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Dingliches Vorkaufsrecht – Bindung an bestimmte Form der Mitteilung des Vorkaufsfalls

KG Berlin – Az.: 22 U 67/17 – Urteil vom 21.01.2019

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14. Februar 2017 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin, Az.: 29 O 462/16, abgeändert:

Die Klage, wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages zzgl. 10% abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des beizutreibenden Betrages zzgl. 10% leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Parteien streiten über die wirksame Ausübung eines Vorkaufsrechts für eine Liegenschaft in Berlin-Mitte. Der Kläger verkaufte das zu einem Komplex gehörende streitgegenständliche Teilgrundstück neben weiteren mit notariellem Kaufvertrag vom 20.12.1995 (Anlage K 13, i.F. „Kaufvertrag 1995″) an eine GbR. Mit dem Vertrag sollte gemäß dessen § 5 Abs. 1 lit. a) die Errichtung eines Wohn- und Geschäftskomplexes zur Schaffung von öffentlich gefördertem Wohnraum und von Arbeitsplätzen durch die Erwerberin bis Ende 1997 bezweckt werden. Der § 7 Abs. 1 des Vertrages räumte dem Verkäufer ein Vorkaufsrecht an dem Grundstück „für alle Vorkaufsfälle“ ein und bestimmte, dass die Frist für die Ausübung drei Monate beträgt und mit dem Zugang „einer beglaubigten Abschrift des rechtswirksamen Kaufvertrages beim Verkäufer“ beginnt. Im Grundbuch des Amtsgerichts Mitte ist in Abteilung II zugunsten des Klägers ein „Vorkaufsrecht für bestimmte Verkaufsfälle“ unter Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung gemäß § 12 Nr. 3a des Kaufvertrages 1995 eingetragen. Die Vorgängerin der Beklagten erwarb das streitgegenständliche Teilgrundstück im Jahr 1997. Mit notariellem Kaufvertrag vom 22.10.2015 (Anlage K 2, i.F. „Kaufvertrag 2015″) verkaufte die Beklagte das Teilgrundstück – nachdem das Investitionsvorhaben zwischenzeitlich fertiggestellt war – an einen Dritten. Mit Schreiben vom 29.10.2015 (Anlagen B 1 und 2) an das Bezirksamt Mitte von Berlin und vom 14.4.2016 (Anlage B 5) an die Senatsverwaltung für Finanzen (i.F. „SenFin“) forderte der den Kaufvertrag 2015 beurkundende Notar unter Beifügung von Kopien des Kaufvertrages zur Erklärung der Nichtausübung des Vorkaufsrechts auf. Mit Email vom 27.5.2016 teilte ein Mitarbeiter der SenFin der Beklagten mit, dass die B… GmbH (i.F. „Bn“) mit der Durchführung des Grundstücksgeschäfts beauftragt sei. Mit an die Bn gerichtetem Schreiben vom 30.5.2016 (Anlage K 4), dem eine beglaubigte Abschrift des Kaufvertrages 2015 beigefügt war, wiederholte der Notar sodann seine Aufforderung zur Erklärung über das Vorkaufsrecht. Mit Schreiben der Bn vom 23.8.2016 (Anlage K 4) erklärte diese gegenüber der Beklagten die Ausübung des Vorkaufsrechts.

Wegen des Parteivorbringens erster Instanz, der dort gestellten Anträge und des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat durch ein am 14.2.2017 verkündetes Urteil der Klage in vollem Umfang stattgegeben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger das streitgegenständliche Teilgrundstück aufzulassen, die Eintragung des Klägers im Grundbuch als Eigentümer zu bewilligen und zu beantragen sowie die Rechte und Ansprüche aus den streitgegenständlichen Mietverhältnissen abzutreten. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht darauf abgestellt, erst das Schreiben der Beklagten vom 30.5.2016 habe den Anforderungen an eine formgerechte Mitteilung des Vorkaufsfalls i.S.v. § 7 Abs. 1 des Kaufvertrages 1995 genügt, weil den vorangegangenen Schreiben der Beklagten keine beglaubigte Abschrift des Kaufvertrages 2015 beigefügt war. Der Kläger habe das ihm eingeräumte Vorkaufsrecht am 23.8.2016 folglich binnen der vertraglich vereinbarten Frist von drei Monaten ausgeübt.

Gegen das ihr am 28.2.2017 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 22.3.2017 Berufung eingelegt und diese am 27.4.2017 begründet.

Sie ist der Ansicht, das Landgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass es zur Mitteilung des Vorkaufsfalls einer beglaubigten Abschrift des Kaufvertrages bedurfte. Bereits die vorangegangenen Mitteilungen des Vorkaufsfalls durch den Notar seien formgerecht gewesen und hätten die Frist für die Ausübung des Vorkaufsrechts ausgelöst, so dass die Erklärung des Klägers verspätet sei. Dies ergebe sich schon daraus, dass die vertragliche Regelung des § 7 Abs. 1 des Kaufvertrages 1995 keine dingliche Wirkung zulasten der Beklagten entfalte; jedenfalls sei ein etwaiger Formmangel aber gem. § 189 ZPO analog geheilt, zumal die durch den Notar übermittelten einfachen Abschriften des von ihm selbst beurkundeten Kaufvertrages einer beglaubigten Abschrift gleichwertig seien. Außerdem sei mit der Fertigstellung des Investitionsvorhabens auch der Sicherungsgrund für das Vorkaufsrecht weggefallen. Die Beklagte behauptet, der Kläger habe die Ausübung des Vorkaufsrechts gegenüber anderen Eigentümern in Bezug auf andere Teilgrundstücke unterlassen. Daraus folge, dass der Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG der Ausübung des Vorkaufsrechts entgegenstehe. Zudem sei dem Kläger die Ausübung des Vorkaufsrechts nach § 242 BGB versagt, weil das Bezirksamt Mitte und die SenFin entgegen der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Berliner Verwaltung die an sie gerichteten Schreiben aus 2015 nicht an die intern zuständige Bn rechtzeitig weitergeleitet hätten. Die Beklagte behauptet, der Kläger habe auf das Formerfordernis der Übermittlung einer beglaubigten Abschrift des Kaufvertrages 2015 auch verzichtet, weil ein Mitarbeiter des Bezirksamts Mitte einer Mitarbeiterin des beurkundeten Notars telefonisch mitgeteilt habe, dass die Übersendung einer Kopie des Kaufvertrags genüge. Sie behauptet ferner, der Kaufvertrag 2015 sei auch nicht eintrittsfähig, weil es sich um eine gemischte Schenkung handele. Die Beklagte ist zudem der Ansicht, die wirksame Ausübung des Vorkaufsrechts scheitere daran, dass der Eintragungsvermerk im Grundbuch ein Vorkaufsrecht entgegen der vertraglichen Bestimmungen nur für bestimmte Verkaufsfälle einräume.

Die Beklagte beantragt, unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Berlin, verkündet am 14.2.2017, Az.: 29 O 462/16, die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen,

Er ist unter anderem der Ansicht, mit der Frist zur Mitteilung über den Vorkaufsfall gem. § 469 Abs. 2 BGB sei auch deren Beginn disponibel; dieser sei aber an die Form der Übersendung einer beglaubigten Abschrift des Kaufvertrages 2015 geknüpft worden. Diese Vereinbarung aus dem Kaufvertrag 1995 entfalte auch Wirkung zulasten der Beklagten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens im Berufungsverfahren wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

1.

Die Berufung ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt und innerhalb der Frist des § 520 Abs. 2 ZPO hinreichend begründet worden.

2.

Die Berufung hat in der Sache Erfolg.

Eine Berufung kann nach § 513 ZPO darauf gestützt werden, dass die Entscheidung im Sinne des § 546 ZPO auf einer fehlerhaften Anwendung oder der Nichtanwendung einer Rechtsnorm beruht oder die nach § 529 ZPO der Entscheidung zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.

Das Landgericht hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Denn die auf Grundlage des unstreitigen Parteivorbringens gebildete Auffassung, nach welcher der Kläger sein im Grundbuch eingetragenes dingliches Vorkaufsrecht binnen der Frist der §§ 1098 Abs. 1 S. 1, 469 Abs. 2 S. 1, 2 BGB i.V.m. § 7 Abs. 1 S. 2 des Kaufvertrages 1995 rechtzeitig ausgeübt habe, beruht auf einer Rechtsverletzung i.S.v. § 546 ZPO. Insbesondere die Folgerung des Landgerichts, diejenigen Mitteilungen der Beklagten über den Vorkaufsfall, denen jeweils nur einfache Abschriften des Kaufvertrages 2015 beigefügt waren, hätten die dreimonatige Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts nicht in Gang gesetzt, beruht auf einer nicht richtigen Anwendung der §§ 1098 Abs. 1 S. 1, 469 Abs. 2 S. 1, 2 BGB.

a)

Die maßgebliche Frist zur Ausübung des klägerischen Vorkaufsrechts betrug vorliegend gem. § 7 Abs. 1 S. 2 des Kaufvertrages 1995 drei Monate, weil die gesetzliche Frist des § 469 Abs. 2 S. 1 BGB, auf den § 1098 Abs. 1 S. 1 BGB verweist, nach dem ausdrücklichen Wortlaut des § 469 Abs. 1 S. 2 BGB abgeändert werden kann. Zwar ist die Vereinbarung einer längeren Frist nicht zwischen dem Kläger und der Beklagten erfolgt, da Letztere nicht Vertragspartnerin des Kaufvertrages 1995 war. Eine Verdinglichung der veränderten Frist tritt aber dann ein, wenn sie – wie hier – im Grundbuch eingetragen wird, wobei die vorliegend erfolgte Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung genügt (vgl. etwa Böttcher, in: Lemke, Immobilienrecht, 2. Aufl., § 1098 Rn. 9; auch Koller, in: Kölner Formularbuch Grundstücksrecht, 2. Aufl., Kap. 4 Rn. 377; Reetz, in: Ring/Grziwotz/Keukenschrijver, BGB, Sachenrecht, 4. Auflage, § 1098 Rn. 13; aA: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 1094 Rn. 32: Eintragung im Grundbuch zwingend erforderlich).

Der Kläger hat vorliegend sein Vorkaufsrecht nicht binnen der Frist von drei Monaten ausgeübt. Die nach den §§ 186 ff. BGB zu berechnende (vgl. Westermann, in: MüKoBGB, 7. Aufl., BGB § 469 Rn. 6) Frist beginnt gem. § 469 Abs. 2 S. 1 BGB nämlich mit dem Empfang der Mitteilung über das Vorkaufsrecht. Vorliegend hat die BIM die Mitteilung über den Vorkaufsfall durch das durch SenFin im Original weitergeleitete Schreiben des den Kaufvertrag 2015 beurkundenden Notars vom 14.4.2016, dem eine einfache Abschrift des Kaufvertrages beigefügt war, am 9.5.2016 empfangen. Das geht aus der Kurzmitteilung der SenFin an die BIM vom 2.5.2016 (Anlage BK 5) und der Email eines Mitarbeiters der Bn an SenFin vom 27.5.2016 (Anlage BK 6) hervor. Die Frist begann demnach gem. § 187 Abs. 1 BGB am 10.5.2016 um 0 Uhr zu laufen und endete nach § 188 Abs. 2 BGB am 9.8.2016 (einem Dienstag) um 24 Uhr. Die mit Schreiben der Bn vom 23.8.2016 erklärte Ausübung des Vorkaufsrechts war demnach nicht mehr fristwahrend, ohne dass es auf den genauen Tag des Zugangs bei der Beklagten ankommt. Dahinstehen kann folglich auch, ob es zutrifft, dass bereits die an das Bezirksamt Mitte von Berlin und an SenFin gerichteten Schreiben vom 29.10.2015 sowie 14.4.2016 im Zeitpunkt des dortigen Eingangs den Beginn der Frist auslösten, weil sie damit in den Empfangsbereich des Klägers als öffentlich-rechtliche Körperschaft gelangten, wofür allerdings einiges spricht (vgl. in dem Zusammenhang etwa Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 15. September 2006 – 9 B 04.1233 -, juris Rn. 36).

b)

An dem Ergebnis ändert auch nichts, dass der Mitteilung vom 14.4.2016 nur eine einfache Abschrift des Kaufvertrages 2015 beigefügt war. Denn nach einhelliger Meinung bedarf die Mitteilung des Vorkaufsfalls i.S.v. § 469 Abs. 2 S. 1 BGB, die eine Wissenserklärung darstellt, keiner bestimmten Form (s. BGH, Urteil vom 08. April 1959 – V ZR 136/57 -, juris LS 1; OLG Stuttgart, Urteil vom 31. Oktober 2012 – 3 U 18/12 -, juris Rn. 37; Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 77. Aufl., § 469 Rn. 3; Daum in: BeckOGK, 1.10.2018, BGB § 469 Rn. 13-14.1; Saenger, in: Schulze, BGB, 10. Aufl., BGB § 469 Rn. 1, 2; Westermann, in: MüKoBGB, 7. Aufl., BGB § 469 Rn. 3-5; Berger, in: Jauernig, 17. Aufl., BGB § 469 Rn. 1; Wegmann, in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 1098 Rn. 4).

Zwar ist in § 7 Abs. 1 S. 2 des Kaufvertrages 1995 vereinbart worden, dass die dreimonatige Frist mit dem Tag des Zugangs „einer beglaubigten Abschrift des rechtswirksamen Kaufvertrages“ beim Verkäufer beginnt. Die Vereinbarung war für die an dem Kaufvertrag nicht beteiligte Beklagte aber nicht bindend. Denn die Vorschriften der §§ 463 bis 473 BGB über die Ausübung des Vorkaufsrechts und hier insbesondere der § 469 BGB, der die Pflicht des Vorkaufsverpflichteten beschreibt, dem Berechtigten den Inhalt des mit dem Dritten geschlossenen Vertrages über den Verkauf unverzüglich mitzuteilen, gilt für das rechtsgeschäftlich begründete Vorkaufsrecht (vgl. Daum, in: BeckOGK, 1.10.2018, BGB § 469 Rn. 3, 4; Büdenbender, in: NK-BGB, 3. Aufl., BGB § 473 Rn. 5-6). Die Regelungen sind dispositiv und weitgehend der privatautonomen Gestaltung der Vertragsparteien unterworfen (s. Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 77. Aufl., Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 77. Aufl., § 469 Rn. Vor § 463 Rn. 3; Daum, in: BeckOGK, 1.10.2018, BGB § 463 Rn. 1). Das zwischen den Parteien anwendbare dingliche Vorkaufsrecht nach den §§ 1094 ff. BGB stellt hingegen ein eigenständiges (Sachen-)Recht dar und ist vom schuldrechtlichen Vorkaufsrecht streng zu unterscheiden (s. nur BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – V ZB 98/15 -, juris Rn. 17). Beides sind eigenständige Rechtsinstitute, die sich in ihrer Existenz nicht gegenseitig bedingen (Omlor, in: BeckOGK, 15.9.2018, BGB § 1094 Rn. 75). Zwar findet über § 1098 Abs. 1 S. 1 BGB die Vorschrift des § 469 BGB auch auf das dingliche, gegen jeden Eigentümer geltende Vorkaufsrecht Anwendung. Wesentliches Unterscheidungsmerkmal zum obligatorischen Vorkaufsrecht bleibt jedoch die weitgehend zwingende inhaltliche Ausgestaltung des dinglichen Vorkaufsrechts. Deshalb sind die §§ 463 bis 473 BGB, auf die § 1098 Abs. 1 S. 1 BGB verweist, anders als beim schuldrechtlich vereinbarten Vorkaufsrecht beim dinglichen Vorkaufsrecht grundsätzlich zwingend (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – V ZB 98/15 -, juris Rn. 17). Wegen des sachenrechtlichen Typenzwangs darf von den gesetzlichen Vorgaben grundsätzlich nicht abgewichen werden, es sei denn dies ist in den §§ 1094 ff., 463 ff. BGB ausdrücklich vorgesehen (vgl. BGH, Urteil vom 28. Juni 1968 – V ZR 129/67 -, juris Rn. 13; Omlor, in; BeckOGK, 15.9.2018, BGB § 1098 Rn. 2-3.2; Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 1094 Rn. 31; Grziwotz, in: Ermann, BGB, 15. Aufl., § 1098 Rn. 1; Keller, in: Kehe, Grundbuchrecht, 7. Aufl., § 10 Rn. 19; Koller, in: Kölner Formularbuch Grundstücksrecht, 2. Aufl., Kap. 4 Rn. 379; Böttcher, in: Lemke, Immobilienrecht, 2. Aufl., § 1098 Rn. 3; Westermann, in: MüKoBGB, 7. Aufl., BGB § 1098 Rn. 1; Reetz, in: Ring/Grziwotz/Keukenschrijver, BGB, Sachenrecht, 4. Auflage, § 1098 Rn. 2).

Die §§ 463 bis 473 BGB und insbesondere der § 469 BGB, der für die Wissenserklärung des Vorkaufsfalles keine besondere Form bestimmt, sehen eine ausdrückliche Möglichkeit der Abweichung in Bezug auf die Form der Mitteilung jedoch nicht vor. Hätte der Gesetzgeber gewollt, dass (auch mit dinglicher Wirkung) eine strengere Form vereinbart werden kann, hätte er dies in dem von § 1098 Abs. 1 BGB in Bezug genommenen § 469 Abs. 1 BGB – so wie in Hinblick auf die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts in Abs. 2 geschehen – aufnehmen können. Weil dies nicht erfolgt ist, ist davon auszugehen, dass eine Vereinbarung zur Einhaltung einer bestimmten Form der Mitteilung nicht Inhalt des dinglichen Vorkaufsrechts sein kann (so ausdrücklich: Reetz, in: Ring/Grziwotz/Keukenschrijver, BGB, Sachenrecht, 4. Auflage, § 1098 Rn. 2; ebenso Böttcher, in: Lemke, Immobilienrecht, 2. Aufl., § 1098 Rn. 3; Herrler, in: Palandt, BGB, 77. Aufl., § 1098 Rn. 1: „erweiternde abweichende Vereinbarungen unzulässig“; wohl auch Koller, in: Kölner Formularbuch Grundstücksrecht, 2. Aufl., Kap. 4 Rn. 377; Keller, in: Kehe, Grundbuchrecht, 7. Aufl., § 10 Rn. 19; Omlor, BeckOGK, 15.9.2018, BGB § 1098 Rn. 2-3.2; Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2017, § 1094 Rn. 32; Wegmann, in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl., § 1098 Rn. 11; Grziwotz, in: Ermann, BGB, 15. Aufl., § 1098 Rn. 1). Gerechtfertigt wird diese strenge Anwendung der in das Sachenrecht übertragenen Normen des schuldrechtlichen Vorkaufsrechts durch den sachenrechtlichen Typenzwang, der aus Gründen der Rechtsklarheit die Gestaltung der Rechte an Sachen der Privatautonomie weitgehend entzieht (vgl. dazu etwa Gaier, in: Münchener Kommentar zum BGB, 7. Auflage, Einleitung zum Sachenrecht, Rn. 11). In Bezug auf das Vorkaufsrecht bedeutet dies, dass der jeweilige Eigentümer des Grundstücks sich in Hinblick auf die Ausübung des Vorkaufsrechts nur auf die gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Abweichungsmöglichkeiten einstellen muss, nicht aber auf solche, die er womöglich gar nicht kennt oder kennen kann, weil er nicht Partei der hierzu getroffenen Vereinbarung war.

In dem Zusammenhang vertritt der Kläger zwar die Ansicht, das Erfordernis der Übermittlung einer beglaubigten Abschrift des Kaufvertrages gehöre nach der Regelung in § 7 Abs. 1 des Kaufvertrages 1995 zur Bestimmung der dreimonatigen Frist, weil es deren Beginn festlege; mit der Dauer der Frist müssten aber auch Bestimmungen mit dinglicher Wirkung frei vereinbar sein, die Näheres zum Fristlauf regelten, auch wenn die Form der Mitteilung über den Vorkaufsfall selbst davon unberührt bliebe. Dies überzeugt jedoch nicht. Nach dem Wortlaut des § 469 Abs. 2 S. 1 BGB kann das Vorkaufsrecht bei Grundstücken grundsätzlich nur bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Empfang der Mitteilung über den Vorkaufsfall ausgeübt werden. Das Gesetz bestimmt damit die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts auf zwei Monate, während der Beginn der Frist auf den Empfang der Mitteilung i.S.v. § 469 Abs. 1 BGB festgelegt wird. Wenn § 469 Abs. 2 Satz 2 BGB vorsieht, dass an die Stelle der gesetzlichen Frist die durch die Parteien bestimmte Frist tritt, ist nach dem Wortlaut und der Systematik der Norm alleine die Frist, also deren Dauer, gemeint (s. dazu etwa Weidenkaff, in: Palandt, BGB, 77. Aufl., § 469 Rn. 3: „Fristen können vertraglich verlängert oder verkürzt werden“; auch Böttcher, in: Lemke, Immobilienrecht, 2. Aufl., § 1098 Rn. 9; Koller, in: Kölner Formularbuch Grundstücksrecht, 2. Aufl., Kap. 4 Rn. 377). Von dem Beginn der Frist oder der Form der Mitteilung ist in § 469 Abs. 2 Satz 2 BGB nämlich keine Rede, ebensowenig findet ein Verweis auf Abs. 1 von § 469 BGB statt. Auch aus dem Sinn und Zweck der Norm ergibt sich nichts anderes. Im Gegenteil würde eine abweichende Vereinbarung des Fristbeginns zur Unklarheit darüber führen, wann die Frist zu laufen beginnt, nämlich ob mit der formlosen Mitteilung über den Verkaufsfall oder dem zwischen den Parteien vereinbarten Fristbeginn. Das Entstehen von Unklarheiten will der Gesetzgeber jedoch vermeiden. Es kann an dieser Stelle dahinstehen, welche Rechtsfolgen sich für die Parteien des Kaufvertrages 1995 ergäben, wollte man mit der Klägerin davon ausgehen, dass mit dem Erfordernis einer beglaubigten Abschrift des Kaufvertrages nicht die Form der Mitteilung des Vorkaufsfalls, sondern (unabhängig davon) der Beginn der Ausübungsfrist geregelt werden sollte. Denn für das hier maßgebliche dingliche Vorkaufsrecht des Klägers könnte eine solche Regelung angesichts der alleine möglichen Änderung der Länge der Ausübungsfrist jedenfalls keine sachenrechtliche Wirkung zu Lasten der Beklagten entfalten. Es kommt daher in dem Zusammenhang auch nicht darauf an, ob es sich – wie die Beklagte meint – bei den Regelungen des Kaufvertrages 1995 um Allgemeine Geschäftsbedingungen des Klägers handelt und die Festlegung einer strengeren Form der Mitteilung über den Vorkaufsfall nach § 309 Nr. 13 BGB bereits schuldrechtlich unwirksam ist.

An dem Ergebnis ändert auch nichts die vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 21.1.2019 zitierte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 16. November 1970 – VIII ZR 121/69). Denn darin hat der BGH entschieden, dass die Mitteilung vom Eintritt des Vorkaufsfalles nicht Wirksamkeitsvoraussetzung der Ausübung des Vorkaufsrechts ist (BGH aaO, juris Rn 13), d.h. dieses kann auch dann ausgeübt werden, wenn eine Mitteilung nicht erfolgt, aber der Vorkaufsfall bereits eingetreten ist. Daraus ergibt sich allerdings nicht, dass sich die Mitteilung über den Vorkaufsfall (sowie deren Form) und die Ausübung des Vorkaufsrechts nicht bedingten. Denn Folge der unterbliebenen Mitteilung ist nach der Regelung des § 469 BGB nur, dass die Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts nicht zu laufen beginnt (s. dazu auch Westermann, in: MüKoBGB, 7. Aufl., BGB § 469 Rn. 6 ff.). Erfolgt hingegen die Mitteilung, hängt der Beginn der Ausübungsfrist (sachenrechtlich) nicht von der Einhaltung einer bestimmten Form ab.

Ebenso wenig ändert an dem Ergebnis, dass die Eintragung des dinglichen Vorkaufsrechts des Klägers im Grundbuch auf die Eintragungsbewilligung in § 12 Nr. 3 a des Kaufvertrages 1995 Bezug nimmt, und dort auf das Vorkaufsrecht nach § 7 des Vertrages und somit auch auf die vereinbarte Zusendung einer beglaubigten Abschrift des Kaufvertrages verwiesen wird. Denn am Gutglaubensschutz des Grundbuchs nach § 892 Abs. 1 BGB nehmen inhaltlich unzulässige Eintragungen i.S.v. § 53 Abs. 1 S. 2 GBO nicht teil (vgl. BGH, Beschluss vom 04. Dezember 2014 – V ZB 7/13 -, juris Rn. 13; auch Kohler, in: MüKoBGB, 7. Aufl., BGB § 892 Rn. 13). Zu den unzulässigen Eintragungen gehören auch solche, die aus Rechtsgründen nicht bestehen können, weil sie ein dem numerus clausus der Sachenrechte unterliegendes und damit eintragungsfähiges Recht mit einem gesetzlich nicht zulässigen Inhalt oder einer gesetzlich nicht zulässigen Ausgestaltung verlautbaren (BGH, Beschluss vom 06. November 2014 – V ZB 131/13 -, juris Rn. 16; Holzer, in: BeckOK GBO, 34. Ed. 1.12.2018, GBO § 53 Rn. 66). Wird ein Vorkaufsrecht mit einer Ausgestaltung, die nicht mit dinglicher Wirkung vereinbart werden kann, Bestandteil des Grundbuchs, ist die Eintragung daher zu löschen oder auf den wirksamen Teil der Eintragung zu beschränken (BGH, Beschluss vom 13. Oktober 2016 – V ZB 98/15 -, juris Rn. 23; OLG Frankfurt, Beschluss vom 31. Mai 2017 – 20 W 57/17 -, juris Rn. 26 ff.; OLG München, Beschluss vom 15. März 2016 – 34 Wx 3/16 -, juris Rn. 34 ff.). Solche unzulässigen Eintragungen können keine Grundlage für einen guten Glauben sein (BGH, Urteil vom 30. Juni 1995 – V ZR 118/94 -, juris Rn. 24; Kohler, in: MüKoBGB, 7. Aufl., BGB § 892 Rn. 13).

c)

Wegen der außerhalb der dreimonatigen Frist abgegebenen Erklärung ist das dingliche Vorkaufsrecht der Klägerin erloschen. Im Interesse der Schaffung klarer Rechtsverhältnisse handelt es sich nämlich bei § 469 Abs. 2 BGB um eine Ausschlussfrist (s. BGH, Urteil vom 03. Juni 1966 – V ZR 116/65 -, juris Rn. 25). Übt der Vorkaufsberechtigte das Vorkaufsrecht nicht innerhalb der Frist aus, erlischt es (s. BGH, Urteil vom 15. Juni 1960 – V ZR 191/58 -, juris Rn. 16; Westermann, in: MüKoBGB, § 463 Rn. 30; Schermaier, in: Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2013, § 469 Rn. 14; Daum, in: BeckOGK, 1.10.2018, BGB § 469 Rn. 24).

d)

Ob auch die weiteren gegen eine wirksame Ausübung des Vorkaufsrechts vorgebrachten Erwägungen der Beklagten zutreffen, kann nach dem oben Gesagten dahinstehen.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO; diejenige zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt den §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711 ZPO.

4.

Die Revision ist nicht gem. § 574 Abs. 2 ZPO zuzulassen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil nicht erkennbar ist, dass die entscheidungserhebliche Rechtsfrage der dinglichen Wirkung einer Vereinbarung über die Form der Mitteilung des Vorkaufsfalls sich über den Einzelfall hinaus in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellt und deshalb für die Allgemeinheit von besonderer Bedeutung ist (vgl. zu den Kriterien des § 543 Abs. 2 etwa Kessal-Wulf, BeckOK ZPO, 31. Ed. 1.12.2018, ZPO § 543 Rn. 19 ff.; s. in dem Zusammenhang auch BGH, Beschluss vom 15. August 2018 – XII ZB 32/18 -, juris Rn. 3f). Es bedarf auch keiner Aufstellung von Leitsätzen für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen oder der Ausfüllung von Gesetzeslücken, da die fraglichen Normen klar sind und die hierzu vorliegende Kommentarliteratur einhellig ist. Letztlich ist eine Revision auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten, weil es keine erkennbare Rechtsprechung gibt, von der der Senat abweicht.

 

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