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Erbbaurecht – im Ersterwerbervertrag genannte Kosten muss Erwerber übernehmen

Ein Lübecker Wohnungsunternehmen scheiterte vor Gericht mit dem Versuch, die Kosten für Straßenreinigung, Niederschlagswasser und Winterdienst auf einen Erbbaurechtsnehmer umzulegen. Ein Vertrag aus dem Jahr 1959 sah eine solche Kostenbeteiligung nicht vor, entschied das Landgericht und wies die Klage ab. Der Fall zeigt, wie wichtig klare Regelungen in Erbbaurechtsverträgen – gerade bei langfristigen Vereinbarungen – sind.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Lübeck
  • Datum: 08.08.2024
  • Aktenzeichen: 14 S 76/23
  • Verfahrensart: Berufungsverfahren
  • Rechtsbereiche: Vertragsrecht, Erbbau- und Grundstücksrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Wohnungsunternehmen, das die Gemeinschaftsflächen verwaltet. Argumentiert, dass die Kosten für Straßenreinigungsgebühren, Niederschlagswasser und Winterdienst auf die Erbbaurechtsnehmer umlegbar sind, da diese von der Pflege der Gemeinschaftsflächen profitieren. Betont, dass bei Abschluss des Ersterwerbervertrags im Jahr 1959 diese Kosten nicht vorhersehbar waren.
  • Beklagte: Erbbaurechtsnehmer. Argumentiert, dass nach dem Ersterwerbervertrag keine Verpflichtung zur anteiligen Übernahme der besagten Kosten besteht, da diese explizit nicht aufgelistet sind.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Der Kläger verlangt von der Beklagten eine anteilige Kostenübernahme für Straßenreinigung, Niederschlagswasser und Winterdienst. Diese Kosten entstanden nach dem Abschluss des Ersterwerbervertrags aus dem Jahr 1959 und sind nicht explizit dort aufgeführt. Das Amtsgericht Lübeck wies die Klage ab, weshalb der Kläger Berufung einlegte.
  • Kern des Rechtsstreits: Ob die im Ersterwerbervertrag beschriebenen Kostenpositionen durch Ergänzende Vertragsauslegung erweitert werden können, um die Umlage neuer Kosten auf die Erbbaurechtsnehmer zu ermöglichen.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Die Berufung des Klägers wurde zurückgewiesen. Es gibt keine Pflicht der Beklagten zur Übernahme der angefallenen Kosten.
  • Begründung: Der Ersterwerbervertrag von 1959 nennt explizit, welche Kosten umgelegt werden können. Eine Erweiterung dieser durch ergänzende Vertragsauslegung ist nicht möglich, da der Vertrag keine Regelungslücke aufweist. Die vom Kläger geforderten Kosten fallen nicht unter die im Vertrag geregelte Kostentragungspflicht.
  • Folgen: Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Entscheidung verdeutlicht, dass ungeplante oder neue Kosten ohne explizite vertragliche Regelung nicht umgelegt werden können. Das Urteil ist endgültig, da keine Gründe für eine Revision zugelassen wurden.

Erbbaurecht im Fokus: Rechte und Pflichten für Immobilienerwerber erläutert

Das Erbbaurecht ist ein wichtiger Bestandteil des Grundstücksrechts. Es ermöglicht einem Ersterwerber, auf einem Grundstück, das im Eigentum eines anderen bleibt, bauliche Nutzungsrechte zu erlangen. Diese Form des Immobilienerwerbs wird durch einen speziellen Erbbaurechtsvertrag geregelt, der neben den Rechten auch erbbaupachtliche Verpflichtungen, wie die Zahlung von Erbbaupachten und die Übernahme bestimmter Erwerberkosten, festlegt. In diesem Kontext ist es entscheidend, die finanziellen Aspekte, darunter Kaufnebenkosten und potenzielle Belastungen im Erbbaurecht, zu verstehen.

Im nachfolgenden Abschnitt wird ein konkreter Fall betrachtet, der die Rechte und Pflichten des Erwerbers hinsichtlich der im Ersterwerbervertrag festgehaltenen Kosten thematisiert und die aktuelle Rechtslage zum Erbbaurecht beleuchtet.

Der Fall vor Gericht


Streit um Umlage von Gemeinschaftskosten bei Erbbaurecht in Lübeck

Kehrmaschine reinigt die Straße in einer Wohnanlage mit Betonfassaden; ein Bewohner geht vorbei.
Streit um Kostenverteilung im Erbbaurecht | Symbolfoto: Ideogram gen.

Das Landgericht Lübeck hat in einem Berufungsverfahren die Klage eines Wohnungsunternehmens gegen einen Erbbaurechtsnehmer abgewiesen. Im Zentrum des Rechtsstreits stand die Frage, ob bestimmte Kosten für Gemeinschaftsflächen auf die Erbbaurechtsnehmer umgelegt werden können.

Kernfrage der Kostenverteilung bei Gemeinschaftsflächen

Das Wohnungsunternehmen wollte von dem Erbbaurechtsnehmer anteilige Zahlungen in Höhe von 203,99 Euro für das Jahr 2021 eintreiben. Diese Summe setzte sich aus Straßenreinigungsgebühren (199,64 Euro), Niederschlagswasser (984,40 Euro) sowie Winterdienst (1.745,00 Euro) zusammen. Grundlage des Streits war ein Ersterwerbervertrag aus dem Jahr 1959, der die Verwaltung und Pflege von Gemeinschaftsflächen regelt.

Rechtliche Grundlagen aus dem Ersterwerbervertrag

Der Vertrag verpflichtet das Wohnungsunternehmen zur Verwaltung, Pflege und Erhaltung der Gemeinschaftsflächen. Die Erbbaurechtsnehmer müssen im Gegenzug einen jährlichen Verwaltungskostenbeitrag leisten. Dieser Beitrag deckt die Kosten der Verwaltung, Pflege und Erhaltung – ausdrücklich nicht jedoch der Reinigung – sowie Erbbauzinsen und Grundsteuern für gemeinschaftliche Grünflächen, Wohnwege, Müllstände und Einstellplätze.

Gerichtliche Bewertung der Kostenumlage

Das Landgericht bestätigte die Entscheidung des Amtsgerichts Lübeck. Die strittigen Kosten fallen nicht unter die im Vertrag aufgeführten Positionen. Straßenreinigungsgebühren sind nach dem expliziten Wortlaut des Vertrags von der Kostentragungspflicht ausgenommen. Niederschlagswasser und Winterdienst lassen sich weder der Verwaltung, Pflege und Erhaltung noch den Erbbauzinsen oder Grundsteuern zuordnen. Eine Anpassung des Verwaltungskostenbeitrags ist laut Gericht nur für die im Vertrag konkret bezeichneten Positionen möglich, nicht aber für neue Abrechnungspositionen.

Bedeutung fehlender Mehrbelastungsklausel

Das Gericht wies darauf hin, dass der Vertrag keine Mehrbelastungsklausel enthält, die eine Umlage neuer oder erhöhter Kosten ermöglichen würde. Eine solche Klausel wäre, ähnlich wie im Betriebskostenrecht, erforderlich gewesen. Das Argument des Wohnungsunternehmens, die Kosten seien bei Vertragsschluss 1959 nicht vorhersehbar gewesen, ließ das Gericht nicht gelten. Eine ergänzende Vertragsauslegung scheitert daran, dass nicht feststellbar ist, ob im Ersterwerbervertrag tatsächlich eine Regelungslücke besteht.


Die Schlüsselerkenntnisse


„Das Urteil stellt klar, dass nachträglich entstandene Kosten für Gemeinschaftsflächen (wie Straßenreinigung oder Winterdienst) nicht automatisch auf Erbbaurechtsnehmer umgelegt werden können, wenn diese nicht ausdrücklich im ursprünglichen Vertrag genannt sind. Der Grundsatz lautet: Kosten trägt derjenige, in dessen Pflicht- und Verantwortungsbereich sie entstehen. Eine nachträgliche Kostenumlage bedarf einer expliziten vertraglichen Regelung, etwa in Form einer Mehrbelastungsklausel.“

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie Erbbaurechtsnehmer sind, müssen Sie nur die Kosten tragen, die in Ihrem Erbbaurechtsvertrag eindeutig als umlagefähig festgelegt sind. Neue oder später hinzugekommene Gebühren wie Straßenreinigung oder Winterdienst können nicht ohne Weiteres auf Sie umgelegt werden. Prüfen Sie bei Nebenkostenabrechnungen genau, ob die geforderten Positionen durch Ihren Vertrag gedeckt sind. Bei Unklarheiten können Sie die Zahlung verweigern und sich auf dieses Urteil berufen.


 

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was sind die grundlegenden Rechte und Pflichten bei einem Erbbaurecht bezüglich der Kostenverteilung?

Bei einem Erbbaurecht ergeben sich spezifische Rechte und Pflichten hinsichtlich der Kostenverteilung zwischen dem Erbbaurechtsgeber (Grundstückseigentümer) und dem Erbbauberechtigten. Diese basieren auf dem Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG) und werden üblicherweise im Erbbaurechtsvertrag konkretisiert.

Rechte und Pflichten des Erbbauberechtigten

Als Erbbauberechtigter erhalten Sie das Recht, auf einem fremden Grundstück ein Bauwerk zu errichten und zu nutzen. Mit diesem Recht gehen jedoch auch finanzielle Verpflichtungen einher:

  • Erbbauzins: Sie müssen dem Grundstückseigentümer regelmäßig einen Erbbauzins zahlen. Dieser beträgt typischerweise zwischen 3% und 6% des Grundstückswerts pro Jahr. Wenn Sie beispielsweise ein Grundstück mit einem Wert von 100.000 Euro nutzen, könnten jährlich 3.000 bis 6.000 Euro fällig werden.
  • Laufende Kosten: Als wirtschaftlicher Eigentümer tragen Sie in der Regel alle auf Grundstück und Erbbaurecht entfallenden Steuern, Abgaben und sonstigen Lasten. Dazu gehören die Grundsteuer, Gemeindegebühren sowie Erschließungs- und Anschlusskosten.
  • Baukosten und Instandhaltung: Die Kosten für die Errichtung und Instandhaltung des Gebäudes fallen Ihnen zu. Oft wird im Vertrag eine explizite Instandhaltungsverpflichtung festgelegt.
  • Versicherungen: Üblicherweise müssen Sie das Bauwerk gegen Brandschäden und andere Gefahren versichern.

Rechte und Pflichten des Erbbaurechtsgebers

Als Erbbaurechtsgeber bleiben Sie Eigentümer des Grundstücks, haben aber eingeschränkte Rechte und Pflichten:

  • Erbbauzinsanspruch: Sie haben das Recht, den vereinbarten Erbbauzins zu erhalten. Dieser ist oft als Reallast im Grundbuch eingetragen.
  • Eingeschränkte Verfügungsgewalt: Sie dürfen keine Verfügungen über das Grundstück treffen, die die Rechte des Erbbauberechtigten beeinträchtigen.
  • Zustimmungsrechte: Oft wird vertraglich vereinbart, dass Sie bestimmten Verfügungen über das Erbbaurecht, wie Veräußerung oder Belastung, zustimmen müssen.

Besondere Kostenaspekte

  • Grunderwerbsteuer: Wenn Sie ein Erbbaurecht erwerben, müssen Sie Grunderwerbsteuer zahlen, obwohl Sie nicht Eigentümer des Grundstücks werden.
  • Notarkosten und Grundbucheintragung: Diese Kosten fallen bei der Bestellung des Erbbaurechts an und werden üblicherweise vom Erbbauberechtigten getragen.

Beachten Sie, dass die genaue Kostenverteilung im Erbbaurechtsvertrag festgelegt wird und von den gesetzlichen Regelungen abweichen kann. Wenn Sie ein Erbbaurecht in Betracht ziehen, ist es wichtig, alle Kostenaspekte sorgfältig zu prüfen und zu verhandeln.


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Welche Kosten können bei Gemeinschaftsflächen im Erbbaurecht standardmäßig umgelegt werden?

Bei Gemeinschaftsflächen im Erbbaurecht können ausschließlich die laufenden Betriebskosten auf die Nutzer umgelegt werden. Diese müssen im Sinne der Betriebskostenverordnung durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Gebäudes und des Grundstücks entstehen.

Umlagefähige Gemeinschaftskosten

Zu den umlagefähigen Kosten für Gemeinschaftsflächen gehören insbesondere:

  • Reinigungskosten für gemeinsam genutzte Wege und Flächen
  • Kosten für Beleuchtung der Gemeinschaftsflächen
  • Kosten für Pflege und Unterhalt von Grünanlagen
  • Kosten für die Wartung gemeinsamer technischer Anlagen

Nicht umlagefähige Kosten

Erbbauzinsen sind grundsätzlich nicht umlagefähig. Sie stellen eigentümertypische Kosten dar und können auch bei vertraglicher Vereinbarung nicht auf Mieter oder Nutzer übertragen werden. Dies gilt auch für:

  • Finanzierungskosten des Erbbaurechts
  • Erschließungskosten
  • Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten der Gemeinschaftsflächen

Kostenverteilung bei Schäden

Bei Schäden an gemeinschaftlich genutzten Einrichtungen, wie etwa Abwasserleitungen, tragen die Kosten grundsätzlich alle Eigentümer der Erbbaurechtsgemeinschaft. Die Verteilung erfolgt nach den im Erbbaurechtsvertrag festgelegten Anteilen.

Die Umlage von Kosten für Gemeinschaftsflächen setzt voraus, dass diese im Erbbaurechtsvertrag oder in der Gemeinschaftsordnung eindeutig geregelt ist. Wenn Sie als Erbbauberechtigter Kosten für Gemeinschaftsflächen tragen müssen, prüfen Sie die vertraglichen Grundlagen genau.


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Wie bindend sind Kostenfestlegungen aus alten Erbbaurechtsverträgen heute?

Kostenfestlegungen aus alten Erbbaurechtsverträgen sind grundsätzlich bindend, unterliegen jedoch modernen Anpassungsmöglichkeiten.

Gesetzliche Anpassungsmöglichkeiten

Der Erbbauzins kann nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs alle drei Jahre an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst werden. Diese Anpassung orientiert sich in der Regel an der Entwicklung des Verbraucherpreisindexes für den zurückliegenden Prüfzeitraum.

Grenzen der Anpassung

Bei Wohnimmobilien gilt eine wichtige Einschränkung: Eine Erhöhung des Erbbauzinses ist nur dann zulässig, wenn sie nicht über die Veränderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse hinausgeht. Diese Veränderung wird anhand der Entwicklung der Lebenshaltungskosten und Einkommensverhältnisse gemessen.

Praktische Auswirkungen

Die Bindungswirkung alter Verträge kann zu erheblichen finanziellen Konsequenzen führen. Wenn beispielsweise der ursprüngliche Vertrag ausläuft und eine Verlängerung angeboten wird, können die Erbbauzinsen deutlich steigen. In der Praxis sind Steigerungen um das Achtfache keine Seltenheit. Ein konkretes Beispiel zeigt sich in Hamburg, wo Erhöhungen von 830% geplant wurden – aus 1.000 € jährlichem Erbbauzins wurden so 8.300 €.

Schutzrechte der Erbbauberechtigten

Bei Zahlungsschwierigkeiten greift ein besonderer Schutz: Ein Heimfall des Erbbaurechts kann erst dann eintreten, wenn der Erbbauberechtigte mit mindestens zwei Jahresbeträgen des Erbbauzinses im Rückstand ist. Vereinbarungen, die den Erbbauberechtigten stärker belasten, sind unwirksam.


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Welche Bedeutung hat eine Mehrbelastungsklausel im Erbbaurechtsvertrag?

Eine Mehrbelastungsklausel im Erbbaurechtsvertrag ermöglicht dem Grundstückseigentümer, nach Vertragsschluss neu anfallende oder entstehende Betriebskosten auf den Erbbauberechtigten umzulegen.

Rechtliche Grundlage und Wirkung

Die Mehrbelastungsklausel ist sowohl in der Gewerberaummiete als auch in der Wohnraummiete grundsätzlich zulässig. Eine wirksame Formulierung lautet beispielsweise: „Werden öffentliche Abgaben neu eingeführt oder entstehen Betriebskosten neu, so können diese vom Vermieter im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften umgelegt und angemessene Vorauszahlungen festgesetzt werden“.

Umfang und Grenzen

Bei Vorliegen einer wirksamen Mehrbelastungsklausel darf der Grundstückseigentümer neue Betriebskosten nach § 2 Nr. 1 bis 16 BetrKV umlegen. Wichtige Einschränkung: Die Klausel ermöglicht keine Umlage von Kosten, die bereits bei Vertragsschluss umlegbar waren, jedoch nicht einbezogen wurden.

Zeitliche Wirkung

Die Mehrbelastungsklausel wirkt nur für die Zukunft. Eine rückwirkende Kostenbelastung ist nicht zulässig. Wenn durch Erhöhung oder Neueinführung von Betriebskosten eine Mehrbelastung des Grundstückseigentümers eintritt, ist der Erbbauberechtigte verpflichtet, den entsprechenden Mehrbetrag ab dem Zeitpunkt der Entstehung zu zahlen.

Besonderheiten bei Altverträgen

Bei Mietverträgen, die vor dem 1. September 2001 abgeschlossen wurden, ist eine einseitige Erhöhung einer Betriebskostenpauschale bzw. die Neueinführung von Betriebskosten nur zulässig, wenn im Vertrag ein entsprechender Vorbehalt in Form einer Mehrbelastungsklausel enthalten ist. Fehlt eine solche Klausel, ist eine Umlage erhöhter oder neuer Betriebskosten nicht möglich.


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Wann ist eine nachträgliche Vertragsanpassung bei Erbbaurechtsverträgen möglich?

Eine nachträgliche Anpassung des Erbbaurechtsvertrags ist in bestimmten Situationen möglich. Die wichtigste Voraussetzung ist das Vorliegen einer wesentlichen oder nachhaltigen Veränderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse.

Vertraglich vereinbarte Anpassungsmöglichkeiten

Wenn Sie einen Erbbaurechtsvertrag abgeschlossen haben, können darin bereits konkrete Anpassungsklauseln enthalten sein. Diese Klauseln regeln typischerweise die Voraussetzungen für eine Erhöhung oder Herabsetzung des Erbbauzinses. Eine solche Anpassung wird meist an objektive Kriterien wie die Entwicklung des Lebenshaltungsindex geknüpft.

Gesetzliche Anpassungsmöglichkeiten

Auch ohne vertragliche Regelung können Sie unter bestimmten Umständen eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) verlangen. Hierfür müssen sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, schwerwiegend verändert haben.

Grenzen der Vertragsanpassung

Eine Anpassung ist nicht möglich, wenn:

  • die Veränderung bei Vertragsschluss vorhersehbar war
  • das Gleichgewicht von Leistung und Gegenleistung nicht erheblich gestört ist
  • die Veränderung zum normalen vertraglichen Risiko gehört

Wenn Sie beispielsweise eine Erhöhung des Erbbauzinses anstreben, muss die Wertsteigerung deutlich über normale Marktveränderungen hinausgehen. Die Rechtsprechung hat eine Anpassung in Fällen bejaht, in denen die Lebenshaltungskosten um 150 Prozent gestiegen sind und eine Entwertung von 60 Prozent eingetreten ist.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Erbbaurecht

Ein dingliches Recht, das es ermöglicht, auf einem fremden Grundstück ein Bauwerk zu errichten oder zu unterhalten. Der Erbbaurechtsnehmer wird Eigentümer des Gebäudes, während das Grundstück im Eigentum des Erbbaurechtsgebers bleibt. Geregelt im Erbbaurechtsgesetz (ErbbauRG). Das Erbbaurecht wird meist für 60-99 Jahre vereinbart und ist grundbuchlich gesichert. Beispiel: Familie Meyer erhält ein Erbbaurecht an einem städtischen Grundstück, baut darauf ihr Eigenheim und zahlt der Stadt einen jährlichen Erbbauzins.


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Erbbaupacht

Die regelmäßige Zahlung, die der Erbbaurechtsnehmer an den Grundstückseigentümer für die Nutzung des Grundstücks leistet. Sie ist im Erbbaurechtsvertrag festgelegt und kann an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst werden (§ 9 ErbbauRG). Vergleichbar mit einer Miete für das Grundstück. Beispiel: Monatliche Zahlung von 200€ an den Grundstückseigentümer für die Nutzung des Grundstücks im Rahmen des Erbbaurechts.


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Ersterwerbervertrag

Der ursprüngliche Vertrag, der die Begründung eines Erbbaurechts und dessen Bedingungen regelt. Er legt die grundlegenden Rechte und Pflichten zwischen Erbbaurechtsgeber und erstem Erbbaurechtsnehmer fest. Besonders wichtig sind darin enthaltene Regelungen zu Kosten, Nutzung und Verwaltung. Nach § 2 ErbbauRG muss er notariell beurkundet werden. Spätere Erwerber treten in die Rechte und Pflichten dieses Vertrags ein.


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Mehrbelastungsklausel

Eine vertragliche Regelung, die es ermöglicht, nachträglich entstehende oder sich erhöhende Kosten auf den Erbbaurechtsnehmer umzulegen. Vergleichbar mit Klauseln im Mietrecht nach § 556 BGB. Ohne eine solche Klausel können neue Kostenarten nicht nachträglich dem Erbbaurechtsnehmer auferlegt werden. Beispiel: Einführung einer neuen kommunalen Abgabe, die ohne Mehrbelastungsklausel nicht auf den Erbbaurechtsnehmer umgelegt werden kann.


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Ergänzende Vertragsauslegung

Ein rechtliches Instrument zur Schließung von Vertragslücken nach §§ 133, 157 BGB. Dabei wird ermittelt, was die Parteien bei Kenntnis der Regelungslücke nach Treu und Glauben vereinbart hätten. Kommt nur zur Anwendung, wenn der Vertrag eine echte Regelungslücke aufweist. Beispiel: Wenn neue Technologien oder Umstände entstehen, die bei Vertragsschluss nicht vorhersehbar waren.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 4 Abs. 3b des Ersterwerbervertrags: Diese Vertragsklausel regelt, dass Erbbaurechtsnehmer einen jährlichen Verwaltungskostenbeitrag für Gemeinschaftsflächen zu zahlen haben. Der Beitrag umfasst die Kosten der Verwaltung, Pflege und Erhaltung, nicht jedoch die Reinigung oder zusätzliche Kosten wie Straßenreinigung, Niederschlagswasser oder Winterdienst. Die Regelung zielt darauf ab, eine klare Abgrenzung der umlagefähigen Positionen sicherzustellen.
    Im vorliegenden Fall ist entscheidend, dass die streitgegenständlichen Kosten (Straßenreinigung, Niederschlagswasser, Winterdienst) nicht von dieser Regelung abgedeckt sind. Sie sind explizit ausgeschlossen, wodurch der Kläger keine Ansprüche gegen die Beklagte darauf geltend machen kann.
  • § 560 Abs. 1 BGB (Umlage von Betriebskosten): Diese Vorschrift besagt, dass Betriebskosten nur dann umgelegt werden können, wenn dies vertraglich vereinbart wurde. Neu entstehende oder erhöhte Betriebskosten bedürfen einer entsprechenden Mehrbelastungsklausel, um umlagefähig zu sein.
    Der Fall zeigt Parallelen zu dieser Vorschrift, da eine entsprechende Mehrbelastungsklausel im Ersterwerbervertrag fehlt. Ohne eine solche Regelung kann der Kläger die neu entstandenen Kosten nicht auf die Erbbaurechtsnehmer abwälzen.
  • Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB): Diese Grundsätze erlauben die Schließung von Regelungslücken, wenn der Vertrag eine planwidrige Lücke aufweist und die ergänzende Auslegung dem mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien entspricht.
    Im Fall wurde festgestellt, dass keine planwidrige Lücke besteht, da die Vertragsparteien die Kostenaufteilung bewusst geregelt haben. Eine ergänzende Auslegung scheidet aus, da die streitigen Kosten nicht in den ursprünglichen Regelungsbereich fallen.
  • § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage): Diese Norm ermöglicht die Anpassung eines Vertrags, wenn sich Umstände, die zur Grundlage des Vertrags wurden, nachträglich schwerwiegend geändert haben und eine Fortführung des Vertrags unzumutbar wäre.
    Der Kläger hätte eine Anpassung des Vertrags unter Berufung auf diese Vorschrift beantragen können, da die Kostenstruktur der Gemeinschaftsflächen sich offenbar erheblich verändert hat. Im Verfahren wurde dies jedoch weder ausreichend dargelegt noch beantragt.
  • § 97 Abs. 1 ZPO (Kosten des Verfahrens): Diese Regelung besagt, dass die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat.
    Im vorliegenden Verfahren trägt der Kläger die Kosten, da seine Berufung erfolglos blieb und er die Forderung nicht durchsetzen konnte. Dies verdeutlicht die Bedeutung einer sorgfältigen Prüfung der Rechtslage vor Klageerhebung.

Das vorliegende Urteil


LG Lübeck – Az.: 14 S 76/23 – Urteil vom 08.08.2024


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