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Dienstbarkeitseintragung – Erfordernis der Bestimmtheit

Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 2 Wx 27/20 – Beschluss vom 28.05.2021

Auf die Beschwerde der Beteiligten vom 8. Mai 2020 wird die Zwischenverfügung des Grundbuchamts des Amtsgerichts Meldorf vom 29. April 2020 aufgehoben.

Gründe

I.

Die beteiligte Gemeinde ist seit dem 18. April 2017 Eigentümerin des betroffenen Grundstücks, das ursprünglich im Eigentum der A. AG stand. Sie bestellte, bewilligte und beantragte mit notariell beglaubigter Erklärung vom 9. September 2019 – UR-Nr. … des Notars B. in X. – unwiderruflich an rangbereiter Stelle die Eintragung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit, und zwar lastend nur auf den Flurstücken 1 und 2 jeweils der Flur … der Gemarkung … zu Gunsten des Kreises Y. mit folgendem Inhalt:

„Die Grundstücke dienen den Zielen des Naturschutzes im Sinne von § 1 BNatSchG (BGBl. I 2009, S. 2542) i V. m. § 1 LNatSchG (GVOBl. Schl.-H. 2010, S. 301) und sind für Maßnahmen des Naturschutzes bereitzustellen. Alle Handlungen, mit Ausnahme der Nutzung als Draisinenstrecke im bisherigen Umfang, die dem ungestörten Naturablauf entgegenstehen oder zu einer Zerstörung, Beschädigung oder nachhaltigen Veränderung des Gebietes entgegen den Zielen des Naturschutzes führen können, sind untersagt. Der Eigentümer hat die zu Erreichung des Schutzzweckes erforderlichen Maßnahmen entschädigungslos zu dulden. Vom Kreis beauftragte Personen sind berechtigt, das Grundstück zu betreten (§ 65 BNatSchG i V.m. §§ 48, 49 LNatSchG).“

Mit Schreiben vom 10. September 2019 hat der beglaubigende Notar unter Einreichung der Dienstbarkeitsbestellungsurkunde gemäß § 15 GBO die Eintragung der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit beantragt.

Mit Schreiben vom 16. Dezember 2019 hat das Grundbuchamt beanstandet, dass der Inhalt der beantragten beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zu unbestimmt sei. Es sei anzugeben, welche Handlungen untersagt und welche Maßnahmen zu dulden seien. Das Grundbuchamt hat um Einreichung einer entsprechenden Ergänzungsurkunde gebeten.

Der Notar hat eine Kopie des Zuwendungsbescheides des Kreises Y. vom 1. November 2016 überreicht, aus dem sich auf Seite 4 unter dem 5. Spiegelstrich der Wortlaut der einzutragenden Dienstbarkeit ergibt, und die Auffassung vertreten, wenn der vom Kreis Y. vorgegebene Wortlaut nicht ausreichend sei, müsse das Grundbuchamt mit dem Kreis Y. einen eintragungsfähigen Wortlaut „abstimmen“, damit sowohl der zugrundeliegende Bescheid als auch alle anderen inzwischen erlassenen Bescheide geändert/ergänzt werden könnten. Er hat darauf hingewiesen, dass die Grundbucheintragung bei allen anderen von dem vorgenannten Zuwendungsbescheid betroffenen Grundstücke (… Blatt …) auf der Grundlage einer gleichlautenden Urkunde anstandslos erfolgt sei.

Der Zuwendungsbescheid betrifft die Bewilligung einer Zuwendung in Höhe von 190.000 € zweckgebunden für Grundstücksankäufe zum Zwecke des Naturschutzes im Projektgebiet Draisinenstrecke …-…, darunter zum Ankauf der betroffenen zwei Flurstücke, und für Maßnahmen zum Zwecke des Naturschutzes, auf den Antrag der Beteiligten vom 29. April 2016. Die Bewilligung ist unter näher bezeichneten Nebenbestimmungen erfolgt. Dazu gehört die auf Seite 4 unter dem 5. Spiegelstrich enthaltene Bestimmung, dass zugunsten jedes mit diesem Zuwendungsbescheid geförderten und in das Eigentum des Zuwendungsempfängers übergehenden Grundstücks eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit zugunsten des Kreises Y. mit dem oben zitierten Wortlaut in das Grundbuch einzutragen ist. Aus dem Antrag vom 29. April 2016 ergibt sich, dass es sich bei dem geförderten Projekt und den anzukaufenden Grundstücken um die Bahntrasse der A. AG, Hamburg, auf dem Gemeindegebiet der Beteiligten handelt, die mit einem Bahnentwidmungsverfahren und einer Statusänderung vom aktiven Eisenbahnvermögen in eine kommunale Liegenschaft dem Landesnaturschutzrecht und seinem Schutzregime unterstellt werden sollen.

Nachdem das Grundbuchamt in einer Verfügung vom 27. Februar 2020 an seiner Auffassung festgehalten hat, hat die Beteiligte um einen rechtsmittelfähigen Bescheid gebeten. Mit Zwischenverfügung vom 29. April 2020 hat das Grundbuchamt unter Bezugnahme auf seine vorausgegangenen Hinweise wiederholt, dass der Inhalt der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit zu unbestimmt sei. Der zulässige Inhalt einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit ergebe sich aus § 1090 BGB i. V. mit § 1018 BGB. Der gewählte Wortlaut entspreche nicht dem Bestimmtheitsgrundsatz des Grundbuchs (Verweis auf LG Dortmund Rpfleger 1993, 108). Es hat der Beteiligten zur Beseitigung des Eintragungshindernisses entsprechend der in der Ausgangsverfügung vom 16. Dezember 2019 geforderten Ergänzungsurkunde eine Frist gesetzt.

Gegen diese Zwischenverfügung hat der beglaubigende Notar mit Schreiben vom 8. Mai 2020 Beschwerde eingelegt, mit der er seine bisherigen Ausführungen wiederholt. Es sei nicht nachvollziehbar, dass beim Grundbuchamt unterschiedliche Rechtsauffassungen zur Frage der Bestimmtheit der Dienstbarkeit herrschten. Ergänzend macht er geltend, es sei schlechterdings unmöglich, in einer solchen Dienstbarkeit jede einzelne Handlung aufzuzählen, die erlaubt bzw. verboten sei. Der bisherige Wortlaut sei bestimmt genug, um alle solche Maßnahmen zu untersagen, die dem Naturschutz abträglich seien. Es sei bereits aus Gründen der Praktikabilität unmöglich, Handlungen abschließend aufzuzählen, die erlaubt bzw. verboten seien, weil dies immer dazu führen würde, dass man einzelne Tatbestände nicht aufzähle, vergesse oder übersehe. Bei dem beantragten Inhalt bedürfe die Dienstbarkeit höchstens der Auslegung, gebe dem Inhaber der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit aber die Möglichkeit, einen Gestaltungspielraum zu belassen, um beispielsweise Wartungsmaßnahmen an der Draisinenstrecke zu ermöglichen. Eine Einzelaufzählung sei vor dem Hintergrund der Unzähligkeit der Möglichkeiten überhaupt nicht durchführbar und würde zu einem vollkommen ausufernden Inhalt des Grundbuchs führen.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 27. Mai 2020 aus den Gründen der angefochtenen Zwischenverfügung nicht abgeholfen. Es hat ergänzend ausgeführt, dass der Bestimmtheitsgrundsatz des Grundbuchs erfordere, dass der Inhalt des Rechts klar und eindeutig feststehen müsse. Aus Gründen der Praktikabilität könne hierauf nicht verzichtet werden.

II.

Die im Rahmen der nach § 15 Abs. 2 GBO zu vermutenden Vollmacht des beglaubigenden Notars nach den Umständen nur für die Beteiligte eingelegte Beschwerde, die als einzige von mehreren Antragsberechtigten die Dienstbarkeitsbestellungsurkunde mit dem darin enthaltenen Eintragungsantrag unterzeichnet hat (vgl. zu dieser Konstellation Senatsbeschluss vom 9. Dezember 2009 – 2 W 174/09 -; Demharter, Grundbuchordnung, 32. Aufl., § 15 Rn. 11), ist gemäß § 71 Abs. 1 GBO zulässig und begründet.

1. Gegenstand einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit kann nach § 1090 BGB jede Befugnis sein, die den Inhalt einer Dienstbarkeit nach § 1018 BGB bilden kann. Danach kann die Dienstbarkeit auf die Benutzung des belasteten Grundstücks in einzelnen Beziehungen, auf die Unterlassung gewisser Handlungen auf dem belasteten Grundstück sowie den Ausschluss der Ausübung eines Rechts, das sich aus dem Eigentum an dem belasteten Grundstück ergibt, gerichtet sein. Inhalt einer Dienstbarkeit kann dagegen nicht eine positive Leistungspflicht und auch nicht ein positives Tun des Eigentümers sein (BGH NJW-RR 2003, 733 (735); WM 1985, 1003, 1004; Senat, Beschluss vom 10. Juni 2014 – 2 W 27/14 -).

Die bewilligte Dienstbarkeit hat danach einen zulässigen Inhalt. Die Grundstücke sollen den Zielen des Naturschutzes dienen und für Maßnahmen des Naturschutzes bereitgestellt werden. Die Dienstbarkeit ist zum Zwecke des Naturschutzes auf Unterlassung näher bezeichneter Handlungen gerichtet, nämlich solcher, die dem ungestörten Naturablauf entgegenstehen oder zu einer Zerstörung, Beschädigung oder nachhaltigen Veränderung des Gebietes entgegen den Zielen des Naturschutzes führen. Sie ist ferner auf den teilweisen Ausschluss der Ausübung der Eigentumsrechte der Beteiligten gerichtet, die nämlich alle zu der Erreichung des Schutzzweckes erforderlichen Maßnahmen und das Betreten der Grundstücke durch von der Berechtigten beauftragte Personen zu dulden hat. Insbesondere ist durch die Wortwahl „unterlassen“ und „dulden“ auch eindeutig klargestellt, dass der Grundstückseigentümer nicht etwa durch eigenes aktives Handeln einen den Zielen des Naturschutzes entsprechenden Zustand des Grundvermögens herbeiführen muss.

2. Die Dienstbarkeit genügt auch dem das Sachenrecht und den das gesamte Grundbuchsystem beherrschenden Bestimmtheitsgrundsatz.

Das Bestimmtheitsgebot erfordert, dass der Umfang der Belastung aus der Eintragung selbst oder in Verbindung mit der Eintragungsbewilligung ohne weiteres ersichtlich ist. Der Rechtsinhalt muss aufgrund objektiver Umstände erkennbar und für einen Dritten verständlich sein, so dass dieser in der Lage ist, die hieraus folgende höchstmögliche Belastung des Grundstücks einzuschätzen oder zumindest eine ungefähre Vorstellung davon zu gewinnen, welche Bedeutung die Dienstbarkeit für das Eigentum haben kann (BGH FGPrax 2018, 245Rn. 15; NJW-RR 2015, 208Rn. 19). Die Bestimmtheit des Rechtsinhalts wird nicht dadurch in Frage gestellt, dass über den Inhalt des Rechts möglicherweise ein Rechtsstreit geführt werden muss, denn Unsicherheiten im Einzelfall stehen dem Bestimmtheitserfordernis nicht entgegen. Unbestimmt sind Inhalt und Umfang des Rechts vielmehr dann, wenn die richterliche Auslegung der Grundbucheintragung ergibt, dass der Inhalt der Dienstbarkeit mehrdeutig oder nicht vollständig geregelt ist (BGH NJW-RR 2015, 208Rn. 19; OLG München FGPrax 2019, 111; BayObLGZ 2004, 103 (106); Mohr, MüKo, BGB, 7. Aufl. § 1018 Rn. 13).

a) Welche Handlungen auf dem Grundstück zu unterlassen und welche Maßnahmen zu dulden sind, ist ausreichend bestimmt bezeichnet. Der konkrete Fall ist mit dem vom Grundbuchamt zitierten Beschluss des Landgerichts Dortmund (Rpfleger 1993, 108) nicht vergleichbar, dem ein Sachverhalt zugrunde lag, in dem eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit des Inhalts bestellt worden war, dass das belastete Grundstück nur „in Übereinstimmung mit den Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes“ genutzt werden darf. Im dortigen Fall war bereits zweifelhaft, ob die beschränkt persönliche Dienstbarkeit überhaupt ihrem Inhalt nach zulässig war, weil nur positiv beschrieben wird, was der Eigentümer noch tun darf (Nutzung der Grundstücke in Übereinstimmung mit den Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes), während nach dem Gesetz die Dienstbarkeit auf die Unterlassung von Handlungen auf dem belasteten Grundstück oder den Ausschluss der Ausübung eines sich aus dem Eigentum an dem Grundstück ergebenden Rechts gerichtet sein muss. Überdies war nicht ersichtlich, was genau unter einer Nutzung „in Übereinstimmung mit den Interessen des Natur- und Landschaftsschutzes“ zu verstehen ist, weil die Formulierung zu abstrakt ist und verschiedene Auslegungen zulässt. Sie genügt nach allgemeiner Auffassung nicht dem Bestimmtheitsgebot (LG Ravensburg, Beschluss vom 09. November 1989 – 1 T 280/89 –, juris; Staudinger/Reymann, BGB, Neubearb. 2017, § 1090 Rn. 16; Münch in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 1018 BGB (§ 1018 Rn. 76).

Hier dagegen ist in Satz 1 der Eintragungsbewilligung zunächst klargestellt worden, dass die Grundstücke „den Zielen des Naturschutzes im Sinne von § 1 BNatSchG (BGBl. I 2009, S. 2542) i. V. m. § 1 LNatSchG (GVOBl. Schl.-H. 2010, S. 301)“ dienen und „für Maßnahmen des Naturschutzes bereitzustellen“ sind. Sodann ist konkret geregelt worden, dass alle Handlungen die dem ungestörten Naturablauf entgegenstehen oder zu einer Zerstörung, Beschädigung oder nachhaltigen Veränderung des Gebietes entgegen den Zielen des Naturschutzes führen können, untersagt sind, und der Eigentümer zur Erreichung des Schutzzwecks die erforderlichen Maßnahmen zu dulden hat. Für Dritte ist danach ausreichend erkennbar, dass die bestimmten Unterlassungs- und Duldungspflichten sich auf den in Satz 1 bestimmten Schutzzweck beziehen. Was hier genau mit „Zielen des Naturschutzes“ gemeint ist, ergibt sich aus den in Bezug genommenen Gesetzesbestimmungen.

Die Bezugnahme in einer persönlich beschränkten Dienstbarkeit auf geltende und allgemein zugängliche inländische Gesetzesbestimmungen zur Beschreibung des Rechtsinhalts ist grundsätzlich zulässig (OLG München, a. a. O.; LG München II, Beschluss vom 01. März 2004 – 6 T 3705/03 –, juris) und auch im konkreten Fall unbedenklich.

Die Ziele des Naturschutzes sind in der in Bezug genommenen Vorschrift des § 1 BNatSchG konkret beschrieben, die in Abs. 1 Nrn. 1 bis 3 die grundlegenden Ziele des gegenwärtig geltenden Bundesnaturschutzgesetzes regelt. Gemäß § 1 Abs. 1 BNatSchG sind Natur und Landwirtschaft auf Grund ihres eigenen Wertes und als Grundlage für Leben und Gesundheit des Menschen auch in Verantwortung für die künftigen Generationen im besiedelten und unbesiedelten Bereich nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze so zu schützen, dass 1. die biologische Vielfalt, 2. die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts einschließlich der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter sowie 3. die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der Erholungswert von Natur und Landschaft auf Dauer gesichert sind; der Schutz umfasst auch die Pflege, die Entwicklung und, soweit erforderlich, die Wiederherstellung von Natur und Landschaft (allgemeiner Grundsatz). Die Begrifflichkeiten „biologische Vielfalt“ in Nr. 1 und „Naturhaushalt“ in Nr. 2 sind durch Legaldefinitionen in § 7 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BNatSchG konkret bestimmt, und die Begriffe „Vielfalt, Eigenart und Schönheit von Natur und Landschaft“ in Nr. 3 sind gesellschaftliche Zuschreibungen, die aus sich heraus verständlich sind. Bezüglich des Begriffs „Erholung“ enthält § 7 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG eine Legaldefinition, die auch für die Begrifflichkeit des „Erholungswertes“ in § 1 Abs. 1 Nr. 3 BNatSchG herangezogen werden kann.Die allgemeinen Grundsätze in § 1 Abs. 1 werden in den Absätzen 2 bis 4 in beispielhaften („insbesondere“) Unterzielen näher konkretisiert, nämlich in Bezug auf Nr. 1 in Absatz 2, in Bezug auf Nr. 2 in Absatz 3 und in Bezug auf Nr. 3 in Abs. 4, wo die Nrn. 1 bis 3 durch aufgeführte Maßnahmen zur Herbeiführung der Ziele jeweils näher ausgefüllt werden (Schäfer/Keller in: Düsing/Martinez, Agrarrecht, 1. Aufl., § 1 BNatSchG Rn. 8 ff.). Abs. 5 bestimmt den Flächenschutz durch Unzerschnittenheit der Landwirtschaft und Abs. 6 das Ziel des Freiraumschutzes durch Erhalt und erforderlichenfalls durch Neubeschaffung von Freiräumen im besiedelten und siedlungsnahen Bereich. In § 1 Abs. 1 LNatSchG SH wird der Regelungsgegenstand des Gesetzes unter Bezugnahme auf das in der Dienstbarkeit angeführte Bundesnaturschutzgesetz mit der dort genannten Fundstelle im Bundesgesetzblatt klargestellt und in § 1 Abs. 2 LNatSchG bestimmt, dass über § 1 Absatz 2 BNatSchG hinaus zur dauerhaften Sicherung und Entwicklung der biologischen Vielfalt darauf hinzuwirken ist, dass bei der Nutzung von Natur und Landschaft durch Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft sowie im Rahmen von Freizeitaktivitäten wildlebende Tiere und Pflanzen sowie ihre Lebensgrundlagen nur soweit beeinträchtigt werden, wie es für den beabsichtigten Zweck unvermeidlich ist.

Was mit den Zielen des Naturschutzes im Sinne der Dienstbarkeit gemeint ist, ist durch den Verweis auf § 1 BNatSchG i. V. m. § 1 LNatSchG danach ausreichend bestimmt definiert. Durch die Einsichtnahme in die genannten Vorschriften, deren Fundstelle in den Gesetzesblättern in der Eintragungsbewilligung angegeben wird, können Dritte jederzeit ersehen, was Schutzzweck der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit ist.

b) Wenn im Anschluss an die Beschreibung des Schutzzweckes alsdann als Inhalt der Dienstbarkeit in Satz 2 bestimmt wird, dass alle Handlungen, die dem ungestörten Naturablauf entgegenstehen oder zu einer Zerstörung, Beschädigung oder nachhaltigen Veränderung des Gebietes „entgegen den Zielen des Naturschutzes“ führen können, untersagt sind, ist damit für den Grundbuchverkehr eindeutig ersichtlich, dass damit Handlungen gemeint sind, die im Widerspruch zu den in § 1 BNatSchG i. V. m. § 1 LNatSchG SH definierten Zielen stehen.

Zwar kann es im Rahmen der Auslegung des Gesetzes, welche Handlungen den Zielen des Naturschutzes im Sinne der genannten Regelungen widersprechen und untersagt sind, zu divergierenden Einschätzungen und einem Streit kommen, der gegebenenfalls gerichtlicher Klärung bedarf. Soweit ersichtlich wird indes von niemandem in Frage gestellt, dass die vorgenannten Normen dem aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Bestimmtheitsgebot genügen, das den Gesetzgeber verpflichtet, seine Vorschriften so zu fassen, dass sie den rechtsstaatlichen Anforderungen der Normenklarheit und der Justiziabilität entsprechen. Gesetze müssen so formuliert sein, dass nicht nur die Gerichte in der Lage sind, die Anwendung der betreffenden Rechtsvorschrift durch die Verwaltung zu kontrollieren, sondern auch die von der Norm Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können. Zwar werden in § 1 Abs. 1 BNatSchG teilweise unbestimmte Rechtsbegriffe verwendet. Diese werden aber, wie ausgeführt, durch Legaldefinitionen und Formulierung von Unterzielen näher konkretisiert. Ist danach trotz Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe eine zuverlässige Grundlage für die Auslegung und Anwendung der Vorschrift gegeben, so führen die im Einzelfall möglicherweise bestehenden Schwierigkeiten bei der Beurteilung, ob bestimmte Handlungen im Widerspruch zu den Zielen des Naturschutzes im Sinne von § 1 BNatSchG i. V. mit § 1 LNatSchG SH stehen, nicht zur Unbestimmtheit des unter Bezugnahme auf die Norm definierten Rechtsinhalts.

c) Auch der in Satz 2 geregelte Ausnahmefall ist ausreichend bestimmt. Zwar ist der Verlauf der Draisinenstrecke nicht ausdrücklich dargestellt und auch nicht näher beschrieben worden, wie der bisherige Umfang der Nutzung war.

Beschränken die die Grunddienstbarkeit vereinbarenden Vertragsparteien deren Ausübung auf einen bestimmten räumlichen Grundstücksteil (vgl. § 1023 Abs. 1 BGB), müssen sie diese Ausübungsstelle in der Eintragungsbewilligung räumlich eindeutig bezeichnen (BGH NJW-RR 2019, 273 [274], Rn. 15, m. w. N.). Im Übrigen muss auch das Ausmaß der zulässigen Nutzung ausreichend konkret bestimmt werden (Senatsbeschluss vom 10. Mai 2021 – 2 Wx 88/20 -). Nichts anderes gilt für den hier gegebenen umgekehrten Fall, dass Belastungsgegenstand das gesamte Grundstück für die zu unterlassenden Handlungen ist und hiervon eine Ausnahme für einen bestimmten räumlichen Grundstücksteil vereinbart wird. Auch in diesem Fall muss die Ausübungsstelle, die von dem Handlungsverbot ausgenommen ist, räumlich eindeutig bezeichnet sein und das Ausmaß der zulässigen Nutzung ausreichen konkret bezeichnet sein. Beides ist hier der Fall.

Die Ausübungsstelle wird in diesem Sinne nicht nur dann räumlich eindeutig bezeichnet, wenn die Eintragungsbewilligung auf eine mit ihr verbundene Karte, beispielsweise eine Flurkarte oder eine Skizze, Bezug nimmt, in die die betreffende Stelle eingezeichnet ist. Vielmehr kann sie auch in der Eintragungsbewilligung selbst so genau beschrieben werden, dass sie sich in der Natur ohne Weiteres feststellen lässt, insbesondere durch eine Anknüpfung an Orientierungspunkte im Gelände. Auch auf bereits vorhandene ober- oder unterirdische Anlagen, wie Wege oder Versorgungsleitungen, kann Bezug genommen werden (BGH NJW 1982, 1039, NJW 1969, 502 (503); Senat, a. a. O.; OLG Hamm NJW-RR 2014, 21 (22); OLG Celle OLGR 1995, 277; Palandt/ Herrler, BGB, 80. Aufl., § 1018 Rn. 31; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl., Rn. 1141 f.).

Gegen die Möglichkeit, an vorhandene Anlagen anzuknüpfen, spricht nicht die Gefahr, dass diese später verändert oder entfernt werden und dadurch Beweisschwierigkeiten entstehen können. Denn insofern gilt nichts anderes als in den Fällen, in denen die Ausübungsstelle einer Grunddienstbarkeit unter Bezugnahme auf bestimmte Orientierungspunkte im Gelände beschrieben wird, die ihrer Natur nach wandelbar und veränderlich sind. Unveränderlich muss der zur Beschreibung gewählte Anknüpfungspunkt nämlich nicht sein. So oder so muss bei einem Streit versucht werden, mit den zulässigen Beweismitteln den früheren Zustand zum Zeitpunkt der Bestellung der Dienstbarkeit festzustellen, wenn die zur Beschreibung verwendeten Orientierungspunkte oder Anlagen verändert oder gar nicht mehr vorhanden sind (BGH NJW 1982, a. a. O.; Senat, a. a. O.; OLG Hamm, a. a. O.).

Daran gemessen genügt die in der Eintragungsbewilligung definierte Ausnahme den Anforderungen des sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatzes. Die Formulierung „mit Ausnahme der Nutzung als Draisinenstrecke im bisherigen Umfang“ knüpft in zulässiger Weise an eine bestehende Gleisanlage, nämlich die derzeit bereits vorhandene Draisinenstrecke der alten Marschbahnstrecke zwischen … und … in dem Streckenteil, der sich auf den hier betroffenen Flurstücken befindet, an. Auch das Ausmaß der vom Ausnahmetatbestand umfassten zulässigen Nutzung ist ausreichend bestimmt. Es soll der Eigentümerin weiterhin ermöglicht werden, die – wie allgemein bekannt ist – am 1. Mai 2004 eröffnete Draisinenbahn zwischen … und … auf dem bisherigen Streckenverlauf des betroffenen Grundvermögens wie bisher wirtschaftlich zu nutzen, das heißt Ausflugsfahrten für die Öffentlichkeit mit Fahrraddraisinen (vierrädrigen Eisenbahnfahrzeugen mit fahrradähnlichem Tretantrieb/Segelantrieb) auf den Gleisen der historischen „Marschenbahn“ anzubieten.

d) Ebenso ist die in Satz 3 der Urkunde geregelte Duldungspflicht des Eigentümers ausreichend bestimmt. In Satz 1 ist zum Schutzzweck der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit geregelt, dass das Grundstück „für Maßnahmen des Naturschutzes bereitzustellen“ ist. Aus dem Gesamtzusammenhang des Satzes 1 ergibt sich eindeutig, dass damit Naturschutz im Sinne der in § 1 BNatSchG i. V. mit § 1 LNatSchG SH aufgezählten Ziele gemeint ist. Wenn als Inhalt der Dienstbarkeit sodann bestimmt wird, dass der Eigentümer die zur Erreichung des Schutzzweckes erforderlichen Maßnahmen entschädigungslos dulden muss, kann der Grundbuchverkehr das nur dahin verstehen, dass damit Maßnahmen zur Erreichung der in den in Bezug genommenen Vorschriften geregelten Ziele des Naturschutzes gemeint sind. Während § 1 Abs. 1 BNatSchG eine normative Zielbestimmung ist, aus der sich konkrete Maßnahmen im Einzelfall nicht ableiten lassen (Brinktrine, BeckOK, Umweltrecht, 58. Edition, § 1 BNatSchG Rn. 5 und 7), sind die Absätze 2 bis 4 nicht bloße Zielbestimmungen, sondern normative Konkretisierungen des Abs. 1, die spezifische Maßnahmen für die Zielverwirklichung formulieren (Brinktrine, a. a. O., § 1 BNatSchG Rn. 10 und 14). Dass der Maßnahmenkatalog nicht abschließend ist, wie sich aus der Formulierung „insbesondere“ ergibt, so dass auch sonstige nicht genannte Maßnahmen daneben zulässig sind (Brinktrine, a. a. O., § 1 BNatSchG Rn. 14), macht die Regelung zur Duldungspflicht nicht unbestimmt, weil die Maßnahmen sich innerhalb der in Abs. 1 normierten Ziele des Bundesnaturschutzgesetzes und des Landesnaturschutzgesetzes bewegen müssen.

Dass es im Rahmen der Auslegung der genannten Bestimmungen, welche Maßnahmen zur Erreichung der Ziele des Naturschutzes erforderlich und damit zu dulden sind, zu divergierenden Einschätzungen und einem Streit kommen kann, der unter Umständen gerichtlich geklärt werden muss, ist unerheblich, weil die genannten Gesetzesbestimmungen die Ziele des Naturschutzes aus den bereits genannten Gründen ausreichend bestimmt definieren. Im Gesamtkontext wird hinreichend deutlich, dass es um Maßnahmen des Artenschutzes sowie zum Management von Ökosystemen und zur Wiederherstellung gestörter ökologischer Zusammenhänge entsprechend der normierten Ziele geht.

e) Das in Satz 4 der Urkunde bestimmte Betretungsrecht von vom Berechtigten beauftragten Personen ist eine Duldungspflicht des Eigentümers im Sinne von § 1090 Abs. 1 Alt. 1 BGB. Durch die Bezugnahme auf § 65 BNatSchG i. V. m. §§ 48, 49 LNatSchG SH ist verständlich geregelt, dass dies für die Durchführung von Maßnahmen zur Erreichung des Naturschutzes gilt und vom Kreis Y. beauftragte Personen der Naturschutzbehörde zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben die Grundstücke nach vorheriger Ankündigung auch zum Zwecke der Vornahme von Vermessungen, Bestandserhebungen, Bodenuntersuchungen, Bodenproben und ähnlichen Arbeiten betreten dürfen und in den Fällen der §§ 42 und 43 BNatSchG sowie § 28 LNatSchG SH an Ort und Stelle überprüfen dürfen, ob die Vorschriften und Anforderungen zum Schutz von Tieren wild lebender Art eingehalten werden.

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