LG Aachen – Az.: 12 O 139/17 – Urteil vom 26.10.2017
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreites tragen die Kläger zu je ½.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten über das Bestehen eines Wege- und Fahrrecht zu Lasten der Beklagten.
Die Kläger sind verheiratet und Eigentümer des Grundstückes T-Straße/104, Flurstück X (ehemals Flurstück X und im Folgenden „Grundstück Nr. …“). Die Beklagte ist Eigentümerin des direkt daneben liegenden Grundstückes T-Straße …/…, Flurstück X (im Folgenden „Grundstück Nr. 1884“). Beide Grundstücke gingen 1991 aus einer Teilung des Grundstückes „Flurstück 1307“ hervor. Neben dem Grundstück der Beklagten befindet sich das Grundstück T, Flurstücke …/… (im Folgenden „Grundstück Nr. …/…“). Dieses befindet sich im Eigentum Dritter und verfügt über eine Durchfahrt von der T-Straße aus, die an das Grundstück Nr. … der Beklagten grenzt und mit dem Auto befahrbar ist. Am 04.04.1961 hat die Stadt Aachen die Eintragung einer Grunddienstbarkeit in Form eines Wege- und Fahrrechts für Personenkraftfahrzeuge zu Lasten des Grundstückes Nr. …/… und zu Gunsten des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks „Flurstück …“ in das Grundbuch bewilligt. Die Grunddienstbarkeit sollte auch für die jeweiligen Mieter gelten. Diese Grunddienstbarkeit zu Lasten der Grundstücke Nr. …/… hat auch noch gegenwärtig Bestand und ist im Grundbuch eingetragen. Das Gebäude auf dem Grundstück Nr. …, dessen Eigentümer die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) sind, besteht aus zwei – einem vorderen zur T-Straße hin – und einem hinteren Teil. Den vorderen Teil des Gebäudes bewohnen die Kläger. Der hintere Teil des Gebäudes ist ehemals als Backstube genutzt worden, diente als Lagerhalle, die die Kläger vermieten, letztmals allerdings vor ca. 3 Jahren. Mieter war zu dieser Zeit ein Pizza-Lieferservice. Aktuell steht die Lagerhalle leer. Die Lagerhalle verfügt über keine direkte Anbindung an die T-Straße oder einer anderen Straße. Sie ist über den vorderen Teil des Gebäudes von der T-Straße begehbar. Seitlich zum Grundstück Nr. … hin verfügt die Lagerhalle über eine Öffnung. Bei Teilung des Grundstückes „Flurstück Nr. 1307“ wurde hier eine Nottüre errichtet. Die Kläger bauten Ende 2014 diese Nottüre zu einem Garagentor aus, ohne vorher die Beklagte über das Bauvorhaben zu unterrichten. Auf dem Grundstück Nr. … der Beklagten befindet sich zur T-Straße hin ein Gebäude. Dahinter befindet sich eine Parkfläche, an die eine Garage, ebenfalls noch auf dem Grundstück Nr. … und im Eigentum der Beklagten, grenzt. Das Garagentor der Lagerhalle führt unmittelbar auf die Parkfläche des Grundstückes Nr. 1884 und grenzt an die Garage an. Die Beklagte vermietet das Gebäude sowie die Parkfläche gewerblich. Aktuell steht das Gebäude leer. Die Garage der Beklagten war bis zur Kündigung zum 01.06.2017 an die Klägerin zu 1) und den Kläger zu 2) vermietet. Die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) befuhren daher die Parkfläche des Grundstückes Nr. …, um die Garage nutzen zu können. Zudem konnten sie dadurch mittels der Durchfahrt des Grundstücks Nr. …/… bis vor das Garagentor ihrer Lagerhalle fahren. Wegen der Lage der Grundstücke wird auch auf die Lagepläne in der Gerichtsakte Bezug genommen.
Die Kläger behaupten, die Lagerhalle sei stets gewerblich genutzt worden. Dadurch sei das Grundstück Nr. … auch fortlaufend von den jeweiligen Mietern der Lagerhalle mit Kraftfahrzeugen zum Zwecke der Anlieferung von Produktionsmitteln überfahren worden. Der Notausgang sei daher nicht ausschließlich als solcher genutzt worden. Ein Mieter eines Teils des Gebäudes auf dem Grundstück Nr. … habe sich noch bei den Klägern über Mofas beschwert, die zum letzten Mieter der Lagerhalle, dem Pizzalieferservice, gehört haben und die Lagerhalle bis Mitternacht befahren haben sollen. Sie behaupten darüber hinaus, dass der Umstand, dass der ehemalige Eigentümer des Grundstücks, Herr O, die Nottüre zur Zeit der Nutzung der Lagehalle als Backstube nicht zu einem Garagentor ausgebaut habe, läge nicht daran, dass die Nottüre nur als Fluchtweg dienen dürfe, sondern daran, dass sich im Bereich hinter der Türe ein großer Backofen befunden habe. Das Überfahren der Parkflächen sei von den vorherigen Eigentümern des Grundstückes Nr. … ferner nie beanstandet worden. Sie sind der Ansicht, die Beklagte habe das Überfahren der Parkflächen zu dulden. Indem die Grunddienstbarkeit aufgrund der Regelung des § 1025 Abs. 1 BGB beiden Eigentümern der geteilten Grundstücke zustehe, ergebe sich ein Anspruch auf Berichtigung des Grundbuches dergestalt, dass im Grundbuch zum Grundstück der Beklagten eine Grunddienstbarkeit in der Gestalt eines Wege- und Fahrtrechts zu Gunsten der Kläger eingetragen werden müsse.
Die Kläger beantragen, die Beklagte zu verurteilen, der Berichtigung des Grundbuches des Amtsgerichts Aachen von Aachen, Blatt …, Flur X, Flurstück X, der Gestalt zuzustimmen, dass in Abteilung II für die Kläger als Berechtigte eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit als Geh-, Wege- und Fahrrecht für Kraftfahrzeuge ein-getragen wird, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern den Zugang und die Zufahrt mit Kraftwagen auf das Grundstück Nr. … zu gewähren, soweit dies erforderlich ist, das Grundstück Nr. … zu erreichen, hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern den Zugang und die Zufahrt mit Kraftwagen auf das Grundstück Nr. …, soweit dies erforderlich ist, das Grundstück Nr. … zu erreichen, Zug um Zug gegen Zahlung einer angemessenen Notwegerente zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, eine Zufahrt zum klägerischen Grundstück über die Parkfläche des Grundstückes Nr. … sei für die Kläger nur aufgrund des Mietverhältnisses über die Garage erlaubt gewesen. Der Notausgang sei nach Teilung des Grundstücks Nr. … aus Gründen des Brandschutzes und der Nutzung als Backstube erschaffen worden. Wegen der gegenwärtigen Nutzung als Lagerhalle sei nunmehr weder ein Notausgang noch ein Garagentor erforderlich. Sie ist der Ansicht, ein Wege- und Fahrrecht zu Gunsten der Klägerin zu 1) und des Klägers zu 2) und ihren Lasten habe nie bestanden. Sie ist der Ansicht, sie habe – wenn überhaupt – ausschließlich die Nottüre und den daraus resultierenden Fluchtweg zu dulden. Dies ergebe sich aus der Baulastverfügung vom 16.11.1991.
Die Beklagte beruft sich weiter auf Verjährung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Den Klägern steht nach Ansicht des Gerichts gegen die Beklagte unter keinem erdenklichen rechtlichen Gesichtspunkt Berichtigung des Grundbuches oder im Hilfsantrag das begehrte Notwegrecht zu.
1. Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs gem. § 894 BGB. Die tatsächliche Rechtslage stimmt mit dem bestehenden Grundbucheintrag in Form der Grunddienstbarkeit zu Lasten des Grundstückes Nr. …/… überein. Die Vorschrift des § 1025 BGB, auf die sich die Kläger berufen, regelt das rechtliche Schicksal einer Grunddienstbarkeit, wenn das herrschende Grundstück geteilt wird. Als Grundsatz ordnet die Norm das Fortbestehen der Grunddienstbarkeit für die einzelnen Teile an. Durch die Teilung entsteht keine Aufspaltung in eine Mehrheit von selbstständigen Grunddienstbarkeiten, was eine Neubestellung von Rechten bedeuten würde. Vielmehr bleibt die Dienstbarkeit als einheitliches Recht bestehen, wird aber dadurch, dass mehrere Grundstücke berechtigt sind, kraft Gesetzes eine Gesamtgrunddienstbarkeit (BayObLG, Beschluss v. 09.07.1965 – 2 Z 20/65, BayObLGZ 1965, 267). In Bezug auf das Innenverhältnis zwischen den Eigentürmern der jeweiligen herrschenden Grundstücke entsteht eine Bruchteilsgemeinschaft im Sinne des § 741 BGB (BayObLG, Beschluss v. 10.05.1990 – 2 Z 33/90, NJW-RR 08, 827). Aufgrund der Teilung des Grundstückes Nr. 1307 ist es auch vorliegend zur Eintragung der Grunddienstbarkeit in beide Grundbücher der aus der Teilung hervorgegangenen Grundstücke der Kläger und der Beklagten gekommen. Die Grunddienstbarkeit bezieht sich allerdings nur auf ein Fahr- und Wegerecht hinsichtlich der Benutzung des belasteten Grundstücks Nr. …/…. Dafür, dass diese Grunddienstbarkeit nun auf das Grundstück der Beklagten als belasteter Teil erweitert wird, ist vorliegend kein Rechtsgrund zu erkennen. Für eine analoge Anwendung des § 1025 BGB zugunsten der Kläger besteht nach Ansicht des Gerichts keine Veranlassung. Die Kläger können die Grunddienstbarkeit auch noch aktuell nutzen, etwa indem sie an die Parkfläche des Grundstückes der Beklagten heranfahren und zu Fuß über den Parkplatz zur Lagerhalle gelangen. Ein insofern unbestrittenes Wegerecht in der Gestalt des Überschreitens der Parkfläche zu Gunsten der Kläger besteht, ist aber nicht Gegenstand des Rechtsstreites.
2. Die Kläger können sich auch nicht auf den hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf ein Notwegerecht i.S.d. § 917 BGB in der Gestalt eines Überfahrrechts des Grundstückes der Beklagten berufen. Die Voraussetzungen des § 917 Abs. 1 BGB liegen nicht vor. Nach § 917 Abs. 1 BGB kann der Eigentümer eines Grundstückes, dem die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt, von den Nachbarn die Duldung der Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung verlangen. Wegen des schwerwiegenden Eingriffs, den ein Notweg für das Eigentum des Nachbarn bedeutet, ist an die tatbestandlichen Erfordernisse des § 917 Abs. 1 BGB für ein Überfahrtsrecht ein strenger Maßstab anzulegen und besonders sorgfältig zu prüfen, ob nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls die beanspruchte Zufahrtmöglichkeit tatsächlich für eine bedürfnisgerechte Benutzung des betreffenden Grundstücks unerlässlich und damit im Sinne der gesetzlichen Regelung notwendig ist. Wird die Notwendigkeit bejaht, so besteht das geforderte Notwegerecht kraft Gesetzes. Dass das Gebrauchmachen von anderen Verbindungsmöglichkeiten für den Grundstücksinhaber umständlicher, weniger bequem oder kostenspieliger ist als die Inanspruchnahme des Nachbargrundstückes, rechtfertigt für sich allein noch nicht das Verlangen nach einem Notweg (BGH WM 1964, 773). Solche Erschwernisse müssen vielmehr regelmäßig hingenommen werden. Nur wenn sie sich ausnahmsweise als derartig groß erweisen, dass durch sie die Wirtschaftlichkeit der Grundstücksbenutzung aufgehoben oder doch in unzumutbarer Weise geschmälert würde, ist der Nachbar verpflichtet, den Weg über sein eigenes Grundstück frei zu machen (OLG Koblenz, Urt. v. 11.07.1991 – 5 U …/…, OLGZ 1992, 347). Die Grenze der Zumutbarkeit für den Grundstückseigentümer ist nicht durch einen Vergleich zwischen der Beeinträchtigung des auf Duldung eines Notweges in Anspruch genommenen Nachbarn und den Kosten zu bestimmen, die durch die Schaffung eines Zugangs auf dem eigenen Grundstück entstehen. Maßgeblich ist vielmehr das Verhältnis der für die Schaffung einer Zuwegung notwendigen Kosten zu der Wirtschaftlichkeit der Nutzung des Grundstückes (BGH, Urt. v. 15.04.1964 – V ZR 134/62, NJW 1964, 1321, 1322; BGH, Urt. v. 07.07.2006 – V ZR 159/05, NJW 06, 3426).
Dem Grundstück der Kläger fehlt gerade nicht die notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg, da dieses Grundstück im vorderen Teil zunächst einmal unmittelbar an die T-Straße angrenzt und eine Erreichbarkeit durch sämtliche Verkehrsmittel einschließlich Pkw und Lieferfahrzeuge somit gegeben ist. Der vordere Grundstücksteil ist durch die T-Straße unmittelbar und vollständig erschlossen. Im Streit steht vorliegend lediglich die Zuwegung zum hinteren Grundstücksteil bzw. zum Lager, das sich im hinteren Teil des Gebäudes der Kläger befindet. Dieser Teil besitzt zwar keine direkte Verbindung zur Straße, eine Zugangsmöglichkeit besteht aber dennoch durch Durchqueren des vorderen Gebäudeteils der Kläger. Je nach Gestaltung dieses inneren Zugangs, der dem Gericht vorliegend nicht bekannt ist, kann den Klägern zugemutet werden, diesen Zugang baulich so anzupassen, dass der Durchgang zur Lagerhalle für etwaige Mieter vereinfacht wird. Zudem bestehen die Rechte aus der Dienstbarkeit.
Eine Wiedereröffnung der ordnungsgemäß geschlossenen mündlichen Verhandlung hatte nicht zu erfolgen. Die Voraussetzungen des § 156 ZPO liegen nicht vor. Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Der möglicherweise den Klägern nicht bekannte Schriftsatz der Beklagten vom 18.9.2016 war zulasten der Kläger nicht zu berücksichtigen. Im übrigen enthalten die nicht nachgelassenen Schriftsätze der Klägerseite lediglich Rechtsausführungen.
3. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 100, 709 ZPO.
Streitwert:
Hauptantrag: 10.000,00 EUR, § 3 ZPO
Hilfsantrag: 5.000,00 EUR, § 3 ZPO
15.000,00 EUR