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Einstweilige Verfügung – Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs

In einem ungewöhnlichen Fall um ein Vorkaufsrecht in Q. streiten ein Käufer und die Stadt um mehrere Grundstücke. Obwohl das Verwaltungsgericht die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Stadt als rechtswidrig einstufte, wies das Landgericht Siegen den Antrag des Käufers auf Berichtigung des Grundbuchs ab. Der Käufer hatte bereits einen Kaufvertrag geschlossen, doch die Stadt trug sich selbst als Eigentümerin ein, was nun zu einem komplexen Rechtsstreit führt.

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Siegen
  • Datum: 08.12.2022
  • Aktenzeichen: 1 O 298/22
  • Verfahrensart: Einstweilige Verfügung
  • Rechtsbereiche: Grundbuchrecht, Zivilrecht

Beteiligte Parteien:

  • Antragsteller: Eine Einzelperson, die per einstweiliger Verfügung einen Widerspruch gegen die Richtigkeit des Grundbuchs geltend macht. Er argumentiert, dass der von ihm mit dem Voreigentümer abgeschlossene Kaufvertrag durch die Antragsgegnerin blockiert wurde, da diese kein Negativzeugnis ausstellt und rechtswidriges Vorkaufsrecht geltend macht.
  • Antragsgegnerin: Die Stadt Q., die das Vorkaufsrecht gegenüber dem Grundstück geltend gemacht hat. Sie verlangt zunächst die Vorlage des notariellen Kaufvertrags und entscheidet sich, von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch zu machen.

Um was ging es?

  • Sachverhalt: Der Antragsteller hatte mit dem ursprünglichen Eigentümer einen Kaufvertrag über mehrere Grundstücke abgeschlossen, der jedoch erst wirksam werden sollte, wenn bestimmte Bedingungen, wie das Nichterteilen eines Vorkaufsrechts durch die Antragsgegnerin, erfüllt wären. Nachdem die Antragsgegnerin jedoch das Vorkaufsrecht geltend gemacht hatte, kam der ursprüngliche Kaufvertrag ins Stocken.
  • Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob die Antragsgegnerin rechtmäßig von ihrem Vorkaufsrecht Gebrauch machen durfte und ob ein Widerspruch gegen die Eintragung der Antragsgegnerin als Eigentümerin im Grundbuch gerechtfertigt ist.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung wurde zurückgewiesen.
  • Begründung: Es wurde festgestellt, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf die Berichtigung des Grundbuchs habe. Weder die Verpflichtungen noch das Verfügungsgeschäft zwischen der Antragsgegnerin und dem Voreigentümer seien sittenwidrig. Die Kenntnis des Voreigentümers von der potenziellen Rechtswidrigkeit wurde nicht glaubhaft gemacht. Es wurde argumentiert, dass die allgemeine Vertragsverletzung seitens des Voreigentümers lediglich vertragliche Rechte wegen Nichterfüllung begründet.
  • Folgen: Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil bekräftigt, dass die rechtlichen Grundlagen des Vorkaufsrechts eingehalten werden müssen und verdeutlicht, dass ein Grundbuchwiderspruch nur unter bestimmten rechtlichen Voraussetzungen möglich ist.

Grundbuchstreit: Rechte und Herausforderungen im Immobilienrecht klargestellt

Im Immobilienrecht spielt das Grundbuch eine zentrale Rolle, da es die Eigentumsverhältnisse von Grundstücken und Immobilien dokumentiert. Die Richtigkeit der Eintragungen im Grundbuch ist entscheidend für den Eigentumsschutz und die Durchsetzbarkeit rechtlicher Ansprüche. Bei Streitigkeiten über die Richtigkeit dieser Eintragungen können rechtliche Schritte, wie beispielsweise eine Grundbuchberichtigung oder die Einlegung eines Widerspruchs, notwendig werden.

Oft werden in solchen Fällen einstweilige Verfügungen oder einstweilige Anordnungen beantragt, um vorläufige Regelungen zu schaffen, solange die Grundbuchprüfung noch aussteht. Um die verschiedenen Facetten und Herausforderungen eines Grundbuchrechtsstreits zu beleuchten, lohnt sich ein Blick auf einen aktuellen Fall, der interessante Einblicke in die rechtlichen Rahmenbedingungen bietet.

Der Fall vor Gericht


Widerspruch gegen Grundbucheintragung nach Vorkaufsrechtsstreit in Q. scheitert

Zwei angrenzende Häuser: eines mit "Verkauft"-Schild, das andere mit "Zum Verkauf". Rechtsstreit über Eigentum sichtbar.
Widerspruch gegen Grundbucheintragung und Vorkaufsrecht | Symbolfoto: Ideogram gen.

Das Landgericht Siegen hat einen Antrag auf einstweilige Verfügung zur Eintragung eines Widerspruchs im Grundbuch zurückgewiesen. Der Antragsteller hatte zuvor am 14. Dezember 2021 einen notariellen Kaufvertrag über mehrere Grundstücke in Q. mit dem damaligen Eigentümer E. P. geschlossen.

Komplexe Vorgeschichte um städtisches Vorkaufsrecht

Der Verkauf sollte erst nach Vorlage eines Negativzeugnisses der Stadt Q. über die Nichtausübung des Vorkaufsrechts wirksam werden. Die Stadt verweigerte jedoch die Ausstellung dieses Zeugnisses. Der Rat der Stadt Q. beschloss am 6. April 2022 eine Satzung zur Ausübung des besonderen Vorkaufsrechts und übte dieses am 25. Mai 2022 für die betreffenden Grundstücke aus. Am 28. November 2022 wurde die Stadt schließlich als neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.

Paralleles Verwaltungsgerichtsverfahren mit weitreichenden Folgen

Bereits im März 2022 hatte der Antragsteller Verpflichtungsklage auf Erteilung des Negativzeugnisses beim Verwaltungsgericht Arnsberg erhoben. Das Verwaltungsgericht gab seinem Eilantrag statt und bewertete die Ausübung des Vorkaufsrechts als offensichtlich rechtswidrig. Diese Einschätzung wurde vom Oberverwaltungsgericht Münster bestätigt. Das Hauptsacheverfahren ist weiterhin anhängig.

Landgericht verneint sittenwidriges Handeln

Das Landgericht Siegen sah keinen Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs nach § 894 BGB, da weder das Verpflichtungs- noch das Verfügungsgeschäft zwischen der Stadt und dem Voreigentümer als sittenwidrig im Sinne von § 138 BGB einzustufen sei. Für eine Sittenwidrigkeit müssten alle Beteiligten sittenwidrig handeln und die entsprechenden Tatsachen kennen oder sich ihrer Kenntnis grob fahrlässig verschließen. Der Antragsteller konnte jedoch nicht glaubhaft machen, dass der Voreigentümer von der Rechtswidrigkeit der Vorkaufsrechtsausübung wusste. Als Bürger durfte er vielmehr auf die Rechtmäßigkeit des behördlichen Bescheids vertrauen. Eine mögliche Verletzung des Grundsatzes Pacta sunt servanda durch den Voreigentümer begründe lediglich gewöhnliche vertragliche Ansprüche wegen Nichterfüllung, aber keine Sittenwidrigkeit.


Die Schlüsselerkenntnisse


Das Urteil verdeutlicht, dass Gemeinden ihr Vorkaufsrecht nicht willkürlich ausüben dürfen und zur unverzüglichen Erteilung eines Negativzeugnisses verpflichtet sind, wenn kein rechtmäßiger Grund für die Ausübung des Vorkaufsrechts besteht. Die nachträgliche Schaffung einer Vorkaufsrechtssatzung, um ein bereits geschlossenes Kaufgeschäft zu verhindern, wurde vom Gericht als rechtswidrig eingestuft. Dies stärkt die Position von Käufern und Verkäufern gegenüber kommunalen Vorkaufsrechten.

Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie eine Immobilie kaufen möchten, haben Sie nun mehr Rechtssicherheit gegenüber städtischen Vorkaufsrechten. Die Kommune muss das Negativzeugnis zeitnah ausstellen, wenn kein berechtigtes Vorkaufsrecht besteht – sie kann nicht nachträglich Vorkaufsrechtssatzungen erlassen, um einen bereits geschlossenen Kaufvertrag zu durchkreuzen. Bei Verzögerungen durch die Kommune können Sie sich mit einer Klage wehren. Lassen Sie sich von einem Anwalt beraten, der die erforderlichen rechtlichen Schritte für Sie einleiten kann, falls die Stadt ihr Vorkaufsrecht missbräuchlich ausüben will.


 

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist ein Widerspruch gegen die Grundbucheintragung und wann kann er eingetragen werden?

Ein Widerspruch im Grundbuch ist ein rechtliches Sicherungsmittel, das auf eine mögliche Unrichtigkeit des Grundbuchs hinweist. Der Widerspruch schützt ein Recht, das außerhalb des Grundbuchs besteht oder falsch eingetragen ist, gegen spätere rechtsgeschäftliche Verfügungen.

Voraussetzungen für die Eintragung

Die Eintragung eines Widerspruchs ist möglich, wenn das Grundbuch nicht die tatsächliche Rechtslage widerspiegelt. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn:

  • Ein Eigentumswechsel nicht ordnungsgemäß im Grundbuch vermerkt wurde
  • Ein bereits erloschenes Recht noch eingetragen ist
  • Der falsche Rechtsinhaber eingetragen ist

Eintragungsmöglichkeiten

Die Eintragung eines Widerspruchs erfolgt auf zwei Wegen:

  • Durch eine einstweilige Verfügung des Gerichts
  • Aufgrund einer Bewilligung der Person, deren Recht durch die Berichtigung betroffen ist

Rechtliche Wirkung

Der eingetragene Widerspruch zerstört den öffentlichen Glauben des Grundbuchs. Wenn Sie einen Widerspruch eintragen lassen, verhindert dies, dass sich ein potenzieller Erwerber auf die Richtigkeit des Grundbuchs berufen kann. Ein praktisches Beispiel verdeutlicht dies: Verkauft ein zu Unrecht im Grundbuch eingetragener Eigentümer das Grundstück an einen Dritten, scheitert dessen gutgläubiger Erwerb am eingetragenen Widerspruch.

Die Wirkung des Widerspruchs tritt mit seiner Eintragung ein. Spätere Eintragungen erfolgen unter dem Vorbehalt seiner Berechtigung, während bereits bestehende Rechte von der Widerspruchseintragung unberührt bleiben.

Besonderheiten der Antragstellung

Bei der Beantragung eines Widerspruchs über eine einstweilige Verfügung muss nur der Verfügungsanspruch glaubhaft gemacht werden. Eine besondere Dringlichkeit (Verfügungsgrund) muss nicht nachgewiesen werden, da diese gesetzlich vermutet wird. Der Antrag muss den Namen und die Anschrift des Antragstellers, die genaue Bezeichnung des betroffenen Grundstücks mit Grundbuchblattnummer sowie eine konkrete Darlegung der behaupteten Unrichtigkeit des Grundbuchs enthalten.


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Welche Rolle spielt das Vorkaufsrecht einer Kommune beim Grundstückskauf?

Das kommunale Vorkaufsrecht ermöglicht es einer Gemeinde, bei einem Grundstücksverkauf anstelle des ursprünglichen Käufers in den Kaufvertrag einzutreten. Dieses öffentlich-rechtliche Vorkaufsrecht ist in den §§ 24-28 des Baugesetzbuchs (BauGB) verankert.

Anwendungsfälle des kommunalen Vorkaufsrechts

Die Gemeinde kann ihr Vorkaufsrecht insbesondere in folgenden Fällen ausüben:

  • Bei Grundstücken für öffentliche Zwecke wie Straßen oder Grünflächen
  • In Umlegungsgebieten und Sanierungsgebieten
  • Bei Wohnbauflächen im Außenbereich, die im Flächennutzungsplan entsprechend gekennzeichnet sind
  • In Gebieten für den vorbeugenden Hochwasserschutz
  • Bei Grundstücken mit städtebaulichem oder baulichem Missstand

Voraussetzungen und Ausübung

Die Ausübung des Vorkaufsrechts ist an strenge Voraussetzungen gebunden. Das Wohl der Allgemeinheit muss die Ausübung rechtfertigen. Die Gemeinde muss bei der Ausübung den Verwendungszweck des Grundstücks konkret angeben.

Einschränkungen und Ausschlüsse

Das kommunale Vorkaufsrecht gilt nicht beim Kauf von:

  • Wohnungseigentum nach dem WEG
  • Erbbaurechten
  • Grundstücken, die an nahe Verwandte verkauft werden

Praktische Bedeutung für Käufer und Verkäufer

Wenn Sie ein Grundstück kaufen oder verkaufen möchten, hat das kommunale Vorkaufsrecht folgende Auswirkungen:

Die Gemeinde kann den Kaufpreis auf den Verkehrswert beschränken, wenn der vereinbarte Preis deutlich darüber liegt. In diesem Fall steht dem Verkäufer ein Rücktrittsrecht zu. Nach Abschluss eines Kaufvertrags hat die Gemeinde eine Frist von zwei Monaten, um ihr Vorkaufsrecht auszuüben.


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Wie kann man sich gegen eine rechtswidrige Vorkaufsrechtsausübung wehren?

Wenn die Gemeinde ihr Vorkaufsrecht rechtswidrig ausübt, steht Ihnen der Verwaltungsrechtsweg offen. Der rechtswidrige Bescheid kann mit einer Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht angegriffen werden.

Widerspruchsverfahren

Innerhalb eines Monats nach Zustellung des Vorkaufsrechtsbescheids können Sie Widerspruch bei der Gemeinde einlegen. Der Widerspruch sollte sich auf konkrete Rechtsverstöße stützen, etwa:

  • Fehlende Anhörung vor der Entscheidung
  • Mangelnde Begründung des Allgemeinwohls
  • Fehlerhafte Gemeinderatsbeschlüsse
  • Verletzung von Verfahrensvorschriften

Gerichtliches Verfahren

Bleibt der Widerspruch erfolglos, können Sie Klage beim Verwaltungsgericht erheben. Das Gericht prüft dann die formelle und materielle Rechtmäßigkeit der Vorkaufsrechtsausübung. Bei erfolgreicher Klage wird der Vorkaufsrechtsbescheid aufgehoben.

Einstweiliger Rechtsschutz

In dringenden Fällen können Sie beim Verwaltungsgericht auch einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz stellen. Dies ist besonders wichtig, wenn die Gemeinde bereits Maßnahmen zur Durchsetzung des Vorkaufsrechts ergriffen hat.

Abwendungsvereinbarung

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, mit der Gemeinde eine Abwendungsvereinbarung nach § 27 BauGB zu schließen. Dabei verpflichten Sie sich, das Grundstück entsprechend den städtebaulichen Zielen zu nutzen. Die Gemeinde verzichtet im Gegenzug auf die Ausübung ihres Vorkaufsrechts.


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Welche Bedeutung hat ein Negativzeugnis der Kommune beim Grundstückskauf?

Das Negativzeugnis der Kommune spielt eine entscheidende Rolle beim Grundstückskauf. Es handelt sich um eine schriftliche Bestätigung der Gemeinde, dass sie entweder kein Vorkaufsrecht für das betreffende Grundstück hat oder dieses nicht ausüben möchte.

Funktion des Negativzeugnisses

Die Hauptfunktion des Negativzeugnisses besteht darin, den reibungslosen Eigentumswechsel vom Verkäufer auf den Käufer zu ermöglichen. Wenn Sie ein Grundstück erwerben möchten, benötigen Sie dieses Dokument, damit das Eigentum im Grundbuch umgeschrieben werden kann.

Rechtliche Grundlage

Die rechtliche Basis für das Negativzeugnis findet sich in den §§ 24 bis 28 des Baugesetzbuchs (BauGB). Diese Paragraphen regeln das allgemeine und besondere Vorkaufsrecht der Gemeinden sowie das Verfahren und die Entschädigung.

Beantragung und Ablauf

In der Regel übernimmt der beauftragte Notar die Beantragung des Negativzeugnisses. Er stellt die erforderlichen Unterlagen zusammen und reicht sie bei der zuständigen Gemeinde ein. Zu diesen Unterlagen gehören:

  • Der Kaufvertrag über die Immobilie
  • Namen und Adressen von Verkäufer und Käufer
  • Detaillierte Angaben zum Grundstück (Flurstücknummer, Grundbuchbezeichnung etc.)

Fristen und Kosten

Nach der Antragstellung hat die Gemeinde eine Frist von zwei Monaten, um entweder das Negativzeugnis auszustellen oder ihr Vorkaufsrecht geltend zu machen. Für die Ausstellung des Negativzeugnisses erheben die Kommunen Gebühren, deren Höhe sich nach der jeweiligen Gebührensatzung richtet.

Bedeutung für den Käufer

Für Sie als Käufer ist das Negativzeugnis von großer Bedeutung, da es Rechtssicherheit schafft. Ohne dieses Dokument kann die Eintragung des Eigentumswechsels im Grundbuch nicht vollzogen werden. Stellen Sie sich vor, Sie haben bereits einen Kaufvertrag unterschrieben, aber die Gemeinde macht ihr Vorkaufsrecht geltend – in diesem Fall würde die Gemeinde anstelle von Ihnen in den Kaufvertrag eintreten.

Ausnahmen

Es gibt Situationen, in denen kein Negativzeugnis erforderlich ist. Wenn beispielsweise eine Grundstücksübertragung im Rahmen einer Umstrukturierung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG erfolgt, fällt dies nicht unter die Regelungen des gemeindlichen Vorkaufsrechts.

Durch das Verständnis der Bedeutung des Negativzeugnisses können Sie als potenzieller Grundstückskäufer den Kaufprozess besser einschätzen und mögliche Verzögerungen oder Komplikationen antizipieren.


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Wann liegt eine sittenwidrige Grundbucheintragung vor?

Eine sittenwidrige Grundbucheintragung liegt vor, wenn der zugrundeliegende Grundstücksvertrag gegen § 138 BGB verstößt. Dies ist insbesondere bei einem besonders groben Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung der Fall.

Objektive Voraussetzungen

Ein Grundstückskaufvertrag ist sittenwidrig, wenn der vereinbarte Kaufpreis in einem auffälligen Missverhältnis zum tatsächlichen Verkehrswert steht. Die Rechtsprechung sieht dies als gegeben an, wenn eine Verkehrswertüber- oder -unterschreitung von 90% vorliegt.

Subjektive Voraussetzungen

Für die Sittenwidrigkeit muss zusätzlich mindestens ein weiterer Umstand hinzukommen, der auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten schließen lässt. Wenn Sie einen Grundstückskaufvertrag abschließen, müssen grundsätzlich alle Beteiligten sittenwidrig handeln.

Prüfung durch das Grundbuchamt

Das Grundbuchamt ist berechtigt, die Sittenwidrigkeit des Grundgeschäfts zu prüfen. Wenn es zu der Überzeugung gelangt, dass der Vertrag sittenwidrig ist, darf es:

  • Die Eintragung einer Auflassungsvormerkung verweigern
  • Die Mitwirkung am Vollzug des Vertrags ablehnen
  • Den Eintragungsantrag zurückweisen

Typische Fallkonstellationen

Eine sittenwidrige Grundbucheintragung kann in folgenden Fällen vorliegen:

  • Bei einer ungewöhnlich schnellen und hohen Wertsteigerung innerhalb kurzer Zeit
  • Wenn der Kaufpreis mehr als das Doppelte des tatsächlichen Verkehrswerts beträgt
  • Bei gezielter Schädigung Dritter oder der Allgemeinheit durch das Grundstücksgeschäft

Wenn Sie einen auffällig niedrigen oder hohen Kaufpreis vereinbaren möchten, sollten Sie die Wertermittlung durch einen öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen dokumentieren lassen. Dies kann helfen, den Vorwurf der Sittenwidrigkeit zu entkräften.


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Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.


Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Vorkaufsrecht

Ein gesetzlich geregeltes Vorrecht, ein Grundstück vor allen anderen Kaufinteressenten zu erwerben. Es bedeutet, dass der Vorkaufsberechtigte (hier die Stadt) in einen bereits geschlossenen Kaufvertrag zu den dort vereinbarten Bedingungen eintreten kann. Bei Kommunen ist dieses Recht häufig in Satzungen geregelt und dient städtebaulichen Zwecken. Die rechtliche Grundlage findet sich in §§ 463-473 BGB sowie in speziellen Gesetzen wie dem Baugesetzbuch. Beispiel: Ein Grundstückseigentümer verkauft an Käufer A, die Stadt hat jedoch ein Vorkaufsrecht und kann stattdessen selbst das Grundstück zu denselben Bedingungen erwerben.


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Negativzeugnis

Eine behördliche Bescheinigung, die bestätigt, dass ein Vorkaufsrecht nicht ausgeübt wird. Bei Grundstücksverkäufen in Gebieten mit städtischem Vorkaufsrecht ist dieses Dokument essentiell für die Wirksamkeit des Kaufvertrags. Die rechtliche Grundlage findet sich meist in den jeweiligen kommunalen Satzungen und im Baugesetzbuch. Ohne Negativzeugnis oder nach Ablauf einer bestimmten Frist kann der ursprüngliche Kaufvertrag nicht vollzogen werden. Beispiel: Ein Käufer möchte ein Grundstück erwerben und benötigt von der Stadt eine Bestätigung, dass sie ihr Vorkaufsrecht nicht wahrnimmt.


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Sittenwidrigkeit

Ein Rechtsgeschäft, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt, ist nach § 138 BGB nichtig. Dies erfordert ein besonders verwerfliches Verhalten, das über eine bloße Rechtsverletzung hinausgeht. Alle Beteiligten müssen dabei von den sittenwidrigen Umständen wissen. Beispiel: Ein Vertrag wird bewusst zum Schaden Dritter abgeschlossen oder nutzt eine Zwangslage aus. Im Unterschied zur einfachen Rechtswidrigkeit liegt hier ein qualifizierter Verstoß gegen die Rechtsordnung vor.


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Grundbuchberichtigung

Ein rechtliches Verfahren zur Korrektur unrichtiger Eintragungen im Grundbuch, geregelt in § 894 BGB. Sie dient dazu, den tatsächlichen Rechtszustand mit dem im Grundbuch dokumentierten in Einklang zu bringen. Der Berichtigungsanspruch steht demjenigen zu, dessen Recht durch die falsche Eintragung beeinträchtigt wird. Beispiel: Wenn ein Eigentümer verstorben ist, aber noch im Grundbuch steht, können die Erben die Berichtigung verlangen.


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Pacta sunt servanda

Ein fundamentaler Rechtsgrundsatz, der besagt, dass Verträge einzuhalten sind. Diese Regel ist ein Grundpfeiler des Vertragsrechts und findet sich implizit in § 241 BGB. Sie verpflichtet die Vertragsparteien, ihre vereinbarten Leistungen zu erfüllen und sich vertragstreu zu verhalten. Ein Verstoß kann zu Schadensersatzansprüchen führen. Beispiel: Wenn ein Verkäufer trotz gültigen Kaufvertrags die Immobilie an einen anderen verkauft, verletzt er diesen Grundsatz.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 894 BGB (Berichtigung des Grundbuchs):
    Diese Vorschrift regelt den Anspruch auf Berichtigung des Grundbuchs, wenn der eingetragene Rechtszustand mit der tatsächlichen Rechtslage nicht übereinstimmt. Voraussetzung ist, dass ein unrichtiges Grundbuch vorliegt und der Anspruchsteller nachweist, dass er einen Anspruch auf das eingetragene Recht hat.
    Im vorliegenden Fall begehrt der Antragsteller die Berichtigung des Grundbuchs, da er sich durch die Eintragung der Antragsgegnerin als Eigentümer benachteiligt sieht. Er führt aus, dass die Voraussetzungen für die Eintragung der Antragsgegnerin nicht rechtmäßig erfüllt seien und das Grundbuch daher unrichtig sei.
  • § 24 BauGB (Gesetzliches Vorkaufsrecht der Gemeinde):
    Das Baugesetzbuch gewährt Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen ein gesetzliches Vorkaufsrecht für Grundstücke, insbesondere zur Sicherung der städtebaulichen Entwicklung. Dieses Recht kann durch eine Satzung konkretisiert werden, wenn öffentliche Interessen eine solche Maßnahme erfordern.
    Im Fall wurde das Vorkaufsrecht durch die Antragsgegnerin ausgeübt, was jedoch vom Antragsteller als rechtswidrig beanstandet wird. Er argumentiert, dass das Negativzeugnis nicht ordnungsgemäß erteilt wurde und die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht den städtebaulichen Zielsetzungen entspricht.
  • § 28 BauGB (Negativzeugnis):
    Ein Negativzeugnis bestätigt, dass ein Grundstück nicht dem gesetzlichen Vorkaufsrecht unterliegt oder dieses nicht ausgeübt wird. Es ist notwendig, um den Vollzug eines Grundstückskaufvertrags im Grundbuch zu ermöglichen.
    Im vorliegenden Fall wurde die Erteilung des Negativzeugnisses verweigert, was den Antragsteller daran hinderte, seine Rechte aus dem Kaufvertrag durchzusetzen. Dies führte zur Verzögerung der Umschreibung und zur Anfechtung der Entscheidung der Antragsgegnerin.
  • § 80 Abs. 5 VwGO (Einstweiliger Rechtsschutz):
    Diese Vorschrift erlaubt es, die aufschiebende Wirkung von Klagen gegen behördliche Bescheide wiederherzustellen, wenn die sofortige Vollziehung eine unzumutbare Belastung für den Betroffenen darstellt und Erfolgsaussichten der Klage bestehen.
    Der Antragsteller hat im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes erreicht, dass die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Ausübung des Vorkaufsrechts wiederhergestellt wurde. Dies zeigt, dass die Gerichte die Rechtswidrigkeit der behördlichen Maßnahmen als wahrscheinlich erachten.
  • § 138 BGB (Sittenwidrigkeit von Rechtsgeschäften):
    Rechtsgeschäfte, die gegen die guten Sitten verstoßen, sind gemäß § 138 BGB nichtig. Dies kann sich aus dem Inhalt, Zweck oder den Begleitumständen eines Geschäfts ergeben.
    Der Antragsteller argumentiert, dass die Antragsgegnerin und der Voreigentümer sittenwidrig gehandelt hätten, indem sie die Verweigerung des Negativzeugnisses und die Ausübung des Vorkaufsrechts zum Nachteil des Antragstellers nutzten. Die Gerichte verneinten jedoch die Glaubhaftmachung eines solchen sittenwidrigen Verhaltens.

Das vorliegende Urteil


Landgericht Siegen – Az.: 1 O 298/22 – Beschluss vom 08.12.2022


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