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Erbbaugrundbuch – erstmalige Übertragung des Erbbaurechts

Oberlandesgericht Saarbrücken – Az.: 5 W 32/19 – Beschluss vom 22.07.2019

Die Zwischenverfügung des Amtsgerichts – Grundbuchamt – Saarbrücken vom 20.5.2019 wird aufgehoben.

Gründe

I.

Durch notariellen Auseinandersetzungsvertrag vom 23.10.2018 übertrugen die Antragsteller zu 1) – 5), die Erben der im Erbbaugrundbuch von Weiskirchen Blatt … eingetragenen Erbbauberechtigten F. und A. Sch., das Erbbaurecht mit allen damit zusammenhängenden Rechten an den Antragsteller zu 5) als Alleinerbbauberechtigten.

In der Vereinbarung nach § 2 ErbbauRG vom 13.2.1969 vor Notar W. bestellte die Katholische Kirchengemeinde Weiskirchen als Grundstückseigentümerin der Gemeinde Weiskirchen an einigen Grundstücksparzellen Erbbaurechte. Das streitgegenständliche Erbbaurecht betrifft eine dieser Parzellen. In § 2 dieser Vereinbarung ist formuliert:

„Die Gemeinde Weiskirchen ist berechtigt, das Erbbaurecht im Ganzen oder unterteilt nach Parzellen weiter zu veräußern, ohne dass es hierzu der Zustimmung des Grundstückseigentümers bedarf. Die danach Erbbauberechtigten sind verpflichtet auf den Flächen Gebäude zu errichten, die nach den von der Gemeinde Weiskirchen aufgestellten Richtlinien erbaut werden müssen. Die Erbbauberechtigten, denen das Erbbaurecht von der Gemeinde Weiskirchen weiterveräußert wird, sind berechtigt, die Erbbaugrundstücke zu belasten soweit und sofern dies ausschließlich für die Darlehensgewährung zur Errichtung der Gebäude erforderlich ist.“

Weitere Erklärungen zu erforderlichen Zustimmungen der Katholischen Kirchengemeinde Weiskirchen enthält die Vereinbarung nicht.

Der Antragstellervertreter beantragte u.a. mit Schreiben vom 26.2.2019 die Eintragung der Eigentumsänderung.

Das Amtsgericht – Grundbuchamt – Saarbrücken wies mit Zwischenverfügung vom 20.5.2019 darauf hin, der Eintragung stehe als Hinderungsgrund entgegen, dass keine Zustimmung des Grundstückseigentümers gemäß § 5 ErbbauRG vorliege.

Der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführer legte dagegen mit Schriftsatz vom 28.5.2019 Beschwerde ein.

II.

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

(1.)

Das Saarländische Oberlandesgericht ist gemäß § 72 GBO für die Entscheidung über die Beschwerde zuständig. Die Beschwerde gegen eine auf den Eintragungsantrag hin ergangene Zwischenverfügung ist zulässig (§§ 71 Abs. 1, 18 Abs. 1 GBO). Die Beschwerde ist im Namen der Beschwerdeführer eingelegt, wenn der Verfahrensbevollmächtigte nichts anderes angegeben hat (BGH, Beschl. v. 18.5.1989 – V ZB 4/89 – NJW 1989, 2059). Gegenstand des Beschwerdeverfahrens bildet allein das vom Grundbuchamt angenommene Eintragungshindernis, auf das sich die angefochtene Verfügung bezieht.

(2.)

Die Beschwerde ist auch begründet. Das in der angefochtenen Zwischenverfügung vom Amtsgericht Saarbrücken – Grundbuchamt – angenommene Eintragungshindernis besteht nicht.

Die Regelungen der Vereinbarung nach § 2 ErbbauRG vom 13.2.1969 vor Notar W. sind durch Eintragung im Grundbuch zum dinglichen Inhalt des Erbbaurechts geworden (§§ 2 und 14 ErbbauRG). Folglich hat die Auslegung dieser Regelungen ausschließlich nach den Grundsätzen für die Auslegung von Grundbucherklärungen zu erfolgen. Maßstab der Auslegung ist deshalb die Bedeutung, die sich nach Wortlaut und Sinn der Erklärung für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende ergibt. Außerhalb der Erklärung liegende Umstände dürfen zur Auslegung nur insoweit herangezogen werden, als sie für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH, Beschl. v. 21.2.1991 – V ZB 13/90 – NJW 1991, 1613; OLG Hamm, RPfleger 2013, 138).

Nach diesen Maßstäben ist es ausgeschlossen, für die grundbuchverfahrensrechtliche Prüfung des Vorgangs der Übertragung des Erbbaurechts (§ 15 ErbbauRG) in diese Regelungen etwas hineinzuinterpretieren, was in ihrem Wortlaut keine ausreichende Stütze findet.

In § 2 der Vereinbarung vom 13.2.1969 vor Notar W. wurden lediglich Regelungen für die Veräußerung des Erbbaurechts durch den ersten Erbbauberechtigten getroffen, damit es zu der zwischen den Beteiligten vorgesehenen Gebäudeerrichtungen nach den Richtlinien der Gemeinde Weiskirchen kommen konnte. Die weiteren Übertragungen des Erbbaurechts betraf diese Regelung nicht. Auch sonst fehlten in der Vereinbarung Regelungen für die Weiterübertragung.

Daraus kann keine Regelungssystematik mit der notwendigen Bestimmtheit abgeleitet werden, dass die ausdrücklich formulierte Zustimmungsfreiheit für die erstmalige Veräußerung durch die Gemeinde Weiskirchen im Umkehrschluss bedeuten sollte, dass für spätere Veräußerungen ein Zustimmungserfordernis begründet werden sollte. Dem steht bereits entgegen, dass die formulierte Zustimmungsfreiheit genauso gut den Sinn haben konnte, lediglich deklaratorisch die mangels Vereinbarung eines Zustimmungserfordernisses bestehende Rechtslage zu betonen.

Es mag sein, dass die Interessen des Erbbaurechtsgebers bei der Weiterveräußerung des Erbbaurechts an Dritte weitgehender geschützt sind, wenn ein Zustimmungserfordernis nach § 5 ErbbauRG vereinbart ist. Wenn die Katholische Kirchengemeinde Weiskirchen dies beabsichtigt hätte, wäre es ihre Aufgabe gewesen, dies eindeutig zum Ausdruck zu bringen (siehe zu einem vergleichbaren Fall: OLG Hamm, RPfleger 2013, 138).

Angesichts dieser Rechtslage kann auch nicht argumentiert werden, dass die Katholische Kirchengemeinde Weiskirchen als Grundstückseigentümerin der Gemeinde Weiskirchen eine wohl überlegte Erwerberauswahl zugetraut hatte, was Grund für die Regelung in § 2 der Vereinbarung vom 13.2.1969 gewesen war, ein solches Vertrauen in die Auswahl durch die Erbbauberechtigten bei der Weiterveräußerung aber nicht hatte. Dafür gibt es in der Vereinbarung keine ausreichenden Anhaltspunkte. Wäre dies der Fall gewesen, so wäre zu erwarten gewesen, dass in der Vereinbarung ausdrückliche Regelungen für die Weiterveräußerung aufgenommen worden wären.

Auch der Umstand, dass zwei Körperschaften des öffentlichen Rechts bei Abschluss der Vereinbarung vom 13.2.1969 beteiligt waren, rechtfertigt nicht die Überlegung, dass mit der bewussten Regelung in § 2 der Vereinbarung eine Ausnahme formuliert werden sollte, die darüber hinaus nicht gelten sollte. Nach § 5 ErbbauRG wäre gerade die ausdrückliche Bestimmung eines Zustimmungserfordernisses des Grundstückseigentümers die Ausnahme gewesen. Wäre also der Schluss richtig, dass Körperschaften des öffentlichen Rechts lediglich durchdachte Regelungen treffen, wäre sogar im Gegenteil der zwingende Schluss auf eine rein deklaratorische Regelung richtig.

Das Grundbuchamt durfte deshalb den Eintragungsantrag der Antragsteller nicht von der Vorlage einer Zustimmungserklärung des Grundstückseigentümers abhängig machen.

(3.)

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (§§ 22 und 25 GNotKG).

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