassung derzeit noch nicht verlangt werden kann und auch für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht verlangt werden konnte.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 708 Nr. 11, 711 BGB.

Die Berufung war – auch mit Zustimmung der Klägerin – zuzulassen, da der hier streitgegenständliche Vertrag seitens der Klägerin allein in O1 im O2 in einer Vielzahl von Fällen verwendet worden ist und der Angelegenheit insofern auch eine grundsätzliche Bedeutung zukommt.

 

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