Ein verheirateter Mann wollte die Einzeladoption durch verheirateten Ehegatten für seinen volljährigen Stiefsohn gerichtlich durchsetzen. Trotz des Alters des Stiefsohnes hielt das Gericht die gesetzliche Pflicht zur gemeinschaftlichen Adoption streng aufrecht.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Einzeladoption durch Verheiratete: Warum das Gesetz einem Stiefvater einen Riegel vorschob
- Was war die familiäre Ausgangslage?
- Welches Gesetz verhinderte die geplante Adoption?
- Mit welchen Argumenten kämpfte der Stiefvater gegen diese Regelung?
- Wie begründete das Gericht seine strikte Haltung?
- Warum sahen die Richter keinen außergewöhnlichen Härtefall?
- Die Urteilslogik
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Muss mein Ehepartner bei der Stiefkindadoption zwingend mitmachen?
- Kann ich mein Stiefkind alleine adoptieren, wenn mein Ehegatte nicht zustimmen will?
- Wann gilt die Einzeladoption als außergewöhnlicher Härtefall im Sinne des Gesetzes?
- Ist die Pflicht zur gemeinschaftlichen Adoption für Verheiratete verfassungswidrig?
- Betrifft die Pflicht zur gemeinschaftlichen Annahme auch die Adoption Volljähriger?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 18 UF 26/23 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Stuttgart
- Datum: 06.03.2024
- Aktenzeichen: 18 UF 26/23
- Verfahren: Beschwerdeverfahren in Familiensachen
- Rechtsbereiche: Familienrecht, Adoptionsrecht, Verfassungsrecht
- Das Problem: Ein verheirateter Mann wollte den erwachsenen Sohn seiner geschiedenen Frau allein adoptieren. Seine derzeitige Ehefrau wollte sich nicht an der Adoption beteiligen. Das Gericht der ersten Instanz lehnte den Adoptionswunsch ab, weil Ehepartner nur gemeinsam adoptieren dürfen.
- Die Rechtsfrage: Darf ein verheirateter Partner ein Kind allein adoptieren, wenn seine Ehefrau nicht mitmachen will? Kann diese strenge Regelung in Härtefällen, etwa wegen psychischer Belastung des Anzunehmenden, durchbrochen werden?
- Die Antwort: Nein. Das Gericht wies die Beschwerde zurück und bestätigte die ablehnende Entscheidung. Das Gesetz verlangt für verheiratete Paare grundsätzlich die Gemeinschaftliche Adoption, um unerwünschte Stiefkindverhältnisse zu vermeiden. Die behauptete außergewöhnliche Härte oder existenzielle Belastung des Anzunehmenden reichte für eine Ausnahme nicht aus.
- Die Bedeutung: Der gesetzliche Grundsatz der gemeinschaftlichen Annahme von Kindern durch Ehegatten wird auch bei der Adoption Volljähriger streng angewandt. Eine Einzeladoption ist Eheleuten verwehrt. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese strenge Regelung bestätigte das Gericht nicht.
Der Fall vor Gericht
Einzeladoption durch Verheiratete: Warum das Gesetz einem Stiefvater einen Riegel vorschob
Für Paare ohne Trauschein ist der Weg frei. In einer Ehe wird er zur Sackgasse. Es geht um die Adoption eines erwachsenen Stiefsohnes – ein Akt, den das Gesetz einem Ehemann allein verbietet, während es einem unverheirateten Partner in einer festen Beziehung erlaubt wäre. Ein Mann zog vor das Oberlandesgericht Stuttgart, um diesen Widerspruch aufzulösen. Er wollte eine fundamentale Frage klären: Bestraft die Ehe hier eine Familie, die sie eigentlich schützen sollte?
Was war die familiäre Ausgangslage?

Ein Mann wollte die jahrzehntelange Beziehung zu seinem Stiefsohn endlich offiziell machen. Der heute 32-jährige Sohn stammte aus der früheren Ehe seiner geschiedenen Frau. Der Stiefvater hatte ihn quasi großgezogen und war für ihn die zentrale Vaterfigur. Die beiden beantragten eine Volljährigenadoption mit den weitreichenden Wirkungen einer Minderjährigenannahme (§ 1772 BGB). Das bedeutet: Der Sohn würde rechtlich vollständig in die Familie des Stiefvaters integriert, inklusive aller Erb- und Unterhaltsrechte. Gleichzeitig würden die rechtlichen Bande zu seinem leiblichen Vater gekappt. Der Haken an der Sache: Der Stiefvater war inzwischen neu verheiratet. Seine jetzige Ehefrau wollte den erwachsenen Mann aber nicht ebenfalls adoptieren.
Welches Gesetz verhinderte die geplante Adoption?
Das Familiengericht Ravensburg lehnte den Antrag ab. Es verwies auf eine klare Regel im Bürgerlichen Gesetzbuch. Der Paragraph zur Adoption durch Ehegatten (§ 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB) schreibt vor, dass ein Ehepaar ein Kind nur gemeinschaftlich annehmen kann. Diese Vorschrift gilt über einen Verweis (§ 1767 Abs. 2 BGB) auch für die Adoption von Volljährigen. Eine Ausnahme lässt das Gesetz nur in eng definierten Fällen zu – etwa wenn der andere Ehepartner geschäftsunfähig ist. Diese lagen hier nicht vor. Der Sinn dieser Regel ist es, innerhalb einer Ehe klare Verhältnisse zu schaffen. Ein Kind soll nicht rechtlich nur zu einem Elternteil gehören und zum anderen Ehepartner in einem unklaren Stiefkindverhältnis stehen. Der Gesetzgeber will die Familie als Einheit stärken.
Mit welchen Argumenten kämpfte der Stiefvater gegen diese Regelung?
Der Stiefvater legte Beschwerde beim Oberlandesgericht Stuttgart ein. Seine Argumentation stützte sich auf drei Pfeiler.
Erstens führte er einen außergewöhnlichen Härtefall ins Feld. Sein Stiefsohn leide seit Jahren unter psychischen Problemen und einer Spielsucht. Die fehlende rechtliche Anerkennung als Sohn sei eine existenzielle Belastung und eine wesentliche Ursache für diese Probleme. Die Ablehnung würde die Situation verschlimmern.
Zweitens sah er eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung. Er argumentierte, das Gesetz benachteilige verheiratete Paare. In einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft wäre eine sogenannte Stiefkindadoption durch nur einen Partner möglich (§ 1766a BGB). Die starre Regel für Verheiratete verstoße gegen den Gleichheitssatz aus Artikel 3 des Grundgesetzes und den Schutz der Familie aus Artikel 6.
Drittens forderte er eine moderne Auslegung des Gesetzes. Der Zweck des Gesetzes sei es, gelebte Familienbande rechtlich abzubilden. In einer Patchwork-Familie wie seiner würde eine strikte Anwendung des Wortlauts genau das Gegenteil bewirken. Das Gesetz müsse hier im Sinne der Familie zurücktreten.
Wie begründete das Gericht seine strikte Haltung?
Das OLG Stuttgart wies die Beschwerde zurück. Die Richter folgten damit einer Linie, die der Bundesgerichtshof (BGH) in einem ähnlichen Fall bereits vorgezeichnet hatte (Az. XII ZB 18/21). Die Argumente des Gerichts waren klar und unmissverständlich.
Die Regelung zur gemeinschaftlichen Adoption ist keine Schikane, sondern eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers. Sie dient dem Schutz der Ehe als Institution, wie sie im Grundgesetz (Art. 6 Abs. 1 GG) verankert ist. Innerhalb einer Ehe soll ein Kind zu beiden Ehepartnern eine definierte rechtliche Beziehung haben. Eine Einzeladoption würde einen Keil in diese Einheit treiben – ein Kind wäre rechtlich dem einen Ehepartner zugeordnet, dem anderen aber fremd.
Die unterschiedliche Behandlung von Ehepaaren und unverheirateten Partnern ist nach Ansicht des Gerichts ebenfalls gerechtfertigt. Wer heiratet, entscheidet sich bewusst für ein rechtliches Modell mit besonderen Rechten und Pflichten. Zu diesen Pflichten gehört auch die gemeinsame Verantwortung bei einer Adoption. Der Gesetzgeber darf hier differenzieren, ohne gegen den Gleichheitssatz zu verstoßen.
Warum sahen die Richter keinen außergewöhnlichen Härtefall?
Den entscheidenden Punkt sahen die Richter bei der Frage der Kausalität. Der Stiefvater und sein Sohn hatten die psychischen Probleme als direkte Folge der fehlenden Adoption dargestellt. Das Gericht sah das nach der Anhörung anders. Es stellte fest, dass die psychische Belastung des Sohnes nach dessen eigenen Angaben primär auf das fehlende Interesse seines leiblichen Vaters zurückzuführen war – nicht auf den fehlenden Adoptiv-Status. Die enge und gute Beziehung des Sohnes zur neuen Ehefrau seines Stiefvaters sprach ebenfalls gegen eine unzumutbare Härte. Die familiäre Situation war emotional stabil, auch ohne die Adoption. Die Richter kamen zum Schluss: Die persönlichen Schwierigkeiten sind nachvollziehbar. Sie erreichen aber nicht die Schwelle einer existenziellen Notlage, die es rechtfertigen würde, eine klare und verfassungsrechtlich abgesicherte Gesetzesvorschrift außer Kraft zu setzen.
Die Urteilslogik
Die Ehe verpflichtet Ehegatten zur gemeinsamen Verantwortung, was das Recht auf eine Einzeladoption bei Volljährigen grundsätzlich ausschließt.
- Einheit der Ehe geht vor Einzelwunsch: Innerhalb einer bestehenden Ehe können Partner ein Kind nur gemeinschaftlich adoptieren, da das Gesetz die rechtliche Einheit der Familie schützen will, indem es eine definierte Zuordnung zu beiden Ehepartnern sicherstellt.
- Ehe als besonderes Rechtsmodell: Das Adoptionsrecht darf verheiratete Paare anders behandeln als unverheiratete Lebensgemeinschaften, da Eheleute mit der Trauung bewusst ein Rechtsinstitut mit besonderen Pflichten und Konsequenzen wählen.
- Kausalität bei Härtefällen beweisen: Um eine klare gesetzliche Vorschrift aufgrund eines außergewöhnlichen Härtefalls aufzuheben, muss die existenzielle Notlage des Kindes kausal und direkt auf die Verweigerung der Adoption zurückzuführen sein.
Das Gesetz schützt die Einheit der Familie im Rechtsstatus über den individuellen Wunsch nach einer Allein-Adoption.
Experten Kommentar
Ein Eheversprechen soll die Familie stärken, aber hier wurde es zur rechtlichen Falle. Dieses Urteil zieht eine klare rote Linie zwischen Ehe und nichtehelicher Lebensgemeinschaft. Wer sich bewusst für die Rechtsform der Ehe entscheidet, muss die Konsequenz tragen: Adoptionen müssen gemeinsam erfolgen, selbst wenn es emotional nur um die Formalisierung einer langjährigen Stiefvater-Sohn-Beziehung geht. Der Gesetzgeber schützt hier die Einheit der Ehe als Institution und lässt sich auch durch einen emotional vorgetragenen Härtefall kaum beirren. Die Botschaft ist konsequent: Wer als verheirateter Partner adoptieren will, braucht zwingend die Zustimmung und Beteiligung des Ehegatten.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Muss mein Ehepartner bei der Stiefkindadoption zwingend mitmachen?
Ja, für Ehepaare ist die gemeinschaftliche Annahme des Kindes zwingend vorgeschrieben. Gemäß § 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB müssen beide Ehepartner den Antrag zur Stiefkindadoption stellen. Diese Pflicht gilt unabhängig davon, wie stark Ihre persönliche Eltern-Kind-Beziehung zum Stiefkind ist oder wie lange diese schon besteht. Fehlt die Zustimmung oder Beteiligung Ihres Ehepartners, muss das Familiengericht den Adoptionsantrag ohne weitere Prüfung ablehnen.
Diese gesetzliche Regelung verfolgt das Ziel, die Familie als rechtliche Einheit innerhalb der Ehe zu stärken. Der Gesetzgeber will damit verhindern, dass innerhalb derselben Ehe ein Kind nur zu einem Partner eine definierte rechtliche Beziehung besitzt und zum anderen nur in einem unklaren Stiefkindverhältnis steht. Die Regel sorgt dafür, dass klare Verhältnisse geschaffen werden und die gemeinsame Verantwortung beider Ehepartner bei einer Adoption gewahrt bleibt.
Die Gerichte wenden diese Vorschrift strikt an. Konkret: Eine Einzeladoption durch einen verheirateten Partner gilt als unzulässig, da sie einen Keil in die rechtliche Einheit der Ehe treiben würde. Ausnahmen von der Pflicht zur gemeinschaftlichen Annahme sind auf extreme Ausnahmefälle beschränkt, beispielsweise wenn Ihr Ehepartner geschäftsunfähig wäre. Eine bewusste Verweigerung der Mitwirkung durch den Partner stellt keinen solchen Ausnahmefall dar.
Prüfen Sie vor Einreichung des Adoptionsantrags, ob Ihr Ehepartner in der Lage und bereit ist, die Adoption formell mitzutragen.
Kann ich mein Stiefkind alleine adoptieren, wenn mein Ehegatte nicht zustimmen will?
Wenn Sie verheiratet sind und Ihr Ehepartner die Mitwirkung an der Adoption verweigert, ist die Antwort Nein. Eine Einzeladoption des Stiefkindes ist in dieser Konstellation gesetzlich ausgeschlossen, selbst wenn eine tiefe emotionale Bindung besteht. Fehlt die Zustimmung des Ehegatten zur gemeinschaftlichen Adoption, wird der Antrag durch das Familiengericht abgelehnt.
Der Gesetzgeber verlangt von Ehepaaren grundsätzlich die gemeinschaftliche Adoption (§ 1741 Abs. 2 Satz 2 BGB). Diese strikte Regelung dient dem Schutz der Ehe als verfassungsrechtlich verankerter Institution (Art. 6 Abs. 1 GG). Das Oberlandesgericht Stuttgart bekräftigte in einem Fall die Linie des Bundesgerichtshofs, wonach ein Kind innerhalb der Ehe zu beiden Partnern eine definierte rechtliche Beziehung haben muss. Eine Einzeladoption würde laut Gericht einen Keil in diese Einheit treiben – das Kind wäre nur einem Partner rechtlich zugeordnet.
Im Gegensatz zu einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, in der eine Einzeladoption möglich wäre, bringt die Ehe besondere rechtliche Pflichten mit sich. Die starre Regel verhindert unklare Rechtsverhältnisse und stärkt die familiäre Einheit. Die Gerichte bewerten die formale Struktur der Ehe höher als die gelebte, aber rechtlich ungesicherte familiäre Beziehung. Die fehlende Zustimmung des Ehepartners stellt daher ein unüberwindbares Hindernis dar.
Da der Adoptionsweg ohne die notwendige Zustimmung blockiert ist, sollten Sie alternative rechtliche Vorkehrungen wie ein Testament oder eine umfassende Vorsorgevollmacht für Ihr Stiefkind prüfen, solange die Ehe besteht.
Wann gilt die Einzeladoption als außergewöhnlicher Härtefall im Sinne des Gesetzes?
Die Anforderungen an die Anerkennung eines außergewöhnlichen Härtefalls sind extrem hoch. Ein Gericht betrachtet diesen nur als gegeben, wenn eine existenzielle Notlage des Kindes oder des Erwachsenen vorliegt. Entscheidend ist dabei, dass diese Notlage kausal und unmittelbar auf den fehlenden Adoptionsstatus zurückzuführen ist. Die Ausnahmeregelung rechtfertigt nur in seltenen Fällen, eine klare Gesetzesvorschrift wie die gemeinschaftliche Adoption (§ 1741 BGB) außer Kraft zu setzen.
Die strenge Regelung existiert, weil die Einzeladoption durch einen Ehepartner die rechtliche Einheit der Ehe stören würde. Gerichte müssen daher feststellen, ob die Belastung tatsächlich so gravierend ist, dass sie den Schutz der Ehe hintanstellt. Allein die Existenz von psychischen Problemen oder familiären Spannungen reicht nicht aus. Es muss eine akute, unzumutbare Situation bestehen, deren Lösung einzig und allein in der sofortigen rechtlichen Anerkennung durch die Einzeladoption liegt.
Das Oberlandesgericht Stuttgart verdeutlichte diese Kausalitätskette in einem Fall zur Volljährigenadoption. Obwohl der Stiefsohn psychisch belastet war, sahen die Richter keinen Härtefall. Das Gericht stellte fest, dass die Hauptursache der Belastung primär das fehlende Interesse des leiblichen Vaters war – nicht die fehlende rechtliche Anerkennung durch den Stiefvater. Eine emotional stabile familiäre Situation spricht ebenfalls gegen eine unzumutbare Härte, selbst wenn persönliche Schwierigkeiten bestehen bleiben.
Bevor Sie einen Härtefall geltend machen, benötigen Sie zwingend ein detailliertes Gutachten, das lückenlos beweist, dass die Einzeladoption die einzige Lösung für die existenzielle Krise darstellt.
Ist die Pflicht zur gemeinschaftlichen Adoption für Verheiratete verfassungswidrig?
Nein, die höchstrichterliche Rechtsprechung bejaht die Verfassungskonformität dieser Regelung. Trotz der offensichtlichen Ungleichbehandlung im Vergleich zu unverheirateten Paaren sehen die Gerichte keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 GG). Das Oberlandesgericht Stuttgart bestätigte in seiner Entscheidung die klare Linie des Bundesgerichtshofs, wonach diese strikte Vorschrift zulässig ist.
Der Gesetzgeber verfolgt mit der Pflicht zur gemeinschaftlichen Adoption einen klaren Zweck: Er will die Ehe als Institution schützen, wie sie in Artikel 6 Absatz 1 des Grundgesetzes verankert ist. Wer die Ehe eingeht, wählt bewusst ein formelles Rechtsmodell, das besondere Pflichten mit sich bringt. Zu diesen Pflichten gehört die gemeinsame Verantwortung bei Entscheidungen, welche die rechtliche Einheit der Familie betreffen. Die Regelung verhindert, dass innerhalb der ehelichen Gemeinschaft unklare Rechtsverhältnisse entstehen, bei denen das Kind nur einem Partner rechtlich zugeordnet ist.
Die Richter begründeten, dass die Differenzierung zu Partnern in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zulässig ist. Unverheiratete können ihr Stiefkind nach § 1766a BGB zwar alleine annehmen. Diese Möglichkeit besteht für Verheiratete bewusst nicht, da die Ehe einen anderen formalen Schutzstatus genießt. Eine Einzeladoption würde einen Keil in die eheliche Einheit treiben, da das Kind rechtlich dem einen Ehepartner zugeordnet wäre, dem anderen jedoch fremd bliebe.
Konzentrieren Sie Ihre Argumentation daher nicht auf die Verfassungswidrigkeit, sondern auf die extrem engen Ausnahmen der Regelung in § 1741 BGB oder die Möglichkeit, den Familienstand zu ändern.
Betrifft die Pflicht zur gemeinschaftlichen Annahme auch die Adoption Volljähriger?
Ja, die gesetzliche Vorschrift zur gemeinschaftlichen Annahme gilt in einer bestehenden Ehe auch dann, wenn das Stiefkind bereits volljährig ist. Viele hoffen, die Volljährigkeit würde die strengen Regeln für Minderjährige außer Kraft setzen, doch das ist ein Trugschluss. Der Gesetzgeber überträgt die Adoptionsregeln für Ehepaare auf volljährige Adoptionen durch einen direkten Verweis in § 1767 Abs. 2 BGB.
Die Regelung des § 1741 Abs. 2 BGB schreibt vor, dass Ehegatten ein Kind nur gemeinsam annehmen dürfen. Wenn Sie eine Adoption mit weitreichenden Rechtswirkungen anstreben (die sogenannte Minderjährigenwirkung nach § 1772 BGB), greift dieser Zwang. Er sorgt dafür, dass das volljährige Kind vollständig in die neue Familie integriert wird, inklusive aller Erb- und Unterhaltsrechte. Nur durch die volle rechtliche Integration kann das Familiengericht die rechtlichen Bande zum leiblichen Elternteil vollständig kappen.
Ein konkretes Beispiel verdeutlicht diese strikte Anwendung: Vor dem OLG Stuttgart scheiterte ein Stiefvater mit seinem Adoptionswunsch für seinen 32-jährigen Stiefsohn, da die neue Ehefrau die Adoption ablehnte. Trotz der jahrzehntelangen Beziehung der beiden Männer bekräftigte das Gericht, dass die fehlende zustimmende Beteiligung des Ehepartners innerhalb der Ehe zur Ablehnung führt. Ziel dieser Einheit ist es, unklare Stiefkindverhältnisse innerhalb der Ehe zu verhindern, unabhängig vom Alter des Adoptierten.
Prüfen Sie gemeinsam mit dem Stiefkind, ob eine Adoption mit eingeschränkten Rechtswirkungen die gewünschten Ziele auch ohne die volle Integration erreichen könnte.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Außergewöhnlicher Härtefall
Ein außergewöhnlicher Härtefall beschreibt eine existentielle Notlage, die so gravierend ist, dass sie die Anwendung einer an sich klaren Gesetzesvorschrift unzumutbar macht.
Diese seltene Ausnahmeregelung dient dazu, in Einzelfällen starre Gesetzesnormen wie das Verbot der Einzeladoption durch Verheiratete zu durchbrechen. Gerichte setzen die Schwelle dafür sehr hoch an, um die Rechtssicherheit der Normen nicht zu untergraben.
Beispiel: Das Oberlandesgericht Stuttgart sah im vorliegenden Fall keinen außergewöhnlichen Härtefall, weil die psychische Belastung des Sohnes nicht direkt auf den fehlenden Adoptionsstatus zurückzuführen war.
Gleichheitssatz (Art. 3 GG)
Der Gleichheitssatz (Art. 3 GG) ist ein zentrales Grundrecht, das garantiert, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln sind und nur sachlich begründete Differenzierungen zulässig sind.
Dieses Grundrecht soll staatliche Willkür verhindern und verlangt vom Gesetzgeber, gleiche Situationen gleich und ungleiche Situationen ungleich zu behandeln. Wenn zwei Gruppen unterschiedlich behandelt werden, muss es dafür eine verfassungskonforme und tragfähige Rechtfertigung geben.
Beispiel: Der Stiefvater argumentierte vor dem OLG, die starre Regelung zur Einzeladoption verstoße gegen den Gleichheitssatz, weil sie verheiratete Paare gegenüber Partnern in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft benachteilige.
Gemeinschaftliche Adoption
Gemeinschaftliche Adoption nach § 1741 Abs. 2 BGB ist die zwingende Regel, dass Ehegatten ein Kind nur zusammen und einheitlich annehmen dürfen.
Mit dieser Vorschrift schützt der Gesetzgeber die Ehe als rechtliche Einheit und verhindert, dass innerhalb der Ehe unklare oder gespaltene Rechtsverhältnisse entstehen. Das Gesetz verlangt damit, dass das Kind zu beiden Ehepartnern eine definierte rechtliche Beziehung besitzt.
Beispiel: Weil die Ehefrau des Stiefvaters die Mitwirkung an der Gemeinschaftlichen Adoption ablehnte, scheiterte der Adoptionswunsch des Mannes trotz tiefer emotionaler Bindung bereits am Familiengericht.
Kausalität
Kausalität beschreibt in der juristischen Bewertung den direkten Ursache-Wirkungs-Zusammenhang zwischen einem bestimmten Ereignis oder Mangel und dem daraus folgenden Schaden oder der geltend gemachten Notlage.
Diese Feststellung ist entscheidend, um zu beurteilen, ob ein geltend gemachter Grund tatsächlich die Ursache für eine geforderte Rechtsfolge ist. Insbesondere bei der Geltendmachung eines Härtefalls muss die Belastung unmittelbar durch den rechtlichen Mangel verursacht worden sein.
Beispiel: Das Gericht verneinte die notwendige Kausalität, da die psychische Belastung des Sohnes primär auf das fehlende Interesse seines leiblichen Vaters zurückzuführen war und nicht auf den fehlenden Adoptiv-Status des Stiefvaters.
Minderjährigenannahme (Wirkungen)
Die Wirkungen der Minderjährigenannahme (§ 1772 BGB) bezeichnen die weitreichendste Form der Adoption, bei der das Kind vollständig rechtlich in die neue Familie integriert wird, inklusive aller Erb- und Unterhaltsrechte.
Durch diese zwingende Rechtsfolge werden alle früheren Verwandtschaftsverhältnisse zum leiblichen Elternteil vollständig gekappt, um eine rechtlich und emotional ungeteilte neue Familieneinheit zu schaffen. Im Falle der Volljährigenadoption muss diese Wirkung gesondert beantragt werden.
Beispiel: Der Stiefvater und der 32-jährige Stiefsohn beantragten die Volljährigenadoption mit den weitreichenden Wirkungen einer Minderjährigenannahme, um die Bande zum leiblichen Vater endgültig zu trennen.
Volljährigenadoption
Als Volljährigenadoption bezeichnet man die rechtliche Annahme eines erwachsenen Menschen als Kind, welche gemäß § 1767 BGB grundsätzlich erleichtert ist, solange keine Ehe der annehmenden Person im Weg steht.
Diese Form ermöglicht es, langjährig gelebte familiäre Beziehungen zwischen Erwachsenen auch formal abzubilden, obwohl die typische Fürsorgepflicht wie bei Minderjährigen fehlt. Oftmals wird die Volljährigenadoption beantragt, um Erb- und Unterhaltsrechte rechtlich verbindlich zu sichern.
Beispiel: Der Stiefvater versuchte mittels der Volljährigenadoption seinen 32-jährigen Stiefsohn rechtlich anzuerkennen, scheiterte jedoch an der strikten Vorschrift der gemeinschaftlichen Adoption für Ehegatten.
Das vorliegende Urteil
OLG Stuttgart – Az.: 18 UF 26/23 – Beschluss vom 06.03.2024
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